Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 7. September 2001
Aktenzeichen: 6 U 129/01
(OLG Köln: Urteil v. 07.09.2001, Az.: 6 U 129/01)
Tenor
Auf die Berufung des Antragsstellers wird das am 12. April 2001 ver-kündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bonn - 12 O 30/01 - geändert. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00 DM - ersatzweise Ordnungshaft - oder der Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, in öffentlicher Werbung wie in der nachfolgend abgebildeten Anzeige in der Zeitung "General-Anzeiger" vom 03./04.02.2001 in der Rubrik "Immobilien-Anzeiger" auf der Seite 86 geschehen die Vermietung von Wohnräumen anzuzeigen, ohne zugleich anzugeben, ob Nebenkosten gesondert zu vergüten sind oder nicht: Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin. Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig.
Gründe
Die zulässige Berufung des - worauf zurückzukommen sein wird - prozessführungsbefugten und aktivlegitimierten Antragstellers hat auch in der Sache Erfolg. Sie führt zur Änderung der angefochtenen Entscheidung und zum antragsgemäßen Erlass der von ihm begehrten einstweiligen Verfügung, weil die im Urteilstenor vergrößert wiedergegebene Werbeanzeige der Antragsgegnerin einen Verstoß gegen § 6 Abs. 2 des Wohnungsvermittlungsgesetzes darstellt. Dieser Verstoß führt zu einem entsprechenden Unterlassungsanspruch des Antragstellers, weil die mit dem Verfügungsbegehren zur Unterlassung begehrte Handlung geeignet ist, den Wettbewerb auf dem hier relevanten Immobilienmarkt wesentlich zu beeinträchtigen, und die von der Antragsgegnerin gegenüber der Firma H. Immobilien-blobamp; Wirtschaftsberatung unter dem 09.02.2001 abgegebene, sich auf die streitgegenständliche Werbeanzeige beziehende Unterlassungsverpflichtungserklärung die Wiederholungsgefahr nicht beseitigt hat.
Zu Recht streiten die Parteien nicht darüber, dass die Werbeanzeige der Antragsgegnerin der Bestimmung des § 6 Abs. 2 des Wohnungsvermittlungsgesetzes zuwiderläuft, weil sie nicht erkennen lässt, ob neben der Miete von 2.100,00 DM Nebenkosten zu zahlen sind, obschon gemäß § 6 Abs. 2 des Wohnungsvermittlungsgesetzes der Wohnungsvermittler unter anderem in Zeitungsanzeigen Wohnräume nur anbieten darf, wenn er den Mietpreis der Wohnräume angibt und darauf hinweist, ob Nebenleistungen besonders zu vergüten sind. Der hiernach gegebene Verstoß gegen § 6 Abs. 2 des Wohnungsvermittlungsgesetzes stellt zugleich einen Verstoß gegen § 1 UWG dar. Denn bei § 6 Abs. 2 des Wohnungsvermittlungsgesetzes handelt es sich um eine sog. wertbezogene Norm, deren Verletzung grundsätzlich zugleich das Unwerturteil aus § 1 UWG nach sich zieht. Das entspricht sowohl der Rechtsprechung des Senats als auch der anderer Oberlandesgerichte (vgl. Senat, GRUR 1993, 685, 686; OLG Düsseldorf, GRUR 1993, 838 und Kammergericht, WuM 1994, 621, 623; ebenso: Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Auflage 2001, § 1 UWG Rdnr. 614). Denn die Regelung legt die Grenzen des zulässigen Wettbewerbs auf dem Gebiet der Vermittlung von Mietwohnungen fest und will den Mietinteressenten im allgemeinen Interesse vor unlauteren Geschäftsmethoden schützen. Vorrangiges Ziel des Gesetzes ist damit, dem Vermittler bei der Werbung insbesondere in Zeitungsanzeigen im Interesse dieses Schutzes Beschränkungen aufzuerlegen und dabei den Wettbewerb der Wohnungsvermittler untereinander zu regeln. Daraus folgt zugleich, dass die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, wonach ein Verstoß gegen eine wertbezogene Norm nicht zwangsläufig und ausnahmslos die wettbewerbsrechtliche Unlautbarkeit der entsprechenden Handlung zur Folge hat, namentlich dann nicht, wenn ihr der wettbewerbsregelnde Bezug fehlt, im Streitfall eine abweichende Beurteilung nicht gebietet (vgl. hierzu BGHZ 140, 134, 138 f. "Hormonpräparate"; BGH GRUR 2000, 237, 238 = WRP 2000, 170 "Giftnotruf-Box"; WRP 2000, 1116, 1119 "Abgasemissionen" und WRP 2001, 255, 257 "Verbandsklage gegen Vielfachabmahner"). Zu Recht hat die Antragsgegnerin deshalb insoweit auch keinen abweichenden Standpunkt vertreten.
Die durch den Wettbewerbsverstoß begründete Wiederholungsgefahr ist entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht dadurch entfallen, dass sie sich unter dem 09.02.2001 gegenüber der Firma H. Immobilien-blobamp; Wirtschaftsberatung mit Sitz in B. strafbewehrt verpflichtet hat, es künftig zu unterlassen, wie geschehen in öffentlicher Werbung Letztverbrauchern gegenüber für Wohnräume unter Angaben von Preisen zu werben, ohne zugleich den Endpreis anzugeben. Allerdings ist es richtig, dass eine sog. Drittunterwerfung je nach den Umständen des Einzelfalles die Wiederholungsgefahr auch gegenüber allen anderen Gläubigern ausräumen kann (vgl. nur: BGH GRUR 1987, 640 und BGH GRUR 1983, 186 "Wiederholte Unterwerfung II und I" sowie BGH GRUR 1989, 758 "Gruppenprofil"). Das folgt daraus, dass die Wiederholungsgefahr gegenüber mehreren Gläubigern nur einheitlich beurteilt werden kann. Sie besteht entweder gegenüber allen Gläubigern oder sie ist gegenüber allen Gläubigern ausgeräumt (statt vieler: Baumbach/Hefermehl, a.a.O., Einleitung UWG Rdnr. 278 m.w.N.). Beruft sich der Verletzer auf eine Drittunterwerfung, so obliegt es ihm, darzulegen und zu beweisen, dass die von ihm abgegebene Unterwerfungserklärung geeignet war, die Wiederholungsgefahr generell für alle Gläubiger zu beseitigen (BGH, a.a.O., "Wiederholte Unterwerfung II"). Nur dann, wenn ihm dies gelingt, erübrigt sich eine weitere strafbewehrte Unterwerfungserklärung gegenüber späteren Abmahnern. Auf jeden Fall kann aber eine abgegebene, hinreichend bestimmte und zureichende Unterlassungsverpflichtungserklärung, gegen deren Ernsthaftigkeit Bedenken nicht bestehen, die Wiederholungsgefahr nur soweit entfallen lassen, wie sie den Gläubiger sicherstellt, das heißt soweit sie zweifelsfrei das gleiche Verhalten erfasst (OLG Frankfurt, OLGR 2001, 40, 41). Hieran fehlt es. Ihrem Wortlaut nach beinhaltet die Drittunterwerfungserklärung der Antragsgegnerin vom 09.02.2001 ausschließlich die Verpflichtung der Antragsgegnerin, die vom Antragsteller ebenfalls als wettbewerbswidrig monierte Werbeanzeige nicht zu wiederholen, solange dort unter Angaben von Preisen geworben wird, ohne zugleich den Endpreis anzugeben. Damit hat die Antragsgegnerin nach dem Wortlaut der Drittunterwerfungserklärung nicht das vom Antragsteller als wettbewerbswidrig beanstandete Verhalten zur Unterlassung erklärt, sondern hat sich lediglich zur Endpreisangabe und damit einem Verhalten verpflichtet, dessen Einhaltung die wertneutralen Ordnungsvorschriften der Preisangabenverordnung fordern. Dagegen umfasste die Drittunterwerfungserklärung von ihrem Wortlaut her nicht die Verpflichtung der Antragsgegnerin, beim werblichen Angebot der Vermietung von Wohnräumen anzugeben, ob Nebenkosten gesondert zu vergüten sind oder nicht. Damit betrifft die Drittunterwerfungserklärung nicht zweifelsfrei das Verhalten, das der Antragsteller mit seinem Verfügungsbegehren zur Unterlassung verlangt hat. Ob möglicherweise die vom Antragsteller vergeblich geforderte Vorlage des Abmahnschreibens der Firma H. es gebieten könnte, der Drittunterwerfungserklärung einen von ihrem Wortlaut abweichenden Erklärungswert beizumessen, kann dahinstehen, weil die Antragsgegnerin es trotz einer entsprechenden Rüge des Antragstellers unterlassen hat, diese Abmahnung der Firma H. vom 06.02.2001 rechtzeitig vorzulegen. Soweit die Antragsgegnerin nach Schluss der mündlichen Verhandlung und nach Verkündung des noch nicht mit Entscheidungsgründen versehenen Urteils das Abmahnschreiben, mit dem im übrigen die mangelnde Endpreisangabe und nicht ein Verstoß gegen das Wohnungsvermittlungsgesetz gerügt wird, zu den Akten gereicht hat, kann sein Inhalt bereits aus prozessualen Gründen keine Berücksichtigung mehr finden.
Ebenso ohne Erfolg beanstandet die Antragsgegnerin die Prozessführungsbefugnis des Antragstellers im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG mit der Begründung, ihm gehöre keine ausreichende Zahl von Immobilienmaklern an, die auf dem selben örtlichen Markt tätig seien. Denn der Antragsteller verfügt ausweislich der zu den Akten gereichten Mitgliederlisten über eine erhebliche Anzahl von Mitgliedern der Immobilienbranche im Gebiet des Oberlandesgerichtsbezirks Köln und auch des Landgerichtsbezirks Bonn. Angesichts des Umstandes, dass Wohnungswechsel auch in größerem Umkreis stattfinden, ist insoweit zumindest auf den Bezirk des Oberlandesgerichts Köln und nicht allein auf das Gebiet der Stadt B. abzustellen. Im Gebiet des OLG-Bezirks Köln verfügt der Antragsteller indes auf der Basis seines unstreitigen Sachvortrags über mehr als 60 Mitglieder der Immobilienbranche und damit über eine mehr als ausreichende Zahl von Mitglieder, die auf dem selben Markt im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG tätig sind. Im übrigen hätte der Senat auch keine Bedenken, den Antragsteller allein deshalb als prozessführungsbefugt anzusehen, weil er nach seinem durch Vorlage einer aktualisierten Mitgliederliste glaubhaft gemachten Sachvortrag allein im Landgerichtsbezirk Bonn über 20 Mitglieder verfügt.
Dass der Antragsteller die gewerblichen Interessen seiner Mitglieder wahrnimmt und hierzu nach seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung tatsächlich in der Lage ist, hat die Antragsgegnerin nicht in Abrede gestellt. Deshalb kommt es im Ergebnis nicht darauf an, dass für Verbände, die ordnungsgemäß gegründet und aktiv tätig sind, hierfür ohnehin eine tatsächliche Vermutung spricht, die der Prozessgegner zu widerlegen hat (ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs; vgl. zuletzt BGH GRUR 2000, 1093, 1095 "Fachverband" mit zahlreichen Nachweisen aus seiner Rechtsprechung und dem juristischen Schrifttum).
Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ist der vorliegende Verstoß gegen § 6 Abs. 2 des Wohnungsvermittlungsgesetzes auch geeignet, den Wettbewerb auf dem einschlägigen Markt wesentlich zu beeinträchtigen, der Antragsteller mithin aus § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG aktivlegitimiert. Nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG kann der Unterlassungsanspruch von rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher Interessen nur dann geltend gemacht werden, wenn der Anspruch eine Handlung betrifft, die geeignet ist, den Wettbewerb auf dem relevanten Markt wesentlich zu beeinträchtigen. Diese Frage bestimmt sich im Einzelfall nach Art und Schwere des jeweiligen Verstoßes und den von ihm zu erwartenden Auswirkungen auf den Wettbewerb. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, zu denen ein besonderes Interesse der Allgemeinheit einschließlich der Verbraucher, eine besondere Anreizwirkung der Werbung für den Umworbenen sowie die Größe des erzielten Wettbewerbsvorsprungs gehören können (vgl. hierzu BGH GRUR 2001, 258, 259 = WRP 2001, 146, 147 "Immobilienpreisangaben"; BGH GRUR 1999, 762, 763 "Herabgesetzte Schlussverkaufspreise"; BGH GRUR 1995, 122, 124 "Laienwerbung für Augenoptiker"; BGH GRUR 1998, 955 f. = WRP 1998, 867 "Flaschenpfand II"; BGH GRUR 1999, 1119, 1121 = WRP 1999, 1159 "RUMMS").
Auf der Basis dieser Kriterien handelt es sich bei dem vorliegenden Wettbewerbsverstoß nicht nur um einen Bagatellverstoß, der für das Wettbewerbsgeschehen insgesamt und auch für die Interessen der Verbraucher allenfalls eine marginale Bedeutung hat und deshalb von der wettbewerbsrechtlichen Verfolgung durch den Antragsteller ausgeschlossen ist. Denn entgegen dem Sinn und Zweck der Bestimmung des § 6 Abs. 2 des Wohnungsvermittlungsgesetzes wird dem angesprochenen Verbraucher die Möglichkeit des Preisvergleichs mit vergleichbaren Immobilienangeboten nicht unerheblich erschwert. Darüber hinaus liegt die Gefahr nahe, dass auch Mitbewerber der Antragsgegnerin zum Zwecke der Förderung ihres eigenen Wettbewerbs dazu übergehen könnten, sich bei der Bewerbung von Immobilien nicht mehr an die Vorschrift des § 6 Abs. 2 des Wohnungsvermittlungsgesetzes zu halten. Der Inhalt der Entscheidung "Immobilienpreisangaben" des Bundesgerichtshofs (BGH, a.a.O.) steht dieser Beurteilung nicht entgegen. Denn in diesem Fall waren lediglich zwei Preisbestandteile nicht zu einem Endpreis zusammengefügt worden, der mögliche Interessent wurde durch die beanstandete Art der Preisangabe nicht irregeführt. Dagegen kann der von der Werbung der Antragsgegnerin angesprochene Interessent der Werbeanzeige der Antragsgegnerin nicht entnehmen, ob für die angebotene 83 m² große Wohnung 2.100,00 DM inklusive oder exklusive Nebenkosten pro Monat zu zahlen sind. Nicht unbeachtliche Teile der von der Werbung angesprochenen Verbraucher werden deshalb in relevanter Weise in die Irre geführt, weil sie in Anbetracht des recht hohen Quadratmeterpreises von mehr als 25,00 DM glauben können, in dem Preis seien Nebenkosten enthalten, zumal die weiter auf sie zukommenden Kosten in Form einer Maklerprovision in der Werbung ausdrücklich ausgewiesen sind. Auch ist offen, ob der angegebene Mietpreis die Kosten für den Tiefgaragenplatz umfasst oder nicht. Jedenfalls wird ein Mietinteressent ohne Anruf bei der Antragsgegnerin nicht feststellen können, ob auf ihn neben der Miete und der Maklerprovision weitere Kosten zukommen. Auch mit Rücksicht auf die bestehende Nachahmungsgefahr liegt die Verfolgung von Verstößen der vorliegenden Art deshalb im Interesse der Allgemeinheit und berechtigt den Antragsteller, das mit dem Verfügungsbegehren angegriffene Verhalten der Antragsgegnerin zu unterbinden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Das Urteil ist gemäß § 545 Abs. 2 Satz 1 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.
OLG Köln:
Urteil v. 07.09.2001
Az: 6 U 129/01
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