Bundesgerichtshof:
Urteil vom 20. Januar 2011
Aktenzeichen: I ZR 122/09
(BGH: Urteil v. 20.01.2011, Az.: I ZR 122/09)
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 16. Juli 2009 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Die Kläger sind zugelassene Rechtsanwälte, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit für Gläubiger gerichtliche Zwangsversteigerungstermine wahrnehmen. Die Beklagte, eine Immobilienmaklerin, bietet ihren Kunden diese Dienstleistung ebenfalls an.
Die Kläger haben die Ansicht vertreten, seit dem Inkrafttreten des Rechtsdienstleistungsgesetzes am 1. Juli 2008 sei die Vertretung in Zwangsversteigerungsverfahren nur noch Rechtsanwälten und denjenigen Personen gestattet, welche die in § 79 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 4 ZPO genannten Kriterien erfüllten. Immobilienmakler gehörten nicht dazu. Die Kläger haben in dem auch nach dem 1. Juli 2008 fortgesetzten Angebot der in Rede stehenden Dienstleistung durch die Beklagte einen wettbewerbsrechtlich relevanten Verstoß gegen § 79 Abs. 2 ZPO gesehen.
Sie haben beantragt, die Beklagte unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, sich zu erbieten, für Gläubiger in gerichtlichen Zwangsversteigerungsverfahren Terminsvertretungen zu übernehmen und diese durchzuführen.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat geltend gemacht, bei einem Zwangsversteigerungsverfahren handele es sich nicht um einen "Parteiprozess" im Sinne von § 79 ZPO. Jedenfalls gebiete eine verfassungskonforme Auslegung dieser Vorschrift ihre Zulassung als "Prozessvertreter" eines Gläubigers in einem Zwangsversteigerungstermin.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter. Die Kläger waren im Termin zur mündlichen Verhandlung über die Revision trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht vertreten. Die Beklagte beantragt, über ihr Rechtsmittel durch Versäumnisurteil zu entscheiden.
Gründe
I. Die Entscheidung hat angesichts der Säumnis der Kläger und Revisionsbeklagten im Termin zur Verhandlung über die Revision durch Versäumnisurteil zu ergehen. Sie beruht aber nicht auf der Säumnis, sondern ist eine Entscheidung in der Sache, die ebenso ergangen wäre, wenn die Kläger in der mündlichen Revisionsverhandlung ordnungsgemäß vertreten gewesen wären (vgl. BGHZ 37, 79, 81).
II. Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch der Kläger - in Übereinstimmung mit dem Landgericht - aus § 8 Abs. 1 und 3, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 79 ZPO für begründet erachtet. Dazu hat es ausgeführt:
Der Anwendungsbereich des § 79 ZPO sei eröffnet, da das Zwangsversteigerungsverfahren gesetzessystematisch dem "Parteiprozess" im Sinne der genannten Vorschrift zuzuordnen sei. Die Zwangsversteigerung sei ein spezifischer Verfahrensabschnitt im Rahmen der zur Zivilprozessordnung gehörenden Zwangsvollstreckung nach den §§ 704 ff. ZPO. Die gesetzgeberische Entscheidung für die Zuordnung des Zwangsversteigerungsverfahrens zum Zivilprozess indiziere zugleich die Anwendung der Vertretungsregelungen in den §§ 78 ff. ZPO. Entgegen der Auffassung der Beklagten werde das nach dem Klageantrag maßgeblich betroffene Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner auch typischerweise von gegenläufigen Interessen und daraus resultierenden Streitigkeiten geprägt.
Der aus § 79 Abs. 2 ZPO folgende Ausschluss der Immobilienmakler von der Vertretung eines Gläubigers im Zwangsversteigerungstermin verstoße weder gegen das Grundrecht auf freie Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) noch gegen das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) oder das rechtsstaatliche Verhältnismäßigkeitsprinzip. Die Vorschrift des § 79 Abs. 2 ZPO beschränke zwar diejenigen, die weder Rechtsanwälte seien noch zu den in § 79 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 4 ZPO genannten Personengruppen gehörten, in ihrem grundgesetzlich geschützten Recht auf freie Berufsausübung, wenn sie im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit im Zwangsversteigerungstermin als Vertreter eines Gläubigers tätig werden wollten. Diese Beschränkung der Vertretungsbefugnis in gerichtlichen Verfahren beruhe jedoch auf sachlich tragenden Gründen im wohlverstandenen Interesse der Allgemeinheit an der Gewährleistung einer geordneten Rechtspflege und rechtsstaatlicher Verfahrensabläufe.
Die vom Gesetzgeber in § 79 Abs. 2 Satz 2 ZPO vorgenommene Abgrenzung des zur Vertretung berechtigten Personenkreises sei auch unter den Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit und des Willkürverbots verfassungsrechtlich unbedenklich.
III. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass den Klägern der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 und 3, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 79 Abs. 2 ZPO zusteht.
1. Die Kläger haben mit ihrem Klageantrag begehrt, der Beklagten zu untersagen, sich zu erbieten, für Gläubiger im gerichtlichen Zwangsversteigerungsverfahren Terminsvertretungen zu übernehmen und diese durchzuführen. Der so gefasste Unterlassungsantrag umfasst nach seinem Wortlaut auch die Vertretung eines Gläubigers bei der Abgabe eines Eigengebots (siehe dazu BGH, Beschluss vom 24. November 2005 - V ZB 98/05, NJW 2006, 1355; Stöber, ZVG, 19. Aufl., § 85a Anm. 4.1). Der Streitgegenstand (der prozessuale Anspruch) wird aber nicht nur durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, sondern auch von dem Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (BGH, Urteil vom 29. Juni 2006 - I ZR 235/03, BGHZ 168, 179 Rn. 15 - Anschriftenliste).
Die Kläger haben in erster Instanz mit Schriftsatz vom 26. Januar 2009 ausdrücklich klargestellt, dass es ihnen nicht darum geht, ob die Beklagte berechtigt ist, als Vertreterin eines Bieters im Zwangsversteigerungsverfahren aufzutreten. Sie erstreben vielmehr ein Verbot für die Beklagte, Gläubiger als Beteiligte im Sinne von § 9 ZVG zu vertreten.
Bieter zählen nicht zu den Beteiligten im Sinne der genannten Vorschrift. Dementsprechend beurteilt sich die Wirksamkeit ihrer Vertretung im Zwangsversteigerungstermin nach den §§ 164 ff. BGB und nicht nach § 79 ZPO. Ein Bieter kann sich daher von jeder bevollmächtigten natürlichen oder juristischen Person vertreten lassen (Stöber aaO § 71 Anm. 6.3; Böttcher, ZVG, 5. Aufl., § 71 Rn. 15; a.A. Klawikowski, Rpfleger, 2008, 404, 407). Dies gilt auch für den Gläubiger, soweit er am Versteigerungstermin lediglich als Bieter teilnimmt und ein Gebot abgibt.
2. Die Kläger haben ihren Unterlassungsanspruch auf Wiederholungsgefahr gestützt (§ 8 Abs. 1 Satz 1 UWG) und dazu ihrer Auffassung nach von der Beklagten im Zeitraum von Juli bis Oktober 2008 begangene Zuwiderhandlungen gegen § 79 Abs. 2 ZPO vorgetragen. Da der Unterlassungsanspruch auf die Abwehr künftiger Rechtsverstöße gerichtet ist, ist er nur begründet, wenn auf der Grundlage des zum Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Rechts Unterlassung verlangt werden kann. Zudem muss die Handlung zum Zeitpunkt ihrer Begehung wettbewerbswidrig gewesen sein, weil es anderenfalls an der Wiederholungsgefahr fehlt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 29. April 2010 - I ZR 23/08, GRUR 2010, 652 Rn. 10 = WRP 2010, 872 - Costa del Sol, mwN).
Das zur Zeit der beanstandeten Verhaltensweise der Beklagten geltende Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 3. Juli 2004 (BGBl. I S. 1414) ist zwar Ende 2008 geändert worden. Diese - der Umsetzung der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken dienende - Gesetzesänderung ist für den Streitfall jedoch ohne Bedeutung. Die von der Beklagten angebotenen Dienste erfüllen sowohl die Voraussetzungen einer Wettbewerbshandlung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG 2004 als auch diejenigen einer geschäftlichen Handlung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG in der jetzt geltenden Fassung. Die Vorschrift des § 4 Nr. 11 UWG hat durch die UWG-Novelle 2008 keine Änderung erfahren. Im Übrigen bleiben nach Art. 3 Abs. 8 der Richtlinie 2005/29/EG alle spezifischen Regeln für reglementierte Berufe unberührt, damit die strengen Integritätsstandards gewährleistet bleiben, die die Mitgliedstaaten den in dem Beruf tätigen Personen nach Maßgabe des Gemeinschaftsrechts auferlegen können. Dementsprechend ist die Anwendung des § 4 Nr. 11 UWG auf berufsrechtliche Bestimmungen, die das Marktverhalten in gemeinschaftsrechtskonformer Weise regeln, auch nach dem UWG 2008 zulässig (BGH, Urteil vom 29. Juli 2009 - I ZR 166/06, GRUR 2009, 1077 Rn. 21 = WRP 2009, 1380 - Finanz-Sanierung; Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 4 Rn. 11.6a).
3. Die Bestimmung des § 79 Abs. 2 ZPO zählt zu den Vorschriften im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG, die dazu bestimmt sind, im Interesse der Marktteilnehmer, insbesondere der Verbraucher, das Marktverhalten zu regeln. Die Vertretungsbeschränkung im Zivilprozess dient vor allem auch der Sicherstellung einer sachgerechten Vertretung der Partei im gerichtlichen Verfahren (Begründung des Regierungsentwurfs zum Rechtsdienstleistungsgesetz, BT-Drucks. 16/3655 S. 66; vgl. auch BGH, GRUR 2009, 1077 Rn. 20 - Finanz-Sanierung).
4. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die Beklagte mit ihrem Angebot, für Gläubiger in gerichtlichen Zwangsversteigerungsverfahren Terminsvertretungen zu übernehmen und durchzuführen, gegen § 79 Abs. 2 ZPO verstößt.
a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei einem gerichtlichen Zwangsversteigerungsverfahren um einen "Parteiprozess" im Sinne von § 79 ZPO handelt.
aa) Die Revision rügt, das gerichtliche Zwangsversteigerungsverfahren falle nicht in den Anwendungsbereich des § 79 ZPO. Sie macht geltend, die Zivilprozessordnung spreche in dem die Zwangsvollstreckung betreffenden achten Buch nur im ersten Abschnitt von "Parteien". Im Abschnitt zwei über die Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen, zu dem systematisch auch die Zwangsversteigerung gehöre, werde der Begriff der Partei nicht verwandt. Auch das Zwangsversteigerungsgesetz benutze diesen Begriff nicht. Gläubiger und Schuldner würden vielmehr entweder direkt als solche bezeichnet oder fielen unter den Begriff der Beteiligten. Angesichts dieser strikten terminologischen Unterscheidung könne nicht angenommen werden, dass die Vertretungsregelungen in den §§ 78 ff. ZPO im Zwangsversteigerungsverfahren zur Anwendung kämen.
Dem vermag der Senat nicht beizutreten. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass das Zwangsversteigerungsverfahren nach der Gesetzessystematik dem Parteiprozess des § 79 ZPO zuzuordnen ist. Das Zwangsversteigerungsverfahren ist eine spezielle Art der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen, die im zweiten Abschnitt des achten Buches der Zivilprozessordnung behandelt wird. Dieser Zuordnung steht nicht entgegen, dass die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung nach § 869 ZPO durch ein besonderes Gesetz (Zwangsversteigerungsgesetz) geregelt werden. Für das Zwangsvollstreckungsverfahren nach §§ 704 ff. ZPO gelten neben den spezifischen Verfahrensvorschriften auch die allgemeinen prozessualen Regelungen in den §§ 1 bis 252 ZPO sinngemäß, soweit sich aus dem Zwangsversteigerungsgesetz nicht etwas anderes ergibt (vgl. RGZ 73, 194, 195; Stöber aaO Einl. Rn. 19; Sievers in Kindl/Meller-Hannich/Wolf, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 2010, Vorbem. zu §§ 1 ff. ZVG Rn. 1). Das Zwangsversteigerungsgesetz enthält lediglich besondere Vorschriften über den Nachweis der Vertretungsmacht im Versteigerungstermin (§ 71 Abs. 2, § 81 Abs. 3 ZVG). Die Frage, wer zur Vertretung eines Gläubigers im Zwangsversteigerungstermin befugt ist, wird im Zwangsversteigerungsgesetz nicht geregelt, so dass die Anwendung von § 79 ZPO nicht ausgeschlossen ist. Auf den Umstand, dass der Begriff "Partei" weder im zweiten Abschnitt des achten Buches der Zivilprozessordnung noch im Zwangsversteigerungsgesetz verwendet wird, kommt es für die Zuordnung des Zwangsversteigerungsverfahrens zum Parteiprozess im Sinne von § 79 ZPO in Anbetracht der Gesetzessystematik nicht entscheidend an.
bb) Die Revision macht des Weiteren geltend, Sinn und Zweck des § 79 ZPO erforderten nicht dessen Anwendung auf Terminsvertretungen im gerichtlichen Zwangsversteigerungsverfahren. Im Zwangsversteigerungstermin finde - anders als im Erkenntnisverfahren - grundsätzlich kein kontradiktorisches Aufeinandertreffen von Gläubigern und Schuldnern statt. Daher könne der Versteigerungstermin als solcher nicht als Parteiprozess angesehen werden.
Auch dem kann nicht gefolgt werden. Die durch § 79 Abs. 2 ZPO bewirkte Vertretungsbeschränkung im Parteiprozess dient einerseits der Sicherstellung einer sachgerechten Vertretung der Parteien im gerichtlichen Verfahren und andererseits der Ordnung des Prozesses (BT-Drucks. 16/3655 S. 66; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 79 Rn. 1). Diese Zielsetzung des Gesetzgebers ist auch bei der Zwangsversteigerung von Immobilien berührt, da es sich hierbei um ein gerichtliches Verfahren mit in der Regel erheblicher Tragweite handelt (vgl. Stöber aaO Einl. Rn. 22). Gläubiger und Schuldner stehen, wenn etwa Streit über die Anordnung, Einstellung oder Fortsetzung des Zwangsversteigerungsverfahrens herrscht, auch regelmäßig in einem kontradiktorischen Verhältnis zueinander, da sie zwangsläufig widerstreitende Interessen verfolgen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Januar 2007 - V ZB 125/05, BGHZ 170, 378 Rn. 7 f.).
Entgegen der Ansicht der Revision ist zwischen dem Versteigerungstermin einerseits und der mündlichen Verhandlung sowie der Entscheidung über mögliche Anträge der Beteiligten im Zwangsversteigerungsverfahren andererseits nicht dergestalt zu unterscheiden, dass zumindest die Vertretung eines Gläubigers im Versteigerungstermin durch einen Immobilienmakler oder seinen Angestellten zulässig sein muss. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs des Rechtsdienstleistungsgesetzes sollte die Zulässigkeit der Prozessvertretung einheitlich für das gesamte Verfahren geregelt und die vor der Gesetzesänderung durch § 157 ZPO bewirkte Trennung zwischen der Vertretung außerhalb der Verhandlung und der Vertretung im Termin gerade beseitigt werden, weil die einheitliche Regelung der Vertretungsbefugnis den Vorteil bietet, dass ein erzwungener Vertreterwechsel im Prozess nicht mehr erforderlich ist (BT-Drucks. 16/3655 S. 187 f.). Mit Recht hat das Berufungsgericht für maßgeblich erachtet, dass das Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner im Versteigerungstermin typischerweise von gegenläufigen Interessen und daraus resultierenden Streitigkeiten geprägt wird (vgl. BGHZ 170, 378 Rn. 7 f.). Eine sachgerechte Wahrnehmung der Interessen eines Gläubigers im Zwangsversteigerungstermin erfordert daher eine erschöpfende Beratung des Mandanten, die gerade auch umfassende materielle und formelle Rechtskenntnisse voraussetzt (vgl. Stöber aaO Einl. Rn. 36; derselbe, ZVG-Handbuch, 8. Aufl. Rn. 301).
Der Hinweis der Revision, dass bis zur Neufassung des § 79 ZPO Zwangsversteigerungstermine vielfach von Immobilienmaklern und deren Mitarbeitern wahrgenommen worden seien, ohne dass hierdurch ein Missstand aufgetreten sei, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Der Gesetzgeber hat sich gerade nicht an Einzelfällen orientiert, sondern hat der Gesetzesfassung in sachgerechter Weise eine generalisierende Wertung und typisierende Betrachtung zugrunde gelegt. Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass dies auf der Erfahrung beruht, dass die Wahrung eines rechtsstaatlichen Verfahrens am besten durch Personen gesichert wird, die - wie es etwa bei Rechtsanwälten der Fall ist - ganz allgemein nach Ausbildung und Berufserfahrung eine grundlegende Gewähr für eine sach- und verfahrenskundige Begleitung in einem gerichtlichen Verfahren bieten und die darüber hinaus verpflichtet sind, sich angemessen gegen Berufshaftpflichtrisiken zu versichern.
b) Das Berufungsgericht hat auch zutreffend angenommen, dass Immobilienmakler nicht zu den in § 79 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 4 ZPO aufgeführten Personengruppen gehören.
5. Entgegen der Auffassung der Revision sind die Regelungen in § 79 Abs. 2 ZPO nicht wegen Verstoßes gegen Art. 12 Abs. 1 GG und/oder Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig.
a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG auf freie Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit durch die Regelungen in § 79 Abs. 2 ZPO beschränkt wird, weil es ihr untersagt ist, in einem Zwangsversteigerungstermin als Vertreter des Gläubigers als Beteiligten im Sinne von § 9 ZVG tätig zu werden.
aa) Die Vorschrift des Art. 12 Abs. 1 GG gewährt das Recht, den Beruf frei zu wählen und frei auszuüben. Die Berufsfreiheit umfasst das Recht der am Markt Tätigen, die Bedingungen ihrer Marktteilhabe selbst festzusetzen. Soweit Marktteilnehmer in ihrem Marktverhalten durch gesetzliche Regeln beschränkt werden, ist dies an ihren Grundrechten zu messen und nicht an denen der anderen Marktteilnehmer (BVerfGE 106, 275, 299). Bei der Frage, ob Immobilienmakler Gläubiger als Beteiligte im Sinne von § 9 ZVG im Zwangsversteigerungstermin vertreten dürfen, geht es um eine solche Festlegung.
Wenn verfahrensrechtliche Vorschriften wesentliche berufliche Funktionen untersagen, betreffen sie unmittelbar die Ausübung des Berufs. Das trifft auch auf den vorliegenden Fall zu. Die Beklagte wird von der Vertretung eines Gläubigers in einem gerichtlichen Zwangsversteigerungstermin generell ausgeschlossen.
bb) Diese Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit der Beklagten durch § 79 Abs. 2 ZPO ist entgegen der Auffassung der Revision jedoch gerechtfertigt und damit nicht verfassungswidrig.
(1) Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit sind allerdings nur dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, die durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist (vgl. BVerfGE 94, 372, 390; 101, 331, 347; 117, 163, 182). Die Beschränkungen stehen unter dem Gebot der Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Der Eingriff muss zur Erreichung des Eingriffsziels geeignet sein und darf nicht weitergehen, als es die Gemeinwohlbelange erfordern. Zudem müssen Eingriffszweck und Eingriffsintensität in einem angemessenen Verhältnis stehen (vgl. BVerfGE 54, 301, 313; 101, 331, 347; 117, 163, 182). Diesen Anforderungen genügen die Regelungen in § 79 Abs. 2 ZPO.
(2) Als übergeordnete Gemeinwohlziele sind der Schutz der rechtsuchenden Bevölkerung und eine funktionierende Rechtspflege anerkannt (vgl. BVerfGE 108, 150, 161 f.; 117, 163, 182). Die Vertretungsbeschränkung im Zivilprozess gemäß § 79 Abs. 2 ZPO soll einerseits der Sicherstellung einer sachgerechten Vertretung der Partei im gerichtlichen Verfahren und andererseits der Ordnung des Prozesses dienen (BT-Drucks. 16/3655 S. 66). Das sind legitime Zwecke, die eine Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit grundsätzlich rechtfertigen können.
(3) Die Beschränkung der Vertretungsbefugnis im Parteiprozess ist zur Erreichung der mit § 79 Abs. 2 ZPO angestrebten legitimen Ziele geeignet.
Für die Eignung reicht es aus, wenn durch die Berufsausübungsregelung der gewünschte Erfolg gefördert werden kann. Es genügt mithin bereits die Möglichkeit einer Zweckerreichung (BVerfGE 100, 313, 373; 103, 293, 307; 117, 163, 188 f.). Diese ist hier gegeben. Auch wenn Immobilienmakler - wie die Revision geltend macht - über für den Versteigerungstermin wichtige praktische Kenntnisse und Erfahrungen verfügen können, etwa auf dem Gebiet der Grundstücksbewertung, so ist doch nicht festgestellt, dass diese Berufsgruppe auch die für eine sachgerechte Wahrnehmung der Vertretung eines Gläubigers im Zwangsversteigerungstermin notwendigen materiellrechtlichen und verfahrensrechtlichen Kenntnisse hat (siehe zu den vielfältigen Fragen, die für einen Gläubiger im Zwangsversteigerungstermin zu prüfen sein können, Stöber, ZVG-Handbuch aaO Rn. 301).
(4) Zur Erreichung der genannten legitimen Gemeinwohlziele kann die Beschränkung der Vertretungsbefugnis im Parteiprozess auch als erforderlich angesehen werden.
Ein Eingriff in die Berufsfreiheit ist allerdings nur dann erforderlich, wenn ein anderes, gleich wirksames, aber die Berufsfreiheit weniger einschränkendes Mittel nicht zur Verfügung steht (vgl. BVerfGE 80, 1, 30). Auch soweit die Freiheit der Berufsausübung betroffen ist, dürfen Eingriffe nicht weitergehen, als es die rechtfertigenden Gemeinwohlbelange erfordern (vgl. BVerfGE 106, 216, 219; 117, 163, 189). Entgegen der Ansicht der Revision besteht ein weniger einschränkendes Mittel nicht darin, dass das Verbot der Vertretung von Gläubigern im Zwangsversteigerungsverfahren durch Immobilienmakler auf Tätigkeiten außerhalb eines Zwangsversteigerungstermins beschränkt wird. Die einheitliche Regelung der Vertretungsbefugnis im Parteiprozess bietet den Vorteil, dass ein erzwungener Vertreterwechsel im Prozess nicht mehr notwendig ist. Zudem ist zu berücksichtigen, dass eine Unterstützung im gerichtlichen Verfahren - angefangen bei der Beratung zum prozessualen Vorgehen über die Vorbereitung und den Entwurf von Schriftsätzen bis hin zur Begleitung zum Gerichtstermin als Beistand - gemäß § 90 Abs. 1 ZPO grundsätzlich zulässig bleibt.
(5) Die vom Gesetzgeber zur Verfolgung legitimer Zwecke gewählten Mittel müssen schließlich nicht nur geeignet und erforderlich, sondern auch angemessen sein. Voraussetzung hierfür ist, dass das Maß der Belastung des Einzelnen noch in einem vernünftigen Verhältnis zu den der Allgemeinheit erwachsenen Vorteilen steht (vgl. BVerfGE 76, 1, 51; 117, 163, 192 f.). Um dies beurteilen zu können, ist eine Abwägung zwischen den Gemeinwohlbelangen, zu deren Wahrnehmung der Eingriff in Grundrechte erforderlich ist, und den Auswirkungen auf die Rechtsgüter der davon Betroffenen notwendig (vgl. BVerfGE 92, 277, 327; 117, 163, 193). Die danach gebotene Gesamtabwägung führt zu dem Ergebnis, dass die Beschränkung der Vertretungsbefugnis von Immobilienmaklern im Zwangsversteigerungstermin auch verhältnismäßig ist.
Bei der in Rede stehenden Beschränkung der Vertretungsbefugnis von Immobilienmaklern handelt es sich um eine Regelung der Berufsausübung. Eine solche liegt vor, wenn der Eingriff nicht einen selbständigen Beruf, sondern lediglich Tätigkeiten betrifft, die als Bestandteil eines umfassenderen oder als Erweiterung eines anderen Berufs ausgeübt werden und deren Regelung die eigentliche Berufstätigkeit als Grundlage der Lebensführung unberührt lässt (vgl. BVerfGE 68, 272, 281; 75, 246, 274).
Das Verbot der Vertretung von Gläubigern als Beteiligte im Sinne von § 9 ZVG in Zwangsversteigerungsterminen stellt schon keinen erheblichen Eingriff in den Kernbereich der Maklertätigkeit dar. Demgegenüber sind die mit § 79 Abs. 2 ZPO verfolgten Interessen des Gemeinwohls - insbesondere mit Blick auf den Schutz der rechtsuchenden Bevölkerung - derart gewichtig, dass sie die Zumutbarkeit der Beeinträchtigung der Berufsausübungsfreiheit zu begründen vermögen.
b) Einen Verstoß der Regelungen in § 79 Abs. 2 ZPO gegen Art. 3 Abs. 1 GG hat das Berufungsgericht ebenfalls mit Recht verneint.
Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist grundsätzlich auch im Rahmen von Regelungen der Berufsfreiheit zu beachten. Dies bedeutet, dass Differenzierungen oder Ungleichbehandlungen bei berufsrechtlichen Regelungen nur dann verfassungsgemäß sind, wenn die betreffende Ungleichbehandlung oder Differenzierung nicht willkürlich ist oder einen sachlichen Rechtfertigungsgrund hat. Rechtfertigungsgründe dieser Art können sich auch aus der Berufsfreiheit und ihren Ordnungsbelangen selbst ergeben. Dementsprechend verlangt Art. 12 Abs. 1 GG etwa die sachgerechte Differenzierung nach Maßgabe jeweils unterschiedlicher Berufsbilder (Scholz in Maunz/Dürig, Grundgesetz, Stand 2010, Art. 12 Rn. 153, mwN).
Ein solcher sachlicher Rechtfertigungsgrund ist im Hinblick auf die beschränkte Vertretungsbefugnis der Inkassounternehmen zu bejahen. Diese beruht nach der Begründung des Regierungsentwurfs zum Rechtsdienstleistungsgesetz zum einen auf der Nähe der Inkassotätigkeit zu den diesen Unternehmen künftig erlaubten Prozesshandlungen und zum anderen darauf, dass es sich bei den ihnen erlaubten Tätigkeiten, insbesondere bei der Beantragung von Mahn- und Vollstreckungsbescheiden, um eine weitgehend automatisierte Tätigkeit handelt, für die besondere Kenntnisse und Fähigkeiten eines Rechtsanwalts nicht erforderlich sind. Da das Mahnverfahren zudem auf der Gerichtsseite ganz überwiegend durch zentrale Mahngerichte im automatisierten Verfahren betrieben wird, sind Inkassounternehmen bei der oft als Massengeschäft betriebenen Beantragung von Mahn- und Vollstreckungsbescheiden zur Zusammenarbeit mit dem Gericht in gleicher Weise qualifiziert wie ein Rechtsanwalt (BT-Drucks. 16/3655 S. 194). Im Gegensatz dazu handelt es sich bei der Vertretung des Gläubigers in einem Zwangsversteigerungstermin um eine Tätigkeit, die umfassende materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Kenntnisse erfordert. Eine unterschiedliche Behandlung von Immobilienmaklern und Inkassounternehmen ist daher aus Sachgründen gerechtfertigt.
IV. Danach ist die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
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LG Oldenburg, Entscheidung vom 11.03.2009 - 5 O 3055/08 -
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 16.07.2009 - 1 U 34/09 -
BGH:
Urteil v. 20.01.2011
Az: I ZR 122/09
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