Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 8. Dezember 1998
Aktenzeichen: 22 U 108/98

(OLG Köln: Urteil v. 08.12.1998, Az.: 22 U 108/98)

Erfährt der Rechtsanwalt anläßlich der mündlichen Verhandlung einer Kindesunterhaltssache seines Auftraggebers von der Existenz eines möglicherweise scheinehelichen Kindes des Auftraggebers und weist er diesen - verbunden mit der Aufforderung zur Vereinbarung eines Besprechungstermins - umgehend schriftlich auf die Notwendigkeit einer Ehelichkeitsanfechtungsklage hin, so stellt es keinen Verstoß gegen die anwaltlichen Belehrungspflichten dar, wenn der Rechtsanwalt den Auftraggeber nicht nachträglich noch auf die zweijährige Anfechtungsfrist des § 1594 BGB hinweist, nachdem eine Reaktion des Auftraggebers auf die ihm zugegangene schriftliche Mitteilung ausgeblieben ist.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 26. März 1998 - 7 O 488/96 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt: Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen hat der Kläger zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 13.500,-- DM abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Die Sicherheitsleistung kann auch durch selbstschuldnersiche Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlichen Sparkasse oder Volksbank erbracht werden.

Tatbestand

Der Kläger war seit dem 8.2.1988 mit Frau S. S. verheiratet. Das

Ehepaar bewohnte eine Mietwohnung der Firma G. Gemeinnützige

Aktiengesellschaft in B.. Der Mietvertrag war von beiden Ehegatten

gemeinsam abgeschlossen worden.

Aus der Ehe stammt die Tochter C. S., geboren am 19.1.1989. Am

1.4.1989 trennten sich die Eheleute. Der Kläger zog aus der

gemeinsamen Wohnung aus, die Ehefrau blieb dort allein wohnen.

Unter dem 6.2.1990 reichte die Ehefrau Prozeßkostenhilfe- und

Scheidungsantrag beim Familiengericht Bonn ein.

Am 23.2.1991 bekam Frau S. S. ein zweites Kind, die Tochter St.

S..

Im Jahre 1991 machte Frau Stuch Unterhalt für die ältere Tochter

C. S. gegenüber dem Kläger gerichtlich geltend. Der Kläger

mandatierte die Beklagten im Unterhaltsverfahren. Anläßlich des

Termins vom 23.1.1992 wurde dem beklagten Rechtsanwalt M. von den

Prozeßbevollmächtigten der Frau S. S. mitgeteilt, daß diese etwa

ein Jahr zuvor ein zweites Kind geboren habe. Diese Mitteilung gab

Rechtsanwalt M. mit Schreiben vom 28.1.1992 an den Kläger weiter.

In dem Schreiben heißt es u.a.:

"Der Prozeßbevollmächtigte Ihrer Ehefrau erklärte im übrigen,

daß

Ihre Frau seit einem Jahr Mutter eines weiteren Kindes ist,

dessen

Ehelichkeit von Ihnen angefochten werden muß. Bitte

vereinbaren

Sie einen Rücksprachetermin zur Vorbereitung der notwendigen

Ehelichkeitsanfechtungsklage."

Die Unterhaltssache wurde im Termin vom 2.4.1992 vor dem

Familiengericht durch einen Vergleich abgeschlossen. Die Beklagten

übermittelten dem Kläger das Verhandlungsprotokoll mit einem

Kurzbrief vom 6.5.1992.

Am 3.9.1992 mandatierte der Kläger die Beklagten in seinem

Scheidungsverfahren. Die Beklagten bestellten sich mit Schriftsatz

vom gleichen Tage für den Kläger beim Familiengericht. Das

Scheidungsverfahren fand im Termin vom 4.11.1993 mit der

rechtskräftigen Scheidung seinen Abschluß. In dem Scheidungsurteil

wurde die elterliche Sorge für die beiden Töchter der Mutter, Frau

S. S., übertragen, außerdem wurde über den Versorgungsausgleich

entschieden.

Im August 1996 wurde der Kläger durch Mahnbescheid von der Firma

G. gesamtschuldnerisch mit seiner geschiedenen Ehefrau für die Zeit

vom 1.1.1994 bis 31.8.1996 auf Zahlung von Garagenmiete in Höhe von

1.820,-- DM zuzüglich Kosten und Zinsen in Anspruch genommen. Der

Kläger legte Widerspruch ein.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagten hätten sich

ihm gegenüber schadesnersatzpflichtig gemacht. Sie hätten ihn

nämlich nicht über die Ehelichkeitsanfechtungsfrist hinsichtlich

des Kindes St. S. informiert. Nach Ablauf der Anfechtungsfrist des

§ 1594 BGB könne er sich nicht mehr auf die Nichtehelichkeit des

Kindes St. berufen und bleibe deshalb unterhaltspflichtig. Außerdem

hätten die Beklagten nicht veranlaßt, daß hinsichtlich der früheren

ehelichen Wohnung, die seit der Trennung allein seine frühere

Ehefrau benutzt habe, eine Regelung dahin getroffen worden sei, daß

der Kläger spätestens seit dem Scheidungstermin für die Zukunft aus

dem Mietverhältnis entlassen worden wäre.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,

1. den Kläger von seiner Unterhaltspflicht für dessen

scheineheliche

Tochter St. S., geboren am 23.2.1991, für Vergangenheit

und Zukunft zu befreien;

2. den Kläger freizustellen von den Forderungen der G.

Gemeinnützige Aktiengesellschaft für

Angestellten-Heimstätten,

H.allee 36/38, E. aus dem Mietvertrag der

geschiedenen Eheleute S. und R. S. über die Wohnung

O. Straße 63, B., sowie von bei der Verfolgung

solcher Forderungen gegen den Kläger entstehenden

Verfahrens-

kosten.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben die nichteheliche Abstammung des Kindes St.

S. bestritten und im übrigen die Ansicht vertreten, zu einem

Hinweis auf die Anfechtungsfrist des § 1594 BGB nicht verpflichtet

gewesen zu sein. Zum einen habe der Kläger sie trotz ihres

Schreibens vom 28.1.1992 nicht mandatiert, zum anderen hätten sie

nicht genügend Informationen gehabt, um den Ablauf der

Anfechtungsfrist exakt anzugeben. Im übrigen habe der Kläger die

Möglichkeit des Zahlvaterregresses.

Weiter haben die Beklagten vorgetragen, Anlaß für eine

gerichtliche Regelung der Verhältnisse an der Ehewohnung habe es

damals nicht gegeben, da ein Streit zwischen den früheren Eheleuten

darüber nicht bestanden habe. Sie hätten dem Kläger damals

empfohlen, eine Mietübernahme durch das Sozialamt zu erreichen.

Welche Bemühungen der Kläger in dieser Hinsicht entfaltet habe,

entziehe sich ihrer Kenntnis.

Die Beklaghten haben die Einrede der Verjährung erhoben.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines

Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der

Beweisaufnahme wird auf das Abstammungsgutachten des

Sachverständigen Prof. Dr. med. M. vom 17.12.1997 Bezug

genommen.

Durch Urteil vom 26.3.1998 - 7 O 488/96 -, auf das wegen

sämtlicher Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Landgericht

der Klage bis auf den Freistellungsanspruch hinsichtlich der

Verfahrenskosten im Klageantrag zu 2) stattgegeben. Zur Begründung

hat das Landgericht ausgeführt, durch das eingeholte

Abstammungsgutachten sei bewiesen, daß der Kläger nicht der Vater

des Kindes St. S. sei. Da er dem Kind gemäß den §§ 1601 ff. BGB

gleichwohl unterhaltspflichtig sei, seien die Beklagten ihm aus dem

Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung zum Schadensersatz

verpflichtet. Die Beklagten seien dem Kläger nämlich auch im Rahmen

ihres Mandates hinsichtlich des Unterhaltsverfahrens bezüglich der

Tochter C. S. und im Rahmen des Scheidungsverfahrens zu einer

umfassenden rechtlichen Beratung über die Möglichkeit der

Anfechtung der Ehelichkeit des nachgeborenen Kindes St. S.

verpflichtet gewesen. Der Hinweis im Schreiben der Beklagten vom

28.1.1992 stelle keine erschöpfende Beratung dar, weil es an der

Mitteilung der Ehelichkeitsanfechtungsfrist des § 1594 BGB gefehlt

habe. Es sei davon auszugehen, daß der Kläger bei zutreffender

Beratung über die Dringlichkeit der Angelegenheit rechtzeitig eine

Ehelichkeitsanfechtungsklage erhoben hätte. Dem Kläger stehe

darüber hinaus auch ein Anspruch auf Freistellung von Ansprüchen

der Vermieterin der früheren Ehewohnung der geschiedenen Eheleute

zu, da die Beklagten den Kläger im Rahmen des

Ehescheidungsverfahrens dahingehend hätten beraten müssen, aus dem

Mietverhältnis über die Ehewohnung entlassen zu werden. Die

Ansprüche des Klägers seien nicht verjährt, denn die dreijährige

Verjährungsfrist des § 51 b BRAO, die am 4.11.1993

(Scheidungstermin) begonnen habe, sei durch die Einreichung der

Klage am 4.11.1996 unterbrochen worden.

Mit der Berufung verfolgen die Beklagten unter Wiederholung und

Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens den

Klageabweisungsantrag weiter. Sie halten insbesondere an der

Auffassung fest, daß es Sache des Klägers gewesen wäre, sie

bezüglich der Ehelichkeitsanfechtung gesondert zu mandatieren. Ohne

ein solches Mandat seien sie zu weiteren Belehrungen des Klägers

nicht verpflichtet gewesen.

Die Beklagten beantragen,

1. das Urteil des Landgerichts Bonn vom 26.3.1998 - 7 O 488/96 -

teilweise

abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

2. den Beklagten für den Fall einer von ihnen zu erbringenden

Sicherheitsleis-

tung nachzulassen, diese durch Bürgschaft einer deutschen

Großbank oder

öffentlichrechtlichen Sparkasse erbringen zu dürfen.

Der Kläger beantragt,

1. die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

2. dem Berufungsbeklagten zu gestatten, Sicherheit auch durch

die Bürg-

schaft einer deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse oder

Volksbank

zu leisten.

Der Kläger verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung seines

früheren Vorbringens das angefochtene Urteil. Er macht geltend, daß

er aufgrund von Unerfahrenheit in Rechtsdingen die Tragweite der

Mitteilung im Schreiben der Beklagten vom 28.1.1992 nicht habe

erkennen können. Vielmehr habe er nach den Umständen annehmen

dürfen, daß die Beklagten von sich das in seinem Interesse

Erforderliche veranlassen würden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird

auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten

Schriftsätze und eingereichten Unterlagen Bezug genommen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im übrigen

zulässige Berufung der Beklagten hat im vollen Umfange Erfolg, denn

dem Kläger steht ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung von

Belehrungspflichten aus den mit den beklagten Rechtsanwälten

geschlossenen Mandatsverträgen (§ 675 BGB) nicht zu.

1.

Für die Beklagten bestand weder in der Unterhaltssache noch in

der Scheidungssache eine Verpflichtung, den Kläger auf die

zweijährige Anfechtungsfrist des § 1594 BGB hinzuweisen.

a)

Nach fester Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der auch der

Senat folgt, ist der Rechtsanwalt, soweit sein Auftraggeber nicht

unzweideutig zu erkennen gibt, daß er des Rates nur in einer

bestimmten Richtung bedarf, zur allgemeinen, umfassenden und

möglichst erschöpfenden Belehrung des Auftraggebers verpflichtet.

Unkundige muß er über die Folgen ihrer Erklärungen belehren und vor

Irrtümern bewahren. Er hat dem Mandanten diejenigen Schritte

anzuraten, die zu dem erstrebten Ziele zu führen geeignet sind, und

Nachteile für den Auftraggeber zu verhindern, soweit solche

voraussehbar und vermeidbar sind. Dazu hat er dem Auftraggeber den

sichersten und gefahrlosesten Weg vorzuschlagen und ihn über

mögliche Risiken aufzuklären, damit der Mandant zu einer

sachgerechten Entscheidung in der Lage ist. Welche konkreten

Pflichten aus dem erhaltenen Auftrag abzuleiten sind, richtet sich

dabei nach dessen Umfang und den jeweiligen Umständen des

Einzelfalles (BGH, NJW 1988, 563, 566 m.w.N.; NJW 1993. 2045,

jeweils m. w. Nachw.). Danach aber sind im Streitfall die Beklagten

ihrer Verpflichtung, den Kläger vor Nachteilen zu bewahren, in

ausreichender Weise dadurch nachgekommen, daß sie den Kläger nach

Kenntniserlangung von der Existenz eines möglicherweise

scheinehelichen Kindes auf die Notwendigkeit einer

Ehelichkeitsanfechtungsklage hingewiesen und ihn zur Vereinbarung

eines diesbezüglichen Besprechungstermins aufgefordert haben. Zu

weitergehenden Maßnahmen wären sie nur verpflichtet gewesen, wenn

der Kläger sie im Anschluß an diesen Hinweis mit der Wahrnehmung

seiner Interessen auch in der Kindschaftssache beauftragt hätte.

Das ist jedoch nicht der Fall.

b)

Nachdem sie bei Gelegenheit des Verhandlungstermins in der

Kindesunterhaltssache der Tochter Ch. des Klägers von der Existenz

des scheinehelichen Kindes St. erfahren hatten, hatten die

Beklagten den Kläger davon umgehend mit ihrem Terminsbericht vom

28.1.1992 unterrichtet. Gleichzeitig hatten sie ihn gebeten,

"...einen Rücksprachetermin zur Vorbereitung der notwendigen

Ehelichkeitsanfechtungsklage" zu vereinbaren. Eine Reaktion des

Klägers auf das ihm unstreitig zugegangene Schreiben, das auch als

Aufforderung zur Mandatierung der Beklagten in der Kindschaftssache

zu verstehen war, ist jedoch ausgeblieben. Es ist daher zu einer

Beauftragung der Beklagten nicht gekommen. Ohne ein Mandat des

Klägers in der Unterhaltssache aber waren die Beklagten unter

keinem rechtlichen Gesichtspunkt verpflichtet, im weiteren erneut

in dieser Sache an ihn heranzutreten und ihn auf einen drohenden

Ablauf der Anfechtungsfrist hinzuweisen. Weitergehende

Obliegenheiten hätten sich für sie allenfalls dann ergeben können,

wenn sie nach den Umständen hätten annehmen können, der Kläger gehe

davon aus, daß sie in dieser Angelegenheit ggf. auch von sich aus

für ihn tätig werden würden. Dem ist aber nicht so, denn angesichts

des Inhalts des Schreibens vom 28.1.1992 konnte für den Kläger

nicht zweifelhaft sein, daß die Beklagten in bezug auf eine

Ehelichkeitsanfechtung erst dann weiter tätig werden wollten, wenn

er mit der Vereinbarung eines Rücksprachetermins darauf reagierte.

Selbst wenn dem Kläger aber der Inhalt des Schreibens unklar

gewesen sein sollte, wie er in der Berufungsinstanz unter Hinweis

auf mangelnde Vertrautheit mit Rechtsangelegenheiten behauptet,

ließe sich daraus nichts zu Lasten der Beklagten ableiten. In

diesem Fall wäre es an ihm gewesen, durch umgehende Rückfrage bei

den Beklagten für Aufklärung zu sorgen und dann ggf. eine

eigenverantwortliche Entscheidung über die Erteilung eines Mandats

zur Durchführung einer Anfechtungsklage zu erteilen.

Soweit der Kläger geltend macht, für die Beklagten sei es

aufgrund der Mitteilung der Gegenseite in der Kindesunterhaltssache

der ehelichen Tochter Ch. offenkundig gewesen, daß es den

Vermögensinteressen des Klägers entsprochen hätte, eine

Verpflichtung zu weiteren Unterhaltszahlungen zu vermeiden, vermag

auch das den Klageanspruch nicht zu begründen. Die Beklagten haben

dies ersichtlich weder verkannt noch sind sie untätig geblieben. Zu

mehr als dem Hinweis in dem Ternminsbericht an den Kläger, daß die

Ehelichkeit des scheinehelichen Kindes angefochten werden müsse und

daß er sie dieserhalb kontaktieren möge, waren die Beklagten jedoch

im Rahmen dieses Unterhaltsmandats nicht verpflichtet.

Die Beklagten haben ihre Obliegenheiten aus dem Unterhaltsmandat

auch nicht deshalb verletzt, weil sie nicht beim Kläger nachgefragt

haben, nachdem dieser sich auf ihr Schreiben vom 28.1.1992 nicht

gemeldet hatte. Es lag allein in der Verantwortung des Klägers,

welche Konsequenzen er aus der ihm zugegangenen Mitteilung der

Beklagten ziehen wollte. Soweit er aus bloßer Nachlässigkeit

untätig geblieben sein sollte, traf die Beklagten keine rechtliche

Obliegenheit, ihn vor den negativen Folgen solchen Verhaltens zu

bewahren. Die gegenteilige Annahme würde die dem Anwalt im Rahmen

des Mandatsvertrages obliegenden Nebenpflichten nach Auffassung des

Senats eindeutig überdehnen. Die Beklagten hatten daher auch keinen

Anlaß, den Kläger etwa durch einen erneuten Hinweis zu einer

Anfechtungsklage oder gar zu ihrer Mandatierung in der

Anfechtungssache zu drängen. Dies gilt um so mehr, als sie in

Rechnung hätten stellen müssen, daß der Kläger - aus welchen

Gründen auch immer - eine Anfechtungsklage nicht wünschte oder

diesbezüglich den Rat eines anderen Anwalts in Anspruch nehmen

wollte oder gar einen anderen Anwalt bereits mandatiert hatte.

c)

Die Beklagten haben ihre Belehrungpflichten gegenüber dem Kläger

auch nicht dadurch schuldhaft verletzt, daß sie ihn im Rahmen des

später erteilten Scheidungsmandats nicht auf den drohenden Ablauf

der Frist für die Anfechtungsklage hingewiesen haben.

Die Mandatierung der Beklagten in der Ehesache ist unstreitig am

3.9.1992 in der Weise erfolgt, daß der Kläger, nachdem gegen ihn

ein Zwangsgeld wegen Nichteinreichnung der

Versorgungsausgleichs-Unterlagen festgesetzt worden war, einige

dieser Unterlagen im Büro der Beklagten abgab mit der Bitte, die

Aufhebung des Zwangsgeldbeschlusses zu erreichen und nunmehr seine

Vertretung im Scheidungsverfahren zu übernehmen. Daß sie sich zu

diesem Zeitpunkt nicht an die Existenz des scheinehelichen Kindes

erinnert und den Kläger nicht erneut darauf angesprochen haben,

stellt ebenfalls keine Obliegenheitsverletzung der Beklagten dar.

Seit Beendigung des Mandats in der Unterhaltssache - Abschluß des

Unterhaltsvergleichs am 2.4.1992 - bis zur Mandatierung in der

Ehesache am 3.9.1992 waren immerhin 5 Monate vergangen. Da mit der

Ehesache keine Unterhaltssachen verbunden waren, hatten die

Beklagten auch keine zwingende Veranlassung, die Handakten aus der

Unterhaltssache im Zusammenhang mit dem Scheidungsverfahren wieder

hervorzuholen. Es wäre eine unter dem Gesichtspunkt von Treu und

Glauben nicht zu rechtfertigende überzogene Anforderung an die

Sorgfaltspflichten eines Rechtsanwalts, wenn man verlangen wollte,

daß er auch ohne konkreten Anlaß Akten aus abgeschlossenen

Verfahren auf Informationen untersucht, die für den betreffenden

Mandanten - erneut - von Belang sein könnten. Vielmehr muß es

genügen, daß die Beklagten in jener Sache das Notwendige zur

Unterrichtung des Klägers veranlaßt hatten. Danach durften sie die

Angelegenheit auf sich beruhen lassen, denn sie konnten davon

ausgehen, daß ihr Mandant von selbst auf sie zukommen würde, wenn

er weitere Beratung durch sie in dieser Frage wünschte. Es wäre

daher Sache des Klägers gewesen, die Beklagten im Zusammenhang mit

deren Beauftragung in der Ehesache auf die Existenz des

scheinehelichen Kindes hinzuweisen und sie auch insoweit um

anwaltlichen Beistand zu bitten. Das hat er jedoch nicht getan.

Eine Besprechung in der Ehesache hat unstreitig erst am 22.6.1993

stattgefunden. Sie diente der Aufklärung von Lücken im

Versicherungsverlauf des Klägers. Auch bei diesem Anlaß hat der

Kläger die Beklagten nicht auf die Existenz des scheinehelichen

Kindes hingewiesen. Zu diesem Zeitpunkt war allerdings die

zweijährige Frist des § 1594 BGB auch bereits abgelaufen, da der

Kläger unstreitig von Anfang an über die am 23.2.1991 erfolgte

Geburt des Kindes St. unterrichtet war.

Entgegen der abweichenden Auffassung des Klägers hatten die

Beklagten im Rahmen des Scheidungsverfahrens auch keinen Anlaß,

nach ihrer Mandatierung am 3.9.1992 in dem Zeitraum bis zum Ablauf

der Anfechtungsfrist am 23.2.1993 von sich aus etwa der Frage nach

dem Vorhandensein scheinehelicher Kinder nachzugehen. Aus dem

Scheidungsantrag der damaligen Ehefrau des Klägers ergab sich kein

diesbezüglicher Anhaltspunkt. Er datierte vom 6.2.1990 und enthielt

folglich noch keinen Hinweis auf das Kind St.. Es ist daher

durchaus nachvollziehbar, daß die Beklagten erst im Termin vom

4.11.1993 wieder an die Existenz des zweiten Kindes erinnert worden

sind.

2.

Ein Schadensersatzanspruch steht dem Kläger auch nicht zu,

soweit er den Beklagten vorwirft, sie hätten es versäumt, ihn im

Rahmen des Scheidungsmandats auf die Notwendigkeit einer Kündigung

der früheren Ehewohnung hinzuweisen. Dabei kann es an dieser Stelle

auf sich beruhen, ob überhaupt von einer entsprechenden

Obliegenheit der Beklagten ausgegangen werden könnte. Es ist

nämlich bereits nicht erkennbar, ob und ggf. in welcher Höhe dem

Kläger durch ein eventuelles diesbezügliches Versäumnis der

Beklagten ein Schaden entstanden sein könnte.

Der Kläger hat bereits nicht dargetan, zu welchem Datum eine

Kündigung der Wohnung nach dem Inhalt des Mietvertrages zum

damaligen Zeitpunkt hätte ausgesprochen werden können. Offen ist

auch, ob die geschiedene Ehefrau des Klägers, die weiterhin die

Wohnung bewohnt, an der Kündigung mitgewirkt hätte und ob etwa die

Vermieterin u.U. auch einer nicht fristgemäßen Kündigung zugestimmt

hätte. Die Beklagten haben unwidersprochen vorgetragen, daß die

damalige Vermieterin, die von den Beklagten in Rechtsstreitigkeiten

vor dem AG Bonn ständig vertreten worden sei, einer Entlassung des

Klägers aus dem Mietverhältnis nur zugestimmt hätte, wenn die

bereits 1992 aufgelaufenen Rückstände in Höhe von 2.416,70 DM zuvor

ausgeglichen worden wären. Daß er zur Zahlung dieses Betrages

damals in der Lage gewesen wäre, behauptet der Kläger nicht.

Konkreter Angaben dazu, ob und ggf. zu welchem Datum dem Kläger

eine Kündigung bzw. seine Entlassung aus dem Mietverhältnis möglich

gewesen wäre, hätte es hier zumal auch deshalb bedurft, weil der

Kläger offensichtlich bis zum heutigen Tage die Entlassung aus dem

Mietvertrag nicht betrieben hat. Er behauptet, er müsse im

Außenverhältnis "nach wie vor" für alle Forderungen aus dem

Mietvertrag einstehen. Nicht zuletzt auch mit Blick darauf, daß die

Klageschrift bereits vom 1.11.1996 datiert, fragt es sich, warum

der Kläger seine Entlassung aus dem Mietverhältnis nicht

zwischenzeitlich mit Erfolg betrieben hat, wenn er dies denn

gewollt hat und wenn es ihm möglich gewesen sein sollte. Es ist

daher schon nicht erkennbar, ob und ggf. für welchen Zeitraum dem

Kläger infolge eines Beratungsfehlers der Beklagten insoweit ein

finanzieller Nachteil entstanden sein könnte.

3.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10, 711

ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren und zugleich Wert der

Beschwer für den Kläger:: 72.000,-- DM

(Zukünftige Unterhaltsansprüche: 12 x 600,-- DM x 3,5 =

25.200,-- DM; Unterhaltsansprüche für die Vergangenheit : 6 x 12 x

400,-- DM = 28.800,-- DM; Mietzinsansprüche:12 x 1.500,-- DM =

18.000,-- DM)






OLG Köln:
Urteil v. 08.12.1998
Az: 22 U 108/98


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/a4e31125918b/OLG-Koeln_Urteil_vom_8-Dezember-1998_Az_22-U---108-98




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