Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. August 2006
Aktenzeichen: 10 W (pat) 23/06

(BPatG: Beschluss v. 24.08.2006, Az.: 10 W (pat) 23/06)

Tenor

1. Auf die Beschwerde wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Patentabteilung 1 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. Dezember 2005 dahingehend abgeändert, dass dem Antragsteller über den dort festgesetzten Betrag von 320,78 € hinaus weitere 468,- € nebst Mehrwertsteuer von 16 % (= 74,88 €), mithin weitere 542,88 € zu erstatten sind.

2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I.

Der zunächst nicht anwaltlich vertretene Anmelder reichte im Juli 1996 beim Patentamt eine Patentanmeldung mit der Bezeichnung " ...

" ein. Im Mai 1997 gewährte das Patentamt ihm antragsgemäß Verfahrenskostenhilfe.

Mit Schriftsatz vom 27. Juli 1998, eingegangen am 29. Juli 1998, erklärte der Antragsteller, dass er mit der Beiordnung als Patentanwalt im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe einverstanden sei. Im selben Schriftsatz teilte er außerdem mit, dass sich die Adresse des Anmelders geändert habe, gab die neue Adresse an und bat, diese in den Akten und in der EDV zu übernehmen. Dies veranlasste das Patentamt am 4. August 1998 zu einer Umschreibungsverfügung, in der die Änderung des Wohnortes des Anmelders vermerkt wurde. Mit Wirkung vom 29. Juli 1998 ordnete das Patentamt dem Anmelder antragsgemäß den Antragsteller als Vertreter bei. Die Bibliographie-Mitteilung vom 20. Oktober 1998 wies erstmalig den Antragsteller als Vertreter aus.

Am 13. Februar 1999 stellte der Antragsteller für den Anmelder den Prüfungsantrag. Auf einen Prüfungsbescheid vom 22. September 2000 erwiderte der Antragsteller für den Anmelder - nach zahlreichen Gesuchen um Fristverlängerung - mit Schriftsatz vom 21. August 2002. Daraufhin wurde durch Beschluss vom 18. Dezember 2002 das Patent erteilt. Am 7. Juni 2003 legte der Antragsteller die Vertretung des Anmelders nieder. Mit Schriftsatz vom 17. März 2004 reichte er eine Kostenrechnung über insgesamt 873,71 € beim Patentamt ein.

Durch Kostenfestsetzungsbeschluss vom 16. Dezember 2005 hat die Patentabteilung 1 des Deutschen Patent- und Markenamts die zu erstattenden Kosten auf 320,78 € festgesetzt. Zur Begründung ist - unter Bezugnahme auf einen vorangegangenen Zwischenbescheid - ausgeführt, die 13/10 Gebühr für das Anmelde- und Offensichtlichkeitsverfahren gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 VertrGebErstG könne nicht erstattet werden, da der Vertreter in diesen Verfahrensabschnitten nicht mitgewirkt habe und erst nach Stellung des Prüfungsantrages vom 13. Februar 1999 tätig geworden sei.

Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde und trägt zur Begründung vor, er sei unstreitig vor Wirksamwerden des Prüfungsantrags beigeordnet worden. Für das Fälligwerden der Gebühr nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 VertrGebErstG sei ausreichend, wenn entweder das Offensichtlichkeitsverfahren oder das Patentanmeldeverfahren noch anhängig sei; es könne daher dahingestellt bleiben, ob das Offensichtlichkeitsverfahren bereits abgeschlossen sei oder nicht. Ferner verweist der Antragsteller auf den Senatsbeschluss vom 6. Mai 2002 im Verfahren 10 W (pat) 48/01. Diesem Beschluss liegt ein paralleler Sachverhalt zu Grunde, bei dem der hiesige Antragsteller dem hiesigen Patentinhaber ebenfalls als Vertreter beigeordnet worden war.

Der Antragsteller beantragt, den Kostenfestsetzungsbeschluss im Umfang der Beschwer aufzuheben und ihm für das Anmelde- und Offensichtlichkeitsverfahren gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 VertrGebErstG eine 13/10 Gebühr zuzusprechen, sowiedie Beschwerdegebühr zu erstatten.

II.

Die Beschwerde ist gemäß § 7 Nr. 2 Vertretergebühren-Erstattungsgesetz (VertrGebErstG) i. V. m. §§ 62 Abs. 2 Satz 4, 73 PatG zulässig und begründet. Denn dem Antragsteller steht die begehrte 13/10 Gebühr gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 VertrGebErstG zu.

Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 VertrGebErstG (i. d. F. vom 16. Juli 1998) steht dem Vertreter für die Anmeldung eines Patents und im Verfahren nach § 42 PatG eine 13/10 Verfahrensgebühr zu. Für die Entstehung dieser Gebühr ist nicht erforderlich, dass ein Vertreter sowohl bei der Anmeldung als auch im Verfahren nach § 42 PatG mitgewirkt hat (vgl. BPatG BlPMZ 1996, 459). Diesem bisher in der Praxis schon vorherrschenden Gesetzesverständnis hat der Gesetzgeber durch die mit Wirkung vom 1. Januar 2002 erfolgte Ersetzung des Wortes "und" durch "oder" in § 2 Abs. 2 Nr. 1 Rechnung getragen (vgl. Art. 13 des Gesetzes zur Bereinigung von Kostenregelungen auf dem Gebiet des geistigen Eigentums vom 13. Dezember 2001, BlPMZ 2002, 14 ff., 29).

In ständiger Rechtsprechung wird demnach die in § 2 Abs. 2 Nr. 1 VertrGebErstG enthaltene Formulierung "für die Anmeldung eines Patents und im Verfahren nach § 42 PatG" als Bezeichnung eines Verfahrensabschnitts verstanden, nämlich als Bezeichnung des Anmeldeverfahrens bis zum Beginn des Prüfungsverfahrens, das dann Gegenstand der Gebühr nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 VertrGebErstG ist. Der Vertreter erhält die Gebühr nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 VertrGebErstG dann nicht, wenn er erst nach Stellung des Prüfungsantrags tätig geworden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 5. Dezember 2002 im Verfahren 10 W (pat) 32/02, BlPMZ 2003, 242, 243 f. m. w. N.).

Im vorliegenden Fall liegt zwar die überwiegende Tätigkeit des Vertreters zeitlich nach Beginn des Prüfungsverfahrens, das durch den am 13. Februar 1999 wirksam gestellten Antrag eingeleitet worden ist, aber der Antragsteller ist nicht ausschließlich im Prüfungsverfahren tätig geworden, denn eine, wenn auch nur geringe, Tätigkeit ist auch im vorhergehenden Verfahrensabschnitt festzustellen. Die Beiordnung ist mit Wirkung vom 29. Juli 1998, also einige Monate vor Beginn des Prüfungsverfahrens erfolgt. Die bloße Beiordnung als solche, ohne dass zugleich ein Tätigwerden in irgendeiner Form dargetan wird, reicht allerdings für die Verwirklichung des Gebührentatbestandes nicht aus, denn wie sich auch aus § 6 VertrGebErstG ergibt, erhält der Vertreter die Gebühren für seine Tätigkeit. Am 29. Juli 1998, dem ersten Tag der Beiordnung, hat der Antragsteller aber nicht nur sein Einverständnis mit der Beiordnung erklärt, sondern gleichzeitig eine Adressenänderung des Anmelders mitgeteilt, mit der Bitte, dies in der Akte und in der EDV zu vermerken. In dieser Mitteilung hat konkludent ein Antrag auf Änderung des Wohnortes des Anmelders im Register gemäß § 30 Abs. 3 Satz 1 PatG gelegen, dem das Patentamt mit seiner Umschreibungsverfügung vom 4. August 1998 nachgekommen ist. Diese Mitteilung ist, auch wenn sie nur mit einem sehr geringen Aufwand verbunden sein mag, als Tätigkeit im Sinne des Vertretergebühren-Erstattungsgesetzes anzusehen. Im Einzelnen kann hierzu auf die Begründung des im Parallelverfahren 10 W (pat) 48/01 ergangenen Senatsbeschlusses verwiesen werden.

Der Antrag auf Kostenerstattung ist daher auch in Höhe der 13/10 Gebühr gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 VertrGebErstG nebst der in der Kostenberechnung geltend gemachten Mehrwertsteuer (vgl. insoweit auch LArbG Rheinland-Pfalz JurBüro 1997, 29) begründet.

Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr war gemäß § 80 Abs. 3 PatG anzuordnen, weil beim Erlass des angefochtenen Beschlusses die genannte Senatsentscheidung vom 6. Mai 2002 nicht beachtet worden ist.






BPatG:
Beschluss v. 24.08.2006
Az: 10 W (pat) 23/06


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