Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 21. Mai 1996
Aktenzeichen: 3 U 130/95
(OLG Köln: Urteil v. 21.05.1996, Az.: 3 U 130/95)
GmbH-Gesellschafter; Austritt; Einziehung des Anteils
GmbH-Gesetz § 34 1. Der Austritt eines Gesellschafters aus einer GmbH ist auch ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes mit Zustimmung der Gesellschafterversammlung zulässig, soweit keine Gläubigerinteressen tangiert werden.
2. Die Kündigungserklärung des Gesellschafters beinhaltet zugleich seine Zustimmung zur Einziehung seines Geschäftsanteils; die Zustimmung ist gemäß § 183 Satz 1 2. Halbsatz BGB nicht widerruflich.
Gründe
Die in formeller Hinsicht nicht zu beanstandende Berufung der
Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.
Zu Recht hat das Landgericht eine Nichtigkeit des Beschlusses
der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 12. September 1994
analog § 241 AktG verneint. Insbesondere liegen die Voraussetzungen
des § 241 Nr. 3 AktG nicht vor. Insoweit wird auf die zutreffenden
Ausführungen des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil Bezug
genommen. Das Berufungsvorbringen gibt zu einer abweichenden
Beurteilung keine Veranlassung. Zwar mag § 241 Nr. 3 AktG eine
Auffangfunktion für die Fälle zukommen, in denen ein Beschluß
ersichtlich keinen Bestand haben kann, ohne daß sich dieses
Ergebnis auf bestimmte Vorschriften stützen ließe (vgl. Hüffer,
AktG, 2. Aufl., § 241 Rdnr. 21). Entgegen der Auffassung der
Klägerin liegt ein derartiger Fall hier aber nicht vor. Die
Einziehung von Geschäftsanteilen ist in § 34 GmbHG ausdrücklich
vorgesehen. Auch in § 10, § 11 Abs. 5 und § 12 Abs. 3 der Satzung
der Beklagten ist die Einziehung geregelt. Es kann daher keine Rede
davon sein, daß der Einziehungsbeschluß vom 12. September 1994
jeglicher Rechtsgrundlage entbehre. Auch sonst sind keine
Anhaltspunkte für eine mögliche Nichtigkeit des
Einziehungsbeschlusses ersichtlich. Allerdings wird eine
Unwirksamkeit der Einziehung angenommen, wenn bereits bei
Beschlußfassung feststeht, daß die geschuldete Abfindung nicht ohne
Verstoß gegen § 30 GmbHG gezahlt werden kann (vgl. Baumbach-Hueck,
GmbHG 15. Aufl., § 34 Rdnr. 24; ScholzWestermann, GmbHG 8. Aufl., §
34 Rdnr. 52). Daß diese Voraussetzungen am 12. September 1994
vorgelegen hätten, wird von der Klägerin nicht behauptet. Es mag
sein, daß die Beklagte der Klägerin zum Zeitpunkt der Kündigung mit
Schreiben vom 7. Februar 1991 eine Abfindung nur unter Verstoß
gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften hätte zahlen können. Die
damaligen wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Beklagten mögen auch
mit dafür ursächlich gewesen sein, daß die Beklagte den
Einziehungsbeschluß nicht schon früher gefaßt hat. Ihre finanzielle
Situation hat sich aber inzwischen unstreitig gebessert. Die
Wirksamkeit des Einziehungsbeschlusses setzt auch nicht voraus, daß
in dem Beschluß sogleich über die Höhe der Abfindung entschieden
wird. Zwar sind nach herrschender Meinung in einem Ausschlußurteil
die Höhe der Abfindung und eine Zahlungsfrist hierfür festzusetzen
(vgl. Baumbach-Hueck, GmbHG, Anhang § 34 Rdnr. 12 m.w.N.). Bei
einem Einziehungsbeschluß erscheint ein solches Junctim jedoch
entbehrlich, weil dessen Wirksamkeit ohnehin unter der Bedingung
steht, daß im Augenblick der Auszahlung der Abfindung genügend
gesellschaftlich ungebundene Mittel im Gesellschaftsvermögen
vorhanden sind, der ausgeschlossene Gesellschafter also erst mit
der ohne Verstoß gegen § 30 GmbHG erfolgten Auszahlung der
Abfindung endgültig aus der GmbH ausscheidet (vgl.
ScholzWestermann, GmbHG, § 34 Rdnr. 53).
Das Landgericht hat auch zu Recht eine Anfechtbarkeit des
Einziehungsbeschlusses verneint. Wie es zutreffend ausgeführt hat,
konnte die Klägerin ihre Kündigung vom 7. Februar 1991 als
Gestaltungserklärung nach deren Zugang bei der Beklagten nicht mehr
einseitig zurücknehmen (vgl. Rowedder/Fuhrmann, GmbHG, 2. Aufl., §
34 Rdnr. 57; Scholz-Winter, GmbHG, § 15 Rdnr. 122). Die Kündigung
war auch wirksam. Allerdings kennt das GmbHG die Möglichkeit der
ordentlichen Kündigung nicht. Auch in der Satzung der Beklagten ist
die Kündigung nicht geregelt; sie wird in § 12 lediglich
vorausgesetzt. Nach einhelliger Meinung ist ein Austrittsrecht des
Gesellschafters aus wichtigem Grund zu bejahen. Daneben muß es aber
auch - soweit keine Gläubigerinteressen tangiert werden - die
Möglichkeit eines Austritts des Gesellschafters mit Zustimmung der
Gesellschafterversammlung geben (vgl. Rowedder a.a.O.). Das
Erfordernis eines wichtigen Grundes für den Austritt des
Gesellschafters dient nämlich im wesentlichen dem Schutz der
übrigen Gesellschafter davor, daß sich der austrittswillige
Gesellschafter nicht grundlos seiner Verantwortung für die
Gesellschaft entzieht. Ist die Gesellschaft aber mit seinem
Ausscheiden einverstanden, besteht kein Anlaß, die Wirksamkeit der
Kündigung an weitere Voraussetzungen zu knüpfen. Im vorliegenden
Fall hat die Gesellschafterversammlung der Beklagten der Kündigung
jedenfalls mit der Fassung des Einziehungsbeschlusses konkludent
zugestimmt. Nach Auffassung des Senats würde es auch Treu und
Glauben zuwiderlaufen, wenn sich die Klägerin auf eine
Unwirksamkeit ihrer Kündigung mit der Begründung berufen könnte,
ein wichtiger Grund habe hierfür nicht vorgelegen. Da hier somit
von einem wirksamen Austritt der Klägerin auszugehen ist, kommt es
nicht darauf an, ob die Beklagte auch berechtigt gewesen wäre, die
Klägerin auszuschließen.
Die Kündigungserklärung der Klägerin beinhaltet zugleich ihre
Zustimmung zur Einziehung im Sinne von § 10 der Satzung. Diese
Zustimmung unterliegt den Regeln der §§ 182 ff. BGB (vgl. Rowedder,
GmbHG § 34 Rdnr. 9; Lutter/Hommelhoff, GmbHG 14. Aufl., § 34 Rdnr.
15) mit der Folge, daß sie gemäß § 183 BGB grundsätzlich bis zur
Vornahme des Rechtsgeschäfts widerruflich ist. Ein Widerruf ist
hier jedoch ausgeschlossen, weil sich aus dem der Erteilung der
Zustimmung zugrundeliegenden Rechtsverhältnis ein anderes ergibt, §
183 S. 1, 2. Halbsatz BGB. Im Hinblick auf die Unwiderruflichkeit
der Kündigung wäre es sinnwidrig, wenn die Klägerin ihr
Einverständnis mit der Einziehung ihres Geschäftsanteils frei
zurücknehmen könnte. Damit würde die Unwiderruflichkeit der
Austrittserklärung unterlaufen, weil die Klägerin so die zur
Durchführung ihres Austritts erforderliche Einziehung ihres
Geschäftsanteils nachträglich verhindern könnte. Im übrigen
gebietet es auch der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB),
daß sich die Klägerin an ihrer früheren Erklärung festhalten lassen
muß. Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob die
Kündigungserklärung der Klägerin auch einen wichtigen Grund zur
zwangsweisen Einziehung ihres Geschäftsanteils darstellt (vgl.
ScholzWestermann, GmbHG, § 34 Rdnr. 14; Hachenburg-Ulmer, GmbHG, §
34 Rdnr. 40).
Eine Verwirkung des Einziehungsrechts hält der Senat
übereinstimmend mit dem Landgericht allein aufgrund des Zeitablaufs
von 3 ½ Jahren nicht für gegeben, zumal die schlechte finanzielle
Lage der Beklagten die Zahlung einer Abfindung an die Klägerin ohne
Verstoß gegen § 30 GmbHG zur damaligen Zeit wohl ohnehin nicht
zugelassen hätte. Die Beklagte hat ihr Einziehungsrecht auch nicht
dadurch verwirkt, daß sie die Klägerin weiterhin zu den
Gesellschafterversammlungen eingeladen und unverändert als
Gesellschafterin behandelt hat. Die Beklagte hat damit lediglich
der Rechtslage Rechnung getragen. Wie das Landgericht in seinem
Beschluß vom 29. November 1994 in der Parallelsache 11 O 141/94
zutreffend ausgeführt hat, scheidet der kündigende Gesellschafter
nämlich nicht schon mit seiner Austrittserklärung aus der
Gesellschaft aus; vielmehr bleiben seine Mitgliedschaftsrechte bis
zur Einziehung oder Veräußerung seines Geschäftsanteils
bestehen.
Nach alledem war die Berufung der Klägerin mit der Kostenfolge
aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht
auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Streitwert für das Berufungsverfahren und Beschwer der Klägerin:
25.200,00 DM.
OLG Köln:
Urteil v. 21.05.1996
Az: 3 U 130/95
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