Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. Oktober 2001
Aktenzeichen: 28 W (pat) 150/00

(BPatG: Beschluss v. 10.10.2001, Az.: 28 W (pat) 150/00)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die für die Waren Eßbesteck aus Sterling Silber, versilbert und rostfrei, nämlich Messer, Gabeln, Löffel, Schöpfkellen, Buttermesser und Dessertplatten; Bilderrahmen, Servierplatten, Schüsseln, Eiskübel, Warmhalteplatten, Krüge, Geleetöpfchen, Butterteller, Tabletts, Abfallteller, Fischteller, Kaviarschalen, Wodkaschalen und Saucieren aus Silber und versilbertam 10. Juni 1997 veröffentlichte und am 8. April 1997 eingetragene Marke 397 00 330 RICCI ist Widerspruch aus der IR-Marke 425 373, eingetragen am 16. November 1976, NINA RICCI mit Schutz für Cl.9: Lunettes de soleil et lunettes optiques.

Cl.14: Metaux precieux et leurs alliages; joaillerie, pierresprecieuses, horlogerie et autres instrumentschronometriques.

Cl.18; Cuir et imitations du cuir, peaux, malles et valises, Parapluies, parasols et cannes, fouets, harnais et Sellerie.

Cl.24: Tissus, couvertures de lit et de table, linge de table et de maison, tentures en tissu, draps, rideaux et voilageserhoben worden.

Die Markeninhaberin hat die Einrede der Nichtbenutzung nach § 43 Abs 1 MarkenG erhoben. Die Widersprechende hat darauf Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Benutzung der Marke für "horlogerie" und "joaillerie" für den Zeitraum von Juni 1992 bis 1997 vorgelegt.

Die Markenstelle hat den Widerspruch mangels ausreichender Glaubhaftmachung der Benutzung zurückgewiesen, da insbesondere die eingereichte eidesstattliche Versicherung nicht erkennen ließe, von wem bzw in welcher Eigenschaft die versichernde Person sie abgegeben habe. Es fehle auch eine Aufschlüsselung der Umsatzzahlen. Ferner ließe sich in keiner Unterlage die Anbringung der Marke auf der Ware erkennen.

Hiergegen wendet sich die Widersprechende mit der Beschwerde und legt weitere Unterlagen wie zB Schmuckstücke und Fotos der mit der Marke versehenen Waren vor sowie eine neue eidesstattliche Versicherung, in der die Angaben zu Umsatzzahlen nach Uhren und Schmuckwaren differenziert werden. Sie macht geltend, angesichts der großen Warenähnlichkeit sei ein sehr deutlicher Abstand zwischen den Marken zu fordern, der nicht mehr gewahrt sei. Eßbesteck aus Sterlingssilber gehöre zur Gruppe der Silberwaren und diese seien nach bisheriger Rechtsprechung mit "Uhrgehäusen" und mit "Juwelierwaren" ohne weiteres für ähnlich gehalten worden. Die Marken seien quasi identisch, denn der Name NINA RICCI werde vom Verkehr wegen der besonderen Einprägsamkeit auf RICCI verkürzt. Insofern handele es sich um eine andere Fallkonstellation als in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Verfahren "Rausch/Elfi Rauch". Darüber hinaus sei aufgrund der großen Bekanntheit der Marke NINA RICCI für Waren mit hoher Qualität und luxuriösem Image auch von einem entsprechend großem Schutzumfang auszugehen. Bei einer derartigen Annäherung der Marken müsse aber Verwechslungsgefahr angenommen werden.

Die Widersprechende beantragt, den Beschluß der Markenstelle für Klasse 14 vom 10. März 2000 aufzuheben.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie trägt vor, daß angesichts fehlender bzw äußerst geringer Ähnlichkeit der Waren der Markenabstand ausreichend sei, um eine Verwechslungsgefahr zu verneinen. Selbst wenn man von einer großen Bekanntheit der Widerspruchsmarke ausgehe, so erstrecke sich diese nicht auf die mit dem Widerspruch in Anspruch genommenen Waren, sondern nur auf dem Bereich von Parfüms. Was die Marke betreffe, müsse man von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu "Rausch/Elfi Rauch" ausgehen, wonach der Vorname kein zu vernachlässigendes Zeichenelement mehr sei und im Rahmen des herkunftshinweisenden Gesamteindruck des Zeichens eine Rolle spiele.

Die Parteien haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt.

II Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Auch der Senat ist der Ansicht, daß die Zeichen nicht verwechselbar nach § 9 Abs 1 Mr 2, 42 MarkenG sind.

Bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr ist von der Ähnlichkeit der Waren, der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke und der Ähnlichkeit der Marken auszugehen. Zwischen diesen Faktoren besteht eine Wechselwirkung, so daß ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Zeichen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH GRUR 2000, 506, 508 - ATTACHÉ/TISSERAND).

1. Was die Waren betrifft, gilt folgendes: Eine ausreichende rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke ist lediglich für die Waren "horlogerie" und "joaillerie" glaubhaft gemacht worden. Die auf die Einrede der Nichtbenutzung von der Widersprechenden vorgelegten Unterlagen im Beschwerdeverfahren ergeben in ihrer Gesamtheit gesehen und gewürdigt ein widerspruchsfreies Bild einer nach Art, Zeit und Umfang ernsthaften Benutzung der Marke nur für diese Waren. Insbesondere ist der zeitliche Rahmen des § 43 Abs 1 MarkenG durch die Glaubhaftmachung der Benutzung von 1992 bis 1997 eingehalten. Was die Zahl der verkauften Einheiten und des erzielten Umsatzes betrifft, hat die Widersprechende nunmehr im Beschwerdeverfahren durch die vorgelegte neue eidesstattliche Versicherung die bislang insoweit bestehenden Zweifel ausgeräumt, wobei nunmehr durch Vorlage von Originalwaren bzw Fotos auch hinreichend belegt ist, daß die Widerspruchsmarke auf der Ware angebracht wird.

Es stehen sich somit "Eßbesteck aus Sterlingssilber, nämlich ..." und "Schmuckwaren, Uhren" gegenüber, die noch als ähnlich im Rechtssinne angesehen werden können. Bei der Prüfung der Warenähnlichkeit ist von dem Grundsatz auszugehen, daß eine solche nur angenommen werden kann, wenn der Verkehr Anlaß hat angesichts regelmäßiger Berührungspunkte der Waren hinsichtlich der Herstellungsstätte, Stoffbeschaffenheit und Zweckbestimmung, Verkaufs- und Angebotsstätten, der sich unter Umständen ergänzenden Verwendungszwecke sowie der Marktgegebenheiten davon auszugehen, daß die beiderseitigen Waren unter der Qualitätskontrolle desselben Unternehmens hergestellt werden (EuGH GRUR 1998, 922 - Canon).

Solche Berührungspunkte können bezüglich der Stoffbeschaffenheit "Silber" vorliegen, denn es gibt sowohl Schmuckwaren wie daraus hergestellte Eßbestecke. Dies ist jedoch nicht alleiniges ausschlaggebendes Kriterium der vorgenannten Rechtsprechung. So wird nach den Feststellungen des Senates die Herstellung von Schmuck eher dem Handwerk der Goldschmiede zugeordnet, während die Herstellung von silbernen Eßbestecke einen völlig anderen Fabrikationsvorgang erfordert, was schon allein die Maschinen bei der Herstellung des Rohprodukts als auch beim Veredelungsprozeß angeht. Dies spiegelt sich auch am Markt insofern wieder, als die führenden Unternehmen der Besteckhersteller wie BSF, Wilkens, Robbe und Berking, Auerhahn und WMF sowie weitere Unternehmen wie die Gebr. REINER und die Wellner Silber GmbH nicht mit Silberschmuck auftreten. Auch hinsichtlich eines einander möglicherweise ergänzenden oder konkurrierenden Verwendungszwecks gibt es bei den Waren keine Anhaltspunkte. Der allgemeine Gesichtspunkt der Verschönerung oder des Luxus genügt dem Senat hierfür jedenfalls nicht. Nicht ausschließbar ist aber, daß sich im Vertrieb der Waren Begegnungen ergeben. Die Recherche des Senats sowohl in Warenkatalogen und sonstigen Werbeprospekten wie auch bei testweisen Besuchen in einschlägigen Geschäften in München haben folgendes ergeben: Üblicherweise werden Silberbestecke zwar in Fachgeschäften oder Fachabteilungen von Kaufhäusern für die gehobene Wohnausstattung eines bestimmten Lebensstils angeboten und zwar meist zusammen mit eher anspruchsvollen Haushaltsgegenständen wie Leuchter, Porzellan, Tischwäsche, Möbeln usw, die der Ausstattung der Räume oder der Gestaltung einer Tafel dienen. Doch findet man in gut sortierten Juwelierläden durchaus auch ein Nebeneinander der Waren im Rahmen der Sortimentabrundung. Gleiches gilt im übrigen auch für "Uhren", auch wenn Unternehmen, die Uhren herstellen, regelmäßig nicht mit der Herstellung von Silberbesteck befaßt sind, und zwar selbst dann nicht, wenn sie silberne Uhrengehäuse verwenden. Andererseits werden nach Feststellung des Senates in Uhrengeschäften Silberbestecke zwar eher im Ausnahmefall angeboten, doch lassen diese wenigen Überschneidungen bzw partiellen Beschaffenheitsübereinstimmungen im Ergebnis nicht zu, eine Warenähnlichkeit völlig auszuschließen. Allerdings muß von einer sehr entfernten Warenähnlichkeit ausgegangen werden, so daß der Abstand, den die Marken zur Verneinung einer Verwechslungsgefahr voneinander einzuhalten haben, notwendigerweise nicht sehr groß ist. Diesen Anforderungen werden die Marken vorliegend noch gerecht.

Beim Vergleich der Zeichen auf Markenähnlichkeit ist vom Grundsatz auszugehen, daß bei der Beurteilung der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr auf den Gesamteindruck der jeweiligen Marke abzustellen ist. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um die Beurteilung der jüngeren Marke oder der älteren Widerspruchsmarke handelt. Daß sich die beiden gegenüberstehenden Zeichen nach dem Gesamteindruck sowohl in schriftbildlicher als in klanglicher Hinsicht deutlich unterscheiden, wird von beiden Beteiligten nicht in Abrede gestellt. Allerdings kann auch einem einzelnen Bestandteil einer Marke eine uU besondere, das Gesamtzeichen allein prägende Kennzeichnungskraft beigemessen werden und deshalb bei einer Übereinstimmung einer Bezeichnung mit dem so geprägten Zeichen die Verwechslungsgefahr durchaus zu bejahen sein. Als ein solcher kollisionsbegründender Bestandteil kommt vorliegend nur das Wort RICCI in Frage wie dies die Widersprechende aufgrund der Eigentümlichkeit des Namens für sich in Anspruch nimmt. Dieses Zeichenelement kann jedoch nur dann kollisionsbegründend sein, wenn es allein prägende Wirkung innerhalb der Widerspruchsmarke hat, die für den Verkehr deutlich den Eindruck einer aus Vor- und Familienname zusammengesetzten Namensmarke erweckt. Das würde aber bedeuten, daß der Vorname derart in den Hintergrund tritt, daß der Verkehr ihm keine Bedeutung mehr als mit zum Herkunftshinweis beitragendes Element beimißt. Es besteht zwar nach der Lebenserfahrung eine Neigung des Verkehrs, Bezeichnungen in einer die Aussprechbarkeit und Merkbarkeit erleichternden Weise zu verkürzen, was jedoch nicht uneingeschränkt für den Fall von Namen gilt. Dementsprechend war in der früheren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Verwechslungsgefahr grundsätzlich bejaht worden, wenn - wie im vorliegenden Fall- eine aus Vor- und Familienname zusammengesetzte Namensmarke mit einer Marke zusammentrifft, die mit der Namensmarke nur hinsichtlich des den Familiennamen bildenden Bestandteils identisch oder verwechselbar ähnlich übereinstimmt. Begründet wurde dies damit, daß in einem solchen Fall der den Vornamen bildende Bestandteil der Namensmarke einer eigenständigen Kennzeichnungskraft entbehre, weil insoweit vom Verkehr angenommen werden könne, daß der Träger des Familiennamens gerade den betreffenden Vornamen habe. Diese Rechtsprechung ist indes vom Bundesgerichtshof aufgegeben worden. In der Entscheidung "Rausch/Elfi Rauch" wurde festgestellt, daß der Verkehr jedenfalls auf dem Warengebiet der Klasse 3 daran gewöhnt sei, daß Kennzeichnungen aus einem vollständigen, Vor- und Familiennamen umfassenden Namen bestünden; er werde deshalb erfahrungsgemäß die betreffende Namensmarke so verstehen, wie sie ihm entgegentrete. Dem liegt die Überlegung zugrunde, daß der Name seine Einprägsamkeit auch als Teil der Individualisierung einer Person insgesamt gewinnt, wozu zwangläufig auch der Vorname gehöre. Diese Überlegungen hat der Bundesgerichtshof sodann dahingehend verallgemeinert, daß kein Erfahrungssatz mehr bestehe, daß sich der Verkehr bei Marken, die aus Vor- und Familiennamen bestehen, regelmäßig an dem Familiennamen als prägendem Bestandteil der Marke orientiere (vgl BGH GRUR 2000, 2031, 2032 - Carl Link). Beim Zusammentreffen von Marken, die einerseits aus Vor- und Familienname und andererseits nur aus dem Familiennamen bestehen, kann mithin im Regelfall nicht mehr von einer die Verwechslungsgefahr begründenden Ähnlichkeit der Marken ausgegangen werden, sondern nur noch bei Vorliegen besonderer Umstände. Das kann der Fall sein, wenn der als Vorname verwendete Bestandteil eine auffällige Kennzeichnungsschwäche zB in Folge eines warenbeschreibenden Sinngehalts aufweist. Von einer prägenden Stellung des als Familienname fungierenden Markenbestandteils wird man des weiteren ausgehen können, wenn dieser Bestandteil für den Inhaber der älteren Marke eine besondere Kennzeichnungskraft erlangt hat. Nicht unberücksichtigt bleiben dürfen in diesem Zusammenhang auch die Gepflogenheiten auf dem jeweils angesprochenen Warengebiet.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ergibt sich nach den Feststellungen des Senates zur Verkehrsübung auf dem Warensektor der Schmuckwaren und Uhren vorliegend folgendes Bild: Sowohl auf den Uhren - wie auf dem Schmuckwarensektor bestehen Kennzeichen zwar zum überwiegenden Teil nur aus Familiennamen, aber ein ebenfalls nicht unerheblicher und daher nicht zu vernachlässigender Teil des Marktes bedient sich auch des Vor- und Familiennamens. Aus diesem Grund ist die Annahme gerechtfertigt, daß die überwiegenden Verkehrskreise die Widerspruchsmarke als Gesamtbegriff wahrnehmen und das aus Vor- und Familienname gebildete Kennzeichen in seiner Gesamtheit als betrieblichen Herkunftshinweis verstehen, ohne auf die genaue Individualisierung durch den jeweiligen Vornamen zu verzichten. Damit nimmt der Vorname NINA aber an der Prägung des Gesamteindrucks teil. Zwar mag dieser Vorname mittlerweile im Deutschen häufig vorkommen, aber sein italienischer Ursprung fügt sich harmonisch der Eigentümlichkeit des Nachnamens und damit dem fremdländischen Gesamteindruck des Namens hinzu. Im übrigen ist das Publikum auf den beanspruchten Warengebieten an zahlreiche, dem romanischen Sprachkreis entnommene Namen gewöhnt. Was das jüngere Zeichen betrifft, sieht die Situation auf dem Warensektor insofern anders aus, als dort nur die Verwendung von Familiennamen üblich ist und Vornamen keine Rolle spielen.

Dass schließlich der in der der Widerspruchsmarke verwendete Nachname für die Widersprechende eine besondere Kennzeichnungskraft erlangt habe, läßt sich nicht feststellen. Die von der Widersprechenden behauptete erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke aufgrund ihrer Bekanntheit bspw für Parfüms bezieht sich eindeutig nur auf die Marke als Ganzes und nicht etwa auf den Familiennamen als Markenbestandteil. Aus diesem Grund kann die Frage dahingestellt bleiben, ob eine evtl. erhöhte Kennzeichnungskraft auch auf ähnliche Waren ausstrahlt, denn selbst wenn man der Widerspruchsmarke einen erweiterten Schutzumfang beimessen wollte, so erstreckt sich dieser nur auf die Gesamtmarke. Diese hält vor dem Hintergrund der großen Warenferne, die in Wechselbeziehung zur Markenähnlichkeit zu setzen ist, aber den unter dieser Prämisse immer noch zu verlangenden, wenn auch nicht mehr ganz so geringen Abstand von der jüngeren Marke ein, so daß auch insoweit eine Verwechslungsgefahr ausgeschlossen werden kann.

Bei dieser Sach- und Rechtslage konnte die Beschwerde mithin keinen Erfolg haben. Vielmehr ist der Widerspruch zu Recht zurückgewiesen worden.

Für eine Auferlegung von Kosten aus Billigkeitsgründen (§ 71 Abs 1 MarkenG) sieht der Senat indes keine Veranlassung.

Stoppel Grabrucker Martens Na






BPatG:
Beschluss v. 10.10.2001
Az: 28 W (pat) 150/00


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