Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 31. August 2006
Aktenzeichen: 6 U 174/05
(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 31.08.2006, Az.: 6 U 174/05)
Zum Vertretenmüssen eines Wettbewerbsverstoßes durch Verwendung eines falschen Textbaustein bzw. "Finanzierungsklinker" in einer Werbeanzeige
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 10.10.2005 verkündete Urteil der 7. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Darmstadt teilweise abgeändert.
Es wird festgestellt, dass der Auskunftsantrag, soweit die Klägerin ihn in zweiter Instanz weiterverfolgt hat, in der Hauptsache erledigt ist.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin dadurch entstanden ist und noch entsteht, dass die Beklagte am €.2004 im €A€ (nebst €B€, C€ und €D€) und in der €E€ für zwei TV-Geräte mit einer Monatsrate geworben hat, deren Höhe nicht dem tatsächlichen Teilbetrag der monatlichen Zahlungen entsprechend der angegebenen Laufzeit zur Finanzierung des angegebenen Kaufpreises entsprach.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 520,-- EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.04.2005 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin auf 50% der seitens der Klägerin verauslagten Gerichtskosten Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem Zeitpunkt der Einzahlung bis zur Beantragung der Kostenfestsetzung zu zahlen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des ersten Rechtszugs werden gegeneinander aufgehoben.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil (Bl 70 ff. d.A.) wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.
Mit ihrer Berufung hat die Klägerin die vom Landgericht abgewiesenen Klageanträge weiterverfolgt. Nachdem die Beklagte mit Schriftsatz vom 26.06.2006 zur Auflagenhöhe der beanstandeten Werbung nähere Angaben gemacht hatte (Bl. 134 f. d.A.), hat die Klägerin den Auskunftsanspruch in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Beklagte hat sich dem nicht angeschlossen.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und auch im Übrigen nach den Schlussanträgen der Klägerin in der ersten Instanz zu erkennen, mit der Maßgabe, dass der Klageantrag betreffend die Verzinsung des Gerichtskostenvorschusses lautet: €festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin auf die seitens der Klägerin verauslagten Gerichtskosten Zinsen gemäß § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB seit dem Zeitpunkt ihrer Einzahlung bis zur Beauftragung der Kostenfestsetzung nach Maßgabe der auszuurteilenden Kostenquote zu zahlen€; und mit der weiteren Maßgabe, festzustellen, dass die Klage, soweit sie den noch in zweiter Instanz anhängigen Auskunftsanspruch betrifft, in der Hauptsache erledigt ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, auch soweit die Klageanträge in zweiter Instanz modifiziert worden sind.
Die Parteien wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Ergänzend wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst ihren Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache weitgehend Erfolg.
Der auf Auskunftserteilung gerichtete Klageantrag war in dem Umfang, in dem die Klägerin den Auskunftsanspruch mit ihrer Berufung weiterverfolgt hat, zulässig und begründet. Der Anspruch ist durch die von der Beklagten mit der Berufungserwiderung erteilte Auskunft zur Auflagenhöhe der beanstandeten Werbung erfüllt worden. Demgemäß war auf Antrag der Klägerin die Erledigung des Auskunftsantrags festzustellen.
Bei dem hier geltend gemachten Auskunftsanspruch handelte es sich um einen unselbständigen Hilfsanspruch aus § 242 BGB, der der Klägerin die Bezifferung ihres Schadens ermöglichen sollte. Ein solcher Auskunftsanspruch setzt einen (noch nicht bezifferbaren) Schadensersatzanspruch voraus. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch aus §§ 3, 5, 9 Satz 1 UWG dem Grunde nach zu.
Die Beklagte hat, indem sie in der beanstandeten Werbung die Anzahl der bei einem Ratenkauf zu erbringenden Monatsraten unzutreffend angegeben hat (12 Raten statt richtig 36 Raten), irreführend geworben (§ 5 Abs. 1 und 2 Nr. 2 UWG) und damit eine Wettbewerbshandlung begangen, die geeignet war, den Wettbewerb nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen (§ 3 UWG).
Die Beklagte hat diesen Wettbewerbsverstoß schuldhaft begangen. Zwar hat sie für das Verschulden der Werbeagentur, die einen falschen Textbaustein bzw. €Finanzierungsklinker€ verwendet hat, nicht ohne weiteres einzustehen, da § 8 Abs. 2 UWG nur für den Unterlassungs- und den Beseitigungsanspruch, nicht aber für den Schadensersatzanspruch gilt (vgl. BGH, WRP 2006, 577, 579, Rn 24 € Direktansprache am Arbeitsplatz II). Der Beklagten fällt aber, schon auf der Grundlage ihres eigenen Vorbringens, eigenes Verschulden zur Last. Nach dem Vortrag der Beklagten war auf dem ihr zur Freigabe vorgelegten Korrekturabzug der €Finanzierungsklinker€ nicht enthalten, da dieser unmittelbar vor Drucklegung von der Werbeagentur eingesetzt werden sollte. Diese Handhabung führte dazu, dass die erforderliche Kontrolle durch die Beklagte nur unvollständig erfolgen konnte. Einen anerkennenswerten Grund dafür, sich mit der Vorlage von Korrekturabzügen zu begnügen, die die Werbung nicht so wiedergeben, wie sie erscheinen wird, hat die Beklagte nicht dargetan. Der Hinweis darauf, dass diese Art der Behandlung von Werbeaufträgen bei der Beklagten üblich sei, genügt insoweit nicht.
Durch den Wettbewerbsverstoß wurde eine hinreichende Schadenswahrscheinlichkeit begründet.
Allerdings kann eine hinreichende Schadenswahrscheinlichkeit, vorbehaltlich näherer einzelfallbezogener Darlegungen des Klägers, dann nicht bejaht werden, wenn nach den Umständen des Falles ein kalkulierbarer Schaden von vornherein gänzlich fern liegt. So kann es sich verhalten, wenn eine falsche Herstellerpreisempfehlung im Rahmen der angegriffenen Werbung optisch unauffällig ist und gegenüber einer zutreffend angegebenen, blickfangartig herausgestellten €Preisdifferenz€ in den Hintergrund tritt (vgl. BGH, WRP 2000, 1402, 1404 € Falsche Herstellerpreisempfehlung; siehe aber auch BGH WRP 2000, 1258, 1263 € Filialleiterfehler; WRP 2002, 977, 979 € Scanner-Werbung; WRP 2004, 606, 608 € Fortfall einer Herstellerpreisempfehlung).
Im vorliegenden Fall ist eine hinreichende Schadenswahrscheinlichkeit gegeben. Zwar werden sich die durch die Werbung angesprochenen Verkehrskreise bei einem etwaigen Preisvergleich bzw. bei einer Beurteilung der Preiswürdigkeit eher an dem (zutreffend) genannten Kaufpreis orientieren statt an den angegebenen Finanzierungskomponenten. Die unzutreffende Anzahl der Monatsraten kann aber gleichwohl in relevantem Umfang Kaufinteressenten anlocken, die aufgrund der irreführenden Werbung den Eindruck gewinnen, sie könnten sich das betreffende Gerät ohne größere Schwierigkeiten leisten. Ein entsprechender Irrtum wird im Normalfall vor dem Kauf des betreffenden Geräts aufgeklärt werden; dies ändert aber nichts daran, dass der betreffende Kaufinteressent € ähnlich wie in den Fällen einer unzureichenden Vorratshaltung € in das Geschäft gelockt und damit in eine Situation gebracht wurde, in der seine grundsätzliche Kaufbereitschaft zum Schaden der Mitbewerber gezielt ausgenutzt werden kann. Da die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits in demselben Einzugsbereich ansässig und nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin marktstarke Wettbewerbsteilnehmer sind, begründen die eben dargestellten Wirkungen des Wettbewerbsverstoßes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der Beklagten ein Schaden entstanden ist.
Der von der Klägerin in der ersten Instanz geltend gemachte Auskunftsanspruch ging allerdings zu weit, da er nicht auf die konkrete Werbeaktion beschränkt war.
Die Auslegung des erstinstanzlichen Auskunftsantrags ergibt, dass die Klägerin umfassend Auskunft beansprucht hat, nämlich in demselben Umfang, in dem ihr Unterlassungsanspruch aufgrund einer entsprechenden Begehungsgefahr begründet war (vgl. zur Auslegung von Auskunftsanträgen BGH, WRP 2000, 1258, 1262 € Filialleiterfehler). Dieses Auslegungsergebnis entspricht zum einen dem Wortlaut des Antrags, zumal dieser die Forderung beinhaltete, die Werbung nach Kalendervierteljahren aufzuschlüsseln. Darüber hinaus hat die Klägerin in den Ausführungen zur Begründung ihres Auskunftsbegehrens deutlich gemacht, dass sich ihr Auskunftsantrag nicht nur auf die beanstandeten Wettbewerbsverstöße bezieht (Schriftsatz vom 08.07.2005, Seite 4 / Bl. 44 d.A.). Dies schließt eine einengende Auslegung des Auskunftsantrags aus.
Im Berufungsverfahren hat die Klägerin die Fassung ihres Auskunftsantrags zwar nicht geändert. Sie hat aber in der Berufungsbegründung ausreichend verdeutlicht, dass es ihr, nachdem die Beklagte bezüglich weiterer Verletzungshandlungen ausweislich des angefochtenen Urteils noch im ersten Rechtszug eine Negativauskunft erteilt hatte, nur noch darum geht, die Auflagenhöhe der konkret beanstandeten Werbung zu erfahren.
Ein umfassender, auf mögliche weitere Verletzungshandlungen erstreckter Auskunftsanspruch stand der Klägerin von vornherein nicht zu. In der neueren Rechtsprechung des BGH ist der Auskunftsanspruch in Wettbewerbsstreitigkeiten wiederholt auf die konkret beanstandete Werbeaktion beschränkt worden (vgl. BGH, WRP 2000, 1258, 1262 f. € Filialleiterfehler; WRP 2003, 509, 511 € Preisempfehlung für Sondermodelle; WRP 2004, 606, 608 € Fortfall einer Herstellerpreisempfehlung; WRP 2004, 1017, 1021 € Direktansprache am Arbeitsplatz I; WRP 2006, 577, 579 € Direktansprache am Arbeitsplatz II). Unbeschadet dessen kann es im Einzelfall zweifelhaft sein, wie weit der konkrete Verletzungsfall reicht und ob ein über eine bestimmte Werbeaktion hinausgehendes Auskunftsbegehren noch Teile desselben Verletzungsfalls oder schon andere (ähnliche) Verletzungsfälle zum Gegenstand hat (vgl. auch € allerdings zum Markenrecht: BGH, WRP 2006, 749, 752 ff., insb. Rn 34 f. €Parfümtestkäufe).
Bei der im vorliegenden Fall vorzunehmenden Abgrenzung ist zu berücksichtigen, dass der Wettbewerbsverstoß ersichtlich auf einem Versehen beruhte und dass eine unzutreffende Angabe der Finanzierungskomponenten in der hier vorliegenden Form vernünftigerweise nicht systematisch betrieben werden wird, weil der Werbende hierdurch seine Kundschaft nachhaltig verärgern würde. Die Art des begangenen Verstoßes legt es somit nahe, dass es sich um einen Einzelfall handelte. An dieser Einschätzung ändert nichts, dass zwei Fernsehgeräte beworben wurden, da dies in der gleichen Werbebeilage bzw. dem gleichen €Fortdruck€ geschah und auf derselben Fehlleistung beruhte. Vor diesem Hintergrund fehlt es hinsichtlich weiterer gleichartiger Werbeaktionen auch an einer hinreichenden Schadenswahrscheinlichkeit. Diese beschränkt sich vielmehr auf die konkrete Werbeaktion (vgl. zu diesem Gesichtspunkt auch BGH, WRP 2006, 749, 755 ff., Rn 43 ff. € Parfümtestkäufe; BGH, WRP 2006, 590, 594, Rn 47 € Markenparfümverkäufe).
Soweit es um die konkrete Werbeaktion geht, war der Auskunftsanspruch hingegen € abweichend von der Einschätzung des Landgerichts € begründet, da eine hinreichende Auskunft der Beklagten über die Auflagenhöhe der in Rede stehenden Werbung noch ausstand. Die Klägerin musste sich nicht darauf verweisen lassen, aus der Auflagenstärke des €A€ und der €E€ Rückschlüsse auf die Auflage der beanstandeten Werbebeilage bzw. des beanstandeten Fortdrucks zu ziehen. Sie hatte Anspruch auf eine zuverlässige Information, die ihr die Beklagte unschwer geben konnte. Dass ein eigenständiger Berechnungsversuch der Klägerin nicht einfach gewesen wäre und auch nicht zwingend zum richtigen Ergebnis geführt hätte, belegt die inzwischen erteilte, durchaus differenzierte, Auskunft der Beklagten, mit Stückzahlangaben für das €A€, das €B€, das €C€, das €D€ und die €E (alle Ausgaben außer B Ausgabe €)€.
Festzuhalten bleibt damit, dass der Auskunftsantrag im ersten Rechtszug zu weit gefasst war, was bei der Entscheidung über die Kosten der ersten Instanz zu berücksichtigen ist. Soweit der Auskunftsantrag mit der Berufung weiterverfolgt wurde, nunmehr beschränkt auf die konkrete Werbeaktion, war der Antrag begründet.
Der Schadensersatzfeststellungsantrag ist zulässig, insbesondere besteht ein Feststellungsinteresse. Die Klägerin konnte mangels einer vollständigen Auskunftserteilung ihren Schadensersatzanspruch vor Klageerhebung noch nicht beziffern. Im Verlauf des Berufungsverfahrens, nach Erteilung der Auskunft, wäre eine Bezifferung zwar möglich gewesen. Diese Möglichkeit ließ die Zulässigkeit der einmal erhobenen Feststellungsklage aber nicht mehr entfallen.
Das Feststellungsinteresse fehlt auch nicht deshalb, weil die Klägerin eine Stufenklage hätte erheben können. Der Grundsatz, dass unter dem Gesichtspunkt des Vorrangs der Leistungsklage auch die Möglichkeit einer Stufenklage das Feststellungsinteresse ausschließt, kann auf den Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes nicht ohne weiteres übertragen werden. Vielmehr entfällt im gewerblichen Rechtsschutz einschließlich des Wettbewerbsrechts wegen der in diesem Bereich bestehenden Besonderheiten das rechtliche Interesse an einer Feststellungsklage in der Regel nicht schon durch die Möglichkeit einer Stufenklage (vgl. BGH, WRP 2001, 1164, 1165 f. € Feststellungsinteresse II; WRP 2003, 1238, 1239 € Feststellungsinteresse III). Besonderheiten, die zu einer hiervon abweichenden Beurteilung führen könnten, bestehen im vorliegenden Fall nicht.
Der Schadensersatzfeststellungsantrag ist, wie sich aus den Ausführungen zum Auskunftsanspruch ergibt, begründet, soweit er sich auf die konkrete Werbeaktion bezieht. Die Beschränkung auf die konkrete Werbemaßnahme war durch die vom Klageantrag abweichende Fassung des Urteilstenors klarzustellen. Dies bedeutet keine inhaltliche Abweichung von dem Schadensersatzfeststellungsbegehren im Berufungsverfahren, da sich dieses € richtig verstanden € nach der von der Beklagten insoweit erteilten Negativauskunft nicht mehr auf andere (ähnliche) Verletzungsfälle bezog. Der im ersten Rechtszug ursprünglich gestellte Feststellungsantrag ging allerdings, mit Auswirkungen auf die Streitwertfestsetzung und die Kostenentscheidung, ebenso zu weit wie der ursprüngliche Auskunftsantrag.
Ein Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG steht der Klägerin in Höhe von insgesamt 1.379,80 EUR zu, so dass ihr über die vom Landgericht bereits zuerkannten 859,80 EUR noch weitere 520,00 EUR zuzusprechen waren.
Bei der Berechnung der angefallenen Anwaltsgebühren ist von einem Gegenstandswert in Höhe von 62.500 EUR, so wie im Abmahnschreiben (bzw. dem dort beigefügten Entwurf einer Unterwerfungserklärung) angegeben, auszugehen. Zwar sind die werblichen Auswirkungen des von der Beklagten begangenen Wettbewerbsverstoßes im Hinblick auf das Irreführungspotential nicht übermäßig groß einzuschätzen. Zu berücksichtigen ist aber, dass es sich bei den Parteien um marktstarke Wettbewerber handelt. So belief sich die Gesamtauflage der beanstandeten Werbung auf über 400.000 Stück, was Rückschlüsse auf das Einzugsgebiet der Beklagten erlaubt. Insgesamt gesehen liegen keine ausreichenden Anhaltspunkte vor, die es rechtfertigen könnten, von der Wertangabe der Klägerin, die indizielle Bedeutung für das mit dem Unterlassungsbegehren verfolgte Interesse hat, abzuweichen. Einen Regelstreitwert, der hier zu einer niedrigeren Wertfestsetzung führen könnte, gibt es nach der Rechtsprechung des Senats in Wettbewerbssachen nicht. Auch ist es für den Gegenstandswert einer Abmahnung unerheblich, in welcher Form der Abgemahnte reagiert hat.
Zu beachten ist jedoch, dass die Klägerin mit dem Abmahnschreiben nicht nur die Abgabe einer Unterlassungserklärung verlangt, sondern auch Auskunftserteilung und die Abgabe eines Schadensersatzanerkenntnisses begehrt hat. Von dem mit 62.500 EUR angegebenen Gesamtwert entfielen nach der Einschätzung des Senats, die mit der Streitwertangabe der Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit in Einklang steht, 12.500 EUR auf Auskunft und Schadensersatz sowie 50.000 EUR (80% des Gesamtbetrags) auf das Unterlassungsbegehren.
Die von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin auf 1,5 angesetzte Geschäftsgebühr ist auf einen angemessenen Gebührenansatz von 1,3 zurückzuführen. Die der Abmahnung zugrundeliegende Anwaltstätigkeit war weder umfangreich noch schwierig. Auch wenn man berücksichtigt, dass es sich beim Wettbewerbsrecht um eine Spezialmaterie handelt, so ist doch andererseits zu würdigen, dass es sich im Rahmen des an sich €schwierigen€ Wettbewerbsrechts um einen einfach gelagerten Fall handelte, der nur einen geringfügigen Tätigkeitsaufwand erforderte. Da gemäß Nr. 2300 (früher 2400) RVG-VV eine Gebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war, muss ein über 1,3 hinausgehender Gebührenansatz hier als unbillig abgesehen werden (§ 14 Abs. 1 Satz 4 RVG). Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass nach Inkrafttreten des RVG bei 1,5 die €Mittelgebühr€ liege. Denn die 1,3-Gebühr ist als Normalfallgebühr in die Funktion der früheren Mittelgebühr (7,5/10) gerückt, die bei durchschnittlichen Angelegenheiten nach § 118 BRAGO angesetzt wurde. Schließlich war auch kein Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer einzuholen (§ 14 Abs. 2 Satz 1 RVG), da es im vorliegenden Rechtsstreit um die Erstattung einer Anwaltsgebühr und nicht um den Gebührenanspruch des Rechtsanwalts gegenüber seinem Mandanten geht.
Ausgehend von einem Gesamtwert i.H.v. 62.500 EUR beläuft sich eine 1,3-Geschäftsgebühr auf 1.459,90 EUR; zuzüglich einer Postpauschale von 20 EUR ergibt sich ein Betrag i.H.v. 1.479,90 EUR. Da die Klägerin ihre Auskunfts- und Schadensersatzansprüche im Prozess weiterverfolgt hat, müsste dann jedoch eine teilweise Anrechnung vorgenommen werden (Teil 3, Vorb. 3, Abs. 4 RVG-VV). Ein Teil der Geschäftsgebühr von 0,65 aus einem Wert von 12.500 EUR, das sind 341,90 EUR, wäre auf die im vorliegenden Rechtsstreit entstandene Verfahrensgebühr anzurechnen. Der Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts kann aber im Ergebnis nicht niedriger sein, als er wäre, wenn sich das Abmahnschreiben auf die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs beschränkt hätte. Abzustellen ist daher auf eine 1,3 Gebühr aus 50.000 EUR i.H.v. 1.359,80 EUR, die zuzüglich einer Postpauschale von 20 EUR zu einem Betrag i.H.v. 1.379,80 EUR führt. Dieser Betrag ist durch eine Anrechnung nicht weiter zu reduzieren, weil der Unterlassungsanspruch nicht Gegenstand des Rechtsstreits geworden ist. Da sich die vorgerichtliche Geltendmachung der Auskunfts- und Schadensersatzansprüche somit im Ergebnis nicht auf den erstattungsfähigen Honoraranspruch auswirkt, ist es auch unerheblich, dass diese Folgeansprüche nicht in vollem Umfang begründet waren.
Der von der Beklagten somit geschuldete weitere Zahlungsbetrag i.H.v. 520,00 EUR ist mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu verzinsen. Die Voraussetzungen für eine höhere Verzinsung gemäß § 288 Abs. 2 BGB sind nicht dargetan, da es sich bei dem Erstattungsanspruch nicht um eine Entgeltforderung handelt und die Klägerin auch nicht dargelegt hat, dass ihr ein weitergehender Zinsschaden entstanden sei.
Zum Ersatz des ihr entstandenen Schadens stehen der Klägerin auch Zinsen auf den von ihr geleisteten Prozesskostenvorschuss nach Maßgabe der (auf den ursprünglichen Klageumfang bezogenen) Kostenquote zu. Für den insoweit gestellten Feststellungsantrag ist das Feststellungsinteresse zu bejahen, weil die Klägerin bei Einreichung der Klage weder den Zinsbeginn noch die, von der Streitwertfestsetzung abhängige, Höhe der zu verzinsenden Summe zuverlässig angeben konnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs.1, 92 Abs.1 u. Abs.2 Nr.1, 97 Abs.1 ZPO. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass das Auskunfts- und das Schadensersatzbegehren der Klägerin in erster Instanz zu weit gefasst waren und dass die Klägerin im Berufungsverfahren nur mit einem Teil ihres Zahlungsantrags und damit in verhältnismäßig geringfügigem Umfang unterlegen ist.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO). Maßgebend für die getroffene Entscheidung waren die konkreten Umstände des vorliegenden Einzelfalles, die das Gericht auf der Grundlage anerkannter Rechtsgrundsätze bewertet hat.
OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 31.08.2006
Az: 6 U 174/05
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