Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. Februar 2009
Aktenzeichen: 10 W (pat) 37/06

(BPatG: Beschluss v. 26.02.2009, Az.: 10 W (pat) 37/06)

Tenor

BPatG 152 1. Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Deutschen Patentund Markenamts -Prüfungsstelle für Klasse B 62 J -vom 15. März 2006 aufgehoben und die Sache an das Deutsche Patentund Markenamt zurückverwiesen.

2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I.

Am 8. Februar 2006 reichte der minderjährige Anmelder beim Deutschen Patentund Markenamt per Telefax die Patentanmeldung mit der Bezeichnung "Bremslicht für das Fahrrad" ein. Das Telefax, bestehend aus einer einzigen Seite, enthielt den ausgefüllten Antragsvordruck auf Erteilung eines Patents. Am 15. Februar 2006 ging das Original des Patenterteilungsantrags ein sowie sieben Seiten Beschreibung einschließlich mehrerer Fotographien und Zeichnungen. Eine Einwilligung oder Genehmigung der Eltern wurde nicht vorgelegt.

Das Deutsche Patentund Markenamt -Prüfungsstelle für Klasse B 62 J -hat durch Beschluss vom 15. März 2006 den Anmeldetag auf den 15. Februar 2006 festgesetzt. Zur Begründung ist ausgeführt, dem am 8. Februar 2006 eingegangenen Antrag auf Erteilung eines Patents hätten keine Unterlagen beigelegen, die dem Anschein nach als Beschreibung der Erfindung anzusehen seien. Damit seien die Mindesterfordernisse für eine rechtswirksame Patentanmeldung nicht erfüllt gewesen, was erst durch die am 15. Februar 2006 eingegangenen Unterlagen der Fall gewesen sei.

Hiergegen wendet sich der Anmelder, vertreten durch seine Eltern, mit der Beschwerde, mit der er sinngemäß beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben. Zur Begründung trägt er vor, er habe die Unterlagen bereits nachgereicht.

Auf Nachfrage des Gerichts gibt der Anmelder an, dass er am 28. August 1994 geboren sei.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und insoweit begründet, als sie unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zur Zurückverweisung der Sache an das Deutsche Patentund Markenamt führt, denn das Verfahren vor dem Patentamt leidet an wesentlichen Mängeln, § 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG.

1. Das Patentamt hat durch den angefochtenen Beschluss den Anmeldetag festgesetzt und damit gesondert über den Anmeldetag entschieden, was nach ständiger Rechtsprechung unzulässig ist. Ein Patent kann nämlich nur so erteilt werden, wie es -gegebenenfalls hilfsweise -beantragt ist, wobei der Anmeldetag Teil und Inhalt des Erteilungsantrags ist. Beharrt ein Anmelder auf einem unrichtigen Anmeldetag, ist die Anmeldung insgesamt zurückzuweisen; für eine Vorabentscheidung feststellenden Inhalts allein über den Anmeldetag ist kein Raum (vgl. Senatsbeschluss vom 13. März 2008, BlPMZ 2008, 219 -Brennstoffe, m. w. N.; zuletzt Senatsbeschluss vom 8. Dezember 2008, 10 W (pat) 41/08). Eine isolierte Feststellung des Anmeldetags ist auch in den Fällen weder möglich noch geboten, in denen die Mindesterfordernisse für die Zuerkennung eines Anmeldetags nach § 35 Abs. 2 PatG nicht gleichzeitig, sondern zeitversetzt bzw. nacheinander erfüllt worden sind. Wenn daher das Patentamt einen Fall der zeitversetzten Begründung des Anmeldetags für gegeben ansieht, weil die Mindesterfordernisse nicht sämtlich am Einreichungstag, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt vollständig erfüllt worden sind, muss es dem Anmelder mitteilen, dass es beabsichtige, die Anmeldung mit dem späteren Zeitpunkt als Anmeldetag zu behandeln, sowie darauf hinweisen, dass, falls der Anmelder damit nicht einverstanden sei, die Anmeldung zurückgewiesen werde. Wenn daraufhin zwischen Anmelder und Patentamt Einigkeit besteht, ist die Patentanmeldung ohne weiteres mit diesem späteren Anmeldetag weiter zu behandeln. Wenn keine Einigkeit besteht, d.h. wenn die Erteilung des Patents mit einem Anmeldetag beantragt wird, den das Patentamt nicht zuerkennen kann, ist die Anmeldung zurückzuweisen.

2. Der Anmelder ist zudem in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG verletzt worden. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs gilt im Verfahren vor dem Patentamt nicht nur dort, wo der Anspruch auf rechtliches Gehör ausdrücklich im Patentgesetz noch einmal wiederholt worden ist (§ 42 Abs. 3 Satz 2, § 48 Satz 2 PatG), sondern rechtliches Gehör ist vor allen Entscheidungen, die Rechte Beteiligter berühren können, zu gewähren (vgl Schulte, PatG, 8. Aufl., Einl. Rdn. 227). Diesem Grundsatz ist nicht Rechnung getragen worden. Die Prüfungsstelle hat, nachdem die Beschreibung der Erfindung eingegangen war, sofort Beschluss gefasst, ohne zuvor dem Anmelder Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

3.

Darüber hinaus hat es das Patentamt verfahrensfehlerhaft unterlassen, die mangelnde Prozessfähigkeit des Anmelders zu berücksichtigen. Aus der nachgereichten Beschreibung ist offensichtlich gewesen, dass es sich bei dem Anmelder um einen minderjährigen Schüler handelt, der die für eine Patentanmeldung erforderliche Prozessfähigkeit nicht besitzt (vgl. Schulte, a. a. O., § 34 Rdn. 14; Benkard, PatG, 10. Aufl., § 34 Rdn. 2), sondern gemäß § 1629 BGB der gesetzlichen Vertretung durch seine Eltern bedarf. Ein Prozessunfähiger kann zwar einstweilen entsprechend § 56 Abs. 2 Satz 1 ZPO zur Verfahrensführung zugelassen werden, vor einer Entscheidung in der Sache hätte aber zuerst der Frage nachgegangen werden müssen, ob die gesetzlichen Vertreter zustimmen. Eine bindende Entscheidung in der Sache darf solange nicht ergehen (§ 56 Abs. 2 Satz 2 ZPO).

4.

Bei der Fortsetzung des Verfahrens vor dem Patentamt wird zu beachten sein, dass nicht zu beanstanden ist, dass das Patentamt nicht den Einreichungstag des Telefax (8. Februar 2006), sondern den Einreichungstag der Beschreibung

(15. Februar 2006) als Anmeldetag zugrundelegen will. Von den in § 35 Abs. 2 Satz 1 PatG geregelten Mindesterfordernissen für die Zuerkennung eines Anmeldetags -Name des Anmelders (§ 34 Abs. 3 Nr. 1 PatG), -Antrag auf Erteilung des Patents, in dem die Erfindung kurz und genau bezeichnet ist (§ 34 Abs. 3 Nr. 2 PatG), -Angaben, die dem Anschein nach als Beschreibung anzusehen sind (§ 34 Abs. 3 Nr. 4 PatG), fehlte am Tag der Einreichung des Telefax ersichtlich das letzte Erfordernis. Die Beschreibung ist ausschließlich als Original erst später eingereicht worden, nämlich am 15. Februar 2006. Von "Nachreichung" ist auch in der Beschwerdeschrift die Rede; auch der Anmelder selbst behauptet demnach nicht, dass er die Beschreibung schon als Telefax eingereicht hat.

5. Aufgrund der Verfahrensmängel, ohne die die Einlegung der Beschwerde aller Voraussicht nach hätte vermieden werden können, ist gemäß § 80 Abs. 3 PatG die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.

Schülke Rauch Püschel Pr






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Az: 10 W (pat) 37/06


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