Bundesgerichtshof:
Urteil vom 9. November 2010
Aktenzeichen: X ZR 67/05
(BGH: Urteil v. 09.11.2010, Az.: X ZR 67/05)
Tenor
Die Berufung gegen das am 16. Februar 2005 verkündete Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Der Beklagte ist Inhaber des am 25. September 1986 angemeldeten, mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 261 267 (Streitpatents), das einen Stangenverschluss für Blechschranktüren betrifft. Das Streitpatent umfasst 14 Ansprüche. Patentanspruch 1 lautet in der allein angegriffenen zweiten Alternative des kennzeichnenden Teils:
"Stangenverschluss für Montage in einem oder zwei rechteckigen Durchbrüchen (32, 34) von Blechschranktüren (12), bestehend aus einem Schloss (16) mit einem Schlüsselfang oder Schlüsselschild und mit in einem Antrieb-/Ritzel- und Stangenlager (60) drehbar gehaltenen Ritzel oder mit einer ein Ritzel tragenden, in dem Lager (16) drehbar gehaltenen Schlossnuss, welche Schlossnuss bzw. Ritzel mittels durch das Türblatt (12) nach außen geführter Betätigungseinrichtung, wie Griff, Schwenkhebel, Steckschlüssel oder dgl. drehbar ist, und aus einer einzigen, sich in beide Türkantenrichtungen erstreckenden, in der Mitte gekröpften, umsetzbaren Stange (18 in Figur 6, 7, 9 und 11) oder aus zwei demgegenüber kurzen, sich im Wesentlichen nur in einer der Türkantenrichtungen erstreckenden, gegenläufigen und am Ende gekröpften Stangen (18 in Figur 10 und 30), wobei die Stange oder die Stangen entlang ihrer Längsachse symmetrisch ausgebildet sind und eine Zahnung (66) oder Perforation (66) zum Eingriff der Zähne des Ritzels im Bereich des Schlosses (16) besitzen und in diesem Bereich sowie an zumindest einer Stelle außerhalb des Schlosses (16) am Türblatt (12) verschieblich gelagert sind, und aus am Türrahmen bzw. Stange angebrachten Verriegelungseinrichtungen (38, 46), die bei Verschiebung der Stange miteinander in Eingriff treten, wobei das Antrieb-/Ritzel- und Stangenlager (60 in Figur 1) des Stangenverschlussschlosses (16) ein vom Schlüsselfang oder Schlüsselschild gebildetes ein- oder zweiteiliges Basisteil (z.B. 68 in Figur 3; 268 in Figur 19; 368 in Figur 20) und ein auf das Basisteil (z.B. 68) aufsetzbares und mit diesem mittels Schrauben und dgl. verbindbares Kappenteil (70 in Figur 3; 170 in Figur 20; 670 in Figur 31) aufweist, das zusammen mit dem Basisteil (z.B. 68) zwei wahlweise belegbare Führungsschlitze (74, 76 in Figur 2) für die Stange(n) (18) bildet, dadurch gekennzeichnet,
- dass das Basisteil eine Schulter (92) trägt, die im Bereich des Durchbruchs an der Außentürfläche anliegt,
- dass ein Sockel am Basisteil den Durchbruch durchragt,
- dass das Basisteil (z.B. 368 in Figur 20; 668 in Figur 31) zweiteilig und aus einem Schlüsselfangteil (144 in Figur 20; 644 in Figur 31) mit der Schulter (92) und aus einem Lagerteil (146 in Figur 20; 646 in Figur 31), das zusammen mit dem Kappenteil (170 in Figur 20; 670 in Figur 31) die Führungsschlitze für die Stange(n) bildet, ausgebildet ist,
- dass das Ritzel (62) an einer Seite im Kappenteil (z.B. 170) und an der anderen Seite im Lagerteil (z.B. 146) gelagert ist,
- dass an Kappenteil (170) und Lagerteil (146) eine gemeinsame zentrierende Steckverbindung ausgebildet ist,
- dass das Lagerteil (146) mit einer dem Schlüsselfangteil (z.B. 144) des Basisteils (z.B. 368) zugewandten Stirnfläche im Bereich des Durchbruchs (32) an der Innentürfläche anliegt,
- dass das Kappenteil (170) und das aufgesteckte Lagerteil (146) gemeinsam mittels beide durchdringender Schrauben (72) am Schlüsselfangteil (144) des Basisteils (368) befestigt sind,
- dass vom Boden des Kappenteils (170) und, spiegelbildlich dazu, von einem Boden des Lagerteils (146) zwei parallele längere und zwei dazu senkrechte kürzere Seitenwände ausgehen und im montierten Zustand zusammen mit den Böden die beiden wahlweise belegbaren Führungsschlitze für die Stange(n) (18) bilden, und - dass die Zahnung in Form einer einzigen entlang der Längsachse verlaufenden Perforation (66) ausgebildet ist."
Wegen der unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 14 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
Mit ihrer Teilnichtigkeitsklage hat die Klägerin geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei bezüglich der angegriffenen zweiten Alternative des Anspruchs 1 nicht patentfähig, weil er insoweit nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe. Gleiches gelte für die Unteransprüche 2 bis 5 sowie 8 bis 14 im Umfang ihres Rückbezuges auf Patentanspruch 1 in seiner zweiten Alternative.
Das Patentgericht hat die Klage abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihren Klageantrag weiter verfolgt.
Der Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen und verteidigt das Streitpatent hilfsweise in der Fassung von zwei Hilfsanträgen.
Im Auftrag des Senats hat Prof. Dr.-Ing. B. , Institut für Kon- struktionstechnik und Technisches Design, Universität S. , ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.
Gründe
I. Die Nichtigkeitsklage ist, auch nachdem das Streitpatent durch Ablauf erloschen ist, zulässig. Die Klägerin, die wegen Verletzung des Streitpatents gerichtlich in Anspruch genommen wird, hat aus diesem Grund weiterhin ein Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag auf seine Nichtigerklärung im angegriffenen Umfang (st. Rspr., vgl. Senat, Urteil vom 24. April 2007 - X ZR 201/02, GRUR 2008, 90 - Verpackungsmaschine; Urteil vom 16. Oktober 2007 - X ZR 226/02, GRUR 2008, 60 - Sammelhefter II; BGH, Urteil vom 30. April 2009 - Xa ZR 92/05, BGHZ 182, 1 - Betrieb einer Sicherheitseinrichtung).
II. 1. Das Streitpatent betrifft einen Stangenverschluss für Blechschranktüren. Derartige Stangenverschlüsse, bei denen sich die Schubstangen durch besondere Ausgestaltung ihres Mittelteils oder ihrer Enden sowohl für links wie auch für rechts angeschlagene Schaltschranktüren verwenden lassen, sind nach der Streitpatentbeschreibung aus der deutschen Offenlegungsschrift 34 07 700 A1 bekannt. An dem dort offenbarten Vorschlag bemängelt die Streitpatentschrift, dass die Schubstangen, wenn die Verzahnung nicht bis zum Stangenende weitergeführt sei oder sich sonstige Hindernisse beim Durchschieben ergäben, nicht auf einfache Weise bei bereits vormontiertem Schloss gewechselt werden könnten. Vielmehr müsse unter Entfernung einer Abdeckkappe und eines Sicherungsringes vorher das Ritzel in umständlicher Weise demontiert werden, damit dann die Stangen in gewünschter Weise herausgenommen und gewechselt werden könnten. Ein weiterer Nachteil bestehe darin, dass das Ritzel nur einseitig gelagert sei. Dies führe zu erhöhter Belastung des Lager- und Ritzelmaterials, weshalb unter Umständen auch keine einfachen Kunststoffe für diese Bauteile verwendet werden könnten.
2. Die Beschreibung des Streitpatents formuliert - von Lösungselementen entkleidet - als zu lösende Probleme, einen Stangenverschluss von Blechschranktüren nach der aus dem Stand der Technik bekannten Art derart weiterzubilden, dass er weiterhin rechts und links in einer Tür verwendet werden kann und die Schließ- und Öffnungsrichtung des Schlosses frei bestimmbar bleibt, gleichzeitig aber eine nachträgliche Änderung ohne umständliche Demontagearbeiten ermöglichen soll. Dabei sollen einzelne Bauteile auch aus einfachen Kunststoffmaterialien hergestellt werden können, ohne dass Stabilitätsprobleme auftreten. Weiterhin sollen reibungserhöhende Verkantungen der Schubstangen auszuschließen sein und schließlich soll eine Vereinfachung der Lagerhaltung für die Bauteile des Stangenverschlusses erreicht werden.
3. Hierzu soll durch die zweite Alternative des Patentanspruchs 1 in der hauptsächlich verteidigten Fassung ein Stangenverschluss mit folgenden Merkmalen zu Verfügung gestellt werden:
Stangenverschluss 1. für Montage in einem oder zwei rechteckigen Durchbrüchen von Blechschranktüren 2. bestehend aus 2.1 einem Schloss 2.1.1 mit Schlüsselfang [oder Schlüsselschild], 2.1.2.1 und mit Ritzel, das in einem Antriebs-/Ritzel- und Stangenlager drehbar gehalten ist, oder 2.1.2.2 mit einer ein Ritzel tragenden, in dem Lager drehbar gehaltenen Schlossnuss, welche Schlossnuss bzw. Ritzel - mittels durch das Türblatt nach außen geführter - Betätigungseinrichtung wie Griff, Schwenkhebel, Steckschlüssel oder dergleichen drehbar ist, 2.2.1 und aus einer einzigen, sich in beide Türkantenrichtungen erstreckenden, in der Mitte gekröpften, umsetzbaren Stangeoder aus 2.2.2 zwei demgegenüber kurzen, sich im Wesentlichen nur in einer der Türkantenrichtungen erstreckenden, gegenläufigen und am Ende gekröpften Stangen, 2.2.3 wobei die Stange oder die Stangen 2.2.3.1 entlang ihrer Längsachse symmetrisch ausgebildet sind, 2.2.3.2 eine Zahnung zum Eingriff der Zähne des Ritzels im Bereich des Schlosses besitzen, die in Form einer einzigen, entlang der Längsachse verlaufenden Perforation ausgebildet ist, 2.2.3.3 in diesem Bereich sowie an mindestens einer Stelle außerhalb des Schlosses am Türblatt verschieblich gelagert sind, 2.3 und aus an Türrahmen bzw. Stange angebrachten Verriegelungseinrichtungen, 2.3.1 die bei Verschiebung der Stange miteinander in Eingriff treten, wobei 3. das Antriebs-/Ritzel- und Stangenlager des Stangenverschlussschlosses 3.1 ein zweiteiliges Basisteil und 3.2 ein auf das Basisteil aufsetzbares und mit diesem mittels Schrauben und dgl. verbindbares Kappenteil aufweist, 4. und das zweiteilige Basisteil 4.1 aus einem Schlüsselfangteil mit einer Schulter, 4.1.1 die im Bereich des Durchbruchs an der Außentür anliegt, 4.2 und aus einem Lagerteil gebildet ist, 5. und ein Sockel am Basisteil den Durchbruch durchragt, und wobei 6. das Lagerteil an der Innentürfläche anliegt, und zwar mit einer dem Schlüsselfangteil des Basisteils zugewandten Stirnfläche im Bereich des Durchbruchs, 7. an Kappenteil und Lagerteil eine gemeinsame zentrierende Steckverbindung ausgebildet ist, 8. das Kappenteil und das aufgesteckte Lagerteil gemeinsam mittels beide durchdringender Schrauben am Schlüsselfangteil des Basisteils befestigt sind, 9. das Lagerteil zusammen mit dem Kappenteil zwei wahlweise belegbare Führungsschlitze für die Stange(n) bildet, in der Weise dass 9.1 vom Boden des Kappenteils und, spiegelbildlich dazu, von einem Boden des Lagerteils zwei parallele längere und zwei dazu senkrechte kürzere Seitenwände ausgehen und 9.2 in montiertem Zustand zusammen mit den Böden die beiden wahlweise belegbaren Führungsschlitze für die Stange(n) bilden, 10. das Ritzel an einer Seite im Kappenteil und an der anderen Seite im Lagerteil gelagert ist.
4. Unter dem im Merkmalen 4.1 verwendeten Begriff "Schulter" ist - wie sich aus der Angabe zu ihrer Position in Merkmal 4.1.1 entnehmen lässt und weiter durch die Figur 12 und ihre Beschreibung in der Streitpatentschrift (Sp. 8 Z. 46 bis 48) sowie durch die entsprechende auf die zweite Ausführungsalternative bezogene Figur 27 (vgl. Sp. 10 Rn. 31) erläutert wird - der Rand des Schlüsselfangteils zu verstehen, mit dem das Basisteil nach Einsetzen in die rechteckige Öffnung des Durchbruchs an der Außentürfläche anliegt. Dieses Element, das in der Beschreibung der Streitpatentschrift unter der Bezeichnung als "Rand" ebenso wie im Patentanspruch 1 unter dem Begriff "Schulter" durch das Bezugszeichen 92 gekennzeichnet wird, springt gegenüber dem die Einsenkung (96) umfassenden Sockelbereich des Basisteils vor und kann so seine Abdeckfunktion erfüllen.
Aus der Funktion der Schulter, einen axialen Anschlag des Schlüsselfangteils an das Türblatt sicherzustellen, ergibt sich - wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend ausgeführt hat - zugleich, dass sich der nach Merkmal 5 vorgesehene Sockel am Basisteil, der den Durchbruch in der Türfläche durchragt, nur am Schlüsselfangteil des Basisteils befinden kann. Für die erste Alternative des Patentanspruchs 1 folgt dies zudem auch schon unmittelbar aus dem Wortlaut des Patentanspruchs, da das hier einteilige Basisteil allein vom Schlüsselfang gebildet wird. Für die angegriffene zweite Alternative des Patentanspruchs 1 wird das Zusammenwirken von Schulter und Sockel am Schlüsselfangteil von der Streitpatentschrift auch zeichnerisch in den diesbezüglichen Ausführungsbeispielen (Figuren 20 und 31 sowie Figuren 27, 28 und 23) gezeigt.
Nach der Lehre des Patentanspruchs 1 des Streitpatents wird das (Teil-)Problem einer Vereinfachung der Montage bzw. Demontage und Umstellbarkeit des Stangenverschlusses durch das funktionale Zusammenwirken einer Reihe der genannten Merkmale gelöst. Die Montage wird zunächst dadurch erleichtert, dass durch die einheitliche und symmetrische Ausbildung der Bauteile des Kappenteils und des Lagerteils, die schon mithilfe der zentrierenden und eine gegenseitige Verriegelung der beiden Teile bewirkenden Steckverbindung zusammengefügt werden (Streitpatentbeschreibung Sp. 10 Z. 40 bis 50), gemäß den Merkmalen 7 und 9 eine Art Schlosskasten als vormontierbare Baueinheit zur Verfügung gestellt wird. Dieser Schlosskasten lässt sich durch die zwei in Merkmal 8 vorgesehenen ihn durchdringenden Schrauben an dem Schlüsselfangteil befestigen, womit der Stangenverschluss zugleich am Türblatt befestigt wird, das zwischen den beiden Teilen des Basisteils eingeklemmt wird. Durch den nach Merkmal 5 vorgesehenen, den Durchbruch in der Türfläche durchragenden Sockel am Schlüsselfangteil erfolgt eine Festlegung dieses Bauteils. Zugleich wird dadurch, dass der Sockel den Durchbruch in der Türfläche durchragt, eine schnelle Positionierung auch des Schlosskastens an dem vorgesehenen Platz erreicht, an dem mit Schlüsselfangteil und Lagerteil beide Teile des Basisteils aneinanderliegen. Dabei verhindert schon der Sockel eine Verschiebung der beiden Komponenten des Basisteils, wobei das Lagerteil, soweit es gemäß Merkmal 6 im Bereich des Durchbruchs an der Innentürfläche anliegt, dem aus dem Durchbruch herausragenden Teil des Sockels übergestülpt ist. Da der gesamte Stangenverschluss über die Schraubenverbindung nach Merkmal 8 zusammengehalten und am Türblatt ohne zusätzliche Schrauben montiert wird, sind durch bloßes Öffnen der Verschraubung am Kappenteil des Schlosskastens nachträgliche Änderungen in der Anordnung der zusammenwirkenden Teile des Verschlusses auf einfache Art möglich.
Ein Ausführungsbeispiel des streitpatentgemäßen Stangenverschlusses in der zweiten Alternative des Patentanspruchs 1, bei der das Basisteil zweiteilig ist, zeigen die drei nachstehend verkleinert wiedergegebenen zeichnerischen Darstellungen in Figur 20 des Streitpatents, die den Stangenverschluss in einer Axialschnittansicht, von hinten und von oben zeigen:
An dieser Stelle befindet sich eine Abbildung.
An dieser Stelle befindet sich eine Abbildung.
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III. Das Patentgericht hat den Gegenstand des Streitpatents für patentfähig erachtet und das Vorliegen der hier allein streitigen Voraussetzung, dass die nach Patentanspruch 1 geschützte Lehre auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, im Wesentlichen wie folgt begründet:
Ausgehend von einem Stangenverschluss, wie er in der deutschen Offenlegungsschrift 34 07 701 A1 oder der deutschen Offenlegungsschrift 34 07 700 A1 beschrieben sei, stellten sich zwar einzelne der in der Streitpatentschrift angegebenen Teilaufgaben - wie die Änderung der Schließ- und Öffnungsrichtung bzw. die Umstellung von links auf rechts ohne umständliche Demontagearbeiten oder die Vermeidung unerwünschter Reibungen der Flachstangen - in der Praxis von selbst. Der Fachmann wäre jedoch überfordert, würde er zugleich vor alle sechs, in der Streitpatentschrift angegebenen Teilaufgaben gestellt; es sei auch nicht zu erwarten, dass ihm eine Führungskraft einen Konstruktionsauftrag erteile, der die Lösung von sechs Teilaufgaben umfasse. Vielmehr werde ein Fachmann zunächst daran denken, den vorliegenden, aus der DE 34 07 701 A1 oder der DE 34 07 700 A1 bekannten Stangenverschluss an einzelnen Stellen - etwa die Reibung der Stangen oder die Lagerung des Ritzels betreffend - zu verbessern, eine vollständige Umkonstruktion werde er aber nicht in Betracht ziehen.
Denke der Fachmann zunächst daran, die Reibung der Schienen bei dem Stangenverschluss gemäß der DE 34 07 701 A1 oder der DE 34 07 700 A1 zu verbessern, so könne er zwar aus der deutschen Gebrauchsmusterschrift 74 03 366 entnehmen, dass bei dem darin beschriebenen Stangenverschluss eine geringere Reibung auftrete. Jedoch werde der Fachmann wegen aufwändiger Demontage, d.h. schwieriger Zugänglichkeit zu den Schienen abgehalten, diesen Stangenverschluss insgesamt zu übernehmen, zumal er ihn dabei auch noch für die Montage in einem oder zwei rechteckigen Durchbrüchen anzupassen gehabt hätte. Dazu hätte der Fachmann mehrere Konstruktionsschritte durchführen müssen, die ihm mangels systematischer Schulung aber nicht zuzutrauen seien. Auch in Kenntnis der deutschen Offenlegungsschrift 33 00 423 A1 gelange der Fachmann nicht zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 in seiner angegriffenen Alternative, da ihm die Druckschrift nur einen Hinweis darauf gebe, wie eine Stange zu führen sei. Damit liege diese für den Fachmann noch weiter ab als die deutsche Gebrauchsmusterschrift 74 03 366, welche die Führung zweier Stangen zeige. Eine andere Beurteilung ergäbe sich auch nicht, wenn der Fachmann anstelle der deutschen Offenlegungsschriften 34 07 701 A1 oder 34 07 700 A1 von dem Prospekt PS 4000 i.V.m. den Fotos (Anlage K4) ausgehen würde, da der darin gezeigte Stangenverschluss dem in den beiden Offenlegungsschriften gezeigten sehr ähnlich sei. Es sei demnach nicht ersichtlich, warum der Fachmann einzelne Merkmale aus dem Stand der Technik kombinieren sollte, um zum Stangenverschluss des Patentanspruchs 1 in seiner angegriffenen Alternative zu gelangen.
IV. Diese Beurteilung durch das Patentgericht hält der Nachprüfung im Berufungsverfahren stand. Das Patentgericht hat den Gegenstand des Streitpatents zu Recht als patentfähig angesehen. Auch der Senat gelangt nicht zu der für eine Nichtigerklärung des Streitpatents erforderlichen Wertung, dass dessen Lehre zum technischen Handeln, deren Neuheit auch die Klägerin nicht in Zweifel zieht, dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt war und damit nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhte (Art. 56 EPÜ). Die im Stand der Technik zum Anmeldezeitpunkt bekannten Lösungen haben dem Fachmann weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit Anlass bzw. Anregung gegeben, den mit dem Streitpatent vorgeschlagenen Lösungsweg zu beschreiten.
1. Hier maßgeblicher Fachmann ist in Übereinstimmung mit den Parteien und dem Patentgericht, das insoweit einer entsprechenden Definition des Senats in zwei vorausgegangenen Nichtigkeitsverfahren betreffend das parallele europäische Patent 0 261 266 des Beklagten gefolgt ist (Senat, Urteil vom 24. Oktober 1996 - X ZR 29/94 und Urteil vom 17. Dezember 2002 - X ZR 155/99), ein Techniker mit langjährigen betrieblichen Erfahrungen in der Konstruktion von Blechschränken, der sich auf verwandten Gebieten wie dem der Fensterbeschläge, Torverschlüsse und Autoschlösser grob auskennt und sich dort zu findende Lösungen nutzbar macht. Er verfügt nicht über die systematische Schulung eines Fachhochschulingenieurs und löst die ihm gestellten konstruktiven Aufgaben nicht durch systematische Problemanalyse, sondern in Kombination seines Erfahrungswissens. Der Entwicklungsauftrag wird diesem Fachmann in der Regel von Führungskräften gestellt, die Fachhochschulingenieure sind und die dem Techniker bei der Kontrolle von Entwürfen gelegentlich auch konstruktive Hinweise geben. Die eigentliche "Arbeit am Objekt" und das Auffinden der Problemlösung sind danach aber nicht Aufgabe der genannten Führungskräfte, sondern bleiben Aufgabe des Technikers, der die Lösungsvorschläge aus seinem Erfahrungswissen entwickelt. Der gerichtliche Sachverständige hat den Ausbildungsstand des Durchschnittsfachmanns dahin weiter konkretisiert, dass dieser eine Ausbildung als technischer Zeichner oder im handwerklichen Bereich besitzt und sich zum Maschinenbautechniker weiterqualifiziert hat.
2. Die deutsche Offenlegungsschrift 34 07 701 (Anlage K5), welche die Klägerin als nächstkommende Entgegenhaltung aus dem Stand der Technik ansieht, hat dem Fachmann keine Anregung für eine streitpatentgemäße Weiterentwicklung eines gattungsgemäßen Stangenverschlusses gegeben. Diese Druckschrift betrifft einen Schaltschrank mit einer Tür, die zwei Durchbrüche aufweist. Ihr liegt das Problem zugrunde, Schaltschränke so auszugestalten, dass sie mit den unterschiedlichsten Verschlussbetätigungs- und Schlosselementen bestückbar sind und nur eine einheitliche Türtype erfordern, ohne die Variationsmöglichkeiten der Verschlüsse einzuschränken. Dazu werden an der Tür ein Verschlusselement und zwei gleich ausgebildete und symmetrisch zur horizontalen Mittelachse der Durchbrüche angeordnete Schlossplatten angebracht, wobei eine Schlossplatte das durch einen Durchbruch der Tür geführte Verschlussbetätigungselement trägt, während die weitere Schlossplatte jeweils den anderen Durchbruch abdeckt.
Die deutsche Offenlegungsschrift 34 07 701 (K5) zeigt ähnlich wie die parallele deutsche Offenlegungsschrift 34 07 700 desselben Anmelders (Anlage ES5), die unmittelbar den Verschluss für Schaltschranktüren betrifft und bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt sowie in der Streitpatentschrift gewürdigt worden ist (Sp. 1 f. Rn. 2 und 3), einen gattungsgemäßen Stangenverschluss, der in einem der beiden rechteckigen Durchbrüche einer Blechschranktür montiert wird. Die von der Entgegenhaltung K5 offenbarte Verschlussvorrichtung besteht aus einem Schloss (51), einem als Schlossplatte bezeichneten Schlüsselfang (20) und einem Lagerelement (30-33), in dem ein Ritzel (38) drehbar gehalten wird, wobei das Ritzel mittels durch das Türblatt (10) nach außen geführter Betätigungseinrichtung (25) über eine Betätigungswelle (36) drehbar ist (K5, Beschreibung S. 13 Abs. 2; Figuren 3 bis 5), sowie aus Schubstangen, die mit Verzahnungen versehen sind (K5, Beschreibung S. 11 Abs. 2 Satz 4). In diese Verzahnungen greifen die Zähne des als Zahnrad ausgebildeten Ritzels (38) ein, wobei die Schubstangen jedenfalls im Bereich des Schlosses am Türblatt verschieblich gelagert sind. Die Verschlussvorrichtung weist damit ein zweiteiliges Basisteil auf, das sich aus einem Schlüsselfangteil (Schlossplatte 20) und aus einem Lagerteil (30-33) zusammensetzt, das die Führungsschlitze für die Stangen bildet (K5, Beschreibung S. 11 Abs. 2 Satz 4) und mit einer dem Schlüsselfangteil zugewandten Stirnfläche (31) über den Randbereich des Durchbruchs hinausgehend an der Innentürfläche anliegt (vgl. K5, Figuren 1 und 3). Zudem ist es der Beschreibung der Offenlegungsschrift zufolge zweckmäßig, dass das dort als "Verschluss" bezeichnete Lagerelement auf seiner der Tür zugekehrten Seite einen Zentrieransatz aufweist, der auf den Querschnitt des ersten Durchbruchs hin ausgelegt ist (K5, Beschreibung S. 8 Abs. 3, S. 10 f.; Patentanspruch 6). Im Gegensatz zu der parallelen deutschen Offenlegungsschrift 34 07 700 (ES5) ist mithin auch ein Sockel (Zentrieransatz) am Basisteil offenbart. Der Verschluss nach der Entgegenhaltung K5 übernimmt daher sowohl die Funktion einer Getriebelagerung als auch die eines Zentriermittels. Da der Sockel allerdings nicht nur dem Querschnitt, sondern auch der Tiefe des Durchbruchs entsprechen soll, durchragt er diesen, anders als es das Merkmal 5 des Streitpatentanspruchs 1 vorsieht, nicht.
Abgesehen von der unterschiedlichen Problemstellung der Entgegenhaltung K5 gegenüber derjenigen des Streitpatents bestehen zwischen dem in dieser Offenlegungsschrift beschriebenen Stangenverschluss und dem Gegenstand des Streitpatents so erhebliche konstruktive Unterschiede, dass diese Entgegenhaltung für sich genommen dem Fachmann die Lehre nach Patentanspruch 1 nicht nahegelegt hat. Denn der Stangenverschluss nach der Druckschrift K5 zeigt im Unterschied zum Gegenstand des Streitpatents keine gekröpfte und entlang ihrer Längsachse symmetrisch ausgebildete Schubstange und sieht auch kein Kappenteil vor. Daher sind neben der Merkmalsgruppe 2.2, die nur teilweise erfüllt ist, insbesondere das Merkmal 3.2 sowie die Merkmale 7 bis 10 nicht verwirklicht, die vornehmlich den inneren Aufbau des zweiteiligen Schlosskastens betreffen, der gekennzeichnet ist durch die Lagerung des Ritzels sowohl im Kappen- als auch im Lagerteil und durch deren Zusammenfügung über eine gemeinsame Steckverbindung zu einer Einheit, die Führungsschlitze für die Schubstange(n) ausbildet.
Außerdem erhält der Fachmann aus der deutschen Offenlegungsschrift 34 07 701 keine Hinweise darauf, dass der gesamte Stangenverschluss wie nach der Lehre des Streitpatents über dieselbe Schraubenverbindung, die den Schlosskasten mit dem Schlüsselfangteil verspannend zusammenhält, in einem Montagevorgang von einer Türseite aus am Türblatt befestigt werden könnte, ohne dass es hierfür noch zusätzlicher Schrauben bedürfte. Vielmehr werden nach der deutschen Offenlegungsschrift (K5, Beschreibung S. 8 Abs. 3, S. 11 Abs. 2) - wie auch das Schaubild gemäß Anlage K16 veranschaulicht, das aus den Figuren 1 bis 3 der Druckschrift K5 unter Ergänzung eines Sockels am Verschluss (30-33) zusammengesetzt worden ist - die zwei Verbindungsschrauben, welche die Schlossplatte am Türblatt befestigen, von der Türinnenseite aus in die Gewindesacklochbohrungen (21, 22) der Schlossplatte geschraubt, wobei nur eine der beiden Verbindungsschrauben auch durch eine Befestigungsbohrung (35) geführt wird, die auf der Grundplatte (31) des Verschlusses (30-33) angebracht ist, und den Verschluss gemeinsam mit der Schlossplatte an der Tür festlegt und verspannt. Erst durch eine dritte Verbindungsschraube kann von der Türaußenseite aus über eine dritte Befestigungsbohrung des Türblatts (16) und die weitere Befestigungsbohrung (34) auf der Grundplatte (31) des Verschlusses (30-33) dessen Verbindung mit der Tür vervollständigt werden. Auch die Befestigungskonstruktion des Verschlusses nach der Druckschrift K5 weist den Fachmann daher in eine andere Richtung als in die des streitpatentgemäßen Stangenverschlusses. Gleiches gilt insoweit ebenfalls für die parallele deutsche Offenlegungsschrift 34 07 700 (ES5), bei der das dort zusätzlich offenbarte, allerdings lediglich einer Abdeckung dienende Kappenteil ("Abdeckkappe" 38 in Figur 3) noch mit einer zusätzlichen Schraube (39) am Führungsblock (33) des Verschlusses befestigt werden muss (ES5, Beschreibung S. 15 Abs. 1).
3. Die Montageanleitung "PS 4000 Perfektschrank-System" des Herstellers R. (Anlage K3) zeigt einen Stangenverschluss, der sowohl hinsichtlich des inneren Aufbaus des Schlosskastens (Lagerteils) als auch hinsichtlich der Befestigungskonstruktion der aus der Entgegenhaltung K5 bekannten Vorrichtung sehr ähnlich ist und insbesondere die Merkmale 7 bis 10 des Streitpatentanspruchs 1 nicht verwirklicht, die vornehmlich den inneren Aufbau des zweiteiligen Schlosskastens betreffen. Sie führt den Fachmann ebenfalls nicht zur Lehre des Streitpatents.
Bei der Verschlussvorrichtung nach der R. -Montageanleitung (K3) werden der an der einen Seite der Schranktür anliegende Schlosskasten und die auf der gegenüberliegenden Seite des Türblatts anliegende Schlossabdeckung unabhängig voneinander befestigt. Die Entgegenhaltung K3 stellt in den einen Verschlussumbau illustrierenden Abbildungen auf Seite 10 eine den Verschluss auf der der Tür abgewandten Seite abdeckende und als "Schlossplatte" bezeichnete Kappe (5) dar, die jedoch lediglich der Abdeckung des Verschlusses dient. Denn nach Entfernen der Schlossplatte (5) durch Lösen der beiden Senkschrauben (1, 4) wird der Verschluss nach wie vor mit seiner der Tür zugewandten Platte durch die von der Frontseite aus eingesetzte Zylinderschraube (11) auf der Innenseite des Türblatts gehalten. Wie sich aus den Erläuterungen der Abbildungen zum Verschlussumbau beim Türanschlagwechsel ergibt (K3, S. 10 zu Ziff. 3), wird die Schlossabdeckung (9), die auf der dem Verschluss gegenüberliegenden Außenseite des Türblatts angeordnet ist, unabhängig von der Befestigung des Verschlusses von der Zylinderschraube (10) auf das Türblatt von der Türinnenseite aus aufgeschraubt. Von der Lehre des Streitpatents unterscheidet der Verschluss nach der Entgegenhaltung K3 sich mithin auch durch seine Befestigungskonstruktion, die zusätzliche Verschraubungen benötigt, deren Vermeidung zur Vereinfachung der Montage ein Anliegen des Streitpatents ist.
4. Entgegen der Ansicht der Berufung war der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents dem Fachmann auch nicht durch eine Kombination der Entgegenhaltung K5 mit der deutschen Gebrauchsmusterschrift 74 03 366 (K7) nahegelegt.
Aus dieser ebenfalls bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigten sowie in der Streitpatentschrift gewürdigten (Sp. 2 Rn. 6) Druckschrift ist ein Antriebsgehäuse für eine Verriegelungseinrichtung für Fenster und Türen oder dergleichen bekannt, das kassettenartig in Ausnehmungen eines Fensterrahmens oder eines Türblatts eingesetzt werden kann. Die Entgegenhaltung K7 beschreibt das Antriebsgehäuse als einen Stangenverschluss, der ein Ritzel (23) als Antriebsmittel für zwei entgegengesetzt angetriebene Zahnstangen (21, 22) aufweist, deren Ausnehmungen (26) eine entlang der Längsachse verlaufende Perforation darstellen. Das Gehäuse besteht aus zwei gleichen, seitenverkehrt aufeinanderliegenden Profilabschnitten (1, 2), die Rippen und Nuten aufweisen, die sich in Längsrichtung erstrecken und zum Zwecke der Zentrierung und des Verschlusses formschlüssig ineinandergreifen (K7, Beschreibung S. 2 Abs. 4, S. 3 Abs. 2, S. 4 Abs. 2). Dabei gehen spiegelbildlich von der Oberfläche bzw. vom Boden (6, 6') der beiden Gehäuseteile (1, 2) jeweils zwei Rippen (4, 13'; 4', 13) aus, welche die längeren parallelen Außen-/Seitenwände von zwei Längsnuten (7, 11'; 11, 7') bilden, die als wahlweise belegbare Führungsschlitze (14, 15) für die Stangen dienen. Das Ritzel ist mit seinen Wellenzapfen (24) drehbar in Bohrungen (17, 17') gelagert, die sich in der Mitte der Oberfläche beider Gehäuseteile befinden. Beide Gehäuseteile werden dadurch zusammengefügt, dass sie in Längsrichtung durch die in Teilnuten eingelegten Rippen (4, 4'; 8, 8'; 13, 13') zentriert und mit zwei Schrauben (32) verschraubt werden.
Die Gebrauchsmusterschrift offenbart damit zwar eine Reihe weiterer Merkmale des Patentanspruchs 1 des Streitpatents, die den inneren Aufbau des Schlosskastens betreffen und bei dem Stangenverschluss der Entgegenhaltung K5 fehlen. Gleichwohl bietet sich der Schlosskasten nach der Gebrauchsmusterschrift K7 dem Fachmann nicht als Vorbild für eine Weiterentwicklung des gattungsgemäßen Verschlusses nach der Offenlegungsschrift K5 an. Der Entgegenhaltung K7, die als Aufgabe der Erfindung beschreibt, eine Anpassung des Antriebsgehäuses an unterschiedliche Einbaulängen und Montagemaße zu vereinfachen und die Herstellungskosten zu verringern, liegt eine andere Problemstellung als die des Streitpatents zugrunde. Demgemäß wird in der Gebrauchsmusterschrift - worauf bereits in der Streitpatentschrift zutreffend hingewiesen worden ist - die Möglichkeit einer freien Bestimmbarkeit der Schließ- und Öffnungsrichtung des Schlosses und dessen Umsetzbarkeit von einer zur anderen Fenster- bzw. Türseite nicht angesprochen. Zudem steht die andersartige Befestigungskonstruktion des Verschlusses, der nicht auf die (Fenster-)Zarge aufgeschraubt, sondern in eine Ausnehmung eingesetzt wird, einer näheren Befassung des Fachmanns mit dieser Druckschrift entgegen. Vor allem erkennt der Fachmann hinsichtlich des sich ihm stellenden Problems einer einfachen Montage und Demontage des Stangenverschlusses sofort, dass dieser Vorgang bei dem in der Gebrauchsmusterschrift K7 gezeigten Schlosskasten recht umständlich ist. Danach werden die beiden Gehäuseteile (1, 2) nicht schon durch eine zentrierende Steckverbindung zusammengehalten, wie sie in Merkmal 7 des Streitpatentanspruchs 1 vorgesehen ist, sondern sie werden, nachdem sie umgekehrt aufeinander gelegt und zentriert worden sind (K7, Beschreibung S. 4 f.), erst mit zwei Schrauben (32) fixiert. Das hierdurch zusammengefügte Gehäuse wird in der Zarge des Fensterrahmens (34) mit zwei zusätzlichen Schrauben (33) befestigt, die von außen durch Bohrungen der Fußplatte des Griffs (27) und der Zarge (34) hindurchgeführt werden und in die Gewindebohrung (18, 18') des Gehäuses eingreifen (K7, Beschreibung S. 6 Abs. 2 mit Figur 4). Für eine nach Patentanspruch 1 des Streitpatents ermöglichte einfache Montage des Verschlusses, der mittels eines am Basisteil angeordneten Sockels zentriert und in seiner Gesamtheit von der Türinnenseite her befestigt wird, gibt danach auch die Entgegenhaltung K7 keinerlei Anregung.
Überdies hätte der in der Entgegenhaltung K7 gezeigte Schlosskasten für den Einbau in den rechteckigen Durchbruch einer Blechschranktür im Wege mehrerer Entwicklungsschritte komplex umgestaltet werden müssen, indem ein Sockel zur einfachen Zentrierung des Verschlusses in der Tür vorzusehen und die Befestigungskonstruktion zu ändern gewesen wäre. Hierzu war ein Techniker als hier maßgeblicher Fachmann, dessen Vorgehen anders als bei einem Fachhochschulingenieur nicht durch eine systematische Herangehensweise an das sich stellende Problem gekennzeichnet ist, nicht in der Lage, wie bereits das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat.
5. Schließlich hat der Senat vor dem Hintergrund des Standes der Technik, wie ihn u.a. die vorgenannten Entgegenhaltungen widerspiegeln, auch nicht die Überzeugung gewinnen können, dass die vom Streitpatent vorgeschlagene Lösung bereits auf Grund des allgemeinen Fachwissens und des stets vorhandenen Strebens nach Verbesserung bekannter Lösungen nahegelegen hat. Wenngleich aus den vorgenannten Entgegenhaltungen eine Vielzahl von Einzelmerkmalen in der Ausprägungsform der geschützten Lehre des Patentanspruchs 1 bekannt gewesen sind, stellt die streitpatentgemäße Konstruktion gegenüber den bekannten gattungsmäßigen Stangenverschlüssen doch eine komplexe Veränderung dar, die Überlegungen in ganz unterschiedliche Richtungen voraussetzt. Der Senat folgt dem gerichtlichen Sachverständigen in der Annahme, dass es an den Fachmann keine besonderen Ansprüche gestellt haben mag, jedes der Einzelmerkmale in der Ausprägungsform der geschützten Lehre für sich genommen aufzufinden und geometrische Variationen bekannter Lösungen zu entwickeln. Daraus folgt aber nicht zwingend, dass ohne erfinderische Leistung die den Erfindungsgegenstand ausmachende geschickte Kombination der Einzelmerkmale möglich war, die etwa zu der beschriebenen einfachen Montage des Stangenverschlussschlosses führt. Mangels eines konkreten Vorbilds als Ausgangspunkt für die streitpatentgemäße Vorrichtung mag sich hier zwar im Nachhinein eine aus der Sachlogik der gefundenen Lösung herzuleitende Möglichkeit begründen lassen, dass der Fachmann die einzelnen vom gerichtlichen Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten aufgezeigten gedanklichen Schritte hätte vollziehen können, nach deren Vornahme er zur patentgemäßen Lehre gelangt wäre. Um das Begehen eines von den bisher beschrittenen Wegen abweichenden Lösungswegs nicht nur als möglich, sondern dem Fachmann nahegelegt anzusehen, bedarf es allerdings - abgesehen von den Fällen, in denen es für den Fachmann aufgrund seines Fachwissens oder -könnens auf der Hand liegt, was zu tun ist - in der Regel zusätzlicher, über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichender Anregungen, Hinweise oder sonstiger Anlässe dafür, die Lösung des technischen Problems auf dem Weg der Erfindung zu suchen (BGH, Urteil vom 30. April 2009 - Xa ZR 92/05, BGHZ 182, 1 - Betrieb einer Sicherheitseinrichtung; Senat, Urteil vom 7. September 2010 - X ZR 173/07 - Walzgerüst II). Derartige Anstöße sind nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Senats nicht erkennbar.
6. Mit Patentanspruch 1 haben ebenfalls die auf ihn rückbezogenen und seinen Gegenstand weiterbildenden Unteransprüche 2 bis 14 Bestand.
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG i.V.m. § 97 Abs. 1 ZPO.
Gröning Mühlens Berger Grabinski Hoffmann Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 16.02.2005 - 2 Ni 38/03 (EU) -
BGH:
Urteil v. 09.11.2010
Az: X ZR 67/05
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/a45c13dd24bb/BGH_Urteil_vom_9-November-2010_Az_X-ZR-67-05