Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. Januar 2007
Aktenzeichen: 7 W (pat) 3/04

(BPatG: Beschluss v. 10.01.2007, Az.: 7 W (pat) 3/04)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse F 16 B des Deutschen Patent- und Markenamts vom 15. September 2003 aufgehoben und das Patent erteilt.

Bezeichnung: Rohrverbindungssystem Anmeldetag: 31. Juli 1999 Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:

Patentansprüche 1 bis 12, Beschreibung Seiten 1 bis 11 sowie 5 Blatt Zeichnungen (Figuren 1 bis 8c), jeweils vom 14. Dezember 2006, eingegangen am 15. Dezember 2006.

Folgende Änderungen sind in den Unterlagen vorgenommen worden:

Im Anspruch 11 ist nach dem Wort "System" das Wort "nach" eingefügt worden.

Auf Seite 2 der Beschreibung, vierter Absatz, ist "DE 44 22 211 C2" in "DE 44 22 211 C1" geändert, auf Seite 6, zweiter Absatz, letzte Zeile, das Wort "und" nach dem Wort "Geländer" gestrichen worden.

Gründe

I Die am 31. Juli 1999 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Patentanmeldung 199 36 126.6 wurde nach Prüfung der Anmeldung durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse F 16 B des Deutschen Patent- und Markenamts vom 15. September 2003 mit der Begründung zurückgewiesen, dass es ihrem Gegenstand an einer erfinderischen Tätigkeit mangele.

Zum Stand der Technik nennt die Prüfungsstelle die Patentdokumente bzw. Veröffentlichung (Kurzbezeichnungen D1 bis D7)

D1 DE 44 22 211 C1 D2 DE 29 04 776 A1 D3 DE 295 00 655 U1 D4 WO 94/04860 A1 D5 DE 298 03 787 U1 D6 DE 43 36 401 A1 und D7 W. Schäfer: Moderne Metallkleber unter besonderer Berücksichtigung der Epoxydharze, DE-Z.: Feingerätetechnik, 6. Jg., Heft 9, September 1957, S. 390-393.

In der Beschreibung der Anmeldung sind zum Stand der Technik ferner genannt:

D8 US 3 233 871 D9 DE 89 05 325 U1 und D10 DE 93 05 823 U1.

Der Zurückweisungsbeschluss, dem die Patentansprüche 1 bis 9 der Anmelderin vom 22. August 2000 zugrunde liegen, ist gestützt auf die Dokumente gemäß D1 und D2.

Gegen den Beschluss der Prüfungsstelle richtet sich die Beschwerde der Patentanmelderin. Sie legt zuletzt am 15. Dezember 2006 neue, vollständige Unterlagen (Ansprüche, Beschreibung, Zeichnungen) vom 14. Dezember 2006 vor und bittet, diese dem nachgesuchten Patent zugrunde zu legen.

Sie stellt sinngemäß den Antrag, den Beschluss der Prüfungsstelle vom 15. September 2003 aufzuheben und das Patent auf der Grundlage der Patentansprüche 1 bis 12, der Beschreibung Seiten 1 bis 11 sowie der Figuren 1, 2a, 2b, 2c, 3, 3a, 4a, 4b, 4c, 5a, 5b, 6, 7, 8a, 8b und 8c, jeweils vom 14. Dezember 2006, zu erteilen.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet:

Rohrverbindungssystem mit Verbindungselementen, die jeweils einen Grundkörper (10, 50) aufweisen, der wenigstens einen Zapfen (14, 54) zur formschlüssigen Aufnahme eines Rohrendes (22) und wenigstens einen Einstich (15, 35, 55) zum Einpassen eines mit dem Grundkörper (10, 50) verschraubbaren, mit einem gleichartigen Zapfen (34) versehenen Abzweigkörpers (30, 60, 70) hat, dadurch gekennzeichnet, dass zwischen dem Abzweigkörper (30, 60, 70) und dem Grundkörper (10, 50) zur Winkeleinstellung ein Paar (40) Ringscheiben (42, 46) angeordnet sind, die mit - bezogen auf die Scheibenachse (A) - schrägen Flächen (43, 47) flächenschlüssig aneinander liegen und relativ zueinander stufenlos verdrehbar sind, und dass der bzw. jeder Abzweigkörper (30, 60) einen zu seiner Achse (B) in spitzem Winkel verlaufenden Einstich (35) mit einem Schraubkanal (37; 65) aufweist.

Zum Wortlaut der Patentansprüche 2 bis 12, die Weiterbildungen des Gegenstandes nach Patentanspruch 1 betreffen, wird auf die Anlagen zum Schriftsatz vom 14. Dezember 2006 verwiesen.

II Die Beschwerde ist zulässig.

Sie hat auch Erfolg. Der Anmeldungsgegenstand in der Fassung der geltenden Patentansprüche stellt eine patentfähige Erfindung i. S. d. § 1 bis § 5 PatG dar.

Die geltenden Patentansprüche 1 bis 12 sind zulässig. Ihre Merkmale sind ursprünglich offenbart.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist neu. Keine der entgegengehaltenen Druckschriften zeigt und beschreibt ein Rohrverbindungssystem mit sämtlichen Merkmalen des Patentanspruchs 1.

Aus D5 (DE 298 03 787 U1) ist ein Rohrverbindungssystem mit den Merkmalen des Oberbegriffs des Anspruchs 1 bekannt (vgl. die mit Bezugszeichen versehenen Figuren i. V. m. der Bezugszeichenliste und den Ansprüchen 1 bis 6). Es sind dort jedoch keine Ringscheiben zur Winkeleinstellung zwischen Grundkörper (Rohr- oder Eckverbinder 1) und Abzweigkörper (Anschlussstück 2) vorgesehen. Die Schrift befasst sich nur mit rechtwinkeligen Anordnungen zwischen Grundkörper und Abzweigkörper.

Gleiches gilt für das Rohrverbindungssystem nach D1 (DE 44 22 211 C1). Die rechtwinkelig zur Grundkörperachse abzweigenden Rohrelemente (Abzweigstücke 39) können selbst zwar abgewinkelt ausgebildet sein. Der Winkel ist jedoch nicht veränderbar. Er wird schon mit der Herstellung des Rohrelements vorgegeben.

Mit dem Rohrmontagesystem nach D2 (DE 29 04 776 A1) können Rohrenden so miteinander verbunden werden, dass die verbundenen Teile einen gekrümmten Rohrverlauf ergeben, wobei der Grad der Krümmung durch zwei flächig aneinanderliegende, zueinander verdrehbare Scheiben mit bezogen auf die Scheibenachsen schrägen Flächen einstellbar ist. Das bekannte Montagesystem zeigt jedoch nicht auf, einen rohrförmigen Abzweigkörper in einen Einstich eines rohrförmigen Grundkörpers einzupassen und im Abzweigkörper einen Schraubkanal zum Befestigen des Abzweigkörpers am Grundkörper vorzusehen, dessen Achse in einem spitzen Winkel zur Achse des Abzweigkörpers verläuft.

Den übrigen Entgegenhaltungen sind keine Rohrverbindungen zu entnehmen, bei denen Abzweigstücke mittels zweier aneinander anliegender und zueinander verdrehbarer Scheiben in ihrem Neigungswinkel gegenüber einem Grundkörper änderbar wären.

Der zweifellos gewerblich anwendbare Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Als hier zuständiger Fachmann ist ein Ingenieur des Allgemeinen Maschinenbaus anzusehen, der Geländer, Sicherheitsabsperrungen für Treppen, Geh- oder Fahrwege, Abtrennungen in Verkehrsmitteln wie Bussen, Zügen, etc. entwirft und dafür Rohrkonstruktionen in Betracht zieht.

Ausgehend von einem die Oberbegriffsmerkmale des Anspruchs 1 zeigenden Rohrverbindungssystem nach D5, bei dem ein Abzweigkörper (Anschlussstück 2, Rohr 3) in einen 90 Grad zur Längsachse eines Grundkörpers (Eckverbinder 1, Rohr 3) verlaufenden Einstich (Ausnehmung 7) eingepasst und mit dem Grundkörper verschraubt wird, leitet sich die Aufgabe her, unter Beibehaltung einer einfachen Montagemöglichkeit, eines stabilen Aufbaus ohne Vor- und Nacharbeit, einer Unempfindlichkeit gegen Feuchte- und Schmutzeinwirkung und einer bequemen Reinigungsfähigkeit ein Rohrverbindungssystem zu schaffen, das eine rasche Einstellung unterschiedlicher Winkel der zu verbindenden Rohrteile zulässt (Beschreibung S. 3, 4. Absatz).

Hierzu lehrt Anspruch 1 gemäß seinen kennzeichnenden Merkmalen, zwischen dem Abzweigkörper und dem Grundkörper ein Paar Ringscheiben anzuordnen, die flächenschlüssig aneinander liegen und relativ zueinander stufenlos verdrehbar sind, wobei die einander berührenden Scheibenflächen geneigt zur jeweiligen Scheibenachse liegen, und ferner der Abzweigkörper einen Schraubkanal aufweist, der in einem spitzen Winkel zur Achse des Abzweigkörpers verläuft.

Durch Verdrehen der Scheiben relativ zueinander können innerhalb jeder gewählten Abzweigungsrichtung verschiedene Neigungswinkel des Abzweigkörpers gegenüber dem Grundkörper eingestellt werden. Der Einstellbereich ist dabei durch die vorgegebenen Neigungswinkel der Scheibenflächen gegenüber ihren Scheibenachsen begrenzt. Durch einen gegenüber der Achse des Abzweigkörpers unter einem spitzen Winkel verlaufenden Einschraubkanal ist die Änderung der Neigung des Abzweigkörpers gegenüber dem Grundkörper bzw. das Befestigen des Abzweigkörpers am Grundkörper in einfachster baulicher Weise realisierbar.

Die erfindungsgemäße konstruktive Lösung gemäß dem geltenden Anspruch 1 ist durch den entgegengehaltenen Stand der Technik dem Fachmann nicht nahegelegt.

Zwar ist in D2 bereits beschrieben, u. a. ein Paar von Scheiben (Bogenelemente 39, 40) mit schrägen Flächen zu dem Zweck einzusetzen, im nicht verspannten Zustand eine kontinuierliche Veränderung der Winkelstellung zwischen den beiden Scheiben möglich zu machen (S. 11 Abs. 2 i. V. m. Fig. 10). Doch werden die beiden Scheiben axial zwischen stirnseitigen Enden von Rohren angeordnet und bilden so einen veränderlichen Rohrbogen. Entsprechend ist nach D2 ein Montagesystem geschaffen, mit dem eine praktisch unbegrenzte Zahl von Bögen verwirklicht werden kann (S. 6 Abs. 2 u. 4). Die flächig aneinander liegenden Bogenelemente werden des weiteren durch einen durch den Hohlraum der Bogenelemente hindurchgeführten Gelenkbolzen über Andrückelemente (Endstücke 16, 17 und Füllstücke 7), an denen die Rohrenden befestigt werden, gegeneinander verspannt (S. 8 Abs. 2 bis S. 9 Abs. 1 i. V. m. Fig. 1, wobei hier 3 Bogenelemente gezeigt sind). Die Übertragung der aus D2 bekannten konstruktiven Maßnahme zur Bildung variabler Bögen für Rohrverbindungen auf eine Eckverbindung nach D5 mit dem Ziel, dort eine variable Neigung des Abzweigstücks gegenüber einem Grundkörper zu erreichen, bot sich dem Fachmann schon wegen der unterschiedlichen Zielvorgaben nicht ohne weiteres an. Sofern der Fachmann aus D2 Teilmaßnahmen wie zueinander verdrehbare Scheiben aufgreift, um die damit verbundenen Vorteile, wie Neigungsänderungen, für einen Abzweig gemäß D5 zu nutzen, bedurfte es z. B. im Hinblick auf die Auffindung einer geeigneten Befestigungsanordnung, hier der Anordnung eines Schraubkanals in einem spitzen Winkel zur Achse des Abzweigstücks, weiterer, nicht auf der Hand liegender Überlegungen, um zur Gesamtheit der Lehre des Anspruchs 1 zu gelangen.

Gleiches gilt, wenn man die D1 als Ausgangspunkt der vorliegenden Erfindung heranzieht. Sie offenbart eine Rohrverbindung, bei der ein Abzweigstück (Eckstück 39) quer zur Achse eines Grundkörpers (35) an diesem - über konische Flächen selbstzentrierend - anschraubbar ist (Fig. 11 und zugehörige Beschreibung). Das Abzweigstück ist bogenförmig ausgebildet. Die Berücksichtigung der D2 vermittelt nach obigem dem Fachmann unmittelbar die Anregung, die Biegung des Eckstücks mittels mehrerer Bogenstücke variabler zu gestalten, um hierdurch eine Vielzahl von Abwandlungen des Bogenwinkels des Eckstücks mit wenigen Bogenelementen realisieren zu können. Die Selektierung der Bogenelemente aus der Konstruktion der Rohrverbindung nach D2 und deren Anordnung und Einspannung bei der Rohrverbindung nach D1 (z. B. Fig. 11) derart, dass die gesamte Lehre des geltenden Anspruchs 1 erfüllt ist, war daher ohne rückschauende Betrachtung in Kenntnis der vorliegenden Erfindung dem Fachmann nicht nahe gelegt.

Nichts anderes ergibt die zusätzliche Berücksichtigung einer oder mehrerer der übrigen Entgegenhaltungen. Soweit sie überhaupt Rohrverbindungen betreffen, beschreiben sie keine Ausführungen, bei denen zwei oder mehr flächig aneinander anliegende und stufenlos verdrehbare Ringscheiben zur Änderung ihrer Winkelstellung relativ zueinander verwendet werden.

Der Patentanspruch 1 ist somit gewährbar.

Die Patentansprüche 2 bis 12 sind auf weitere Ausgestaltungen des Rohrverbindungssystems nach Patentanspruch 1 gerichtet. Ihre Gegenstände sind daher ebenfalls gewährbar.






BPatG:
Beschluss v. 10.01.2007
Az: 7 W (pat) 3/04


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