Landesarbeitsgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 28. Oktober 1999
Aktenzeichen: 7 Ta 298/99

(LAG Düsseldorf: Beschluss v. 28.10.1999, Az.: 7 Ta 298/99)

Ob bei einer Anwaltsbeauftragung die erhöhte Gebühr für die Mehrvertretung generell nicht anfällt, wenn zwei Versicherungsunternehmen, die laut Satzung zusammen eine Organ- und Verwaltungsgemeinschaft bilden und die im Rechtsverkehr unter einheitlichem Logo auftreten, bleibt unentschieden. Jedenfalls darf gegen den Arbeitnehmer dieser Vertragsunternehmen, der in einem Arbeitsgerichtsprozess unterliegt, die erhöhte Gebühr nicht festgesetzt werden.

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungs-

beschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 29.07.1999 wird zurückgewiesen.

Die Beklagten haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Beschwerdewert: 1.323,27 DM.

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Gründe

I.

In dem voraufgegangenen Rechtsstreit hat der Kläger seine früheren Arbeitgeber

P.Feuerversicherungsanstalten der R. P.Lebensversicherungsanstalten der R.

neben dem früheren Kollegen Dr. S. auf Schmerzensgeld und Schadenersatz in Anspruch genommen. Nach der Kostenentscheidung in dem Berufungsurteil hat der Kläger die Kosten der Berufung zu tragen. Die Rechtspflegerin des Arbeitsgerichts hat die Prozessgebühr nur einmal um den Mehrvertretungszuschlag erhöht, weil sie davon ausgegangen ist, der Anwalt auf Beklagtenseite habe nur insgesamt zwei Beklagte vertreten (Dr. S. und P.). Hiergegen wenden sich die Beklagten mit der sofortigen Beschwerde.

Ausweislich der nahezu gleichlautenden Satzungen vom 07.05.1997 sind beide Anstalten Wettbewerbsunternehmen in der Form einer rechtsfähigen Anstalt des öffent-

lichen Rechts (§ 1 Abs. 1 S. 1); sie bilden zusammen eine Organ- und Verwaltungsgemeinschaft (§ 1 Abs. 2); demgemäss sind die Vertretungsorgane für beide Anstalten gewählt und zuständig. Im Kopf der Geschäftsbögen ist in Blockbuchstaben herausgehoben das Logo P. aufgedruckt. Darunter und/oder am Ende des Briefbogens sind jeweils klein gedruckt beide Anstalten aufgeführt.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde (§ 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. § 104 Abs. 3 S. 1 ZPO;

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577 Abs. 2 ZPO) ist erfolglos. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht den

Mehrvertretungszuschlag (§ 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO) nur einmal in Ansatz gebracht.

1. Die von ihm gegebene Begründung trägt die ablehnende Entscheidung allerdings nicht.

Zwischen den Parteien herrscht Einigkeit darüber, dass die Klage sich von Anfang an und durchgehend gegen den Beklagten zu 1) sowie die P. Feuerver-

sicherungsanstalt und die P.Lebensversicherungsanstalt gerichtet hat

(s. das gerichtliche Schreiben vom 18.03.1999, dem die Parteien nicht widersprochen haben). Die P.-Feuerversicherungsanstalt und die P.Lebensver-

sicherungsanstalt sind rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts. Demgemäss waren neben dem Beklagten zu 1) weitere zwei (juristische) Personen verklagt. Darauf, wie das Rubrum des LAG-Urteils gestaltet war (gegen 1., 2 a), b), und die ausweislich der Akten zwischenzeitlich erfolgten teilweise unrichtigen Parteibezeichnungen kann es entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht ankommen. Der Anwalt ist auch für alle drei Beklagten aufgetreten.

2. Damit ist jedoch die Frage noch nicht entschieden, ob die beiden Anstalten auch als zwei Auftraggeber im Sinne der Gesetzesvorschrift angesehen werden müssen. Insoweit wird beispielsweise für die BGB-Gesellschaft, die hier vorliegen könnte (dass juristische Personen Vertragspartner werden, ist rechtlich ohne Belang; vgl. Palandt-Putzo, BGB, 57. Aufl., § 705 Rdn. 4), abweichend von dem Grundsatz, dass jeder Gesellschafter als Auftraggeber anzusehen ist (s. die Nachweise bei von Eicken in: von Eicken/Lappe/Madert, Kostenfestsetzung, 17. Aufl., B Rdn. 559), teilweise die Auf-

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fassung vertreten (teilweise beschränkt auf Aktivprozesse; gegen diese Unterscheidung Riedel/Sußbauer-Fraunholz, BRAGO, 7. Aufl., § 6 Rdn. 11 a.E.), dass lediglich

von einem Auftraggeber auszugehen ist, wenn die Gesellschaft im Rechtsverkehr unter einheitlicher, firmenähnlicher Bezeichnung auftritt (s. u.a. OLG Köln JurBüro 1980, 1507 und KostRsp. BRAGO § 6 Nr. 64 ARGE - ; OLG Hamm JurBüro 1985, 226 mit zustimmender Anmerkung Mümmler und OLG Nürnberg KostRsp. BRAGO § 6 Nr. 37 mit zustimmender Anmerkung Schneider Architekturbüro - ; OLG Schleswig JurBüro 1985, 216, mit zustimmender Anmerkung Mümmler = KostRsp. BRAGO § 6 Nr. 145 mit kritischer Anmerkung Lappe Baugeschäft - ; OLG Koblenz JurBüro 1981, 320 und JurBüro 1982, 441 einheitliche Firma und für den hier vorliegenden Fall eines gemeinsamen Versicherungsunternehmens: OLG Koblenz JurBüro 1981, 378; für diesen Fall gegenteiliger Auffassung: OLG Saarbrücken JurBüro 1985, 1820; grundsätzlich zu der Problematik: Schneider JurBüro 1979, 1408 ff.).

Ob dieser Auffassung zu folgen ist oder ob diese Einschränkung jedenfalls in dem vorliegenden Fall gelten muss, in dem die beiden Anstalten eine Organ- und Verwaltungsgemeinschaft bilden möglicherweise geht die Verbundenheit in Organ (!) und Verwaltungsgemeinschaft über die in einer (normalen) BGB-Gesellschaft hinaus braucht indes nicht abschließend entschieden zu werden.

3. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts erweist sich nämlich zumindest aus dem Grunde als zutreffend, weil jedenfalls der Kläger unter den gegebenen Umständen darauf vertrauen durfte, dass er es mit nur einem Vertragspartner (Arbeitgeber) zu tun hatte und die Kosten für eine Mehrvertretung daher als nicht notwendig im Sinne von

§ 91 Abs. 1 ZPO anzusehen sind.

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Der Anstellungsvertrag nennt zwar im Kopf und vor den Unterschriften beide Anstalten. Im Text wird dann jedoch nicht mehr zwischen beiden unterschieden und stets nur

noch die P. erwähnt. Bei der Durchführung des Vertrages spielte die Tat-

sache, dass die P.sich aus zwei juristischen Gebilden zusammensetzt, keine Rolle. Alle dienstlichen Schreiben an den Kläger erfolgten unter Verwendung der im tatbestandlichen Teil beschriebenen Geschäftsbögen. Unter diesen Umständen durfte der Kläger davon ausgehen, dass er es mit praktisch einem Arbeitgeber zu tun hatte, und jedenfalls darauf vertrauen, nicht mit Kosten überzogen zu werden, die sich aus der formalen Selbständigkeit der beiden Anstalten ergaben. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes hat gerade im arbeitsgerichtlichen Verfahren, das darauf angelegt ist, die Kosten niedrig zu halten (vgl. insbesondere § 12 a Abs. 1 S. 1 ArbGG), seine Bedeutung. Dass dies zu einer Einschränkung der prozessualen Kostenerstattungspflicht des Arbeitnehmers führen kann, hat die Beschwerdekammer bereits in anderem Zusammenhang entschieden (vgl. in: MDR 1991, 936 = JurBüro 1991, 1512; s. auch LAG Hamm KostRsp. BRAGO § 6 Nr. 127). Dass der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes in der Frage der Kostenerstattung für den unterlegenen Gegner durchschlagen kann, wird auch im allgemeinen kostenrechtlichen Schrifttum für erwägenswert gehalten (vgl. von Eicken a.a.O.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Gegen diesen Beschluss findet keine weitere Beschwerde statt (§ 78 Abs. 2 ArbGG).

gez. Dr. Rummel






LAG Düsseldorf:
Beschluss v. 28.10.1999
Az: 7 Ta 298/99


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