Bundespatentgericht:
Beschluss vom 25. August 2009
Aktenzeichen: 21 W (pat) 77/05

(BPatG: Beschluss v. 25.08.2009, Az.: 21 W (pat) 77/05)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse A 61 F des Deutschen Patentund Markenamts vom 27. Juli 2005 aufgehoben und das Patent DE 198 82 668 erteilt.

Bezeichnung: Vorrichtung zum Schutz und zur Drucknormalisierung für einen Fuß, Knöchel und Bein umfassende Körperextremität Anmeldtag: 4. September 1998.

Die Priorität der Anmeldung in den USA (Az: US 60/057, 817) vom 4. September 1997 ist in Anspruch genommen.

Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:

Patentansprüche 1 bis 4, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 25. August 2009;

Beschreibung, Seiten 1, 1a und 2, 3 bis 12, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 25. August 2009;

6 Blatt Zeichnungen Figuren 1 bis 15, gemäß Offenlegungsschrift.

2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I Die vorliegende Patentanmeldung ist als internationale Anmeldung (PCT/US98/18391) unter Inanspruchnahme der Priorität vom 4. September 1997 (US 60/057, 817) in den Vereinigten Staaten von Amerika am 4. September 1998 angemeldet worden. Sie trägt in der deutschen Übersetzung die Bezeichnung "Vorrichtung und Verfahren zur Pflege der Ferse". Der internationale Veröffentlichungstag mit der Veröffentlichungsnummer WO 99/11204 ist der 11. März 1999, der Veröffentlichungstag der nationalen Anmeldung in deutscher Sprache ist der 3. August 2000.

Die nebengeordneten Ansprüche 1 und 9 lauteten ursprünglich wie folgt:

1. Vorrichtung (10) zum Schutz und zur Drucknormalisierung für eine Körperextremität, die eine Oberseite, eine Unterseite und zwei weitere Seiten aufweist, wobei die Vorrichtung umfasst: -einen aufblasbaren Teil (48), dereinen unteren Abschnitt, der in Kontakt mit wenigstens einem Abschnitt der anderen Seite des unteren Bereichs der Extremität steht, einen mittleren Abschnitt, der in Kontakt mit wenigstens einem Abschnitt der anderen Seiten des mittleren Bereichs der Extremität steht, und einen oberen Abschnitt, der in Kontakt mit wenigstens einem Teil der anderen Seiten des oberen Bereichs der Extremität steht, aufweist;

- eine Fersenöffnung (30), die die Unterseite des mittleren Abschnitts freilässt;

-einen nichtaufblasbaren Teil (40, 41), der einen unteren Abschnitt aufweist, der in Kontakt mit wenigstens einem Abschnitt der Unterseite des unteren Bereichs steht, wobei der aufblasbare Teil (48) und die Fersenöffnung (30) wenigstens einen Abschnitt des nichtaufblasbaren Teils (40, 41) umgeben;

-eine Einrichtung (15, 16) zum lösbaren Befestigen der Vorrichtung (10) um den unteren Abschnitt; und -eine Düse (45) zum Aufblasen des aufblasbaren Teils (48) auf einen gewünschten Innendruck, so dass die Vorrichtung (10) mit der Extremität im Eingriff ist und diese teilweise in wiegender Weise einschließt und der aufblasbare Teil (48) einen einheitlichen Grenzflächen-Druck an den Stellen ausübt, wo er auf die Extremität aufgebracht ist;

9. Verfahren zum Anlegen einer statischen drucknormalisierenden Vorrichtung (10) an eine Körperextremität, wobei die Körperextremität eine Oberseite, eine Unterseite und zwei weitere Seiten aufweist, wobei das Verfahren die Schritte umfasst, dass man -die Unterseite eines mittleren Bereichs der Extremität in eine Fersenöffnung (30) einbringt und so die Unterseite des mittleren Bereichs freilässt;

-wenigstens einen Abschnitt der Unterseite des unteren Bereichs der Extremität auf einem nichtaufblasbaren Teil (40, 41) anordnet;

-einen aufblasbaren Teil (48) an der Extremität anordnet, so dass der aufblasbare Teil (48) in Kontakt mit wenigstens einem Abschnitt der anderen Seiten des unteren Bereichs, wenigstens einem Abschnitt der anderen Seiten des mittleren Bereichs und wenigstens einem Abschnitt der anderen Seiten des oberen Bereichs der Extremität kommt; und -die Vorrichtung (10) lösbar um den unteren Abschnitt befestigt.

Wegen der Patentansprüche 2 bis 8 und 10 bis 16 wird auf die Offenlegungsschrift (Veröffentlichung DE 198 82 669 T1) Bezug genommen.

In ihrem Bescheid vom 29. August 2002 hat die Prüfungsstelle folgende Druckschriften erstmals genannt:

D1 WO 94/15553 A1 D2 EP0770368A1 D3 US5577998A, und u. a. ausgeführt, dass der Gegenstand des Vorrichtungsanspruchs 1 neuheitsschädlich aus der Druckschrift D1 bekannt sei. Die Ansprüche 9 bis 16 beträfen ein Verfahren zur therapeutischen Anwendung der beanspruchten Vorrichtung und seien daher von Gesetzes wegen als gewerblich nicht anwendbar anzusehen und dem Patentschutz nicht zugänglich.

Die Anmelderin hat mit Schriftsatz vom 18. April 2003 einen neuen Patentanspruch 1 eingereicht, der inhaltlich mit dem ursprünglichen Patentanspruch 1 übereinstimmt und lediglich in zweiteiliger Form abgefasst wurde, sowie neue Seiten 1, 1a, 2 der Beschreibung, in die sie neben der bereits ursprünglich genannten Druckschrift D4 US5489259A noch die Entgegenhaltungen D1 bis D3 aufgenommen hat. In ihrer Eingabe hat die Anmelderin zur Frage der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit Stellung genommen und bezüglich der Ansprüche 9 bis 16 geltend gemacht, dass sie kein Verfahren zur therapeutischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers zum Gegenstand hätten, sondern eine Art Gebrauchsanweisung zur Benutzung der beanspruchten Vorrichtung, die auch im Fitnessoder Sportbereich zur Entlastung von Füssen eingesetzt werden könnte. Außerdem hat die Anmelderin hilfsweise eine Anhörung beantragt, falls die Prüfungsstelle den Anmeldungsgegenstand mit dem geänderten Anspruch 1 weiter für nicht gewährbar erachte.

Die Prüfungsstelle für Klasse A 61 F des Deutschen Patentund Markenamts hat die Anmeldung durch Beschluss der vom 27. Juli 2005 mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Patentansprüche 9 bis 16, wie bereits im Vorbescheid ausgeführt, auf ein Verfahren zur therapeutischen Anwendung der drucknormalisierenden Vorrichtung gerichtet und daher dem Patentschutz nicht zugänglich seien. Die beantragte Anhörung hat die Prüfungsstelle als nicht sachdienlich mit dem Hinweis abgelehnt, dass sich gefestigte, aber völlig gegensätzliche Rechtsauffassungen gegenüberstünden, die einen Kompromiss weder möglich noch zu erwarten erscheinen ließen. Ihrer Meinung nach lasse auch die Durchführung einer Anhörung weder das Vorbringen neuer, zusätzlicher Argumente noch das Finden einer Lösung als wahrscheinlich erscheinen. Die Durchführung einer Anhörung sei daher weder sachdienlich noch ökonomisch sinnvoll. Zum inhaltlich unveränderten Patentanspruch 1 hat sich die Prüfungsstelle in ihrem Zurückweisungsbeschluss nicht geäußert.

Gegen diesen Zurückweisungsbeschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie nur noch die Sachansprüche weiter verfolgt. In der mündlichen Verhandlung, in der der Senat als weitere Entgegenhaltung noch die D5 US5378224A eingeführt hat, hat sie neue Patentansprüche 1 bis 4 eingereicht.

Patentanspruch 1 lautet danach wie folgt (Merkmalsgliederung hinzugefügt):

M1 Vorrichtung (10) zum Schutz und zur Drucknormalisierung für eine Fuß, Knöchel und Bein umfassende Körperextremität, die eine Oberseite, eine Unterseite und zwei weitere Seiten aufweist, wobei die Vorrichtung (10) umfasst:

M2 einen aufblasbaren Teil (48), der miteinander verbunden in Form einer einzelnen aufblasbaren Kammer (48) aufweist:

M2a einen Fußpolsterabschnitt (63), der in Kontakt mit wenigstens einem Abschnitt des Fußes steht, M2b einen Knöchelpolsterabschnitt (61), der in Kontakt mit wenigstens einem Abschnitt des Knöchels steht; und M2c einen Beinpolsterabschnitt (62), der in Kontakt mit wenigstens einem Abschnitt des Beins steht;

M3 eine Fersenöffnung (30);

M4 eine Einrichtung (15, 16) zum lösbaren Befestigen der Vorrichtung (10), so dass ein Fußabschnitt (12) und der Fußpolsterabschnitt (63) in Eingriff mit dem Fuß gebracht werden können; und M5 eine Düse (45) zum Aufblasen des aufblasbaren Teils (48) auf einen gewünschten Innendruck, so dass die Vorrichtung (10) mit der Fuß, Knöchel und Bein umfassenden Körperextremität im Eingriff ist und diese teilweise in wiegender Weise einschließt und der aufblasbare Teil (48) einen einheitlichen Grenzflächen-Druck an den Stellen ausübt, wo er auf die Fuß, Knöchel und Bein umfassende Körperextremität aufgebracht ist;

gekennzeichnet durch M6 einen einen ausgesparten Fußabschnitt (40) und einen ausgesparten Beinabschnitt (41) umfassenden nichtaufblasbaren Teil, wobei der ausgesparte Fußabschnitt (40) dazu geeignet ist, in Kontakt mit wenigstens einem Abschnitt der Unterseite des Fußes zu stehen, und der ausgesparte Beinabschnitt (41) umgeben ist von dem Beinpolsterabschnitt (62), wobei der nichtaufblasbare Teil (40, 41) von dem aufblasbaren Teil (48) vollständig umgeben ist und die Fersenöffnung (30) Teil des ausgesparten Fußabschnitts (40) ist.

Hinsichtlich der Beschreibung und der Unteransprüche 2 bis 4 wird auf die Anlage zum Protokoll vom 25. August 2009 verwiesen.

Die Anmelderin beantragt, den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse A 61 F des Deutschen Patentund Markenamts vom 27. Juli 2005 aufzuheben und das Patent DE 198 82 669 mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 bis 4, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 25. August 2009, der ebenfalls in der mündlichen Verhandlung vom 25. August 2009 überreichten Beschreibung S. 1, 1a, 2 und 3 bis 12 sowie der Zeichnung, Figuren 1 bis 15 gemäß Offenlegungsschrift, und die Beschwerdegebühr zurückzuerstatten.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II Die Beschwerde ist zulässig und hat auch insoweit Erfolg, als sie zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Erteilung des Patentes auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung eingereichten Patentansprüche 1 bis 4 sowie zur Zurückzahlung der Beschwerdegebühr führt.

1. Die neuen Patentansprüche 1 bis 4 sind zulässig, denn sie sind in den ursprünglich eingereichten Unterlagen offenbart.

Der neue Patentanspruch 1 geht auf die ursprünglichen Patentansprüche 1, 3, 5 und 6 zurück. Darüber hinaus sind Angaben aus der ursprünglichen Beschreibung (Seite 6, 4. Absatz; Seite 7, 1. Absatz; und Seite 8, 3. Absatz) in die Merkmalsgruppen M4 und M6 des neuen Patentanspruchs 1 aufgenommen. Das weitere neu in die Merkmalsgruppe M6 des Patentanspruchs 1 aufgenommene Teilmerkmal, wonach "der nichtaufblasbare Teil (40, 41) von dem aufblasbaren Teil (48) vollständig umgeben ist und die Fersenöffnung (30) Teil des ausgesparten Fußabschnitts (40) ist", ist eindeutig der Figur 1 der ursprünglichen Unterlagen als zur Erfindung gehörend zu entnehmen (vgl. Schulte, PatG, 8. Aufl., 2008, § 34 Rdn. 315/316).

Der Patentanspruch 2 ist aus den zusammengefassten ursprünglichen Patentansprüchen 2 und 4 hervorgegangen. Die Patentansprüche 3 und 4 gehen auf die ursprünglichen Patentansprüche 7 und 8 zurück.

2.

Die Erfindung betrifft eine Vorrichtung zum Schutz und zur Drucknormalisierung für eine Fuß, Knöchel und Bein umfassende Körperextremität, speziell eine aufblasbare Vorrichtung, die für einen Schutz des Fußes und insbesondere des Fersenbereichs des Fußes sorgt und den Fuß von Druck entlastet, wenn sich der Körper in einer Rückenlage-Position befindet (vgl. in der Offenlegungsschrift, Seite 1, zweiter Absatz).

Es ist eine Aufgabe der Erfindung eine Vorrichtung zu schaffen, welche u. a. dazu geeignet ist, den Knöchel zu stabilisieren, während der Druck von der Ferse des Fußes weggenommen und der Zehenbereich vor einem Kontakt mit äußeren Objekten geschützt wird (vgl. in der Offenlegungsschrift, Seite 2, vorletzter Absatz).

3.

Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 ist gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik neu, denn keine der entgegengehaltenen Druckschriften D1 bis D5 offenbart eine Vorrichtung zum Schutz und zur Drucknormalisierung für eine Fuß, Knöchel und Bein umfassende Körperextremität mit allen Merkmalen des Gegenstandes gemäß dem Patentanspruch 1.

3.1. So ist aus der dem Anmeldungsgegenstand am nächsten kommenden Druckschrift D1 (vgl. die Figuren 1a, 2 und 3 mit Beschreibung) eine Vorrichtung zur Lagerung eines Beins unter Vermeidung von Druckgeschwüren mit einem aufblasbaren ersten, zweiten und dritten Kissen (first cushion 12, second cushion 14, third cushion 16) bekannt [Merkmal M1]. Das dritte Kissen (16) kann aus dem ersten Kissen (12) herausgeklappt werden (vgl. die Figur 3). Dadurch entsteht in dem ersten Kissen (12) eine Öffnung zur Lagerung der Ferse (84) [Merkmal M3]. Bei einer nicht in den Figuren gezeigten Ausführungsform dieser Vorrichtung ist das lösbar am ersten Kissen (12) befestigte zweite Kissen (14), auf dem die Fußsohle ruht, weggelassen (vgl. Beschreibung, Seite 3, Zeilen 10 bis 15 i. V. m. dem Anspruch 5). Das Bein wird dann im Wesentlichen auf dem ersten Kissen (12) gelagert, welches in Form einer einzelnen durch ein Ventil (18) [Merkmal M5] aufblasbaren Kammer verschiedene Polster (32, 34, 36, 38, 40, 42) aufweist (vgl. die Figur 1a), die in Kontakt mit dem Fuß, dem Knöchel und dem Bein stehen [Merkmale M2, M2a -M2c]. Die Vorrichtung wird mit Hilfe von Bändern (straps 58, 60) am Bein befestigt, so dass die Polster des ersten Kissens (12) in Eingriff mit dem Fuß gebracht werden können [Merkmal M4].

Die Ausführungsform ohne das zweite Kissen (14), weist somit alle im Oberbegriff des Patentanspruchs 1 angegebenen Merkmale M1 bis M5 auf, nicht jedoch das im Kennzeichen des Anspruchs 1 angegebene Merkmal, wonach der nichtaufblasbare Teil von dem aufblasbaren Teil vollständig umgeben ist und die Fersenöffnung Teil des ausgesparten Fußabschnitts ist. Bei der Ausführungsform ohne das zweite Kissen (14) besteht der nichtaufblasbare Teil einerseits aus mit der Fußsohle in Kontakt stehenden, überlappend miteinander verbundenen Randstreifen (vgl. die Figuren 1a und 2 i. V. m. der Beschreibung auf Seite 12, Zeilen 3 bis 10: "peripheral edges 80 and 82") an einem Ende (first end 30) des ersten Kissens (12), und andererseits aus dem zusammengeschweißten Bereich (vgl. die Figuren 1a und 2 i. V. m. der Beschreibung auf Seite 10, Zeilen 17 bis 22: "band 54") am gegenüberliegenden Ende (second end 50) des ersten Kissens (12). Dieser, dem ausgesparten Fußabschnitt und ausgesparten Beinabschnitt gemäß Anspruch 1 entsprechende, nichtaufblasbare Teil ist jedoch nicht vollständig von dem ersten Kissen (= aufblasbarer Teil) umgeben. Die miteinander verbundenen Randstreifen (80, 82) grenzen bei entferntem zweiten Kissen (14) auf einer Seite an die Öffnung für die Ferse (84), und sind an der der Fersenöffnung (84) gegenüberliegenden Seite nicht von dem ersten Kissen (12) begrenzt (vgl. die Figur 2 ohne zweites Kissen (14)). Die Fersenöffnung (84) ist außerdem -wie zweifelsfrei aus den Figuren 1a und 2 erkennbar ist -nicht Teil der dem ausgesparten Fußabschnitt gemäß Anspruch 1 entsprechenden miteinander verbundenen Randstreifen (80, 82), sondern entsteht erst durch Herausklappen des dritten Kissens (16) aus dem ersten Kissen (12).

3.2. Auch die aus der weiter ab liegenden Druckschrift D5 bekannte aufblasbare Bandage für das Sprunggelenk (vgl. die Figuren 14 bis 17 i. V. m. der Beschreibung ab Spalte 5, Zeile 35 bis Spalte 6, Zeile 7) weist nicht das o. g. im Kennzeichen des Anspruchs 1 angegebene Merkmal auf. Diese Bandage besteht aus einer aufblasbaren Kammer (inflatable chamber 134) [entspricht dem aufblasbaren Teil], die von einem nichtaufblasbaren Randbereich (flexible sheet 132) [entspricht dem nichtaufblasbaren Teil] vollständig umgeben ist (vgl. die Figur 14). Eine Fersenöffnung ergibt sich erst nach Anlegen der Bandage (vgl. die Figur 17). Bei nicht angelegter Bandage (vgl. die Figur 14) ist die Fersenöffnung nicht ausgebildet. Sie kann daher auch nicht als Teil des nichtaufblasbaren Randbereichs (132), der bei angelegter Bandage in Kontakt mit der Fußsohle steht [entspricht dem ausgesparten Fußabschnitt], angesehen werden.

3.3 Auch den weiteren Druckschriften D2 bis D4, welche im Übrigen einen weiter entferntliegenden Stand der Technik als die vorstehend genannten D1 und D5 darstellen, nehmen den Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht neuheitsschädlich vorweg.

4.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung auch auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Fachmanns, einem mit der Herstellung und Entwicklung von stützenden, stabilisierenden und schützenden Vorrichtungen für Gliedmaßen und Gelenke -bspw. Bandagen, Stützkissen und Orthesen -befassten, berufserfahrenen Orthopädietechniker bzw. Orthopädiemeister.

4.1. Bei der aus der Druckschrift D1 bekannten aufblasbaren Vorrichtung, in der Ausführungsform ohne das zweite Kissen (14), sind die überlappend miteinander verbundenen Randstreifen (peripheral edges 80, 82) des ersten Kissens (12) mit der Fußsohle in Kontakt (vgl. die Figuren 2 und 3, ohne zweites Kissen (14)). Diese verbundenen Randstreifen (80, 82) sind dabei nicht vollständig von dem aufblasbaren Teil des ersten Kissens (12) umgeben.

Für den zuständigen Fachmann gibt es auch keine Veranlassung, die aus der Druckschrift D1 bekannte Ausführungsform ohne das zweite Kissen (14) so abzuändern, dass der in Kontakt mit der Fußsohle stehende nichtaufblasbare Teil (peripheral edges 80, 82) von dem aufblasbaren Teil vollständig umgeben ist. Sinn einer solchen Abänderung könnte allenfalls das Bestreben des Fachmanns sein, den Zehenbereich des Fußes des Patienten besser zu schützen, wie es auch eine Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist (vgl. a. a. O.). Hierbei wird er aber nicht von der Ausführungsform ohne das zweite Kissen (14) ausgehen, bei der der Fuß des Patienten weitgehend ungeschützt ist, sondern vielmehr von der in Figur 3 dargestellten Ausführungsform mit dem zweiten Kissen, bei der bereits die Fußsohle des Patienten geschützt ist. Um auch noch den Zehenbereich zu schützen, wird der Fachmann das zweite Kissen (14) so verlängern, so dass es über den Zehenbereich hinaussteht. Dies entspricht jedoch nicht der beanspruchten Lehre: Durch das Anbringen des zweiten Kissens (14) an dem ersten Kissen (12) weist die Vorrichtung keinen ausgesparten Fußabschnitt mehr auf, der in Kontakt mit der Fußsohle steht. Dem Fachmann kann daher weder ein Hinweis noch eine Anregung gegeben werden, den nicht aufblasbaren, mit der Fußsohle in Kontakt stehenden Teil (peripheral edges 80, 82) der bekannten Vorrichtung mit dem aufblasbaren Teil vollständig zu umgeben.

4.2.

Auch ausgehend von der Druckschrift D5 gelangt der Fachmann nicht zum Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1. Bei der aus dieser Druckschrift bekannten Bandage für das Sprunggelenk ist die aufblasbare Kammer (inflatable chamber 134) vollständig von einem nichtaufblasbaren Randbereich (flexible sheet 132) umgeben (vgl. die Figur 14). Es gibt keine Veranlassung für den Fachmann, die Bandage so abzuändern, dass der nichtaufblasbare Randbereich (= nichtaufblasbarer Teil) von der aufblasbaren Kammer (= aufblasbarer Teil) umgeben sein soll, entsprechend dem Kennzeichen des geltenden Patentanspruchs 1. Die aus der Druckschrift D5 bekannte Bandage dient zur Unterstützung und Festigung des Sprunggelenks beim Gehen (vgl. Beschreibung, Spalte 5, Zeilen 55 bis 61), und nicht der druckmindernden, weichen Lagerung des Fußes wie bei dervorliegenden Erfindung. Der Fachmann hat daher keinerlei Veranlassung, die Anordnung der aufblasbaren Kammer (134) zu dem nichtaufblasbaren Randbereich (132) abzuändern.

5.

Auch eine Berücksichtigung des Inhalts der weiteren Druckschriften D2 bis D4 führt nicht zu einem anderen Ergebnis.

Zwar zeigen sowohl die D2 als auch die D3 Schienen für das Bein (vgl. in der D2: die Figuren 1 und 3; und in der D3: die Figuren 1 und 4), bei denen der Zehenbereich umfassend geschützt ist, da er im Wesentlichen vollständig von der Schiene umgeben ist. Diese Schienen bestehen aus jeweils zwei das Bein fest umschließende Hartschalen (D2: first shell 10, second shell 13; D3: front shell portion 35, rear shell portion 37) mit aufblasbaren Innenpolstern (D2: padding 18, 23; D3: inflatable air cell 30, 32). Sie sollen den Fuß, das Sprunggelenk und den Unterschenkel fixieren und entlasten, und so das Gehen mit einem verletzten Bein ermöglichen. Sie dienen nicht wie die erfindungsgemäße Vorrichtung der Vermeidung von Druckgeschwüren im Fersenbereich, wenn sich ein Patient auf dem Krankenhausbett in Rückenlage befindet. Die bekannten Schienen verfügen deshalb auch nicht über eine Fersenöffnung. Die aufblasbaren Innenpolster der Schienen befinden sich im Wesentlichen im Bereich des Sprunggelenks und des Unterschenkels. Eine entsprechende Polsterung des vorderen Fußund Zehenbereichs ist nicht vorgesehen und auch nicht notwendig. Der Fachmann kann den Druckschriften D2 und D3 daher weder einen Hinweis noch eine Anregung für eine vollständige Umgebung des Fußund Zehenbereiches mit einem aufblasbaren Teil, wie vorliegend beansprucht, entnehmen.

Aus der Druckschrift D4 ist eine Vorrichtung zum Schutz und zur Drucknormalisierung für ein Bein bekannt (vgl. die Figuren 1 und 9), bei der Fuß, Knöchel und Unterschenkel von einem aufblasbaren Teil (inflatable member 12) weitestgehend umgeben sind. Diese Vorrichtung weist jedoch keinen nichtaufblasbaren Teil auf, der einem ausgesparten Fußabschnitt für die Fußsohle entspricht, wie bei der vorliegenden Erfindung. Die Fußsohle ruht hingegen auf dem aufblasbaren Teil (inflatable member 12) der Vorrichtung. Ein Hinweis oder eine Anregung, einen nichtaufblasbaren Teil für den Kontakt mit der Fußsohle vorzusehen, ist der D4 nicht zu entnehmen.

Die Druckschriften D2 bis D4 haben dem entsprechend in der mündlichen Verhandlung keine Rolle gespielt.

6.

Die Patentfähigkeit der Unteransprüche 2 bis 4 wird von der des Patentanspruchs 1 mitgetragen.

7.

Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist, wie beantragt, anzuordnen (§ 80 Abs. 3 PatG).

Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr kommt dann in Betracht, wenn es auf Grund besonderer Umstände nicht der Billigkeit entspricht, die Gebühr einzubehalten (vgl. Benkard, Patentgesetz und Gebrauchsmustergesetz, 10. Aufl., § 80 PatG, Rdn. 21 u. 25; Schulte a. a. O., § 73, Rdn. 124). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Die Prüfungsstelle hat die von der Anmelderin in ihrer Stellungnahme vom 18. April 2003 hilfsweise beantragten Anhörung verweigert, ohne dass dies die von ihr dafür genannten oder auch andere Gründe rechtfertigen könnten.

Zur Frage der Sachdienlichkeit einer mündlichen Verhandlung im Prüfungsverfahren hat der 7. Senat in seiner Leitsatzentscheidung 7 W (pat) 57/03 vom 22. Juni 2005 (BPatGE 49, 111 = Mitt. 2005, 554 = BlPMZ 2006, 66 (LS) -Anhörung im Prüfungsverfahren) ausgeführt: "Widerspricht der Anmelder unter Angabe von Gründen im Einzelnen den mit dem einzigen Prüfungsbescheid geäußerten Bedenken der Prüfungsstelle gegen das Patentbegehren und beantragt zugleich, für den Fall des Fortbestehens der Bedenken der Prüfungsstelle, die Anberaumung einer Anhörung, ist die Anhörung in der Regel sachdienlich, auch wenn keine geänderten Patentansprüche vorgelegt werden". Bei einem solchen Verfahrensstand ist eine Anhörung in der Regel sachdienlich, denn sie kann das Verfahren fördern, indem der Anmelderin und dem Prüfer die Möglichkeit geboten ist, ihre gegensätzlichen Auffassungen ausführlich in Rede und Gegenrede zu erörtern und gegebenenfalls zu einem Einvernehmen bezüglich einer gewährbaren Anspruchsfassung zu gelangen (vgl. Senatsbeschluss vom 28. April 2009, 21 W (pat) 41/05). Danach wäre eine Anhörung im vorliegenden Fall ohne Einschränkungen sachdienlich gewesen, und zwar unabhängig davon, dass die Zurückweisung der Anmeldung zu Recht auf das Patentierungsverbot des § 5 Abs. 2 PatG a. F. gestützt worden ist.

Unter den umfassenden Begriff der Therapie i. S. v. § 5 Abs. 2 S. 1 PatG a. F. und § 2a Abs. 1 Nr. 2 PatG fallen alle Maßnahmen, die der Behandlung von Krankheiten und Verletzungen von Menschen oder Tieren mit dem Ziel dienen, sie zu heilen, also deren Ursachen zu beseitigen, und so die körperlichen und/oder psychischen Funktionen wiederherzustellen, und/oder die mit der Krankheit oder Verletzung einhergehenden Symptome, Leiden oder Beschwerden zu beseitigen oder zumindest zu lindern. Ebenso fallen unter diesen Therapiebegriff u. a. solche prophylaktische Maßnahmen, die darauf abzielen, erfahrungsgemäß im Verlaufe einer Krankheit oder in Verbindung mit einer Verletzung oder im Zuge einer Behandlung auftretende Folgekrankheiten oder -verletzungen zu vermeiden. Die Prüfungsstelle hat zutreffend darauf abgestellt, dass die angemeldete Vorrichtung nach Aufgabenstellung und Beschreibung ausschließlich therapeutischen Zwecken dient. Insbesondere lässt der Umstand, dass die Ausgestaltung der Vorrichtung dazu dient, bei liegenden Personen der Druck vom Fuß und der Ferse des Fußes wegzunehmen, u. a. um Dekubitusgeschwüre im Fersenbereich zu verhindern, eine andere als eine therapeutische Verwendung der Vorrichtung im bestimmungsgemäßen Gebrauch nicht zu, zumal die gesamte Konstruktion der Vorrichtung auf die Verwendung im Liegen, d. h. im Ruhezustand, ausgerichtet ist. Selbst wenn eine Verwendung im Fitnessoder im Sportbereich denkbar wäre, diente die beanspruchte Vorrichtung nicht den Fitnessübungen oder der jeweiligen Sportart, sondern allenfalls der Stabilisierung und dem Schutz eines verletzten oder in seiner Funktion gestörten Fußes oder Beins und damit der Therapie. Dementsprechend stellen sich die vor allem in den ursprünglichen Ansprüchen 9 und 15 beanspruchten Verfahren als unverzichtbarer Teil eines Therapieverfahrens dar. Denn durch die Einhaltung der in diesen Ansprüchen angegebenen Schritte wird -unabhängig von der erfinderischen Qualität der beanspruchten Lehre - sicher gestellt, dass die aufblasbare Vorrichtung so angebracht ist, dass sie ihren Zweck erfüllen kann. Dieser dient aber ohne Zweifel der Behandlung einer krankheitsoder verletzungsbedingten Funktionsstörung oder -schwäche des betroffenen Fußes, so dass ein Verfahren zum Anlegen der beanspruchten aufblasbaren Vorrichtung jedenfalls Teil eines Therapieverfahrens ist und damit -auch unter Berücksichtigung des Ausnahmecharakters der §§ 5 Abs. 2 S. 1 PatG a. F., 2a Abs. 1 Nr. 2 PatG - unter das dortige Patentierungsverbot fällt.

Dass die Zurückweisung unter Berücksichtigung des Verfahrensstandes bei Erlass des Zurückweisungsbeschlusses zu Recht erfolgt ist, bedeutet aber nicht, dass eine Anhörung im vorliegenden Fall nicht sachdienlich gewesen wäre.

Die Begründung der Prüfungsstelle, dass der bisherige Schriftverkehr zeige, dass sich gefestigte, aber völlig gegensätzliche Rechtsauffassungen gegenüberstünden, die einen Kompromiss weder möglich noch zu erwarten erscheinen ließen und demnach auch die Durchführung einer Anhörung weder das Vorbringen neuer, zusätzlicher Argumente noch das Finden einer Lösung als wahrscheinlich erscheinen ließen, muss angesichts des Verlaufs, den das Prüfungsverfahren bis zum Zurückweisungsbeschluss genommen hat, als formelhaft und damit als nicht ausreichend begründet angesehen werden: Im Prüfungsbescheid vom 29. August 2002 hat die Prüfungsstelle die voraussichtliche Zurückweisung der Anmeldung in erster Linie auf die mangelnde Neuheit des Anspruchs 1 gegenüber der D1 gestützt. Dass der Gegenstand der Ansprüche 9 bis 16 ein therapeutisches Verfahren betreffe und deshalb dem Patentschutz nach § 5 Abs. 2 PatG a. F. nicht zugänglich sei, ist im Abschnitt C des Prüfungsbescheids in knapp 3 Zeilen und ohne tiefergehende Auseinandersetzung mit dem Inhalt der Ansprüche erwähnt. In ihrer Erwiderung vom 18. April 2003 hat die Anmelderin dargelegt, warum das beanspruchte Verfahren zum Anlegen einer statischen drucknormalisierenden Vorrichtung nach ihrer Auffassung nicht unter das Patentierungsverbot des § 5 PatG a. F. fällt. Die Zurückweisung der Anmeldung erfolgte dann im Beschluss vom 27. Juli 2005, ohne dass zwischenzeitlich eine weitere Korrespondenz zwischen der Prüfungsstelle und der Anmelderin stattgefunden hätte. Danach ist nicht nachvollziehbar, inwieweit die Prüfungsstelle nach einem einmaligen Bescheid und einer einmaligen Erwiderung hierauf davon ausgehen konnte, es stünden sich offenbar gefestigte Standpunkte gegenüber, so dass keine Fragen mehr offen seien, die im Rahmen einer Anhörung hätten geklärt werden können. Dies umso weniger, als die Prüfungsstelle im Prüfungsbescheid keine Begründung dafür gegeben hat, weshalb das beanspruchte Verfahren nach ihrer Ansicht ein Therapieverfahren ist. Angesichts dessen ist auch die Aussage im Tatbestand des Zurückweisungsbeschlusses, wonach im Prüfungsbescheid "insbesondere" auf den Patentierungsausschluss hingewiesen worden sei, überzogen. Letztlich zeigt die Begründung die mangelnde Bereitschaft der Prüfungsstelle, weiteres Vorbringen der Anmelderin zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen bzw. ihren eigenen Standpunkt zu erläutern, was insbesondere auf umstrittenen Gebieten wie den Patentierungsausschlüssen nicht angebracht ist. Dadurch, dass die Prüfungsstelle eine Anhörung versagt hat, hat sie der Anmelderin darüber hinaus die Möglichkeit der Verfahrensgestaltung abgeschnitten, die sie nur durch das bei ordnungsgemäßer und angemessener Sachbehandlung vermeidbare Rechtsmittel der Beschwerde zurückerlangen konnte. Dies stellt einen schweren Verfahrensfehler dar, der die Rückzahlung der Beschwerdegebühr erfordert (vgl. Schultea. a. O., Rdn. 132).

Dr. Morawek Baumgärtner Maile Veit Pü






BPatG:
Beschluss v. 25.08.2009
Az: 21 W (pat) 77/05


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/a48d1bcb23db/BPatG_Beschluss_vom_25-August-2009_Az_21-W-pat-77-05




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share