Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. Januar 2009
Aktenzeichen: 14 W (pat) 28/06
(BPatG: Beschluss v. 16.01.2009, Az.: 14 W (pat) 28/06)
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und das Patent mit folgenden Unterlagen erteilt: Bezeichnung: Verwendung einer Biguanide enthaltenden Zubereitung zur Hufpflege Anmeldetag: 17. August 2001 Patentansprüche 1 bis 8 vom 25. Juli 2003, Beschreibung Seiten 1 bis 3, 3a, 4 bis 12, überreicht in der mündlichen Verhandlung.
Gründe
I.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 24. Januar 2006 hat die Prüfungsstelle für Klasse A 61 K des Deutschen Patentund Markenamtes die Patentanmeldung mit der Bezeichnung
"Quarternäre Ammoniumverbindungen enthaltende Zubereitung und deren Verwendung zur Hufpflege"
zurückgewiesen.
Die Zurückweisung ist im wesentlichen damit begründet, dass der Gegenstand des geltenden Patentanspruches 1 gegenüber dem aus den Druckschriften
(2) EP 0700 249 B1
(7)WO97 00 076A1
(8)
DE 199 57 918 A1 und
(9)
FR 2 636 239 A1 bekannten Stand der Technik weder neu sei noch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Die Neuheit sei gegenüber (2) und (7) nicht gegeben. Die dort beschriebenen lokalen Antiseptika auf wässriger Basis enthielten als Wirkstoff Poly(hexamethylen)biguanidin in den auch anmeldungsgemäß genannten Konzentrationen und würden u. a. als Gel-Formulierungen zur Verfügung gestellt. Eingesetzt würden diese Zubereitungen bei Mensch und Tier. Die Neuheit könne weder mit dem im Patentanspruch angegebenen Viskositätsbereich noch mit der Anwendung im Bereich der Hufe von Säugern aus der Art der Equidae begründet werden. Zum Einen deckten die für eine topische Anwendung als geeignet genannten Formulierungen in diesen Entgegenhaltungen einen sehr breiten Viskositätsbereich ab. Zum Anderen lese der Fachmann bei dem Begriff "lokales Antiseptikum" die Behandlung der gesamten Körperoberfläche, insbesondere auch der Extremitäten, mit.
Unabhängig davon sei die erfinderische Tätigkeit gegenüber (8) und (9) nicht gegeben. (8) offenbare niedrigoder hochviskose Zusammensetzungen, die neben üblichen und bekannten Mikroziden und Wasser auch Verdickungsmittel enthielten. (9) lehre die Verwendung von Poly(hexamethylen)biguanidinhaltigen Zusammensetzungen auf Wasserbasis zur Vorbeugung von Euterentzündungen bei Wiederkäuern, die zusätzlich viskositätserhöhende Mittel aufwiesen. Nachdem beide Druckschriften auf dem selben technischen Gebiet lägen, denn sie beträfen beide die topische Anwendung von Zubereitungen zur Vorbeugung und Verhinderung von Infektionen bei Tieren, habe der Fachmann, ausgehend von den aus (8) bekannten niedrigoder hochviskosen Zusammensetzungen mit (9) die Anregung erhalten, mittelviskose Zubereitungen zur Vorbeugung und Behandlung von Krankheiten im Bereich der Hufe von Equidae zu verwenden.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Anmelders, mit der er sein Patentbegehren mit den am 25. Juli 2003 eingereichten Patentansprüchen 1 bis 8 und einer hieran angepassten Beschreibung weiterverfolgt. Der Patentanspruch 1 hat -nach Korrektur eines offensichtlichen Fehlers -folgenden Wortlaut:
"Verwendung einer Zubereitung zur Pflege, Prophylaxe von Krankheiten und Behandlung von Krankheiten im Bereich der Hufe von Säugern aus der Art der Equidae, worin die Zubereitung, jeweils bezogen auf das Gesamtgewicht der Zubereitung,
-mehr als 50 Gew.-% Wasser,
-eine oder mehrere Verbindungen aus der Gruppe Poly-(propyenbiguanid), Poly-(tetramethylenbiguanid), Poly-(pentamethylen biguanid) und Poly-(hexamethylenbiguanid)-hydrohalogenid, vorzugsweise Poly-(hexamethylenbiguanid)-hydrochlorid, in einer Ge samtmenge im Bereich von 0,05 bis 0,8 Gew.-% und -ein oder mehrere Viskositätsstellmittel im Bereich von 0,1 bis 10 Gew.-% enthält und -eine Viskosität im Bereich von 30 bis 1.500 mPaàs aufweist."
Zur Begründung seiner Beschwerde hat der Anmelder im Wesentlichen vorgetragen, die Neuheit gegenüber (2) und (7) sei gegeben, weil der Fachmann in keiner dieser Druckschriften die Behandlung der Hufe von Equidae mitlese; jeweils auch Angaben zur Viskosität der dort beschriebenen Zubereitungen fehlten. Die beanspruchte Verwendung sei ferner erfinderisch. Die (8) nenne zum einen nicht Poly(hexamethylenbiguanid) als mikrobizides Mittel und weise zum anderen eine Viskosität auf, die erheblich über derjenigen der Zubereitungen der vorliegenden Erfindung liege. Das Dokument (9) wiederum liege nicht auf demselben Fachgebiet, denn die desinfizierende Behandlung eines Kuheuters bei Mammitis unterliege völlig anderen Krankheitsmerkmalen und Verfahrensweisen der Behandlung als die Behandlung von Equiden-Hufen. Der Fachmann hätte zur Lösung der der Anmeldung zu Grunde liegenden Aufgabe daher nicht auf diese Druckschrift zurückgegriffen. Auch habe sich gezeigt, dass Pferde Biguanid-Verbindungen vergleichsweise schlecht vertrügen, weshalb in der Fachwelt ein Vorurteil bestand diese Wirkstoffe bei Equiden einzusetzen.
Der Anmelder beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent zu erteilen im Umfang der im Beschlusstenor aufgeführten Unterlagen.
Wegen weiterer Einzelheiten, insbesondere zum Wortlaut der Patentansprüche 2 bis 8, wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und führt zu dem im Tenor angegebenen Ergebnis.
1.
Die geltenden Patentansprüche sind zulässig. Der Patentanspruch 1 geht auf den ursprünglich eingereichten Patentanspruch 10 i. V. m. den Patentansprüchen 1, 4 und 5 zurück. Die nachgeordneten Patentansprüche 2 bis 8 leiten sich von den ursprünglich eingereichten Patentansprüchen 2 und 4 bis 10 ab.
2.
Das Verfahren gemäß geltendem Patentanspruch 1 ist neu.
Aus keiner der im Verfahren genannten Entgegenhaltungen ist die Verwendung einer Zubereitung zur Pflege, Prophylaxe und Behandlung von Krankheiten im Bereich der Hufe von Säugern aus der Art der Equidae auf Wasserbasis bekannt, die die im Patentanspruch 1 genannten Biguanide sowie Viskositätsstellmittel in den jeweils dort angegebenen Mengenbereichen enthalten und eine Viskosität im Bereich von 30 bis 1.500 mPaàs aufweisen.
So werden gemäß den Druckschriften (2) und (7) zwar jeweils Zubereitungen auf Wasserbasis beschrieben, die als Antiinfektiva bzw. Antiseptika bei Mensch und Tier angewendet werden können und sowohl Poly(hexamethylenbiguanid) im anmeldungsgemäßen Konzentrationsbereich, als auch Viskositätsstellmittel enthalten können (vgl. (2), Patentansprüche 1, 9 i. V. m. Beschreibung S. 2 Z. 5 bis 9, S. 3 Z. 32 bis 37, Z. 40 bis 45 und Beispiel 25; (7) Patentansprüche 1, 6 bis 8 i.
V. m. Beschreibung, S. 3 Z. 35 bis S. 4 Z. 31, S. 5 Z. 17 bis 32, S. 8 Z. 30 bis S.
9 Z. 12 und Z. 26 bis 29, S. 10 Z. 2/3, S. 12 Z. 15 bis 22 sowie Beispiele 7 bis 9 und 13). Die in beiden Entgegenhaltungen beschriebenen Zubereitungen unterscheiden sich von den im Patentanspruch 1 angegebenen Zubereitung aber jedenfalls darin, dass keine von diesen deren Verwendung im Bereich der Hufe von Säugern aus der Art Equidae vorschlägt. Einem allgemeinen Grundsatz folgend, nimmt die Offenbarung eines allgemeinen Begriffs nicht die Neuheit eines darunter fallenden speziellen Begriffs vorweg. Dieses trifft nur dann nicht zu, wenn der allgemeine Begriff eine geschlossene und eng begrenzte Anzahl von Individuen oder Unterbegriffen beschreibt, oder wenn der Fachmann bei einem allgemeinen Begriff zugleich und unmittelbar einen bestimmten individuellen Vertreter für diesen Begriff vor Augen hat (vgl. R. Rogge GRUR 1996, S. 931, 937/938 sowie Schulte PatG 8. Aufl. § 3 Rdn. 116, 117). Nachdem der Begriff "Tier" jedoch eine nicht eingrenzbare Vielzahl individueller Individuen umfasst, liest der unvoreingenommene Fachmann vorliegend nicht ohne weitere Überlegungen bei diesem allgemeinen Begriff den speziellen Begriff Equidae bzw. Pferd, insbesondere dessen Hufe, mit.
Die weiteren im Prüfungsverfahren genannten Entgegenhaltungen liegen dem Gegenstand gemäß Patentanspruch 1 auch fern, denn in keiner von diesen wird die Verwendung von Biguanide enthaltenden Zubereitungen zur Behandlung bei Tieren bzw. Säugern aus der Art Equidae beschrieben.
3. Die Bereitstellung der Verwendung einer Zubereitung zur Pflege, Prophylaxe von Krankheiten und Behandlung von Krankheiten im Bereich der Hufe von Säugern aus der Art der Equidae gemäß Patentanspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Der Anmeldung liegt die Aufgabe zu Grunde, die Verwendung eines Mittels bereit zu stellen, mit dem ein Befall mit den im Bereich der Haltung von Equiden, insbesondere von Pferden, infragekommenden Mikroorganismen verhindert werden kann, bzw. dann, wenn ein Befall bereits erfolgt ist und die daraus resultierenden Krankheiten bereits eingetreten sind, diese schonend, jedoch nichtsdestoweniger effizient, bekämpft werden können (vgl. Erstunterlagen S. 3 Abs. 2).
Zur Lösung dieser Aufgabe die Verwendung einer Zubereitung, die mehr als 50 Gew.-% Wasser, 0,05 bis 0,8 Gew.-% einer oder mehrerer Verbindungen aus der Gruppe Poly-(propylenbiguanid), Poly-(tetramethylenbiguanid), Poly-(pentamethylenbiguanid) und Poly-(hexamethylenbiguanid)-hydrohalogenid sowie 0,1 bis 10 Gew.-% eines oder mehrerer Viskositätsstellmittel enthält und eine Viskosität im Bereich von 30 bis 1.500 mPaàs aufweist, zur Behandlung von Hufen der Säuger aus der Art Equidae vorzuschlagen, wird vom vorliegenden Stand der Technik nicht nahe gelegt.
Desinfektionsreiniger auf Wasserbasis zur Reinigung und Pflege von Tierhufen werden auch in der Entgegenhaltung (8), die den nächst liegenden Stand der Technik darstellt, beschrieben. Diese enthalten neben 0,01 bis 20 Gew.-% eines Mikrozids, bei dem es sich um einen bekannten Wirkstoff handeln kann, und Wasser 0,3 bis 25 Gew.-% Verdicker bzw. Viskositätsstellmittel und weisen eine Viskosität von 5 000 bis 40 000 mPaàs auf (vgl. Patentansprüche 1, 2 und 8 i. V. m. Beschreibung S. 2 Z. 5 bis 9, Z. 48 bis 58, S. 3 Z. 4 bis 11 sowie S. 4 Tabelle 1). Bereitgestellt werden mit diesen Maßnahmen Zusammensetzungen mit antibakterieller Wirkung, die u. a. ein gutes Haftvermögen aufweisen, was - wie der Anmelder im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat - zur Folge hat, dass die Materialien lange auf der behandelten Stelle verharren. Der Fachmann erhält mit diesem Dokument daher keine Anregungen dahingehend, zur Lösung der der Anmeldung zu Grunde liegenden Aufgabe eine Formulierung zur Behandlung der Hufe bei Equidae zu verwenden, die es ermöglicht, die im Patentanspruch 1 genannten Biguanide einzusetzen und dabei die im Zusammenhang mit deren Anwendung bei Pferden dem Fachmann bekannten Nachteile zu vermeiden, d. h. eine Zusammensetzung zu verwenden, deren Viskosität so eingestellt ist, dass sie -und damit auch der Wirkstoff -nach dem Auftrag zwar nicht abläuft, aber auch nicht so lange haften bleibt, dass die negativen Eigenschaften der anmeldungsgemäß vorgesehenen Biguanide zur Geltung kommen.
Auch in einer Zusammenschau mit den weiteren im vorliegenden Verfahren genannten Druckschriften wird die beanspruchte Verwendung nicht nahegelegt.
So werden zwar in den Dokumenten (2) und (7) Biguanide zur Behandlung infizierter Stellen bzw. Wunden auch bei Tieren vorgeschlagen. Hinweise, die Viskosität so einzustellen, dass mit den in Rede stehenden Wirkstoffen bei Tieren der Art Equidae Infektionen vermieden bzw. behandelt werden können, ohne dass die bei diesen Tieren damit verbundenen Nachteile auftreten, sind auch ihnen nicht zu entnehmen.
Die Lehre, die im Patentanspruch 1 genannten Biguanid-Verbindungen in einer Zusammensetzung mit der dort angegebenen Viskosität zur Verwendung zur Behandlung von Hufen von Säugern aus der Art Equidae einzusetzen, um die vorliegende Aufgabe zu lösen, wird dem Fachmann auch nicht mit der Druckschrift (9) vermittelt. Beschrieben werden dort zwar Biguanid-Verbindungen enthaltende Zubereitungen mit unterschiedlicher Viskosität (vgl. Patentansprüche 1 und 9 i. V. m. Beschreibung S. 4 Z. 27 bis 31, Z. 35 bis S. 5 Z. 1 und S. 5 Z. 16 bis 18 sowie Beispiele). Anhaltspunkte dafür, die in Rede stehenden Biguanide enthaltende Zubereitungen mit der im Patentanspruch 1 angegebenen Viskosität anmeldungsgemäß zu verwenden, um auf diese Weise die mit diesen Wirkstoffen bei Pferden auftretenden Nachteile zu vermeiden, enthält auch diese Schrift an keiner Stelle.
Damit ergibt sich die Verwendung gemäß Patentanspruch 1 nicht in nahe liegender Weise aus dem Stand der Technik.
Die Berücksichtigung des weiteren dem Senat vorliegenden, im Prüfungsverfahren vom Deutschen Patentund Markenamt in Betracht gezogenen Druckschriften führt zu keiner anderen Beurteilung des Sachverhaltes.
4. Die Verwendung einer Zubereitung zur Pflege, Prophylaxe von Krankheiten und Behandlung von Krankheiten im Bereich der Hufe von Säugern aus der Art der Equidae nach geltendem Patentanspruch 1 erfüllt somit alle Kriterien der Patentfähigkeit. Der geltende Patentanspruch 1 ist daher gewährbar.
Die Patentansprüche 2 bis 8 betreffen besondere Ausgestaltungen des Verfahrens nach Patentanspruch 1 und sind mit diesem gewährbar.
Dr. Schröder Harrer Dr. Proksch-Ledig Dr. Gerster Me
BPatG:
Beschluss v. 16.01.2009
Az: 14 W (pat) 28/06
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