Kammergericht:
Urteil vom 2. Juni 2015
Aktenzeichen: 6 U 34/13

(KG: Urteil v. 02.06.2015, Az.: 6 U 34/13)

Zu den Voraussetzungen einer Vertragsanpassung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB, zwischen der Ausfallbürgin und dem Rückbürgen, die die Bürgschaftspflichten in den Jahren 1992/1993 zum Zwecke der Förderung der Errichtung von Wohnungen im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus übernommen hatten:

Die Ausfallbürgin, die sich gegenüber dem finanzierenden Kreditinstitut in voller Höhe verbürgt hat, kann von dem Rückbürgen, der sich ihr gegenüber zu 50% verpflichtet hat, nicht nach § 313 BGB eine Anpassung der Rückbürgenhaftung auf 100 % verlangen, wenn der Rückbürge die (zusätzliche) landeseigene Förderung mittels Aufwendungsbeihilfen nach dem Auslaufen des betr. Förderprogramms nicht fortführt und der Hauptschuldner anschließend zahlungsunfähig wird. Dem steht die Vorhersehbarkeit dieser eingetretenen Änderung für die Ausfallbürgin im vorliegenden Fall entgegen, wobei es insoweit maßgeblich auf die Umstände zum Zeitpunkt des Abschlusses des Rückbürgschaftsvertrages ankommt.

Abgesehen davon setzt eine Anpassung voraus, dass die Vertragsbestimmung, deren Änderung begehrt wird, ursächlich auf der geltend gemachten Fehlvorstellung beruht, und dass es unzumutbar ist, an dem Rückbürgschaftsvertrag mit dem vertraglich festgelegten Inhalt festzuhalten. An beidem fehlt es.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 31. Januar 2013 - 7 O 134/12 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 8.000.000,-- EUR für die Zeit vom 2. Juni 2011 bis zum 11. Juli 2011 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die jeweils andere Partei zuvor Sicherheit in Höhe von jeweils 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin klagt mit dem Ziel, von dem Beklagten Erstattung von Zahlungen in Höhe von rund 8.2 Mio. €, die sie als Ausfallbürgin geleistet hatte, zu erlangen. Zugrunde lag ein beiderseitiges Bürgschaftsengagement der Parteien zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus in den Jahren nach der Wiedervereinigung. Die Klägerin hatte sich seinerzeit gegenüber den finanzierenden Banken jeweils als Ausfallbürgin zu 100% und der Beklagte gegenüber der Klägerin als Rückbürge zu 50 % verpflichtet. Betroffen ist im vorliegenden Fall ein Wohnungsbauvorhaben in Berlin-Karow. Die Klägerin lastet dem Beklagten an, den Eintritt des Bürgschaftsfalles durch die Einstellung der von ihm gewährten Aufwendungshilfen verursacht zu haben.

A. Die Errichtung von Wohnungen im sozialen Wohnungsbau durch Privatpersonen, die die Bauvorhaben teils mit Eigenkapital, teils mit Fremdkapital mittels Bankdarlehen finanzierten, wurde zum einen durch Landes- und Bundesbürgschaften zur Absicherung von Baudarlehen und zum anderen durch Aufwendungshilfen der Länder gefördert.

In den alten Bundesländern wurden die Baumaßnahmen nach dem II. WoBauG gefördert. Danach übernahmen jeweils die Länder, so auch der Beklagte, die Direktbürgschaften für die nicht erstrangig gesicherten Kreditmittel und die Klägerin jeweils die Rückbürgschaft in Höhe von 50 % der Bürgschaftsforderung (dazu Näheres bei: Heix in Fischer-Dieskau/Pergande/Schwender, Wohnungsbaurecht, Bd. 7, § 24 II. WoBauG, Rn. 2 ff., 7 ff.).

In den neuen Bundesländern hatte unmittelbar vor der Wiedervereinigung zunächst die DDR Bürgschaften in Höhe von insgesamt 1,0 Mrd. DM zur Förderung des Wohnungswesens auf ihrem Gebiet übernommen. Rechtsgrundlage waren die Richtlinien und Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Übernahme von Bürgschaften für Darlehen von Kapitalsammelstellen zur Förderung des Wohnungswesens in der DDR (K 14), die Richtlinien für die Übernahme von Einzelbürgschaften zur Förderung des Wohnungswesens in der DDR (künftig: DDR-RL, K 8, 11), die ergänzt wurden durch die Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Übernahme von Einzelbürgschaften zur Förderung des Wohnungswesens in der DDR (künftig: AVB, K 42,) jeweils vom 27.08.1990. Die Bürgschaften dienten ebenso wie in den alten Bundesländern der Absicherung des Teils der Bankkredite, der durch Grundpfandrechte nicht ausreichend abgesichert werden konnte. Die DDR hatte die Wohnungsbaukreditanstalt des Landes Berlin (künftig: WBK) in die verwaltungstechnische Umsetzung eingeschaltet und diese beauftragt, alle Aufgaben, die sich im Zusammenhang mit der Übernahme von Staats- und Landesbürgschaften ergeben, für sie wahrzunehmen (Rahmenvereinbarung vom 27.08.1990, K 13; Geschäftsbesorgungsvertrag - Bürgschaften - vom 27.08.1990, K 12).

Mit dem Beitritt der DDR waren diese Bürgschaftsverpflichtungen der DDR nach Art. 23 Abs. 6 des Einigungsvertrages auf die Klägerin übergegangen (vgl. dazu näher: Heix a.a.O., Rn. 15 ff.).

Im Weiteren setzte die Klägerin diese Art der Förderung des Wohnungsbaus nach den DDR-RL zunächst fort und übernahm die Ausfallbürgschaften für Bauvorhaben auf dem ehemals zur DDR gehörenden Gebiet. Nach Verbrauch der zunächst zur Verfügung gestellten Mittel bestand weiter großer Förderbedarf. Die Klägerin zeigte sich bereit, ihre Bürgschaftsmittel auf 6 Mrd. DM aufzustocken, wenn von den neuen Ländern und dem Beklagten, €... 50 v.H. des Ausfallrisikos einschließlich des ... auf die bereits übernommenen Bürgschaften entfallenen Risikos ... übernommen werden.€ (Schreiben des Bundesministeriums für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau vom 13.05.1993, K 16). Dies führte zu der schriftlichen Verpflichtungserklärung des Beklagten vom 08.06.1993, für die bis zum 31.12.1993 nach den DDR-RL übernommenen Bürgschaften der Klägerin im Beitrittsgebiet Berlin-Ost die hälftige Rückbürgschaft zu übernehmen (K 17).

Neben der Stellung der beschriebenen Bürgschaften erhielten die privaten Bauherren in Berlin vom Beklagten Aufwendungshilfen, die in Form von Darlehen und Zuschüssen gewährt wurden (hier nach den Richtlinien für den öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau in Berlin vom 16.07.1990, künftig: WFB 1990, K 4). Diese waren so bemessen, dass die Differenz zwischen der Kostenmiete und der tatsächlich erzielten (Sozial)-Miete geschlossen wurde; sie wurden monatlich fortlaufend gezahlt. Die privaten Bauherren waren damit in der Lage, die Darlehenszinsen für die Baukredite ohne weiteren eigenen Finanzierungsaufwand bedienen und eine Verzinsung ihres Eigenkapitalanteils erwirtschaften zu können. Der Bewilligungszeitraum war nach Teil C.11.(4) WFB 1990 auf 15 Jahre bzw. die Tilgungsdauer des Darlehens begrenzt. Zeitweise kam es zur Anschlussförderung der Wohnungsbauvorhaben aufgrund entsprechender Anschlussrichtlinien zum Auslaufen der Grundförderphase. Mit der Richtlinie über die Anschlussförderung von Sozialwohnungen der Wohnungsbauprogramme 1972 - 1976 vom 20.05.1988 hatte es erstmals eine Entscheidung des Beklagten zur Verlängerung dieser Förderung durch Aufwendungshilfen gegeben. Für die anschließenden Wohnungsbauprogramme 1978 - 1981 erließ der Beklagte die Richtlinien über die Anschlussförderung von Sozialwohnungen der Wohnungsbauprogramme 1977 - 1981 am 26.10.1993 und für die Wohnungsbauprogramme 1982 - 1986 am 03.12.1997 (vgl. S. 18 der Klageerwiderung, Bl. 70 Bd. 1).

Als die Entscheidung zur Fortsetzung der Förderung für die Förderjahrgänge 1987 bis 1989 anstand, ließ der Beklagte wegen seiner schlechten Haushaltslage durch eine von ihm eingesetzte Expertenkommission die Anschlussförderung im öffentlich geförderten Wohnungsbau in Berlin prüfen. Die Expertenkommission hielt aufgrund der drohenden Haushaltsnotlage des Beklagten und einer zwischenzeitlichen Entspannung am Wohnungsmarkt im betroffenen Marktsegment Änderungen der bisherigen Praxis für unumgänglich und untersuchte insoweit die Auswirkungen verschiedener Varianten, wie das sogen. Einstellungsmodell und das sogen. Vertragsmodell. Wegen der weiteren Einzelheiten und der Arbeitsergebnisse der Expertenkommission wird auf deren Bericht vom 23. 01.2003 (B 2) Bezug genommen. Der Beklagte entschloss sich darauf hin, die Förderung durch Aufwendungsbeihilfen für Projekte, bei denen die Grundförderung künftig ausläuft, einzustellen, was er mit Beschluss des Senats vom 04.02.2003 und vom 11.02.2003 umsetzte.

B. Der vorliegende Fall betrifft ein Bauvorhaben zur Errichtung von Wohnungen im sozialen Wohnungsbau durch die S... G... GmbH & Co. Wohnen in K... KG (vormals: A... -P... für H... mbH & Co. D... B... -KG, künftig: S... ) in Berlin-K-----. Die Gesamtkosten für die Baumaßnahme waren in der Wirtschaftlichkeitsberechnung vom 12.12.1991 (K 2) mit 77.523.185,00 DM berechnet. Diese Baukosten wollte die S... neben dem Eigenkapitalanteil durch eine Kreditaufnahme in Höhe von insgesamt 63.544.000,00 DM - in Höhe von 25.800.000,00 DM gesichert durch erstrangige Grundpfandrechte und in Höhe von 37.744.000,00 DM gesichert durch eine Ausfallbürgschaft der Klägerin - aufbringen.

Am 21.09.1991 beantragte die S... für ihr Bauvorhaben bei dem Beklagten, vertreten durch die Wohnungsbaukreditanstalt, Aufwendungshilfen.

Am 10.02./18.02.1992 kam der Kreditvertrag der S... mit der B... -H... H... AG (Rechtsnachfolger: B... -H... H... AG, künftig: Bank) zustande (K 3).

Unter dem 27.05./30.06.1992 stellten die S... und die Bank den Antrag auf Übernahme der Bürgschaft durch die Klägerin, vertreten durch die W... (K 9), die am 28.10.1992 namens der Klägerin eine Ausfallbürgschaft in Höhe von 37.744.000,00 DM übernahm (K 10).

Zuvor, mit Bescheid vom 07.07.1992 (K 5), hatte die Wohnungsbaukreditanstalt der S... namens des Beklagten Aufwendungshilfen bis 83.914.856,28 DM über eine Laufzeit von 15 Jahren (im Ergebnis bis 31.08.2008) bewilligt.

Bei der S... kam es zum 31.10.2008 zu ersten Zahlungsschwierigkeiten bei der Bedienung ihrer Kredite. Auf ihren Antrag vom 08.01.2009 eröffnete das Amtsgericht C... sodann am 01.04 2009 das Insolvenzverfahren.

Nach Fälligstellung der Kredite durch die Bank nahm diese die Klägerin aus der übernommenen Ausfallbürgschaft auf Zahlung in Höhe von 17.032.311,87 € in Anspruch (K 25). Die Klägerin zahlte einen Betrag in Höhe von 16 Mio. € (K 37) sowie von 442.392,66 € an die Bank unter dem Vorbehalt der gerichtlichen Klärung ihrer Forderungen gegen den Beklagten aus der Rückbürgschaft.

Die Bank trat am 15.04 2011 mögliche Schadensersatzansprüche aus §§ 317 AktG, 826 BGB sowie aus sonstigen in Betracht kommenden Rechtsgründen an die Klägerin ab, die diese Abtretung annahm (K 38).

Der Beklagte hat die Einrede der Verjährung gegenüber Ansprüchen der Klägerin aus § 317 AktG erhoben.

Wegen des weiteren Sachvortrags erster Instanz sowie der dort gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage bis auf einen Teil des Zinsanspruchs abgewiesen. Die Klägerin könne aus der Rückbürgschaft keine vollständige Erstattung ihrer Aufwendungen als Ausfallbürgin verlangen. Die Bürgschaftspflicht des Beklagten sei auch nach der Einstellung Anschlussförderung und der daraufhin eingetretenen Insolvenz der S... auf die Hälfte der Ausfallhaftung der Klägerin beschränkt. Weder die Auslegung der Bürgschaftserklärung des Beklagten noch eine Anpassung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage könnten eine weitergehende Bürgschaftspflicht des Beklagten begründen. Es könne nicht die Rede davon sein, dass es erkennbar der allgemeinen Erwartung der Parteien, mindestens aber der Klägerin, bei Vertragsschluss entsprach, dass der Beklagte für Bürgschaftsfälle in voller Höhe einstehen müsse, die er im eigenen wirtschaftlichen Interesse in der Hand habe. Dagegen spreche insbesondere, dass die Klägerin ihre Haftung mit der Direktbürgschaft zu einem Zeitpunkt übernommen hatte als die Rückbürgschaft noch ausstand. Die Forderung der Klägerin sei auch nicht aus anderen, von ihr angeführten Rechtsgründen zuzusprechen.

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Berufung gegen das landgerichtliche Urteil. Das Landgericht habe verfehlt auf die Vorstellung einer Anschlussförderung bei ihrer Übernahme der Direktbürgschaft abgestellt. Damit habe das Landgericht verkannt, dass sie einen Wegfall der Geschäftsgrundlage der Rückbürgschaftsvereinbarung geltend mache und als Anpassung den Wegfall der darin aufgenommenen Haftungsbegrenzung des Beklagten verlange. Bei der Vereinbarung der Rückbürgschaft hätten beide Parteien eine Anschlussförderung als selbstverständlich €mitgedacht€. Auch habe sie davon ausgehen dürfen, dass das Fördersystem des Beklagten keine strukturellen Mängel aufweise. Strukturell angemessen wäre das Fördersystem nur gewesen, wenn eine Anschlussförderung gewährt würde. Bei Abschluss des Rückbürgschaftsvertrags habe sie erkennbar die Vorstellung gehabt, sich lediglich an den Projektrisiken zu beteiligen, auf deren Verwirklichung weder sie selbst noch der Beklagte Einfluss hatte. Dass ihre Bürgschaftserklärung datumsmäßig vor der Übernahme der Rückbürgschaft des Beklagten gelegen hatte, sei entgegen der Entscheidung des Landgerichts kein Gegenargument, weil die Parteien die grundsätzliche hälftige Haftungsverteilung lange davor vereinbart hätten. Letztlich sei der Zeitpunkt der von ihr eingegangenen Haftungsübernahme zu 100 % aber auch irrelevant, weil sie sich nicht aus ihrer Bürgschaftsverpflichtung (gegenüber der Bank) lösen wolle, sondern eine Anpassung der Bürgschaftspflichten des Beklagten anstrebe. Die Klägerin hält im Übrigen für gerichtlich geklärt, dass die Vorstellung einer Anschlussförderung Geschäftsgrundlage für die Begrenzung der Haftung des Beklagten als Rückbürge sei und beruft sich dafür auf ein Urteil des Kammergerichts vom 23.09.2009 (- 22 U 196/09 -, juris,) das zu einer im Jahr 1986 von ihr gewährten Rückbürgschaft ergangen ist, die sie gegenüber dem Beklagten, der sich als Direktbürge verpflichtet hatte, übernommen hatte. Die nach der Wende aus rein verwaltungstechnischen Gründen vorübergehend praktizierte umgekehrte Rollenverteilung könne auf die Beurteilung der Geschäftsgrundlage keine Auswirkung haben. Die Klägerin meint weiter, das Landgericht habe einen entscheidenden Wertungsgesichtspunkt außer Acht gelassen. Es habe nämlich den Wissensvorsprung des Beklagten bei Abschluss des Rückbürgschaftsvertrags, den dieser ihr gegenüber hatte, nicht berücksichtigt. Dem Beklagten sei insoweit bekannt gewesen, das eine Anschlussförderung notwendig sein würde, um das Wohnungsbauvorhaben auszufinanzieren, während ihr das Risiko einer unterbleibenden Anschlussförderung nicht bekannt gewesen sei, was der Beklagte ausgenutzt habe. Die Klägerin weist nochmals darauf hin, dass die Klageforderung auch als Schadensersatzleistung wegen der Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten bzw. wegen einer sittenwidrigen Schädigung durch den Beklagten, als Aufwendungsersatz nach § 670 BGB sowie aus abgetretenem Recht der Bank gemäß § 317 AktG bzw. § 826 BGB begründet sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Berlin - Az. 7 O 134/12 - vom 31.01.2013 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an sie 8.221.196,33 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 8.000.000,00 € seit dem 02.06.2011 und aus 221.196,33 € seit dem 08.09.2011 sowie aus weiteren 8.000.000,00 € seit dem 02.06.2011 bis zum 11.07.2011 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Vortrag der Parteien in den gewechselten Schriftsätzen sowie die Sitzungsprotokolle der mündlichen Verhandlungen Bezug genommen.

Gründe

I. Die zulässige Berufung ist nur wegen des Zinsanspruchs begründet.

Anzuwenden ist das Bürgerliche Gesetzbuch in der ab dem 01.01.2002 geltenden Fassung, Art. 229 § 5 EGBEB. Diese Fassung gilt nach Satz 2 der Norm auch für vor dem 01.01.2002 entstandene Schuldverhältnisse, wenn es sich dabei um ein Dauerschuldverhältnis handelt, d.h. um eine Vertragsbeziehung mit längerer Laufzeit, in der ständig neue Leistungs-, Neben- und Schutzpflichten entstehen (Palandt/Grüneberg, BGB, 72. Aufl., § 314 Rn. 1, 5). Gerade dies trifft für die Rückbürgschaft des Beklagten zu.

1. Ein Anspruch der Klägerin aus dem Bürgschaftsvertrag gemäß § 765 BGB besteht wegen der uneinbringlichen Ansprüche der Klägerin gegen die S... nicht, weil der Beklagte seine Bürgschaftspflichten in vollem Umfang erfüllt hat.

a. Der Beklagte hatte sich insoweit für die Rückgriffsforderung der Klägerin aus § 774 BGB gegen die S... zu 50 % verbürgt. Die danach geschuldeten Leistungen hat der Beklagte unstreitig erbracht.

b. Darüber hinausgehende Zahlungsansprüche sind auch nicht nach § 313 BGB aus dem Bürgschaftsvertrag begründet. Das Verlangen der Klägerin, den Rückbürgschaftsvertrag wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage durch Aufhebung der zugunsten des Beklagten enthaltenen Haftungsbegrenzung anzupassen, weil sich ihre bzw. die gemeinsamen Vorstellungen zur Gewährung von Aufwendungshilfen bis zur Ausfinanzierung der Bauvorhaben nicht verwirklicht hätten, ist nach ihrem Vorbringen nicht gerechtfertigt.

Nach § 313 BGB kann die Anpassung eines Vertrags verlangt werden, wenn sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, und einem Teil unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Entsprechendes gilt nach Abs. 2 der Vorschrift, wenn sich wesentliche Vorstellungen, die zur Vertragsgrundlage geworden sind, als falsch herausstellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehören die gemeinsamen Vorstellungen beider Vertragspartner sowie die einseitigen Vorstellungen einer Partei, die nicht zum Vertragsinhalt erhoben, aber beim Vertragsschluss zutage getreten, dem Geschäftsgegner erkennbar und von ihm nicht beanstandet worden waren, dann zur (subjektiven) Grundlage des Vertrags, wenn der Geschäftswille der Beteiligten auf diesen Vorstellungen aufbaut (ständige Rechtsprechung des BGH, z.B.: Urteil vom 17.04.1973 - X ZR 59/69 -, BGHZ 61, 153, juris-rz. 41; Urteil vom 24.11.1995 - V ZR 164/94 -, BGHZ 131, 209, juris-rz. 2; Urteil vom 17. 03. 1994 - IX ZR 174/93 -, MDR 95, 58, juris-rz. 16; Urteil vom 06.05.2014 - X ZR 135/11 -, NJW 14, 2638, juris-rz. 19). Ausgeschlossen sind allerdings solche Störungen der Geschäftsgrundlage, die bei Abschluss des Vertrags vorhersehbar waren. Vorhersehbare Umstände, die die Parteien bewusst in Kauf genommen hatten und die sie im Vertrag durch eine ihnen Rechnung tragende Anpassungsklausel hätten berücksichtigen können, können für einen Anspruch nach § 313 Abs. 1 BGB grundsätzlich nicht berücksichtigt werden, weil in der Regel davon auszugehen ist, dass die Parteien das Risiko ihres Eintritts übernommen haben - es sei denn, dass Besonderheiten des gegebenen Sachverhalts zu einer abweichenden Bewertung führen müssen (BGH, Urteil vom 23.05.2014 - V ZR 208/12 -, a.a.O., juris-rz. 25, 26 m.w.N.; i.d.S. auch: BGH, Urteil vom 24.09.2002 - XI ZR 345/01 -, NJW 2002, 3695, juris-rz. 34; BGH, Versäumnisurteil vom 09.01.2009 - V ZR 168/07 -, NJW 2009, 1348, juris-rz. 11; BGH, Urteil vom 09.12.2009 - XII ZR 107/08 -, BGHZ 183, 287, juris-rz. 26). Daher kann eine Vorhersehbarkeit der Störung der Geschäftsgrundlage i.d.S. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ohne weiteres bejaht werden, wenn sich die Vorstellungen der Parteien deshalb als falsch herausstellen, weil sich öffentlich-rechtliche Vorschriften, die generell einem Wechsel unterliegen, geändert haben, - es sei denn, dass Besonderheiten des gegebenen Sachverhalts zu einer abweichenden Bewertung führen müssen (BGH, Urteil vom 23.05.2014 - V ZR 208/12 - a.a.O. zu einer Störung, die sich aus einer Änderung öffentlich-rechtlicher Vorschriften zur Bebaubarkeit eines Grundstücks ergab).

aa. Nach dem hier maßgeblichen Sachverhalt steht einer Anpassung der Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten jedenfalls die Vorhersehbarkeit der geltend gemachten Störung entgegen. Ob die von der Klägerin vorgebrachten Vorstellungen zur Fortdauer der Aufwendungshilfen bzw. zur Gewährung einer Anschlussförderung überhaupt Geschäftsgrundlage des Rückbürgschaftsvertrages i.S.d. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gewesen sind und ob, falls man ersteres bejahte, Rechtsfolge eine Ausweitung der der Klägerin aus diesem Vertrag einseitig gewährten Begünstigung, der Haftungsübernahme des Beklagten, sein kann, kann deshalb offen bleiben.

Für die Klägerin, der nach ihrem eigenen Vortrag die Gewährung von Aufwendungshilfen durch den Beklagten bekannt war, war eine Einstellung dieser Hilfen vor dem Ende der Darlehenslaufzeit vorhersehbar. Mit dem Wegfall von Subventionen, so auch dem Wegfall von Aufwendungshilfen zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus, war schon zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses 1993 generell zu rechnen. Denn Subventionen sind das Ergebnis politischer Entscheidungsprozesse, die zur Erreichung politischer Ziele abhängig vom Vorhandensein der dafür erforderlichen Haushaltsmittel aufgelegt und wieder eingestellt werden können. Dem öffentlichen Subventionsgeber ist bei seinen diesbezüglichen Entscheidungen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein weites Gestaltungsermessen eingeräumt; insbesondere ist er an einer Einstellung der Förderung nicht durch einen Rechtsanspruch des Subventionsempfängers auf eine Fortsetzung, der nicht besteht, gehindert (vgl. ausführlich zur Rechtslage mit Nachweisen zur eigenen und zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts: BVerwG, Urteil vom 11.05.2006 - 5 C 10/05 -, NJW 2006, 3450, juris-rz. 57 ff.). Schon bei Abschluss des Rückbürgschaftsvertrags war diese Rechtslage durch die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts geklärt (vgl. die Nachweise bei BVerwG a.a.O. juris-rz. 57).

Es spricht im gegebenen Fall nichts dafür, dass der Klägerin all dies bei Vertragsschluss unbekannt war, da sie selbst ebenfalls Subventionen als Gestaltungsmittel einsetzt und mit den rechtlichen Grundlagen insoweit vertraut ist. Ihr Argument, sie habe darauf vertraut, dass das länderspezifische Fördersystem selbst keine strukturellen Mängel aufweise, vielmehr die Fortsetzung der Förderung sichergestellt sei, erweist sich danach als inhaltsleere Formel. Denn das Fehlen einer Förderstruktur, die eine Anschlussförderung nach der Grundförderphase bindend vorgibt, ist - wie zuvor aufgezeigt - gerade kein Mangel des Subventionssystems. Dementsprechend bleibt nach dem Vortrag der Klägerin auch offen, welche Mittel zur Sicherstellung der Anschlussförderung sie denn erwartet hatte.

Auch sonstige Besonderheiten des gegebenen Sachverhalts stehen der Vorhersehbarkeit des Unterbleibens der Anschlussförderung nicht entgegen.

Allerdings können, auch wenn Subventionen generell mit dem Risiko eines künftigen Wegfalls behaftet sind, im Einzelfall besondere Umstände das Vertrauen auf stabile Verhältnisse rechtfertigen und damit einer Vorhersehbarkeit der Änderung entgegenstehen (vgl. BGH, Urteil vom 23.05.2014 a.a.O.). Gerade dies traf im vorliegenden Fall im Zeitpunkt der Begründung der Rückbürgschaft (Anfang Juni 1993, K 17) für die Gewährung von Aufwendungshilfen aber nicht zu. Es war im Gegenteil so, dass zu dieser Zeit die weitere Entwicklung - sowohl der Haushaltslage des Beklagten wie auch der Situation am Berliner Wohnungsmarkt - nicht absehbar war. Die Fortsetzung der Anschlussförderung nach Ablauf der auf fünfzehn Jahre befristeten Grundförderung konnte seinerzeit nicht als Selbstverständlichkeit betrachtet werden. Gewissheiten (betreffend die finanzielle und wohnungsbaupolitische Entwicklung und damit die Anschlussförderung nach 10 bzw.15 Jahren) gab es in der damaligen Umbruchsituation nach dem Beitritt der DDR gerade nicht. Die bisherigen Rahmenbedingungen, konkret die Eingeschlossenheit des Westberliner Teils des Stadtgebiets des Beklagten, die der Grund für die besondere finanzielle Unterstützung des Beklagten durch die Klägerin waren und die als unabänderlich galten, solange der Beklagte aufgrund seiner Insellage nicht aus eigener Kraft existieren konnte, hatten sich mit der Wiedervereinigung grundlegend geändert. Im Jahr 1993, und daraus ergibt sich ein entscheidender Unterschied zu dem vom 22. Zivilsenat des Kammergerichts (a.a.O.) entschiedenen Sachverhalt, lag es nicht außerhalb der Vorstellungskraft der Parteien, dass sich die Haushaltslage des Beklagten und die Situation am Wohnungsmarkt bis zum Ende der Grundförderung derart verändern könnten, dass die Beibehaltung der Förderung politisch nicht mehr vertretbar war. Das gilt besonders auch deshalb, weil die Klägerin selbst ihre finanziellen Zuwendungen an den Beklagten bereits zu diesem Zeitpunkt erheblich zurückgefahren hatte (ihre Zuschüsse, die in der Vorwendezeit über 50 % des Berliner Haushalts ausgemacht hatten, waren von 1991 bis 1994 sukzessive von 7 Mrd.€ auf 3 Mrd. € verringert worden, Bl. 88 Bd. 1) und gleichzeitig vom Beklagten, insbesondere auch im Bereich des Wohnungsbaus im Ostteil der Stadt, enorme finanzielle Anstrengungen gefordert waren. Das Ausmaß dieser Anstrengungen wird deutlich, wenn man bedenkt, dass allein die Klägerin ihre Bürgschaftsmittel für den sozialen Wohnungsbau von 700 Mio. DM jährlich auf 6 Mrd. DM, die ab 1993 zur Verfügung standen, hochsetzte, was wiederum für den Beklagten für Wohnbauten auf Berliner Stadtgebiet mit Aufwendungshilfen verbunden war, die ein Mehrfaches der Haftungssumme für die Bürgschaften ausmachten (so standen im vorliegenden Fall der verbürgten Darlehensforderung von ca. 38 Mio. DM Aufwendungshilfen von ca. 84 Mio. DM gegenüber). Hier konnte von den Beteiligten nicht als gesichert angenommen werden, dass der Beklagte diese Förderung über Jahrzehnte hinweg durchhalten konnte.

Entgegen der Auffassung der Klägerin rechtfertigte auch die bisherige Förderpraxis des Beklagten zum Zeitpunkt der Begründung der Rückbürgschaft eine solche Prognose nicht. Eine gefestigte Praxis, die Grundlage für das Vertrauen auf die Fortsetzung dieser Praxis hätte sein können, gab es damals nicht. Zuvor hatte es lediglich eine einzige positive Entscheidung des Beklagten zugunsten eines Anschlussförderungsprogramms gegeben. Der Beklagte hatte eine solche Entscheidung erstmals mit dem Erlass der Richtlinien über die Anschlussförderung von Sozialwohnungen der Wohnungsbauprogramme 1972 - 1976 vom 20.05.1988 getroffen, auf die dann erst am 26.10.1993, d.h. zeitlich nach der streitgegenständlichen Rückbürgschaft, die Richtlinien über die Anschlussförderung von Sozialwohnungen der Wohnungsbauprogramme 1977 - 1981 folgten (S. 18 der Klageerwiderung, Bl. 70 Bd. 1).

Die Klägerin kann sich für ihre abweichende Sicht eines Anspruchs auf Vertragsanpassung nach § 313 BGB auch nicht darauf berufen, dass sie die Rolle der Direktbürgin nur zufällig übernommen habe. Selbst wenn man dies zugunsten der Klägerin unterstellte, änderte sich am Ergebnis nichts. Eine Anpassung müsste aus den gleichen Erwägungen, die bereits zuvor erörtert worden sind, an der Vorhersehbarkeit der Änderung, d.h. des Unterbleibens der Anschlussförderung, scheitern. Die dafür maßgeblichen Verhältnisse bei Vertragsschluss im Jahr 1993 hängen nicht davon ab, ob die Klägerin Bürgschaftsnehmerin oder -geberin der Rückbürgschaft ist. Entgegen der Auffassung der Klägerin folgt aus dem Urteil des 22. Zivilsenats des Kammergerichts (a.a.O.) auch nicht, dass im hier gegebenen Fall bei althergebrachter Verteilung der Direkt-/Rückbürgschaft ein berücksichtigungsfähiger Wegfall der Geschäftsgrundlage vorläge, weil es insoweit stets auf die zum Zeitpunkt des Abschlusses des betroffenen Vertrages gegebenen Verhältnisse ankommt. Hier sind das die Verhältnisse im Jahr 1993, die nicht Gegenstand der Entscheidung des 22. Zivilsenats des Kammergerichts waren. Dort war vielmehr über die Pflichten aus einem Bürgschaftsvertrag aus dem Jahr 1986 zu urteilen.

bb. Unabhängig von all dem fehlt es auch an der Kausalität der Fehlvorstellung als einer weiteren Voraussetzung für eine Anpassung nach § 313 BGB.

Erforderlich ist nach § 313 BGB, dass die Parteien im Juni 1993 einen Rückbürgschaftsvertrag mit abweichendem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie bei Abschluss des Vertrages das Unterbleiben der Anschlussförderung vorausgesehen hätten. Insoweit kommt es auf den hypothetischen Verlauf ihrer Vertragsverhandlungen bzw. deren Ergebnis an.

Nach dem Vorbringen der Parteien lässt sich dieses indes im Rückblick nicht verlässlich klären. Allein der Konsens der Parteien, die Lasten aus den Bürgschaften für die Wohnungsbaudarlehen je zur Hälfte zu tragen, was die Klägerin anführt, reicht insoweit nicht. Denn die Klägerin verlangt ja gerade eine volle Haftung des Beklagten für die hier strittige Konstellation und damit eine Abweichung von der hälftigen Lastentragung. Ob der Beklagte sich seinerzeit auf Verlangen der Klägerin für den Fall der Einstellung der Anschlussförderung mit einer entsprechenden Vertragsklausel einverstanden gezeigt hätte, bleibt offen. Dass der Beklagte seinerzeit - und zwar für eine künftige Situation, in der es ihm an den für die Anschlussförderung erforderlichen Haushaltsmitteln fehlen wird und gleichzeitig eine Entspannung am Wohnungsmarkt die weitere Förderung entbehrlich macht, - ohne weiteres dazu bereit gewesen wäre, ist wenig wahrscheinlich. Wie ein solcher Interessengegensatz gelöst worden wäre, kann gerade auch wegen der besonderen Situation nach der Wende, dem politischen Klima, das sich aus der Euphorie über die Wiedervereinigung und dem enormen Regelungsbedarf aufgrund der Zusammenführung zweier unterschiedlicher Systeme ergab, und das schnelle, teils unkonventionelle Lösungen erforderte (wie etwa den €Rollentausch€ der Parteien bei den Bürgschaften), nicht nachvollzogen werden. Indizien, die zwingend dafür sprechen, dass die Klägerin gegenüber dem Beklagten ihre Position durchgesetzt hätte, sind jedenfalls nicht feststellbar.

cc. Unbeschadet all dessen fehlt es außerdem an der in § 313 BGB geforderten Unzumutbarkeit, den Rückbürgschaftsvertrag unverändert gelten zu lassen.

Es ist für die Klägerin durchaus zumutbar, die offenen Forderungen aus dem Darlehen der S... - auch soweit sie die Folge einer Einstellung der Anschlussförderung durch den Beklagten sind - zur Hälfte tragen. Das Risiko, dass der Beklagte aus haushalts- und wohnungspolitischen Gründen eine Entscheidung gegen die Anschlussförderung trifft, ist nicht anders zu behandeln als alle übrigen Ursachen, die die Leistungsunfähigkeit des Darlehnsnehmers nach sich ziehen. Da die Grundlage für die finanzielle Belastung aus der Wohnungsbauförderung, die 2003 für den Berliner Haushalt erdrückend wurde, in den Jahren nach der Wende gelegt worden war, und der Beklagte damals, als ein schneller €unbürokratischer€ Einsatz aller beteiligten politischen Kräfte erforderlich war, seine Anstrengungen, den sozialen Wohnungsbau zu fördern, in ganz erheblichem Maße gesteigert hatte, ist es nur recht und billig, dass die Klägerin und der Beklagte - wenn sich für den Beklagten die daraus erwachsenden Lasten später als nicht mehr tragbar erweisen und seine daraus gezogenen Konsequenzen die Insolvenz der Darlehnsnehmer bewirkt - die dadurch entstandenen Ausfälle der Bank entsprechend ihrem damaligen €Plan€ je zur Hälfte tragen.

Einer Zumutbarkeit, am unveränderten Vertrag festzuhalten, steht auch nicht entgegen, dass der Beklagte den Bürgschaftsfall - wie die Klägerin meint - herbeigeführt habe, um seinen eigenen €Gewinn€ zu maximieren. Dieser Vorwurf eigensüchtigen Gewinnstrebens ist verfehlt. Ausschlaggebend für die Entscheidung des Beklagten zur Einstellung der Förderung war seine unstrittig extrem schlechte Haushaltslage, die den Beklagten, wie gerichtsbekannt ist, auch in anderen Bereichen zur Erhaltung seiner Handlungsfähigkeit und somit aus Gründen des Gemeinwohls zu erheblichen Einsparungen zwang. Hinzu kommt, dass die Klägerin, die durch ihre eigenen politischen Entscheidungen zur Kürzung der Berlinförderung mit zur Verschlechterung der Haushaltssituation des Beklagten beigetragen hatte, sich gleichwohl dennoch nicht bereit gefunden hatte, an der Entscheidungsfindung bei der Lösung der finanzpolitischen Probleme mitzuwirken. Sowohl der Leiter der Abteilung V - F... z... d... L... u... G... - d... B... f... F... wie auch der Abteilungsleiter Wohnungswesen des B... f... V..., B... - u... W..., die der Beklagte eingeladen hatte, sich als Mitglied der Expertenkommission zu beteiligen, haben die Einladung abgelehnt (vgl. den als Anlage B 11 eingereichten Schriftverkehr).

Weiterhin kann der Klägerin auch nicht zugestimmt werden, dass der Beklagte sich mit der Einstellung der Anschlussförderung in besonders rücksichtsloser Weise über ihre Interessen hinweggesetzt habe, weil er im Jahr 2003 zur Lösung seiner Finanzprobleme eine für ihn nahezu gleichwertige, jedoch die Insolvenz von Projektgesellschaften weitgehend vermeidende Alternative hätte wählen können. Nach Auffassung der Klägerin hätte der Beklagte damals, wenn er anstelle der vollständigen Einstellung der Förderung die von der Expertenkommission in ihrem Abschlussbericht vom 27.01.2003 empfohlene Kürzung der Förderung beschlossen hätte, eine Masseninsolvenz von Projektgesellschaften verhindern können. Auch dieser Argumentation vermag der Senat nicht zu folgen, weil seinerzeit gänzlich ungewiss war, ob diese Variante erfolgreich hätte durchgeführt werden können. Denn der in der Schlussempfehlung formulierte Vorschlag der Expertenkommission (S. 1 des Berichts, B 2), eine Förderungskürzung kombiniert mit Vereinbarungen über die Mietsteigerungen im Vertragsweg zu verwirklichen, setzte die Bereitschaft der Eigentümer zu einem solchen Vertragsschluss voraus, der mit dem Verzicht auf eine Eigenkapitalverzinsung und den Einschränkungen bei Mieterhöhungen deren finanziellen Interessen zuwider gelaufen wäre. Gegen diesen Vorschlag sprach weiter, dass die Umsetzung einen ganz erheblichen Zeit- und Verwaltungsaufwand durch die für jedes Objekt gesondert zu führenden Vertragsverhandlungen zur Folge gehabt hätte. Schließlich war im ungünstigsten Fall eine Doppelbelastung des Beklagten nicht auszuschließen, falls es nach Fortsetzung der Förderung in reduzierter Höhe zu Insolvenzen gekommen wäre und damit Bürgschaftszahlungen in im Jahr 2003 jedenfalls nicht bezifferbarer Höhe angefallen wären (vgl. zur maximalen Förderungskürzung über Vertragslösung: S. 45 f. des Berichts der Expertenkommission, B 2). Angesichts dieser Nachteile kann es nicht als rücksichtsloses Verhalten des Beklagten gewertet werden, sich gegen die risikobehaftete Kürzung der Förderung im Vertragsweg entschieden zu haben.

Die Klägerin beanstandet weiter, dass das Landgericht entscheidende Wertungsgesichtspunkte verkannt habe, weil es sich nicht mit dem Wissensvorsprung hinsichtlich der Notwendigkeit der Anschlussförderung befasst habe, den der Beklagte ihr gegenüber besessen und bei Abschluss des Rückbürgschaftsvertrages ausgenutzt habe. Sie selbst habe das Risiko, das mit einem Wegfall der Aufwendungshilfen verbunden gewesen sei, nicht gekannt. Auch mit diesem Einwand kann sie keinen Erfolg haben. Sie befand sich bei Abschluss des Rückbürgschaftsvertrags gegenüber dem Beklagten nicht im Nachteil, weil sie einen ausreichenden Informationsstand bzw. die entsprechenden Informationsmöglichkeiten hatte, das Risiko zu erkennen, und weil sie dieses Risiko - soweit damals möglich - auch einschätzen konnte: So war der Klägerin bekannt, dass die Bauherren nicht nur durch die ihren Kreditgebern gestellten Bürgschaften, sondern auch durch Aufwendungshilfen unterstützt worden waren bzw. unterstützt werden würden. Insoweit macht sie gerade geltend, sie hätte die Wirtschaftlichkeitsberechnung der Bauherren bzw. der Banken nicht prüfen müssen, weil eine solche Prüfung im Rahmen der Bewilligung der Aufwendungshilfen erfolge. Zudem ist als bekannt vorauszusetzen, dass die Wirtschaftlichkeit der Bauprojekte ohne Berücksichtigung der Aufwendungshilfen nicht gegeben war, da (auch) bei der Feststellung der Wirtschaftlichkeit nach der DDR-RL die Aufwendungshilfen einzubeziehen waren (Teil I.4.2, K 8) und die Bewilligung der Aufwendungshilfen nach Teil C.11 der WBF 1990 (K 4), auf 15 Jahre beschränkt war. Geltendes Recht ist als bekannt zugrunde zu legen. Insoweit muss für die Klägerin wie für jede Privatperson gelten, dass fehlende Rechtskenntnis, die vermeidbar ist, keine Schutzwürdigkeit begründet. Darüber, dass die betroffenen Darlehen nach Ablauf dieser Frist bei weitem nicht getilgt sein würden, konnte die Klägerin ebenfalls nicht im Ungewissen sein. Das lag angesichts der üblicherweise vereinbarten Tilgungsrate von 1 % (so ausgewiesen auch in dem an die Klägerin/W... gerichteten Bürgschaftsantrag der S... /Bank vom 27.05./30.06.1992, K 9) für jedermann, der sich mit Finanzierungsangelegenheiten befasst, erst Recht für die Klägerin, auf der Hand. Wenn die Klägerin bei dieser Ausgangslage davon absieht, sich ein eigenes Bild von dem bei ihr aus den Direktbürgschaften verbleibenden Risiko zu machen, kann ihr das nicht zugute kommen. Es war allein ihre Angelegenheit als Vertragspartnerin des Rückbürgschaftsvertrages, den Wert und Nutzen der Rückbürgschaft einzuschätzen, so wie umgekehrt der Beklagte seinerseits als Bürge das ihn treffende Haftungsrisiko zu bewerten hatte.

c. Wollte man in der fehlenden Vertragsregelung zum Ausbleiben der Anschlussförderung eine Regelungslücke im Vertrag sehen, die durch eine ergänzende Vertragsauslegung geschlossen werden könnte, gelangte man zum gleichen Ergebnis. Maßgeblich wäre insoweit der hypothetische Parteiwille. Es wäre darauf abzustellen, was die Parteien bei angemessener Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vereinbart hätten, wenn sie den nicht geregelten Fall bedacht hätten (Palandt/Ellenberger, BGB, 74. Aufl., § 157 Rn. 7 m.w.N.). Aus den vorgenannten, im Einzelnen dargelegten Gründen könnte nicht angenommen werden, dass für den Falle einer Inanspruchnahme der Klägerin aus der Bürgschaft wegen einer Einstellung der Anschlussförderung eine andere Lastenverteilung gelten sollte wie bei einem aus sonstigen Gründen ausgelösten Bürgschaftsfall.

2. Das Landgericht hat Schadensersatzansprüche der Klägerin aus § 280 BGB wegen der Verletzung von Nebenpflichten aus dem Bürgschaftsvertrag zu Recht abgelehnt.

a. Zwar können einen Bürgen die gleichen Nebenpflichten, wie den Hauptschuldner treffen, wenn er über seine gesellschaftsrechtlichen Verbindungen mit dem Hauptschuldner auf die Erfüllung bzw. Nichterfüllung der Nebenpflichten eingewirkt hatte (so der Fall in BGH NJW-RR 89, 1393, juris-rz. 18 ff.). So liegen die Verhältnisse entgegen der Auffassung der Klägerin hier aber nicht. Abgesehen davon, dass der Beklagte nicht auf die Hauptschuldnerin, die S..., über eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung an dieser einwirken konnte, hat die Hauptschuldnerin im vorliegenden Fall keine Nebenpflichten aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis, das sie mit der Klägerin nach deren Eintritt als Bürgin verbindet, verletzt.

b. Auch eine Verletzung allgemeiner gegenseitiger Rücksichtnahmepflichten, die sich aus dem Rückbürgschaftsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Beklagten ergeben könne, kann nicht festgestellt werden. Vertragliche Nebenpflichten aus dem Rückbürgschaftsvertrag können sich zum einen nur auf die Abwicklung dieses Bürgschaftsvertrages beziehen. Das allgemeine vertragliche Gebot zur Rücksichtnahme ist nicht so weitgehend, dass es einem Vertragspartner abverlangt, seine eigenen finanziellen Interessen zurückzustellen, um den anderen Vertragspartner vor finanziellen Belastungen zu bewahren. Das gilt auch für die vom Beklagten getroffene Entscheidung zwischen den verschiedenen Möglichkeiten, die Anschlussförderung zu beenden. Der Beklagte hatte sich insoweit für diejenige Variante entschieden, die gegenüber der anderen Variante einen deutlichen besseren Einspareffekt versprach (vgl. Vortrag der Klägerin, Bl. 39 Bd. 2, S. 10 des Berichtsentwurfs der Expertenkommission, K 18) und zudem weniger Unwägbarkeiten bei der Durchführung mit sich brachte (vgl. dazu die Ausführungen oben unter Ziff. I.1.b.cc.). Das kann ihm vor dem Hintergrund, dass der Beklagte bei seiner Entscheidung eine im Gemeinwohlinteresse liegende, dringend notwendigen Haushaltssanierung erreichen wollte, nicht als Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten vorgeworfen werden. Im Übrigen kann allein die Ausschöpfung eines nach öffentlichem Recht gegebenen Einschätzungsspielraums (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 11.05.2005 - 5 C 10/05 -, a.a.O.) - soweit dabei nicht gegen konkrete vertragliche oder gesetzliche Bestimmungen verstoßen wird - nicht gegen das allgemeine zivilrechtliche Rücksichtsnahmegebot verstoßen. Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte von der ihm zustehenden Einschätzungsprärogative in fehlerhafter Weise Gebrauch gemacht hat, ergeben sich aus dem Vortrag der Parteien nicht.

c. Ebenso wenig folgt ein Schadensersatzanspruch der Klägerin aus einem stillschweigend geschlossenen GbR-Gesellschaftsvertrag (§ 705 BGB) i.V.m. mit einer Verletzung gesellschaftsrechtlicher Nebenpflichten durch den Beklagten. Zwar können auch juristische Personen öffentlichen Rechts eine BGB-Gesellschaft bilden und ist es möglich, den Gesellschaftsvertrag stillschweigend durch gemeinsame Übernahme einer Aufgabe oder Tätigkeit bzw. einer arbeitsteiligen Leistungserbringung gegenüber einem Dritten zu erbringen (vgl. Palandt/Sprau, a.a.O., § 705 RN. 10, 11). Im vorliegenden Fall kann man aus der arbeitsteilig übernommenen Übernahme der Bürgschaftshaftung nicht den Willen der Parteien, einen Gesellschaftsvertrag zu schließen, folgern, weil die Übernahme dieser Aufgabe auf öffentlich-rechtliche Bestimmungen (u.a. §§ 1, 24 II. WoBauG) zurückgeht. Hinzu kommt, dass eine Verletzung von gesellschaftsvertraglichen Nebenpflichten aus den gleichen Gründen, wie unter Ziff. I.2.b. erörtert, verneint werden müsste.

3. Es besteht auch kein Aufwendungsersatzanspruch aus § 670 BGB. Die Übernahme der Bürgschaft durch die Klägerin gegenüber der Bank ist nicht zur Ausführung eines Auftrags oder einer Geschäftsführung ohne Auftrag erfolgt - jedenfalls soweit es um den hier strittigen hälftigen Teil der Bürgschaftsverpflichtung geht. Diesen Teil der Bürgschaft hatte die Klägerin weder im Auftrag noch im Interesse des Beklagten übernommen. Insoweit ergab sich aus §§ 1 Abs. 1, 24 Abs. 1 II. WoBauG eine eigenständige Zuständigkeit der Klägerin, die anteilige Bürgenhaftung zu tragen. Aus dem Umstand, dass die Klägerin abweichend vom Üblichen hier die Rolle der Direktbürgin übernommen hatte, lässt sich nicht Gegenteiliges ableiten, weil dies keinen Einfluss auf den Umfang der finanziellen Belastung der Klägerin hatte.

4. Ein Anspruch aus § 826 BGB wegen einer sittenwidriger Schädigung ist nicht begründet.

Objektiv sittenwidrig ist eine Handlung, die nach Inhalt und Gesamtcharakter, wie er sich aus einer umfassenden Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck darstellt, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt, d.h. mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht vereinbar ist (Palandt/Sprau a.a.O., § 826 Rn. 4 m.N. zur Rspr.). Allein der Umstand, das die Verfolgung eigener Interessen bei der Ausübung von Rechten mit einer Schädigung Dritter einhergeht, reicht nicht - sie ist im Grundsatz legitim, was nur dann nicht gilt, wenn eine besondere Verwerflichkeit des Verhaltens hinzutritt (Palandt/Sprau a.a.O.). Eine solche besondere Verwerflichkeit kann hier nicht festgestellt werden, wie schon aus der Bewertung des Vorwurfs der Verletzung vertraglicher Nebenpflichten folgt (vgl. Ziff. I.2.). Abgesehen davon, dass der Beklagte sich bewusst entschieden hatte, im Interesse seiner Bürger den höheren Einspareffekt zu erzielen, was erkennbar zum finanziellen Nachteil der Klägerin war, sind keine Umstände erkennbar, die dem Beklagten angelastet werden könnten. Auch gegen den Grundsatz der Bundestreue, den die Klägerin unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 18.04.1986 - 8 A 1/83 -, juris-rz. 32) heranzieht, hat der Beklagte nicht verstoßen. Die Verpflichtung zur Bundestreue verpflichtet das Bundesland, bei Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis mit dem Bund zunächst eine einvernehmliche Lösung zu suchen, bevor es gerichtliche Hilfe sucht. Wendet man diesen Grundsatz hier entsprechend an, wäre vom Beklagten zu verlangen gewesen, vor einer Entscheidung hinsichtlich der Anschlussförderung eine einvernehmliche Lösung zu finden, was mit der Einladung an die Klägerin, in der Expertenkommission mitzuarbeiten, indes geschehen war, allerdings von deren Seite abgelehnt worden war.

5. Ein Anspruch der Klägerin aus abgetretenem Recht der Bank ist ebenfalls nicht gegeben.

a. Die Voraussetzungen für eine Schadensersatzpflicht des Beklagten gegenüber der Bank nach §§ 311, 317 AktG liegen nicht vor. Voraussetzung dieser Norm ist, dass ein herrschendes Unternehmen eine abhängige Gesellschaft, mit der kein Beherrschungsvertrag besteht, veranlasst, ein für sie nachteiliges Rechtsgeschäft vorzunehmen oder zu ihrem Nachteil eine Maßnahme zu treffen oder zu unterlassen. Selbst wenn man von einem faktischen Konzernverhältnis zwischen Beklagtem und Bank ausgeht und weiter annimmt, dass der Beklagte die Bank zur Kreditvergabe veranlasst hatte, fehlte es an einer tatbestandsmäßigen Veranlassungshandlung des Beklagten, weil diese jedenfalls nicht zu einem nachteiligen Rechtsgeschäft oder sonst nachteiligen Maßnahme der Bank geführt hätte. Entgegen der Ansicht der Klägerin liegt in der Ausreichung des durch die Bürgschaften der Parteien gesicherten Darlehensanteils kein Nachteil für die Bank. Das Risiko eines Wegfalls der Aufwendungshilfen ist für die Bank nicht schadensträchtig, weil jene durch die Bürgschaft der Klägerin ausreichend gesichert war. Dieses Sicherungsmittel ist auch nicht mit Mängeln behaftet, die sich aus der Begründung der Bürgschaft ergeben. Insbesondere kommt eine Verweigerung der Leistung durch die Klägerin nach Ziff. 2.8 Abs. 2 der AVB (K 42) nicht in Betracht, weil die Bank bei Antragstellung keine falschen Angaben gemacht hat. Die der Bank nach Teil I.2.b. der DDR-RL (K 8) abverlangte Erklärung, dass im Zeitpunkt der Darlehenszusage die Kosten in ausreichender Höhe veranschlagt sind und die Dauerfinanzierung gesichert ist, deren Abgabe die Parteien übereinstimmend annehmen, war nicht falsch. Denn wie in Teil I.4.2. Satz 1 der DDR-RL definiert ist, gelten als gesichert solche Darlehen, deren Verzinsung und Tilgung neben angemessenen Bewirtschaftungskosten aus den Erträgen des Wohngebäudes aufgebracht werden können, was nach Satz 2 der Bestimmung wiederum anzunehmen ist, wenn die laufenden Aufwendungen (Kapitalkosten, Instandhaltungskosten, Verwaltungskosten, Mietausfallwagnis und Betriebskosten) durch die Mieterträge und die voraussichtlichen Kostendeckungsbeiträge aus öffentlichen Haushalten gedeckt sind. Wenn die €voraussichtlichen€ Kostendeckungsbeiträge der öffentlichen Hand ausdrücklich als zu berücksichtigende Einnahmepositionen angeführt werden, kann eine Prognose der Bank, die derartige öffentliche Fördergelder, wie die Aufwendungshilfen des Beklagten, berücksichtigt, nicht unrichtig i.S.d. der zu den DDR-RL ergangenen AVB sein.

Auch die Grundsätze der Drittschadensliquidation stützen die Forderung der Klägerin nicht. Danach kann in bestimmten Fällen einer zufälligen Schadensverlagerung vom Inhaber des verletzten Rechtsguts auf einen Dritten dieser geschädigte Dritte den Schaden ersetzt verlangen (vgl. dazu Palandt/Grüneberg., a.a.O., Rn. 105 ff. vor § 249). Im vorliegenden Fall können die Grundsätze der Drittschadensliquidation nicht greifen, weil es mangels nachteiligen Rechtsgeschäfts i.S.v. § 317 AktG bereits an einer tatbestandsmäßigen Verletzungshandlung durch den Beklagten fehlt.

b. Handelt es sich bei dem Darlehensvertrag, wie festgestellt, nicht um ein nachteiliges Rechtsgeschäft für die Bank, kann sich daraus auch kein Schadensersatzanspruch der Bank gegen den Beklagen aus § 826 BGB ergeben.

B. Die weitergehende Zinsforderung in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 8.000.000,00 € seit dem 02.06.2011 bis zum 11.07.2011, die mit der Berufung geltend gemacht wird, ist aus §§ 286, 288 BGB begründet. Die Zahlungsaufforderung der Klägerin mit Schreiben vom 02.05.2011 (K 26) genügt als Mahnung i.S.v. § 286 BGB. Als Mahnung gilt jede bestimmte Zahlungsaufforderung, die zeitgleich mit Eintritt der Fälligkeit der Forderung oder zeitlich später erfolgt. Die Fälligkeit der Rückgriffsforderung der Klägerin gegen den Beklagten aus dessen Rückbürgschaft ist mit ihrer Leistung an die Bank (am 28.04.2011) eingetreten, weil sie damit den Rückgriffsanspruch nach § 774 BGB gegen die S... erworben hatte. Die Ernstlichkeit der Zahlungsaufforderung kommt in der Fristsetzung für die verlangte Zahlung ausreichend deutlich zum Ausdruck.

C. Die Nebenforderungen beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO und §§92 Abs. 2 Nr. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Entscheidung über die Berufung der Klägerin beruht - bei höchstrichterlich geklärter Rechtslage - auf einer Bewertung der Umstände des gegebenen Sachverhalts.






KG:
Urteil v. 02.06.2015
Az: 6 U 34/13


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/a4f689a6c36e/KG_Urteil_vom_2-Juni-2015_Az_6-U-34-13




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