Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. März 2006
Aktenzeichen: 9 W (pat) 304/05
(BPatG: Beschluss v. 27.03.2006, Az.: 9 W (pat) 304/05)
Tenor
Das Patent wird aufrechterhalten.
Gründe
I.
Gegen das durch Teilung aus der am 1. April 2000 angemeldeten deutschen Patentanmeldung 100 16 409.9 hervorgegangene, am 19. August 2004 veröffentlichte Patent mit der Bezeichnung
"Druckwerk einer Rotationsdruckmaschine"
ist von der Maschinenfabrik WIFAG Einspruch erhoben worden. Das Patent nimmt die Priorität der deutschen Voranmeldung 199 58 135.5 vom 2. Dezember 1999 in Anspruch.
Die Einsprechende ist der Meinung, das im erteilten Patentanspruch 1 angegebene Druckwerk sei in der Stammanmeldung 100 16 409.9 nicht offenbart. Das Patent sei deshalb unzulässig erweitert.
Überdies liege dem Gegenstand des Streitpatents eine erfinderische Tätigkeit nicht zugrunde. Hierzu verweist sie auf die Druckschriften - DE 198 03 809 A1 (E1)
- DE 44 44 062 A1 (E2)
- DE 195 41 249 A1 (E3), und nach Ablauf der Einspruchsfrist noch auf folgende Fachveröffentlichungen :
- "Wie viele Platten pro Zylinder €"; zeitungstechnik Januar 2000, Seiten 26-28
- W. Walenski "Der Rollenoffsetdruck" 1. Auflage 1995, Seiten 338,339.
Die Einsprechende stellt den Antrag, das Patent zu widerrufen.
Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent aufrechtzuerhalten.
Sie ist der Meinung, der Gegenstand des Streitpatents sei in den ursprünglichen Unterlagen offenbart und auch gegenüber dem in Betracht gezogenen Stand der Technik patentfähig.
Nach Ablauf der Einspruchsfrist nennt sie folgende Druckschriften/Fachveröffentlichungen als Beleg über die Bemühungen der Fachwelt um die Schaffung dreifachbreiter Druckwerke:
- "Die KBA Journal - eine kleine Schwester für die Commanderund die Express", zeitungstechnik Oktober 1991, Seiten 48-50
- "6-Plattenbreite Zeitungsmaschinen - Geschichte und Tatsachen";
zeitungstechnik September 1991, Seiten 150,152,154,156,158
- DE 24 22 696 C2
- W. Walenski "Der Rollenoffsetdruck" 1.Auflage 1995, zusätzlich Seiten 330-337 Der erteilte Patentanspruch 1 lautet:
"Druckwerk einer Rotationsdruckmaschine, mit einem Zylinderpaar (01,06) bestehend aus einem Übertragungszylinder (02,07) und einem damit zusammenwirkenden Formzylinder (03,08), deren Ballen jeweils eine Breite aufweisen, die sechs liegenden oder stehenden Zeitungsseiten entspricht, wobei - der Übertragungszylinder (02,07) mindestens zwei in Umfangsrichtung zueinander versetzt angeordnete Kanäle (14,16,17,18) zur Aufnahme von Drucktüchern (09) aufweist und in Längsrichtung des Übertragungszylinders (02,07) nebeneinander drei Drucktücher (09) jeweils annähernd über den gesamten Umfang reichend und mit ihren Enden um 180¡ in Umfangsrichtung alternierend versetzt zueinander angeordnet sind,
- die Drucktücher (09) jeweils mehrschichtig, eine Trägerplatte (21) und eine mit dieser verbundene Schicht (22) aufweisend, ausgeführt sind,
- der Formzylinder (03,08) in Umfangsrichtung zwei um 180¡ zueinander versetzte, durchgehende Kanäle (12,13) zur Aufnahme von Druckformen (11) aufweist,
- die Druckformen (11) auf dem Formzylinder (03,08) derart angeordnet sind, dass ihre Enden über die gesamte Breite des Ballens in derselben Flucht liegen."
Diesem Patentanspruch 1 schließen sich die Patentansprüche 2 bis 14 in der erteilten Fassung an.
Im Prüfungsverfahren sind noch folgende weitere Druckschriften in Betracht gezogen worden:
- DE 25 28 008 A1
- DE 44 29 210 A1
- DE 44 29 891 A1
- DE 34 41 175 C2 II.
Die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts ist durch PatG § 147 Abs. 3 Satz 1 begründet.
Der Einspruch ist zulässig. Er hat aber keinen Erfolg.
1. Die erteilten Patentansprüche 1 bis 14 sind zulässig.
Das Patentbegehren ist der Stammanmeldung 100 16 409.9 zu entnehmen und in den ursprünglichen Unterlagen offenbart.
Die Einsprechende ist der Meinung, nach dem Wortlaut des erteilten Patentanspruchs 1 könne der Formzylinder auch "einfachen" Umfang (entsprechend der Länge einer stehenden Zeitungsseite) aufweisen. Nach den Unterlagen der Stammanmeldung sei ein Formzylinder mit zwei um 180¡ versetzten Kanälen aber nur mit doppeltem Umfang offenbart. Demnach ginge der erteilte Patentanspruch 1 über die ursprüngliche Offenbarung hinaus.
Dieser Auffassung folgt der Senat nicht. Mit Patentanspruch 1 der Stammanmeldung ist ein Zylinder einer Rotationsdruckmaschine beansprucht, der ein Übertragungs- oder ein Formzylinder sein kann (Stammanmeldung Patentanspruch 1 i. V. m. Seite 5, 5. Absatz). Dieser Zylinder kann nach dem Anspruchswortlaut zwei in Umfangsrichtung hintereinander angeordnete Kanäle aufweisen, die gemäß dem auf diesen Patentanspruch mittelbar rückbezogenen Patentanspruch 25 um etwa 180¡ versetzt sind. Nach Patentanspruch 1 der Stammanmeldung kann weiter einer der Kanäle über seine gesamte Länge durch einen Aufzug bedeckt sein, wobei die Länge der Aufzüge in Umfangsrichtung gesehen nicht spezifiziert ist. Aufzüge mit einer Länge von einer stehenden Zeitungsseite sind deshalb mit umfasst. Wenn somit eine Druckform mit einer nur einer stehenden Zeitungsseite entsprechenden Länge den um 180¡ versetzten Kanal überdeckt, muss sie sich um den vollen Umfang erstrecken, um beidendig eingespannt werden zu können. Dann aber weist der Zylinder "einfachen" Umfang auf.
Nichts anderes ist im erteilten Patentanspruch 1 angegeben, wonach der Formzylinder zwei um 180¡ versetzte Kanäle zur Aufnahme von Druckformen aufweist und die Druckformen mit ihren Enden in derselben Flucht liegen. Auch hier ist die Länge der Druckformen und damit die Umfangslänge des Formzylinders nicht festgelegt.
Insofern kann dahinstehen, ob der Formzylinder mit seinen beiden in Umfangsrichtung aufeinanderfolgenden Kanälen nur doppelten oder auch einfachen Umfang aufweisen kann, da die im erteilten Patentanspruch 1 hinsichtlich Kanal- und Druckformanordnung enthaltenen Angaben der Stammanmeldung jedenfalls entnehmbar sind.
Auch die übrigen Merkmale des Druckwerks nach dem erteilten Patentanspruch 1 sind der Stammanmeldung entnehmbar. Sie ergeben sich aus den Ansprüchen 1, 2, 6, 8, 10, 11, 12, 17, 18, 25, 28.
Die durch die erteilten Patentansprüche 2 bis 14 gekennzeichneten Ausgestaltungen finden sich in den Patentansprüchen 1, 2, 3, 13, 20, 24 und 26 i. V. m. Angaben aus der Beschreibung der Stammanmeldung (Seite 11, 1. Absatz; Seite 6, 1. Zeile; Seite 7, 1. Absatz; Seite 8, 1. Absatz; Seite 5, 5. Absatz).
Die durch die erteilten Patentansprüche 1 bis 14 gekennzeichneten Ausgestaltungen finden sich auch in den durch Teilung der Stammanmeldung 100 16 409.9 hervorgegangenen ursprünglichen Anmeldeunterlagen des Streitpatentes. Gegenteiliges hat die Einsprechende auch nicht geltend gemacht.
2. Das Patent betrifft ein Druckwerk einer Rotationsdruckmaschine mit einem Übertragungszylinder und einem Formzylinder.
Das dem Patent zugrundeliegende und mit der Aufgabe formulierte technische Problem besteht darin, ein Offset-Druckwerk für große Produktstärken zu schaffen, das einen geringen Herstellungsaufwand erfordert.
Dieses Problem wird durch das Druckwerk mit den im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmalen gelöst.
3. Patentfähigkeit Die Prüfung durch den Senat hat ergeben, dass den erst nach Ablauf der Einspruchsfrist sowohl von der Einsprechenden als auch von der Patentinhaberin eingereichten bzw. genannten Fachveröffentlichungen bzw. Druckschriften eine über die des übrigen Standes der Technik hinausgehende Bedeutung in Bezug auf den Gegenstand des Streitpatents nicht zukommt. Diese Dokumente sind somit nicht relevant. Das verspätete Vorbringen wird deshalb als unzulässig zurückgewiesen (vgl. Schulte PatG 7. Auflage Einleitung Rdn. 173 und § 59, Rdn. 210; BGH in "Gleichstromfernspeisung", PMZ 1977, 277).
Als Durchschnittsfachmann nimmt der Senat einen Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau an, der bei einem Druckmaschinen-Hersteller mit der Konstruktion von Druckwerken befasst ist und auf diesem Gebiet über mehrjährige Berufserfahrung verfügt.
3.1 Patentanspruch 1 3.1.1 Das ohne Zweifel gewerblich anwendbare Druckwerk nach dem Patentanspruch 1 ist neu.
Aus keiner der in Betracht gezogenen Druckschriften geht ein Druckwerk mit allen im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmalen hervor. Insbesondere ist es aus keiner dieser Druckschriften entnehmbar, bei einer Breite der Zylinder für sechs stehende oder liegende Zeitungsseiten den Formzylinder mit zwei um 180¡ in Umfangsrichtung versetzten, durchgehenden Kanälen zu versehen und alle Druckformen mit ihren Enden fluchtend anzuordnen.
Die Neuheit hat die Einsprechende auch nicht bestritten.
3.1.2 Das Druckwerk nach dem Patentanspruch 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Ein Druckwerk 7 einer Rotationsdruckmaschine mit einem Übertragungszylinder 3, 4 und einem Formzylinder 1, 2 ist aus der DE 198 03 809 A1 bekannt (Patentanspruch 1; Figur 1). Die Ballen der Zylinder dieses Druckwerks weisen eine Breite von "mindestens vier stehenden Druckseiten im Broadsheetformat" auf (Spalte 4, Zeilen 36-38; Patentanspruch 1), wobei ausdrücklich angegeben wird, dass neben den beschriebenen vier Seiten breiten Druckwerken auch solche mit einer Breite von mehr als vier stehenden Druckseiten im Broadsheetformat umfasst sein sollen (Spalte 2, Zeile 66, bis Spalte 3, Zeile 2). Weiter weist der Übertragungszylinder des vorbekannten Druckwerks auch mindestens zwei in Umfangsrichtung um 180¡ zueinander versetzt angeordnete Kanäle auf (Spalte 4, Zeilen 58-63; Anspruch 10), wobei die Drucktücher jeweils eine Breite von zwei Druckseiten aufweisen und über den gesamten Umfang reichen (vgl. Figur 1). Die im streitpatentgemäßen Patentanspruch 1 gekennzeichnete Ausgestaltung des Drucktuchs, umfassend eine Trägerplatte und eine mit dieser verbundene Schicht, ist aus der DE 198 03 809 A1 ebenfalls entnehmbar, denn das Gummituch (als Schicht) ist auf einer Trägerplatte befestigt, deren über die Gummischicht überstehende Enden zur Einführung in den Spannkanal dienen (Spalte 4, Zeilen 52-58; Anspruch 8). Schließlich sind auch die Enden der Druckformen über die gesamte Breite des Ballens des Formzylinders in derselben Flucht angeordnet (Figur 1).
Das Druckwerk nach dem erteilten Patentanspruch 1 weist von diesem Bekannten abweichend eine Breite von konkret sechs Zeitungsseiten auf, und der Formzylinder ist mit zwei um 180¡ versetzten durchgehenden Spannkanälen versehen. Dabei sind die Druckformen so angeordnet, dass ihre Enden über die gesamte Zylinderbreite fluchten.
Die Einsprechende vertritt die Auffassung, dass dem Fachmann die im streitpatentgemäßen Patentanspruch 1 angegebene Zylinderbreite entsprechend sechs Zeitungsseiten schon durch die DE 198 03 809 A1 nahegelegt sei. Dies entnehme der Fachmann nämlich dem ausdrücklichen Hinweis auf eine Breite von mehr als vier stehenden Druckseiten im Broadsheetformat (Spalte 2, Zeile 66, bis Spalte 3, Zeile 2). Denn im Zeitungsdruck würden üblicherweise jeweils zwei Seiten als Einheit bedruckt, so dass als nächste "logische" Stufe über den vierseitenbreiten Formzylinder hinaus der sechsseitenbreite Formzylinder in Betracht käme. Ein Zylinderpaar mit einer sechs Zeitungsseiten entsprechenden Breite sei deshalb aus der DE 198 03 809 A1 ohne weiteres entnehmbar.
Wolle der Fachmann das Zylinderpaar in dieser sechs Seiten breiten Ausführung herstellen, so liege es für ihn weiter auf der Hand, den durchgehenden Spannkanal des Formzylinders entsprechend zu verlängern. Miteinander fluchtende Einspannenden der Druckformen seien nämlich vorteilhaft für einen Wechsel des gesamten Plattensatzes, weil der Zylinder nur einmal in seiner Drehlage positioniert werden müsse.
Der Fachmann würde auch die aus der DE 198 03 809 A1 bekannte Staffelung der Drucktücher des Übertragungszylinders entsprechend übernehmen, indem er anstelle von zwei nunmehr drei jeweils zwei Seiten breite Drucktücher jeweils um 180¡ versetzt anordnen würde.
Schließlich sei es üblich, Formzylinder mit zwei jeweils einer Druckseite entsprechenden Druckformen zu bestücken, wie es die DE 198 03 809 A1 ausdrücklich angebe (Spalte 1, Zeilen 10-18). Es sei daher naheliegend, das aus der DE 198 03 809 A1 entnehmbare Gestaltungsprinzip auch für einen Formzylinder doppelten Umfangs anzuwenden, wobei sich ohne weiteres der zweite, um 180¡ versetzte durchgehende Spannkanal ergäbe.
Der Senat stimmt der Auffassung der Einsprechenden insoweit zu, als der Fachmann eine sechs Zeitungsseiten entsprechende Breite des Druckwerks der DE 198 03 809 A1 zu entnehmen vermag. Nicht folgen kann der Senat aber den weiteren Schlussfolgerungen der Einsprechenden, daraus ergebe sich dem Fachmann naheliegend auch die weitere Ausgestaltung nach dem erteilten Patentanspruch 1. Dem Fachmann ist nämlich aufgrund seines Fachwissens bewusst, dass sich die Konstellation der Spannkanäle in erheblichem Maß an der Zylinderlänge zu orientieren hat. Dabei nehmen Kanal-Anordnung und Druckform-Staffelung maßgeblichen Einfluss auf das Schwingungsverhalten des Druckwerks, und zwar bei zunehmender Zylinderlänge in zunehmendem Maß. Somit ist dem Fachmann von vornherein klar, dass er die in der DE 198 03 809 A1 gezeigte Ausgestaltung für ein mindestens vier Seiten breites Druckwerk nicht ohne weiteres für sämtliche Breiten von mehr als vier Seiten übernehmen kann. Da nun die DE 198 03 809 A1 keinerlei Hinweis gibt, wie bei einem derart breiten Druckwerk die Spannkanäle des Formzylinders und des Übertragungszylinders sowie die Aufzüge zu staffeln und anzuordnen sind, wird der Fachmann nach entsprechenden Vorschlägen im einschlägigen Fachgebiet Umschau halten.
Er findet dort die DE 25 28 008 A1, die sich speziell mit dem Problem der Spannkanal- und Aufzug-Anordnung bei dreifach breiten Offset-Druckwerken (Seite 5, letzter Absatz, bis Seite 6, 2. Absatz, Figur 2) auseinandersetzt. Danach verlaufen die Spannkanäle 32, 32a im Formzylinder 11 nur jeweils über ein Drittel der Gesamtlänge und sind jeweils um einen von 180¡ verschiedenen Winkel gestaffelt. Entsprechend sind die Druckformen 31 und die Drucktücher 33 auf dem Gegendruckzylinder 12 anzuordnen (Seite 4, 2. und 3. Absatz; Ansprüche 1, 3, Figur 2).
Mit der dieser Druckschrift entnehmbaren Lehre würde der Fachmann somit den gemäß der DE 198 03 809 A1 für ein doppeltbreites Druckwerk geeigneten durchgehenden Spannkanal für ein dreifachbreites Druckwerk nicht mehr geeignet halten. Die Lehre nach der DE 25 28 008 A1 führt den Fachmann demnach von den durch den streitpatentgemäßen Patentanspruch 1 gekennzeichneten durchgehenden Spannkanälen mit einen Versatz in Umfangsrichtung von 180¡ weg. Damit könnte auch die streitpatentgemäße Staffelung der drei Drucktücher von 180¡ nicht vorgesehen werden, denn die Spalte der Drucktücher und die druckfreien Bereiche zwischen den Druckseiten der Druckformen müssen zumindest insoweit in ihrer Anordnung aufeinander abgestimmt sein, als ein Spalt an den Gummituchenden nicht in dem druckenden Bereich einer Druckform abrollt.
Anregung zu der streitpatentgemäßen Ausgestaltung erhält der Fachmann auch nicht aus dem Stand der Technik nach den übrigen Druckschriften.
Zwar ist aus der DE 44 44 062 A1 ein Plattenzylinder 10 mit zwei um 180¡ zueinander versetzten Kanälen 20 (Spalte 2, Zeilen 33-35 sowie mit in Umfangsrichtung zwei hintereinander und in Achsrichtung vier nebeneinander angeordneten Druckplatten 78 bekannt (Spalte 4, Zeilen 16-20; Figuren 2, 3). Folglich sind die Druckformen mit ihren Enden auch fluchtend angeordnet. Über die Breite der Druckformen ist hier allerdings keine Aussage gemacht. Ohne eine diesbezügliche Angabe wird der Fachmann deshalb von Druckformen in Seitenbreite ausgehen, denn einen Anlass zu einer anderen Beurteilung bietet ihm diese Druckschrift nicht. Somit sieht der Fachmann hierin einen doppeltbreiten Formzylinder, wie er schon als Stand der Technik in der DE 198 03 809 A1 (Spalte 1, Zeilen 15,16) beschrieben ist. Diese Druckschrift vermag demnach dem im Hinblick auf den Gegenstand des Streitpatents schon ohnehin aus den beiden zuvor dargelegten Druckschriften Entnehmbaren nichts hinzuzufügen.
Die DE 195 41 249 A1 ist von der Einsprechenden nur in Bezug auf die Ausbildung des Drucktuches genannt worden. Aus dieser Druckschrift ist die im erteilten Patentanspruch 1 angegebene Ausbildung des Drucktuches mit Trägerplatte und Gummischicht bekannt (Figur 1, Pos. 2, 32). Diese Ausbildung ist allerdings - wie oben ausgeführt - schon der DE 198 03 809 A1 entnehmbar, so dass diese Druckschrift dem Gegenstand des Streitpatents ebenfalls nicht näherkommt.
Die von der Einsprechenden nicht aufgegriffenen übrigen Druckschriften DE 44 29 210 A1, DE 44 29 891 A1 und DE 34 41 175 C2 liegen von dem Druckwerk nach dem erteilten Patentanspruch 1 noch weiter ab.
So ist aus der DE 44 29 210 A1 ein Formzylinder mit einer Anordnung von in Umfangsrichtung hintereinander angeordneten auf-/abwickelbaren Druckfolien 2-5 entnehmbar (Patentanspruch 1). Über die Breite dieses Formzylinders und die Ausgestaltung sowie Aufzug-Belegung des mit diesem Formzylinder korrespondierenden Zylinders sind keine Angaben gemacht.
Die DE 44 29 891 A1 lehrt die Verwendung eines gegenüber dem Formzylinder 17 doppeltgroßen Gummituchzylinders 16 (Anspruch 1), wobei zur Kanal- und Aufzuganordnung nichts entnehmbar ist.
Aus der DE 34 41 175 C2 schließlich geht ein doppeltrunder Gummituchzylinder 1 mit von dem Gummituch 6 überdecktem Entlastungskanal 9a (Figur 2) zur Entlastung des Gummituchs hervor. Das Gummituch erstreckt sich über den gesamten Zylinderumfang. Der mit dem Gummituchzylinder zusammenwirkende Formzylinder 2 weist einfachen Umfang und nur einen Spannkanal 5 auf. Über die Breite des Druckwerks ist dieser Druckschrift nichts entnehmbar.
Aus alledem folgt, dass eine wie auch immer geartete Zusammenschau des in Betracht gezogenen Standes der Technik nicht zu dem Druckwerk nach dem Patentanspruch 1 führen kann.
Das mit dem Patentanspruch 1 gekennzeichnete Druckwerk übersteigt dabei auch das für den Durchschnittsfachmann typische fachmännische Können, mit dem er sein Fachgebiet ohne erfinderische Tätigkeit weiterentwickeln kann. Denn der Fachmann hatte sich von fachüblichen Vorstellungen zu lösen (dreifachbreiter Formzylinder mit zwei Spannkanälen ist ungeeignet) und spezielle Maßnahmen zu kombinieren (180¡-Staffelung von zwei Seiten breiten und zwei Seiten langen Drucktüchern + Gummituch auf Trägerplatte + fluchtende Einspannenden der Druckformen + durchgehende Kanäle im Formzylinder mit Versatz von 180¡), die im Stand der Technik in dieser Kombination zur Realisierung eines dreifachbreiten Druckwerks ohne Vorbild waren. Diese Realisierung ist mit der durch den erteilten Patentanspruch 1 gekennzeichneten Ausgestaltung in einer Weise gelöst, die nach Überzeugung des Senats eine erfinderische Tätigkeit begründet.
Der erteilte Patentanspruch 1 hat somit Bestand.
3.2 Mit dem Druckwerk nach dem Patentanspruch 1 sind auch die Gegenstände der rückbezogenen Unteransprüche patentfähig, die vorteilhafte Weiterbildungen des Druckwerks nach dem Patentanspruch 1 betreffen und zumindest keine Selbstverständlichkeiten darstellen.
BPatG:
Beschluss v. 27.03.2006
Az: 9 W (pat) 304/05
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