Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. Juli 2001
Aktenzeichen: 10 W (pat) 8/00
(BPatG: Beschluss v. 30.07.2001, Az.: 10 W (pat) 8/00)
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Bescheid der Prüfungsstelle für Klasse E 05 D des Deutschen Patent- und Markenamts vom 28. September 1999 aufgehoben.
Gründe
I.
Am 21. Dezember 1994 beantragte die Anmelderin die Erteilung eines Patents mit dem Gegenstand "werkzeuglose Dübelmontage für Beschläge". Die Anmeldung erhielt das Aktenzeichen P 44 45 736.7. Am 12. Juli 1995 reichte sie unter der gleichen Bezeichnung einen weiteren Antrag auf Erteilung eines Patents ein. In dem Anmeldeformular erklärte sie unter Ankreuzen der entsprechenden Rubrik in Ziffer 8) die "Teilung aus der Stammanmeldung P 44 45 736.7" und legte die kompletten Anmeldungsunterlagen vor. Das Patentamt legte eine Trennakte an und führte die Teilanmeldung mit dem Anmeldetag "12.7.1995" unter dem Aktenzeichen P 44 47 528.4.
Am 11. August 1995 ging beim Patentamt unter der Bezeichnung "werkzeuglose Dübelmontage für Beschläge" eine weitere Patentanmeldung der Anmelderin ein. Das Anmeldeformular enthält unter Ziffer 9) "innere Priorität" ua die Angabe "12.7.1995 - P 44 47 528.4". Die Patentanmeldung, der eine Abschrift der Teilanmeldung P 44 47 528.4 beigefügt war, erhielt das Aktenzeichen P 195 25 531.5. Mit Bescheid vom 18. September 1995 teilte das Patentamt der Anmelderin mit, daß die Teilanmeldung wegen Inanspruchnahme der inneren Priorität als zurückgenommen gelte. In der Akte der Nachanmeldung P 195 29 531.5 wies das Patentamt die Anmelderin unter dem 27. September 1995 darauf hin, daß in Ziffer 9) des Anmeldeformulars der Anmeldetag der P 44 47 528.4 falsch angegeben sei. Er laute richtig "21.12.1994". Das Datum werde amtsseitig berichtigt, falls eine gegenteilige Mitteilung der Anmelderin nicht eingehe. Die Anmelderin stimmte der Auffassung des Patentamt zu. Das Patentamt strich daraufhin sowohl in dem Anmeldeformular als auch in der Trennakte P 44 47 528.4 das Datum "12.7.95" durch und trug das Datum 21.12.94" ein.
Mit Bescheid vom 28. September 1999, der in der Stammakte P¡44 45 736.7 erging, teilte das Patentamt der Anmelderin mit, dass die Teilungserklärung nicht wirksam sei, weil der Gegenstand der Stammanmeldung vollständig in die Teilanmeldung überführt worden sei. Die Teilanmeldung sei daher nicht wirksam entstanden. Folglich habe auch ihre innere Priorität nicht in Anspruch genommen werden können. Die Prioritätserklärung sei dennoch wirksam abgegeben, allerdings mit dem Inhalt, daß die Priorität der Stammanmeldung und nicht die der Teilanmeldung in Anspruch genommen sei. Die Stammanmeldung gelte deshalb gemäß § 40 Abs. 5 PatG als zurückgenommen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die am 11. November 1999 eingegangene Beschwerde der Anmelderin. Auch sie hält die Teilungserklärung vom 12. Juli 1995 für unwirksam, weil abgeteilte Unterlagen nicht eingereicht worden seien, sondern eine Kopie der ursprünglich eingereichten Stammanmeldung. Der Gegenstand der Teilanmeldung sei daher automatisch in der Stammanmeldung verblieben. Die innere Priorität der rückwirkend nicht mehr bestehenden Teilanmeldung sei nicht beansprucht. Folglich sei auch die Rücknahmefiktion der Stammanmeldung nicht eingetreten. Die im Rahmen der Teilanmeldung überwiesene Gebühr von 100,- DM sei zurückzuzahlen.
Die Anmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die für die Teilanmeldung überwiesene Gebühr von 100,- DM zurück-
zuzahlen.
II.
1. Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig.
Gemäß § 73 Absatz 1 Patentgesetz (PatG) findet die Beschwerde an das Bundespatentgericht gegen die Beschlüsse der Prüfungsstellen und Patentabteilungen des Deutschen Patent- und Markenamts statt. Voraussetzung für die Statthaftigkeit der Beschwerde ist das Vorliegen einer beschwerdefähigen Entscheidung. Dabei kommt es auf den materiellen Gehalt der Entscheidung an, nicht auf die Bezeichnung oder äußere Form. Ein Beschluss im Sinne der genannten Bestimmung ist danach eine Entscheidung, durch die eine abschließende Regelung erfolgt, die die Rechte eines Beteiligten berühren kann (vgl Busse, PatG, 5. Aufl, § 73 Rdn 14, 18, 20 mwNachw). Demgegenüber sind Akte ohne Entscheidungscharakter mit der Beschwerde nicht anfechtbar. Durch sie wird für die Beteiligten nichts verbindlich entschieden, weil diese Akte nur der Vorbereitung oder dem Verfahrensgang für eine erst zu erlassende Entscheidung dienen (vgl. Schulte, PatG, 6. Aufl., 2001, § 73 Rdnr. 22). Auch sind bloße Mitteilungen des Patentamts nicht beschwerdefähig, die bspw. nur den Gesetzestext im Zusammenhang mit einem bestimmten Aktenzeichen enthalten und somit nur wiedergeben, was ohnehin jedermann aus dem Gesetz entnehmen kann und ohne die sich an der Rechtslage nichts ändern würde (BPatG Mitt. 1983, 307).
Der Bescheid vom 28. September 1999 ist der Form nach ein Prüfungsbescheid nach § 45 PatG, in dem der Anmelderin eine Frist zur Stellungnahme eingeräumt ist. Der Bescheid enthält jedoch nicht - wie üblich - eine Prüfung der Patentfähigkeit der Erfindung, sondern die als Ergebnis der Prüfung bezeichnete Feststellung, daß die Anmelderin nicht die innere Priorität der Teilanmeldung P 44 47 528.4, sondern die der Stammanmeldung P 44 45 736.7 in Anspruch genommen habe. Die Stammanmeldung gelte daher gemäß § 40 Abs. 5 PatG als zurückgenommen. Der mit Gründen versehene Ausspruch des Verlustes der Stammanmeldung stellt eine Entscheidung mit abschließender Wirkung dar, die die Anmelderin in ihrer Rechtsposition unmittelbar beeinträchtigt.
2. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Die Rücknahmefiktion gemäß § 40 Abs. 5 PatG hinsichtlich der Stammanmeldung P 44 45 736.7 ist nicht eingetreten.
a) Eine beim Patentamt anhängige Anmeldung, aus der gemäß § 40 Abs. 1 PatG die Priorität für eine spätere Patentanmeldung in Anspruch genommen wird, gilt mit der Abgabe der Prioritätserklärung als zurückgenommen (§ 40 Abs. 5 PatG). Voraussetzung für die Abgabe einer Prioritätserklärung ist nach § 40 Abs. 4 PatG aF die Angabe des Aktenzeichens der früheren Anmeldung und die Einreichung einer Abschrift der früheren Anmeldung. Eine diesen Formerfordernissen entsprechende Prioritätserklärung liegt hinsichtlich der Stammanmeldung P 44 45 736.7 nicht vor.
In dem Anmeldeformular der Nachanmeldung P 195 29 531.5, die am 11. August 1995 beim Deutschen Patentamt eingegangen ist, hat die Anmelderin unter der Ziffer 9) "innere Priorität" das Aktenzeichen der Teilanmeldung P 44 47 528.4 und das Datum "12.7.95" angegeben sowie eine Abschrift der Teilanmeldung eingereicht. Damit hat sie eindeutig die Teilanmeldung als frühere Anmeldung im Sinne des § 40 Abs. 1 PatG identifiziert, aus der sie die Priorität für die Nachanmeldung P 195 29 531.5 in Anspruch nehmen will. Dies wird durch die Angabe des Datums "12.7.95" noch unterstrichen, denn es handelt sich hier um den Tag, an dem die Teilungserklärung und die kompletten Unterlagen der Teilanmeldung beim Patentamt eingegangen sind. Erst auf den Hinweis des Patentamts vom 27. September 1995, daß der Anmeldetag der Teilanmeldung richtig "21.12.1994" laute, ist das Datum "12.7.1995" mit Einverständnis der Anmelderin durch "21.12.1994" ersetzt worden. Auch in der Akte der Teilanmeldung hat das Patentamt das zunächst unrichtig eingetragene Anmeldedatum berichtigt und der Anmelderin sodann mit Bescheid vom 18. September 1995 mitgeteilt, daß die Teilanmeldung P 44 47 528.4 wegen Inanspruchnahme der inneren Priorität nach § 40 Abs. 5 PatG als zurückgenommen gelte.
b) Die in dem Bescheid vom 28. September 1999 vertretene Auffassung des Patentamts, die Stammanmeldung P 44 45 736.7 gelte wegen Inanspruchnahme der inneren Priorität nach § 40 Abs. 5 PatG als zurückgenommen, beruht auf unzutreffenden Erwägungen.
Es ist zwar richtig, daß die Teilanmeldung P 44 47 528.4 wegen Unwirksamkeit der Teilungserklärung nicht entstanden ist. Eine wirksame Teilungserklärung setzt ua voraus, daß mit ihr der Gegenstand der Ursprungsanmeldung vermindert bzw mindestens in zwei Teile zerlegt wird (vgl. BGH GRUR 1998, 458 "Textdatenwiedergabe"), von dem Gegenstand also überhaupt ein Teil herausgelöst und in eine selbständige Anmeldung überführt wird (BGH GRUR 1996, 753 ff "Informationssignal"). Vorliegend hat die Anmelderin in Ziffer 8) des Erteilungsantrags die "Teilung aus der Stammanmeldung P 44 45 736.7" erklärt und dem Antrag - offenbar versehentlich, wie sie selbst vorträgt - anstelle der Unterlagen der Teilanmeldung die Anmeldungsunterlagen der ursprünglichen Anmeldung beigefügt. Wegen der Identität der Teilanmeldung mit der Stammanmeldung ist die Teilungserklärung unwirksam und eine Teilanmeldung, der nach § 39 Abs. 1 Satz 4 PatG der Anmeldetag der ursprünglichen Anmeldung zukommt, von vornherein nicht entstanden (vgl BGH GRUR 1999, 41, 42 "Rutschkupplung"; BPatGE 39, 17, 22; ferner Schulte, PatG, 6. Aufl, § 39 Rdn 62). Damit konnte auch die Priorität der Teilanmeldung nicht wirksam in Anspruch genommen werden.
Daraus folgt jedoch nicht, daß die in der Akte der Nachanmeldung abgegebene Prioritätserklärung gewissermaßen automatisch als auf die Stammanmeldung P 44 45 736.7 bezogen erachtet werden kann, wie das Patentamt offenbar annimmt. Auch wenn die Teilanmeldung materiellrechtlich betrachtet nicht entstanden und ihr Gegenstand daher in der Stammanmeldung verblieben ist, lagen im Zeitpunkt der Abgabe der Teilungserklärung doch zwei, vom Patentamt unter jeweils eigenem Aktenzeichen geführte Anmeldungen vor. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Prüfungsstelle 11.28 des Patentamts überhaupt eine Trennungsverfügung erlassen und für die mit der Teilungserklärung eingereichten mit den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen erkennbar identischen Unterlagen ein Aktenzeichen vergeben durfte, ohne vorab zu prüfen, ob die Teilungserklärung wirksam ist (vgl dazu Schulte, PatG, 6. Aufl., § 39 Rdn 80, 81). Jedenfalls hat die Teilanmeldung P 44 47 528.4 formell bestanden und ist von der Anmelderin in der Nachanmeldung P 195 29 531.5 zum Gegenstand einer wirksamen Prioritätserklärung nach § 40 Abs. 4 PatG gemacht worden. Hinsichtlich der Stammanmeldung P 44 45 736.7. fehlt es dagegen an einer derartigen Prioritätserklärung, die unabdingbare Voraussetzung für die Feststellung der Rücknahmefiktion nach § 40 Abs. 5 PatG ist.
Auf die von dem Patentamt geprüfte materielle Berechtigung der in Anspruch genommenen Priorität kommt es bei der Beurteilung der Rücknahmefiktion nach § 40 Abs. 5 PatG nicht an. Über die materielle Wirksamkeit der Priorität ist nach ständiger Rechtsprechung erst dann zu befinden, wenn die Entscheidung über die Nachanmeldung von dieser Frage abhängt (vgl BGH BlPMZ 1985, 53, 54 liSp; BPatGE 28, 31; 28, 222; 38, 20, 22; Busse, PatG, 5. Aufl., § 40 Rdn. 21; Schulte, PatG, 6. Aufl., § 40 Rdn 38 sowie § 41 Rdn 79, 84). Der in der Stammanmeldung P 44 45 736.7 ergangene Bescheid des Patentamts vom 28. September 1999 ist daher in mehrfacher Hinsicht unrichtig. Es wird dort die - allenfalls in dem Verfahren der Nachanmeldung P 195 29 531.5 zulässige - Feststellung getroffen, daß die Priorität der Teilanmeldung P 44 47 528.4 materiell nicht wirksam ist (vgl dazu auch BPatG BlPMZ 1990, 77) und hieraus der Schluß gezogen, daß stattdessen die Priorität der (inhaltsgleichen) Stammanmeldung in Anspruch genommen ist, obwohl das für den Eintritt der Rücknahmefiktion gemäß § 40 Abs. 5 PatG allein maßgebliche Erfordernis der Abgabe einer Prioritätserklärung nach § 40 Abs. 4 PatG nicht vorliegt.
3. Über die beantragte Rückzahlung der für die Teilungsanmeldung, wie behauptet, überwiesenen Gebühr von 100,- DM wird das Patentamt zu befinden haben. Insoweit liegt eine beschwerdefähige Entscheidung des Patentamts nicht vor.
Vors. Richter Bühring ist wegen Pensionierung an der Unterschrift verhindert.
Dr. Schermer Dr. Schermer Schuster Pr
BPatG:
Beschluss v. 30.07.2001
Az: 10 W (pat) 8/00
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