Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Beschluss vom 3. September 2003
Aktenzeichen: 20 W 125/03
(OLG Frankfurt am Main: Beschluss v. 03.09.2003, Az.: 20 W 125/03)
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 1.958,71 EUR.
Gründe
Mit Beschluss vom 16. November 1998 wurde für die Betroffene deren Tochter zur Betreuerin mit den Aufgabenkreisen der Gesundheitssorge und der Vermögenssorge mit Ausnahme der Immobilienangelegenheiten und die Antragstellerin als Ergänzungsbetreuerin für den Aufgabenkreis der Immobilienangelegenheiten bestellt. Mit Beschluss vom 15. April 1999 wurde der Aufgabenkreis der Antragstellerin klarstellend wie folgt neu gefasst: "Vertretung der Betroffenen in Immobilienangelegenheiten, soweit die Betreuerin gemäß §§ 181, 1795 BGB von der Vertretung ausgeschlossen ist, insbesondere Prüfung und etwaige Geltendmachung von Rückforderungsansprüchen aus den notariellen Grundstückskaufverträgen betreffend ... in Wiesbaden und ... in Mainz.
Mit Schreiben vom 22. April 2002, bei Gericht eingegangen am 29. April 2002 beantragte die Antragstellerin die Festsetzung der Vergütung für ihre Tätigkeit als Ergänzungsbetreuerin nach einem Gegenstandswert von 1.027.000,-- DM nach § 118 BRAGO in Form einer 5/10-Geschäftsgebühr in Höhe von 3.830,90 DM mit der Begründung, nach Art und Inhalt der von ihr zu erfüllenden Aufgabe habe es sich um eine anwaltliche Tätigkeit gehandelt.
Der Antrag wurde durch amtsgerichtlichen Beschluss vom 21. Januar 2003 zurückgewiesen.
Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragstellerin wies das Landgericht mit Beschluss vom 19. Februar 2003 zurück und führte zur Begründung im wesentlichen aus, nach § 1835 Abs. 3 BGB seien zwar berufsspezifische Dienste, für die im allgemeinen ein Rechtsanwalt als Fachmann entgeltlich herangezogen werde, für einen Betreuer, der zufällig den Beruf eines Rechtsanwalts ausübe, erstattungsfähig. Daran fehle es hier, weil die Antragstellerin gerade wegen ihres Berufes als Rechtsanwältin zur Betreuerin bestellt und nicht im Rahmen einer Prozessvertretung tätig geworden sei.
Die hiergegen gerichtete sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin ist gemäß § 56 g Abs. 5 Satz 2 FGG kraft Zulassung im angefochtenen Beschluss statthaft und auch im übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. In der Sache führt das Rechtsmittel nicht zum Erfolg, da die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO).
Gemäß §§ 1908 i Abs. 1, 1835 Abs. 1 und 3 BGB gelten als Aufwendungen, für die sowohl der ehrenamtlich als auch der berufsmäßig bestellte Betreuer Ersatz verlangen kann, auch solche Dienste, die zu seinem Gewerbe oder seinem Beruf gehören. Für die Auslegung dieser Vorschrift ist zu berücksichtigen, dass die Entschädigungsvorschriften der §§ 1835, 1836 BGB eine strenge Unterscheidung zwischen Aufwendungsersatz und Vergütung treffen und eine Entschädigung des Betreuers für seinen Arbeits- und Zeitaufwand grundsätzlich nur als Vergütung nach § 1836 BGB verlangt werden kann (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 62. Aufl., § 1835 Rn. 2; Münch Komm/Schwab, 13. Bearb., § 1835 Rn. 18 f HK-BUR Bauer/Deinert, § 1835 Rn. 54; Jürgens, Betreuungsrecht, 2. Aufl., § 1835 Rn. 3). Deshalb ist der Aufwendungsersatz nach § 1835 Abs. 3 BGB als Ausnahme anzusehen und nur auf solche Tätigkeiten anzuwenden, die üblicherweise einem darauf spezialisierten Dritten übertragen werden und von dem Betreuer gerade aufgrund seiner Ausbildung als berufsspezifische Dienste selbst erledigt werden können (vgl. BayObLG FamRZ 1998, 1050 und FGPrax 2002, 64; OLG Braunschweig NdsRpfl 2001, 261; RGRK/Dickescheid, BGB, 12. Aufl., § 1835 Rn. 9; Bienwald, a.a.O, vor §§ 65 ff FGG Rn. 100; Staudinger/Engler, BGB, 13. Bearb., § 1835 Rn. 30; Palandt/Diederichsen, a.a.O, § 1835 Rn. 13; Deinert/Lütgens, Die Vergütung des Betreuers, 3. Aufl., S. 77; Soergel/Zimmermann, BGB, 13. Aufl., § 1835 Rn. 21).
Gemäß § 1 Abs 2 S. 1 BRAGO kann ein zum Berufsbetreuer bestellter Rechtsanwalt seine Tätigkeit grundsätzlich nicht auf der Grundlage der BRAGO liquidieren (BGHZ 139, 309/311). Eine Honorierung bestimmter Einzelaufgaben gemäß § 1835 Abs. 3 BGB auf der Grundlage der BRAGO kommt nach § 1 Abs. 2 S. 2 BRAGO jedoch ausnahmsweise in Betracht, wenn deren Erledigung sich als eine für den Beruf des Rechtsanwalts spezifische Tätigkeit im Sinne einer vertieften Befassung mit schwierigen Rechtsfragen darstellt (vgl. BVerfG FamRZ 2000, 345/347; BGHZ 139, 309/312; BayObLG NJW 2002, 1660 und FGPrax 2002, 64; OLG Karlsruhe NJW 2001, 1220; OLG Frankfurt am Main NJW-RR 2001, 1516). Eine derartige berufsspezifische Tätigkeit kommt im Falle der Antragstellerin nicht für ihre gesamte Tätigkeit in Betracht, sondern nur soweit ihr nach der klarstellenden Neufassung der Aufgabenkreise als Teilaufgabe auch die Prüfung und etwaige Geltendmachung von Rückforderungsansprüchen aus den zwei näher bezeichneten notariellen Verträgen oblag.
Hintergrund dieser Aufgabenzuweisung war, dass die Betroffene ihrer Tochter in diesen von ihr im September 1998 genehmigten Verträgen Miteigentumsanteile an zwei Hausgrundstücken gegen Gewährung von Leibrenten übertragen hatte. Da die Betroffene sich hieran in ihrer richterlichen Anhörung vom 05. November 1998 nicht mehr erinnern konnte sowie aufgrund des persönlichen Eindruckes und der vom Sachverständigen gestellten Diagnose eines mittelschweren dementiellen Syndroms und einer Parkinsonerkrankung hatte der die Betreuung anordnende Vormundschaftsrichter Zweifel an der Geschäftsfähigkeit der Betroffenen zum Zeitpunkt der Genehmigung dieser notariellen Verträge und legte den Vorgang dem Landgerichtspräsidenten zur Überprüfung als Dienstaufsichtsbehörde für den beurkundenden Notar vor.
Damit oblag der Antragstellerin auch die Überprüfung des Zustandekommens dieser Notarverträge in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht sowie die etwaige Durchsetzung von Rückforderungsansprüchen. Ob es sich bei diesem Teilbereich der ihr übertragenen Aufgaben um spezifisch rechtsanwaltliche Dienste handelt, bedarf jedoch im vorliegenden Falle keiner abschließenden Entscheidung.
Ein hieraus resultierender und nach den Vorschriften der BRAGO zu bemessender Aufwendungsersatzanspruch ist nämlich jedenfalls gemäß §§ 1908 i Abs. 1, 1835 Abs. 1 Satz 3 BGB erloschen. Hiernach erlöschen Aufwendungsersatzansprüche des Betreuers, wenn sie nicht binnen 15 Monaten nach ihrer Entstehung gerichtlich geltend gemacht werden. Bei § 1835 Abs. 1 S. 3 BGB handelt es sich um eine gesetzliche Ausschlussfrist, die von Amts wegen zu berücksichtigen ist (vgl. hierzu Senatsbeschluss in BtPrax 2001, 261). Die gesetzliche Ausschlussfrist des § 1835 Abs. 1 Satz 3 BGB gilt auch für Ansprüche nach § 1835 Abs. 3 BGB (vgl. Palandt/Diederichsen, a.a.O, § 1835 Rn. 20). Denn nach dieser Vorschrift gelten solche berufsspezifischen Dienste des Betreuers als Aufwendungen. Sie unterliegen damit nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes der für den Aufwendungsersatz des Betreuers vorgesehenen besonderen Ausschlussfrist des § 1835 Abs. 1 Satz 3 BGB. Diese Ausschlussfrist stellt zugleich eine spezialgesetzliche Regelung gegenüber der allgemeinen Regelung der Verjährung in § 195 BGB dar, die dieser vorgeht (a.A. zur alten Verjährungsregelung nach § 196 Abs. 1 Ziffer 8 und 15 noch Zimmermann FamRZ 1999, 630). Anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Antragstellerin zitierten Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts (FamRZ 2001, 1642 = BtPrax 2001, 22), da diese sich auf einen Aufwendungsersatzanspruch für die Zeit vor dem Inkrafttreten des BtÄndG am 1. Januar 1999 bezog, für welchen die mit diesem Gesetz neu eingeführte Ausschlussfrist des § 1835 Abs. 1 Satz 3 BGB noch nicht gilt. Die der Einführung der Ausschlussfristen in den §§ 1835 Abs. 1 Satz 3, 1836 Abs. 2 Satz 4 BGB zugrunde liegende gesetzgeberische Intention des BtÄndG, auf eine zeitnahe Abrechnung des Betreuers zur Verhinderung des Auflaufens hoher Beträge hinzuwirken (vgl. BT-Drucks. 13/7158 S. 22f), bezieht sich auf sämtliche Ansprüche des Betreuers und damit auch auf den Aufwendungsersatz für geleistete berufsspezifische Dienste.
Im vorliegenden Falle ist es zu einer Geltendmachung von Rückforderungsansprüchen aus den beiden genannten notariellen Verträgen nicht gekommen. Die rechtliche Prüfung diesbezüglicher Ansprüche wurde bereits im Laufe des Jahres 2000 abgeschlossen. Nach eigenen Angaben beschäftigte sich die Antragstellerin zur Überprüfung dieser Ansprüche mit der Rechtsprechung zu den entsprechenden Vorschriften, studierte die Akten und führte mehrere Gespräche mit der zur Betreuerin bestellten Tochter der Betroffenen sowie dem beurkundenden Notar. Des weiteren unterzog sie die notariellen Verträge einer Prüfung und holte eine Stellungnahme des beurkundenden Notars ein. Diese Tätigkeiten wurden von der Antragstellerin ausweislich des Akteninhaltes und ihres Tätigkeitsnachweises in den Jahren 1999 und 2000 erbracht. So ergibt sich aus dem Bericht der Antragstellerin an das Vormundschaftsgericht vom 20. September 1999 (Bl. 171 - 173 d.A.), dass sie bereits im Jahre 1999 ein längeres Gespräch mit dem Notar über die Umstände der Beurkundung und die Problematik der Geschäftsfähigkeit der Betroffenen geführt hatte und auch dessen schriftliche Stellungnahme in dem vom Landgerichtspräsidenten eingeleiteten Dienstaufsichtsverfahren erhalten hatte. Zwar teilte die Antragstellerin dem Vormundschaftsgericht in einem Schreiben vom 31. Januar 2000 (Bl. 182 d.A.) mit, die Rechtswirksamkeit der notariellen Grundstücksverträge sei noch ungeklärt und das gegen den Notar eingeleitete Dienstaufsichtsverfahren nach ihrer Kenntnis noch nicht beendet. Durch das Schreiben des Notars vom 15. Februar 2000 (Bl. 188 d.A.) wurde die Antragstellerin jedoch zutreffend darüber informiert, dass der Präsident des Landgerichts bereits mit Verfügung vom 07. Oktober 1999 das dienstaufsichtliche Verfahren ohne Einleitung von Maßnahmen abgeschlossen hatte. Sodann kam es am 30. August 2000 zur notariellen Beurkundung eines Grundstücksübertragungsvertrages zur Erfüllung eines Vermächtnisses des vorverstorbenen Ehemannes der Betroffenen an die Tochter. Bereits im Vorfeld dieser Beurkundung war die Antragstellerin ersichtlich in Übereinstimmung mit der rechtlichen Einschätzung des Landgerichtspräsidenten im dienstaufsichtlichen Verfahren im Rahmen ihrer Überprüfung zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Geltendmachung von Rückforderungsansprüchen nicht erfolgversprechend war und deshalb auch unterblieb. Bereits die Mitwirkung an dieser Beurkundung sowie die nachfolgenden Tätigkeiten der Antragstellerin bezogen sich nicht mehr auf die Prüfung und eventuelle Geltendmachung von Rückforderungsansprüchen aus den beiden notariellen Verträgen betreffend die Grundstücke Herderstraße 5 und die Rheinallee 13, sondern erfolgten im allgemeinem Aufgabenkreis der Vertretung in Immobilienangelegenheiten, soweit die Tochter als Betreuerin gemäß §§ 181, 1795 BGB von der Vertretung der Betroffenen ausgeschlossen war. Hierbei handelt es sich jedoch eindeutig nicht um rechtsanwaltsspezifische Tätigkeiten, die nach § 1835 Abs. 3 BGB abgerechnet werden könnten, sondern um normale Betreuertätigkeiten, die nach § 1836 BGB nach Zeitaufwand zu vergüten sind.
Der Antrag der Antragstellerin vom 22. April 2002, mit welchem sie eine Honorierung ihrer Tätigkeit nach der BRAGO beanspruchte, ging am 29. April 2002 beim Vormundschaftsgericht ein. Damit waren nach der gesetzlichen Ausschlussfrist des § 1835 Abs. 1 Satz 3 BGB sämtliche Aufwendungsersatzansprüche, die vor dem 29. Januar 2001 entstanden waren, erloschen. Dies gilt auch für einen eventuellen Aufwendungsersatzanspruch der Antragstellerin nach der BRAGO im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Prüfung etwaiger Rückforderungsansprüche aus den beiden näher bezeichneten notariellen Verträgen, da diese Überprüfung bereits im Jahre 2000 erledigt und diese Angelegenheit damit beendigt war (vgl. § 16 Satz 1 BRAGO).
Die sofortige weitere Beschwerde war deshalb zurückzuweisen.
Von einer Beteiligung der früheren Betreuerin und jetzigen Erbin am hiesigen Verfahren konnte im Hinblick auf den Verfahrensausgang Abstand genommen werden.
Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO.
OLG Frankfurt am Main:
Beschluss v. 03.09.2003
Az: 20 W 125/03
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