Oberlandesgericht München:
Beschluss vom 30. April 2008
Aktenzeichen: 7 U 3326/07

(OLG München: Beschluss v. 30.04.2008, Az.: 7 U 3326/07)

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufungen durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuverweisen. Hierzu wird bis zum 26.5.2008 Gelegenheit zur Äußerung gegeben.

Gründe

Die Berufungen haben keine Aussicht auf Erfolg. Weder weist der Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung auf noch erscheint eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

Auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils vom 26.4.2007 kann in vollem Umfang Bezug genommen werden. Ergänzend ist zu den im Berufungsverfahren vorgebrachten Gründen zur Anfechtung des Beschlusses der Hauptversammlung der Beklagen vom 22.6.2006 zu TOP 8 (Übertragung der Aktien der Minderheitenaktionäre auf die Hauptaktionärin E. E. N. B.V. gegen angemessene Barabfindung, nachfolgend als Squeeze-out bezeichnet) Folgendes anzumerken:

31. Die §§ 327 a ff. AktG, auf deren Grundlage der angefochtene Beschluss zu TOP 8 gefasst worden ist, sind verfassungsgemäß. Artikel 14 Abs. 1 GG, der grundsätzlich den Schutz des einzelnen Aktionärs - insbesondere im Hinblick auf dessen Leitungsbefugnisse und vermögensrechtliche Ansprüche (BVerfGE 100, 289, 301) - gewährleistet, wird weder durch die Regelungen der §§ 327 a ff. AktG noch durch die vorgenommene Beschlussfassung verletzt.

a) Artikel 14 Abs. 1 GG schließt nicht grundsätzlich aus, Aktien einer Minderheit auch gegen deren Willen auf den Hauptaktionär zu übertragen. Dies gilt auch dann, wenn die Übertragung das Ziel verfolgt, die verbliebenen Minderheitenaktionäre vollständig aus der Gesellschaft zu verdrängen (vgl. BVerfG NJW 2001, 279 ff.). Insoweit ist hinsichtlich der dem Aktionär aus dem Aktienbesitz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Gesellschaftssatzung erwachsenden Rechte zu berücksichtigen, dass die grundsätzlich geschützten Leitungsbefugnisse der Minderheitenaktionäre im Rahmen der Übertragung von Aktien gegen Barabfindung nach den §§ 327 a ff. AktG stark zurückgedrängt sind, weil die Aktienübertragung nach § 327 a Abs. 1 AktG zur Voraussetzung hat, dass dem Hauptaktionär 95 % des Grundkapitals gehören. Ohne Zustimmung oder Billigung des Hauptaktionärs können die verbleibenden Minderheitenaktionäre keinerlei Maßnahmen der Hauptversammlung beschließen. Ihre Leitungsbefugnisse beschränken sich weitgehend auf Anhörungsrechte in der Hauptversammlung. In diesem Fall ist es dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht verwehrt, die Regelungen zum Schutz der Minderheitenaktionäre auf die vermögensrechtliche Komponente der Anlage zu konzentrieren (vgl. BVerfG NJW 2007, 3268, 3270).

b) Die Regelungen über den Ausschluss von Minderheitenaktionären nach den §§ 327 a ff. AktG stellen eine Inhalts- und Schrankenbestimmung der Eigentumsgarantie nach Artikel 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar. Der zu beachtende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist gewahrt, da der Gesetzgeber mit dem Ausschluss der Minderheitenaktionäre einen legitimen Zweck verfolgt und für den ausgeschlossenen Aktionär einen angemessenen, gerichtlich überprüfbaren Wertersatz vorsieht.

aa) Der legitime Zweck der §§ 327 a ff. AktG liegt darin, einem Hauptaktionär mit einem Aktienbesitz von mehr als 95 % zu ermöglichen, die Gesellschaft ohne die Beachtung zwingender die Minderheit der Aktionäre schützender Normen zu führen und vom Hauptaktionär als sinnvoll erachtete unternehmerische Entscheidungen und Maßnahmen durchzuführen, ohne die gesetzlichen Möglichkeiten der Anfechtung und den damit verbundenen zeitlichen, sachlichen und personellen Aufwand beachten zu müssen.

bb) Der angemessene Wertersatz für den ausgeschlossenen Aktionär ist durch die Regelungen der §§ 327 a Abs. 1 Satz 1 und 327 b AktG gewährleistet. Die Angemessenheit der Abfindung wird im verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise dadurch sichergestellt, dass durch einen gerichtlich ausgewählten und bestellten Sachverständigen die Höhe der vom Hauptaktionär festgelegten Barabfindung nach § 327 c Abs. 2 Satz 2 und 3 AktG überprüft wird und unabhängig davon das Spruchverfahren die nachträgliche Korrektur etwaiger Fehleinschätzungen des Gutachters gewährleistet.

cc) Die Rüge der Kläger zu 22) und 23), § 327 b Abs. 2 AktG sei verfassungswidrig, weil die Verzinsung der vom Hauptaktionär festgesetzten Barabfindung, deren Wert sich auf den Tag der Hauptversammlung bezieht, erst mit Bekanntmachung des Beschlusses in das Handelsregister verzinst wird, und so die Minderheitenaktionäre dem Hauptaktionär ein zinsloses Darlehen zur Verfügung stellen, begründet keinen Verstoß gegen Artikel 14 GG. Geschützt wird durch Artikel 14 Abs. 1 GG das Erworbene, hier das aus den Aktien fließende Recht der Minderheitenaktionäre in Form eines angemessenen Wertersatzes, bezogen auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung der Hauptversammlung. Eine Verzinsung des Abfindungsanspruchs ist von Verfassung wegen nicht gefordert. Im Übrigen könnten sich bei schuldhaft verzögerter Durchführung des Ausschlussverfahrens und einer dadurch bedingten Verzögerung der Auszahlung des Abfindungsbetrages Schadensersatzansprüche der davon betroffenen Aktionäre ergeben, die nach § 327 b Abs. 2 2. Hs AktG nicht ausgeschlossen sind. Denn die für die Durchführung des Squeeze-out Verantwortlichen haben das Verfahren nach den §§ 327 a AktG ohne schuldhaftes Zögern durchzuführen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass nach § 327 b Abs. 3 AktG die festgelegte Barabfindung unverzüglich nach Eintragung des Übertragungsbeschlusses auszuzahlen ist.

dd) Ebenso ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass § 327 b Abs. 2 AktG nur eine Verzinsung der von der Hauptversammlung beschlossenen Abfindung vorsieht, während die Differenz der von der Hauptversammlung festgestellten Abfindung zu der möglicherweise höheren, in einem eventuellen Spruchverfahren festgestellten Abfindung nicht dem Zinsbeginn des § 327 b Abs. 2 AktG unterliegt. Es ist insoweit zu berücksichtigen, dass durch die Überprüfung der Angemessenheit der vorgeschlagenen Barabfindung durch einen von dem Gericht bestellten sachverständigen Prüfer nach § 327 c Abs. 2 Satz 2 AktG gewährleistet ist, dass die vom Hauptaktionär vorgeschlagene Barabfindung nicht völlig außer Verhältnis zu dem tatsächlichen Aktienwert steht und die Kontrolle durch das Spruchverfahren absichert, dass keine unrealistischen Barabfindungen festgelegt werden und eine etwaige höhere Abfindung nach dem Spruchverfahren im Regelfall nur einen verhältnismäßig geringen Mehrbetrag und nicht den wesentlichen Teil der Abfindung feststellt. Artikel 14 Abs. 1 GG sichert nur den Bestand des Eigentums, nicht aber die Erwerbschancen ab der Hauptversammlung. Die Regelung in § 327 b Abs. 2 AktG liegt somit innerhalb des dem Gesetzgeber eingeräumten Ermessens. Dass die Verzinsungsregelung des § 327 b Abs. 2 AktG verfassungsrechtlichen Vorgaben entspricht, hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich ausgesprochen (vgl. BVerfG NJW 2007, 3265).

2. Die von den Klägern zu 22) und 23) angeregte Aussetzung des Verfahrens zur Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof (Art. 234 EG-Vertrag) ist nicht vorzunehmen. Eine Vorlage nach Art. 234 EG-Vertrag kommt nicht in Betracht, weil der Senat den behaupteten Verstoß der Regelungen über die Abfindung beim Ausschluss von Minderheitenaktionären nach §§ § 327 b Abs. 3 AktG gegen die Richtlinie 2004/25/EG vom 21.4.2004 betreffend Übernahmeangebote (nachfolgend Übernahmerichtlinie) nicht für entscheidungserheblich erachtet.

a) Nach § 327 b Abs. 3 AktG hat vor Einberufung der Hauptversammlung der Hauptaktionär dem Vorstand die Erklärung eines im Geltungsbereich dieses Gesetzes zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts zu übermitteln, durch die das Kreditinstitut die Gewährleistung für die Erfüllung der Verpflichtung des Hauptaktionärs übernimmt, den Minderheitenaktionären nach Eintragung des Übertragungsbeschlusses unverzüglich die festgelegte Barabfindung für die übergegangenen Aktien zu zahlen. Danach bleibt Verpflichteter für die Auszahlung der Barabfindung der Hauptaktionär. Hinzu tritt ein Kreditinstitut, das die Gewährleistung für die Erfüllung der Verpflichtung des Hauptaktionärs übernimmt.

Nach Artikel 15 Abs. 5 der Übernahmerichtlinie haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass eine angemessene Abfindung garantiert wird.

b) Die Richtlinie richtet sich gemäß Art. 249 EG-Vertrag an die Mitgliedstaaten, die diese in innerstaatliches Recht umzusetzen haben. Die Grundsätze über die unmittelbare Wirkung der Richtlinie zugunsten eines einzelnen gelten nur zum Schutze des Einzelnen vor staatlichen Maßnahmen. Sie kommen im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung, weil die Übernahmerichtlinie in Art. 15 Abs. 1 den Verkauf der Wertpapiere der Minderheitenaktionäre an den Bieter, dem Hauptaktionär, zu einem angemessenen Preis vorschreibt und damit eine Regelung im horizontalen Verhältnis zwischen Privaten regelt, in dem keine unmittelbare Wirkung der Richtlinie gegeben ist (vgl. EuGH, Urteil vom 14-07-1994 - Rs. C-91/92 (Paola Faccini Dori/Recreb Srl), NJW 1994, 2473, 2474).

Soweit die Kläger eine fehlerhafte Umsetzung der Übernahmerichtlinie rügen, können hieraus allenfalls Amtshaftungsansprüche erwachsen (vgl. EuGH, Urteil vom 19-11-1991 - Rs C-6/90 u. 9/90 (Andrea Francovich, Danila Bonifaci u. a./Italienische Republik), NJW 1992, 165), die jedoch nicht streitgegenständlich sind.

15c) Nach Artikel 15 Abs. 5 der Übernahmerichtlinie haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass eine angemessene Abfindung garantiert wird. Diese Garantie bezieht sich jedoch nur auf die Verpflichtung, eine angemessene Abfindung zu leisten, nicht jedoch auf die Schaffung eines weiteren Garantiegebers, wie es § 327 b Abs. 3 AktG über die in Artikel 15 Abs. 5 der Übernahmerichtlinie enthaltenen Anforderungen hinaus für das deutsche Recht statuiert. Diese Auslegung des Artikels 15 Abs. 5 der Übernahmerichtlinie ergibt sich aus dem Wortlaut, der sich nur mit der Art der Abfindung befasst, die nach Artikel 15 Abs. 5 Satz 1 angemessen sein muss und nach Satz 2 dieselbe Form aufweisen muss wie die Gegenleistung des Angebots oder in Form einer Geldleistung zu erfolgen hat. Hierfür spricht auch der Umstand, dass in dieser Vorschrift ein neben dem Bieter auftretender Garantiegeber für die Verpflichtungen des Bieters nicht genannt ist, während in anderen Richtlinien die Absicherung des Insolvenzausfallrisikos in der Richtlinie ausdrücklich erwähnt ist, wenn im Verhältnis Privater untereinander eine derartige Absicherung vom Richtliniengeber gewollt war, wie sie beispielsweise in Art. 7 der Richtlinie 90/314/EWG vom 13.6.1990 - Pauschalreiserichtlinie - oder in Art. 3 und 4 der Richtlinie 80/987/EWG - betreffend den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers - ausdrücklich angeordnet wird. Ziffer 19 der Erwägungen zur Übernahmerichtlinie sieht die Gewährung einer angemessenen Entschädigung gemäß den von den Mitgliedstaaten festgelegten technischen Modalitäten vor und lässt damit dem nationalen Gesetzgeber ein weites Ermessen bei der Umsetzung. Eine Insolvenzabsicherung des Anspruchs ist nicht gefordert.

§ 327 b Abs. 2 AktG verstößt ebenfalls nicht gegen Artikel 15 Abs. 5 der Übernahmerichtlinie, weil die Bemessung der angemessenen Abfindung allein auf den tatsächlichen Wert der Aktien abstellt, jedoch keine Regelung über die Verzinsung enthält.

3. Die Garantieerklärung der D. Bank AG in Frankfurt/Main vom 27.4.2006 (Anlage 4 zu Anlage B 21) erfüllt die Voraussetzungen der Erklärung nach § 327 b Abs. 3 AktG. Sie ist ausdrücklich als €Erklärung der D. Bank AG in Frankfurt/Main€ überschrieben, in deren Namen die Herren H. und N. die Erklärung unterzeichnet haben. Das Landgericht hat sich in nicht zu beanstandender Weise die Überzeugung davon verschafft, dass die Herren H. und N. zur Vertretung der D. Bank AG berechtigt waren im Hinblick auf die Erklärung des Notars Dr. S. vom 27.4.2006, er könne aufgrund der Einsichtnahme in das elektronische Handelsregister beim Amtsgericht in Frankfurt am Main vom 12.4.2006 bescheinigen, dass die Herren H. und N. als Prokuristen der D. Bank AG in Frankfurt am Main im Handelsregister eingetragen und beide zur gemeinschaftlichen Vertretung dieser Gesellschaft berechtigt seien. Mit der Bezeichnung D. Bank AG in Frankfurt/Main ist die Gesellschaft auch hinreichend bezeichnet. Dass es mehrere gleichnamige Gesellschaften mit Sitz in Frankfurt gibt, haben die Kläger nicht dargetan. Sie ist auch in der Erklärung des Notars Dr. S. vom 27.4.2006 unter Hinweis auf die Eintragung im Handelsregister des Amtsgerichts Frankfurt am Main unter ... genau konkretisiert.

4. Der Einwand, die Beklagte habe in der Vergangenheit zwei unterschiedliche Vorzugsaktien ausgegeben, von denen für die einen Nachzahlungsansprüche ab dem Jahr 2000 und für die anderen Nachzahlungsansprüche ab dem Jahr 2002 bestanden hätten, weswegen für das Squeeze-out ein tatsächlich nicht gefasster Beschluss nach § 141 Abs. 1, Abs. 3 AktG erforderlich gewesen wäre und die unterschiedlich hohen Nachzahlungsansprüche bei der Bemessung der Barabfindung der Vorzugsaktionäre hätten berücksichtigt werden müssen, greift nicht durch.

a) Eine unzutreffende Beschreibung im Übertragungsbericht liegt nicht vor. In dem Bericht sind die Aktien nach Art und Menge, wie sie zum Zeitpunkt der Berichtsabfassung am 28.4.2006 bestanden haben, beschrieben (vgl. Anlage B 21 Seiten 27 und 86). Ein Sonderbeschluss nach § 141 Abs. 3 AktG war nicht erforderlich, denn der Nachzahlungsanspruch des § 140 Abs. 2 AktG stellt ein bloßes Mitgliedschaftsrecht dar und räumt keinen bedingten Zahlungsanspruch ein. Die Beschlüsse, die hinsichtlich der Vorzugsaktien zu einem Delisting und dessen Rückgängigmachung und dem Führen der Vorzugsaktien unter einer einheitlichen Wertpapier-Kenn-Nummer für diese Aktien führten, sind in diesem Verfahren nicht zu überprüfen. Der Bericht weist sie zutreffend aus.

b) Die Anfechtung des Beschlusses zu TOP 8 kann nicht darauf gestützt werden, dass bei der Bewertung der Vorzugsaktien die über Jahre hinweg unstreitig vorenthaltene Mindestdividende in nicht unbeträchtlicher Höhe nicht berücksichtigt worden sei und dieser Umstand in den Erläuterungen des Übertragungs- und des Prüfberichts keinen Eingang gefunden habe. Die Richtigkeit der Bewertung des Unternehmens und damit der Angemessenheit der Barabfindung ist nach § 327 f. AktG der Überprüfung im Rahmen der Anfechtungsklage gegen den Übertragungsbeschluss entzogen (vgl. Grunewald in Münchner Kommentar zum Aktiengesetz, 2. Aufl., 2004 § 327 f. Rn. 4). Es handelt sich insoweit um abfindungsbezogene Informationen.

5. Der Übertragungsbericht ist nicht zu beanstanden. Die notwendigen Voraussetzungen für die Übertragung sind dargelegt. Die an der Hauptaktionärin beteiligten Gesellschaften sind genannt (Anlage B 21 Seiten 14 und 15). Die Grundlagen für die Ermittlung der Barabfindung sind angegeben. Der Bericht enthält auf den Seiten 33 bis 84 Angaben zur Angemessenheit der Barabfindung, zu den hierbei verwendeten Bewertungsgrundsätzen und -methoden, zur Relevanz des Börsenkurses, zur Beschreibung des Bewertungsobjektes sowie die Angaben zur Ermittlung in einer den gesetzlichen Vorgaben entsprechenden Weise, die zumindest eine Plausibilitätskontrolle der Aktionäre ermöglicht (Grunewald in Münchner Kommentar zum Aktiengesetz, a.a.O. , § 327 c Rn. 8).

6. Das Landgericht hat zu Recht die Verletzung des Fragerechts der Aktionäre in der Hauptversammlung aus § 131 Abs. 1 AktG verneint (Urteil Seiten 71 bis 79).

23a) Eine Verletzung von § 131 Abs. 4 AktG liegt im Hinblick darauf, dass die Beklagte keine Auskunft über das monatliche Reporting erteilt hat, nicht vor. Nach § 17 Abs. 2 AktG besteht zugunsten der Beklagten und ihrer Hauptanteilseignerin die Konzernvermutung des § 17 Abs. 2 AktG, die die Kläger nicht widerlegt haben. Im vorliegenden faktischen Konzern, der nach dem Aktiengesetz rechtlich zugelassen ist, bestehen faktische Leitungskompetenzen der Obergesellschaft, wobei Nachteile der beherrschten Gesellschaft durch §§ 311 ff. AktG ausgeglichen werden. Im Hinblick auf die Leitungskompetenz und die damit verbundene, durch § 311 Abs. 1 letzter Halbsatz AktG gesetzlich ausgeformte Verantwortlichkeit eines herrschenden Unternehmens ist § 131 Abs. 4 AktG im Verhältnis zum Hauptaktionär nicht anzuwenden. Die differenzierte Behandlung stellt aus den vorgenannten Gründen keinen Verstoß gegen den aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 53 a AktG dar, weil das herrschende Unternehmen für etwaige Benachteiligungen der Tochtergesellschaft ausgleichspflichtig ist und den Minderheitenaktionär eine derartige Verantwortlichkeit nicht trifft.

b) Eine Entscheidung über die vorgenannte Frage ist weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Die herrschende Meinung entspricht der vorgenannten Auffassung. Eine entgegenstehende obergerichtliche Entscheidung besteht nicht. Die gegenteilige Auffassung des Landgerichts Frankfurt ist zu einem in einem wesentlichen Punkt abweichenden Sachverhalt ergangen, weil das Landgericht Frankfurt seine Begründung darauf stützt, dass die dortige Beklagte selbst nicht vorgebracht hat, dass Leitungsfunktionen vor der Eintragung des Unternehmensvertrages erfolgt sind bzw. hätten erfolgen sollen (vgl. AG 2007, 48).

c) Bei der Größe der Gesellschaft und der Anzahl der ca. 20 angemeldeten Teilnehmer, die sich aus den Teilnehmerverzeichnissen (Anlage 1 zu Anlage B 3) ergeben, ist das Ansetzen der Hauptversammlung auf den 22.6.2006 ab 10:00 Uhr nicht zu beanstanden, auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass sich die Debatte und Beschlussfassung zu TOP 8 voraussichtlich zeitaufwändig gestalten würde, nicht zu beanstanden.

d) Das Auskunftsrecht ist auch nicht durch den Schluss der Rednerliste um 21:15 Uhr verletzt worden. Auch unter Berücksichtigung der hohen Bedeutung der Beschlussfassung zu TOP 8 ist die Durchführung der Debatte in der Zeit von 10 Uhr bis 21:15 Uhr unter Berücksichtigung der angemeldeten ca. 20 Aktionäre ordnungsgemäß. Eine Hauptversammlung muss nach einer angemessenen und zumutbaren Zeit abgewickelt werden. Die gestellten ca. 270 Fragen wurden ausweislich des Protokolls abgearbeitet. Dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wurde auch dadurch Rechnung getragen, dass der Versammlungsleiter laut Protokoll um 15:40 Uhr den Hinweis auf den Schluss der Generaldebatte um 20:00 Uhr und 18:40 Uhr die Schließung der Rednerliste bekannt gab (Anl. B3 Seite 15), so dass sich alle Aktionäre bei ihren Wortmeldungen hierauf einstellen konnten. Auf Widerspruch des Aktionärs Freitag wurde die Rednerliste vorläufig nicht geschlossen und weitere Redner zugelassen. Um 21:15 Uhr, mehr als 11 Stunden nach Beginn der Versammlung, gab der Vorsitzende die Schließung der Rednerliste und das Ende der Generaldebatte bekannt (Anlage B 3 Seite 15). Auf die Aufforderung, bereits gestellte und nicht beantwortete Fragen zu Protokoll zu geben, haben die Aktionäre H. und Z. inhaltliche Angaben gemacht, während die Aktionäre St., F. und K. es abgelehnt haben, die ihrer Meinung nach nicht beantworteten Fragen zu Protokoll zu geben. Bei dieser Sachlage ist die Schließung der Rednerliste um 21:15 Uhr unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Abstimmungen noch vorgenommen werden mussten, nicht zu beanstanden.

7. Das Landgericht hat aus den zutreffenden, unter Ziffer 11 der Urteilsgründe (Seiten 79 bis 82 des landgerichtlichen Urteils) genannten Gründen einen Ausschluss der Stimmrechte der K. Holding GmbH auf der Hauptversammlung vom 22.6.2006 verneint.

8. Das Landgericht hat zutreffend eine Verletzung des Auskunftsrechts der Aktionäre verneint. Die Fragen Nr. 235, 254, 259, 260 und 274 betreffen Informationen zur Abfindung, zu deren Überprüfung nach § 1 Nr. 2 SpruchG das Spruchverfahren statthaft ist. Damit kann nach § 243 Abs. 4 Satz 2 AktG eine Anfechtung auf unrichtige oder unvollständige Informationen nicht gestützt werden. Eines förmlichen Zurückweisungsbeschlusses bedarf es hinsichtlich der Nichtbeantwortung dieser Fragen nicht. Die Frage 95 wurde nach dem eigenen Vortrag der Klägerin zu 10) (Bl. 645) beantwortet. Dass auf die Frage, wie viele Nichtaktionäre im letzten und vorletzten Jahr vor der Hauptversammlung Unterlagen für die jeweils anstehende Hauptversammlung verlangt wurde, der Vorstand antwortete, dies könne er nicht sagen, weil die Beklagte ohne entsprechende Legitimation des Anfragenden dessen Aktionärseigenschaft nicht feststellen könne, während in diesem Jahr drei Personen Unterlagen angefordert hätten, stellt eine ausreichende Beantwortung der Frage dar. Eine Anfrageerfassungsverpflichtung ist insoweit weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Frage Nr. 248 betrifft die Berichterstattung an den Hauptaktionär. Insoweit wird auf die Ausführungen unter Ziffer 6a) verwiesen.

Die Berufungen sind somit unbegründet.

Der Senat rät zu prüfen, ob die Berufungen zur Meidung weiterer Kosten zurückgenommen werden.






OLG München:
Beschluss v. 30.04.2008
Az: 7 U 3326/07


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