Bundespatentgericht:
Beschluss vom 6. Mai 2010
Aktenzeichen: 23 W (pat) 15/08
(BPatG: Beschluss v. 06.05.2010, Az.: 23 W (pat) 15/08)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
BPatG 154
Gründe
I Die Prüfungsstelle für Klasse G08C des Deutschen Patentund Markenamts hat die am 24. August 2001 eingereichte Patentanmeldung 101 41 539.7-35 mit der Bezeichnung "System zum Beeinflussen von Funktionen eines Fahrzeugs" durch Beschluss vom 22. Oktober 2004 zurückgewiesen.
Im vorangegangenen einzigen Prüfungsbescheid vom 18. Juli 2002 wurde u. a. unter Nennung des von der Anmelderin genannten Standes der Technik nach -D1 DE 295 16 499 U1 ausgeführt, dass sich der Gegenstand des ursprünglich eingereichten Anspruchs 1 von der Lehre der Druckschrift D1 "nur noch durch unwesentliche Einzelheiten, in denen eine erfinderische Tätigkeit nicht erkennbar ist", unterscheide. Mängel der Anmeldung wurden nicht gerügt.
Die Anmelderin reichte mit Schriftsatz vom 27. November 2002 geänderte, auf ein System zum Beeinflussen von Funktionen eines Fahrzeugs gerichtete Patentansprüche 1 bis 8 sowie eine überarbeitete Beschreibung mit Würdigung des im Prüfungsverfahren ermittelten Stands der Technik ein.
Gegen vorstehenden Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin vom 16. November 2004, welche mit Schriftsatz vom 13. Januar 2010 begründet wird.
Mit der Beschwerdebegründung reicht die Anmelderin einen neuen Satz Ansprüche 1 bis 8 ein, wobei der jetzige Anspruch 1 wie auch die von diesem abhängigen Ansprüche 2 bis 5 auf ein Verfahren zum Beeinflussen von Funktionen eines Fahrzeugs und der nebengeordnete Anspruch 6 wie auch die auf diesen rückbezogenen Ansprüche 7 und 8 auf Telematiksysteme gerichtet sind.
Mit Ladung zur mündlichen Verhandlung wird die Anmelderin zur Frage der Patentfähigkeit der verteidigten Ansprüche auf die dem Senat bekannt gewordene Druckschrift -D2 DE 196 46 954 A1 hingewiesen.
Zur mündlichen Verhandlung am 6. Mai 2010 ist die mit Ladung vom 4. März 2010 ordnungsgemäß geladene Anmelderin, wie in ihrem Schriftsatz vom 28. April 2010 angekündigt, nicht erschienen.
Von der Anmelderin liegt sinngemäß der Antrag vor, den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 08 C des Deutschen Patentund Markenamts vom 22. Oktober 2004 aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
Patentansprüche 1 bis 8, eingereicht am 18. Januar 2010, Beschreibung, Seiten 1 bis 13, eingereicht am 29. November 2002, ursprüngliche Zeichnung, 3 Figuren.
Hierbei lautet der geltende Verfahrensanspruch 1:
"1. Verfahren zum Beeinflussen von Funktionen eines Fahrzeugs (2) , mit den Schritten:
-Bereitstellen einer Telematikeinrichtung (3) in dem Fahrzeug, die eine Sendeund Empfangseinheit umfasst,
-Bereitstellen einer Zentraleinheit (4) außerhalb des Fahrzeugs, auf die Telematikeinrichtungen verschiedener Fahrzeuge zugreifen können,
-Senden eines Anforderungssignals (SAnforderung) an die Zentraleinheit (4) von außerhalb des Fahrzeugs her,
-Empfangen des Anforderungssignals (SAnforderung) durch die Zentraleinheit (4) und daraufhin Aussenden eines Aktivierungssignals (SAktivieren) durch die Zentraleinheit (4) an die Telematikeinrichtung (3) des Fahrzeugs,
-Empfangen des Aktivierungssignals (SAktivieren) durch die Telematikeinheit (3) und daraufhin Auslösen von Fahrzeugfunktionen und/oder Aussenden eines Kennungssignals."
Wegen des nebengeordneten Anspruchs 6, der abhängigen Ansprüche 2 bis 5 bzw. 7 und 8 sowie der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde erweist sich nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung als nicht begründet; denn das Verfahren des geltenden Patentanspruchs 1 ist nicht patentfähig.
a) Nach Angaben der eingereichten Beschreibung betrifft die Anmeldung ein System zum Beeinflussen von Funktionen eines Fahrzeugs unter Verwendung von zumindest einer Telematikeinrichtung mit Sendeund/oder Empfangseinheit beim Fahrzeug und einer entfernten Zentraleinheit mit Empfangsund/oder Sendeeinrichtung (vgl. Offenlegungsschrift, Abs. [0001]). Hierbei möchte die Anmelderin unter dem Begriff Telematik bzw. Verkehrstelematik Systeme verstehen, die zur Kommunikations-, Leitund Informationstechnik im Verkehrsbereich anwendbar sind (vgl. Offenlegungsschrift, Abs. [0002], erster Abs.). Aus dem Stand der Technik sind gemäß geltender Beschreibung Telematiksysteme bekannt, die in einem Unfalloder Pannenfall einen Notruf und/oder Nachrichten mit den Angaben und der insbesondere durch ein GPS (Global Positioning System) ermittelten Position des Fahrzeugs an einen Telematikdienst bzw. eine Zentrale übermitteln. Bei Auslösen der Diebstahlwarnanlage werden ebenfalls diese Daten an den Telematikdienst bzw. die Zentrale und/oder einen Sicherheitsdienst übermittelt. Dem Stand der Technik liegt jedoch der Nachteil zugrunde, dass bei Überlisten der Diebstahlwarnanlage oder Diebstahl eines Schlüssels, insbesondere bei "Carnapping", das programmierte Notsystem der Telematikeinrichtung nicht aktiviert wird, da das Fahrzeug in diesem Falle nicht erkennt, dass der Fahrer zum Führen des Fahrzeugs unberechtigt ist.
Vor diesem Hintergrund liegt dem Anmeldungsgegenstand als technisches Problem sinngemäß die Aufgabe zugrunde, diesen Nachteil zu beheben, also ein Verfahren zum Beeinflussen von Funktionen eines Fahrzeugs sowie ein Telematiksystem zu schaffen, das auch bei Diebstahl eines Schlüssels aktivierbar ist und selbständig ein entsprechendes Notprogramm aktiviert sowie das zugehörige Telematiksystem anzugeben (vgl. Offenlegungsschrift, Spalte 2, Abs. [0008]).
Diese Aufgabe wird mit den Merkmalen des Verfahrens des Anspruchs 1 bzw. mit den entsprechenden Merkmalen des Telematiksystems nach Anspruch 6 gelöst.
Das Verfahren nach Anspruch 1 sieht hierbei das Bereitstellen einer Telematikeinrichtung in einem Fahrzeug vor, welches über einer Sende-/Empfangseinheit auf eine Zentraleinheit zugreifen kann. Im Falle eines Diebstahls wird von außerhalb des Fahrzeugs -beispielsweise durch den Fahrzeughalter -ein Anforderungssignal an die Zentraleinheit gesendet. Beim Empfangen dieses Anforderungssignals sendet die Zentraleinheit ein Aktivierungssignal an die Telematikeinheit des Fahrzeugs aus, wodurch im Fahrzeug Fahrzeugfunktionen ausgelöst werden bzw. ein Kennungssignal ausgesandt wird.
b) Die Frage der Zulässigkeit der geltenden Patentansprüche kann dahinstehen, denn das Verfahren des Anspruchs 1 ist unter Berücksichtigung des Standes der Technik nach Druckschrift D2 nicht neu (vgl. BGH, GRUR 1991, 120, 121 li. Sp. Abs. 3 -"Elastische Bandage"). Der zuständige Fachmann ist ein berufserfahrener, mit der Entwicklung von Telematiksystemen, betrauter Diplom-Ingenieur der Elektrotechnik mit Fachhochschulausbildung.
Denn aus Druckschrift D2 ist in Worten der vorliegenden Anmeldung ein Verfahren zum Beeinflussen von Funktionen eines Fahrzeugs bekannt (vgl. D2, Spalte 1, erster Abs., "Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Steuern von Landoder Wasserfahrzeugen, nachfolgend Flotte genannt, bestehend aus einer statisch oder variabel gebildeten Gruppe von Verkehrsmitteln, die ständig oder zeitlich begrenzt, wirtschaftlich oder andersartig priorisiert, von einer gemeinsamen Zentrale koordiniert wird, wobei mindestens eine Funkverbindung zwischen dem einzelnen Fahrzeug und der Zentrale besteht."), welches folgende Schritte aufweist:
-Bereitstellen einer Telematikeinrichtung (vgl. D2, Fig. 2, fahrzeugseitiges Endgerät bestehend aus den Komponenten mit den Bezugszeichen 28, 29, 32, 36, 38, 44 u.s.w) in dem Fahrzeug, die eine Sendeund Empfangseinheit (Empfänger 28, Sender 36) umfasst,
-Bereitstellen einer Zentraleinheit außerhalb des Fahrzeugs (vgl. D2, Fig. 2, Zentrale 1), auf die Telematikeinrichtungen verschiedener Fahrzeuge zugreifen können,
-Senden eines Anforderungssignals an die Zentraleinheit von außerhalb des Fahrzeugs her (vgl. D2, Spalte 13, Zeilen 31 und 32, "Der Anwender 2 wirkt [...] über die Datenverbindung 43 auf die Zentrale 1),
-Empfangen des Anforderungssignals durch die Zentraleinheit und daraufhin Aussenden eines Aktivierungssignals durch die Zentraleinheit an die Telematikeinrichtung des Fahrzeugs (vgl. D2, Spalte 13, Zeilen 47 bis 55, "Die vom Anwender 2 über die Datenverbindung 43 generierten Daten werden in einen Rechner 16 eingespeist, der gleichzeitig von der Empfangsantenne 13 und den Empfänger 15 und die Leitung 17 die Positionsdaten des Fahrzeugs 41 aufnimmt. Über die Leitung 18 wird ein Sender 19 angesteuert, der seinerseits über eine Leitung eine Antenne 20 ansteuert, welche als Sendeantenne ausgebildet ist und den Funkweg 21 zum Fahrzeug 41 herstellt."),
-Empfangen des Aktivierungssignals durch die Telematikeinheit und daraufhin Auslösen von Fahrzeugfunktionen und/oder Aussenden eines Kennungssignals
(vgl. D2, Spalte 13, Zeile 63 bis Spalte 14, Zeile 6, "Gleichzeitig werden über die Antenne 32 und den Empfänger 34 (Leitung 33) die Positionssignale der Satelliten 9, 10 empfangen und über die Leitung 37 in den Rechner 29 eingespeist. Dieser wiederum ist über die Leitung 38 mit dem Empfänger 34 verbunden, welcher über eine Leitung 35 mit dem Sender 36 verbunden ist. Auf diese Weise kann die jeweils aktuelle Position des Fahrzeugs 41 über die Antenne 44 und den Funkweg 24 an die Zentrale 1 zurückgemeldet werden. Andererseits erhält das Fahrzeug 41 über die Funkverbindung 21 und die zugeordnete Antenne 27 seine Daten zur entsprechenden Fahrzeugsteuerung.")
Somit sind sämtliche Merkmale des geltenden Anspruchs 1 aus dem Stand der Technik nach Druckschrift D2 bekannt. Der geltende Anspruch 1 ist somit nicht patentfähig.
c) Mit dem geltenden Patentanspruch 1 fallen aufgrund der Antragsbindung auch der nebengeordnete Anspruch 6 sowie die jeweiligen rückbezogenen Ansprüche 2 bis 5 bzw.7 und 8 (vgl. BGH GRUR 2007, 862, Leitsatz -"Informationsübermittlungsverfahren II" m. w. N.).
d) Bei dieser Sachlage war die Beschwerde der Anmelderin zurückzuweisen.
Lokys Dr. Hock Maile Dr. Friedrich Pr
BPatG:
Beschluss v. 06.05.2010
Az: 23 W (pat) 15/08
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