Verwaltungsgericht Köln:
Beschluss vom 10. Mai 2010
Aktenzeichen: 1 L 186/10
(VG Köln: Beschluss v. 10.05.2010, Az.: 1 L 186/10)
Tenor
1. Die Anträge werden abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Der gemäß § 80 Abs. 5 VwGO, § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 137 Abs. 1 TKG statthafte und zulässige Hauptantrag,
die aufschiebende Wirkung des am 12. Februar 2010 gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 28. Januar 2010 eingelegten Widerspruchs und einer eventuell anschließenden Anfechtungsklage anzuordnen,
ist unbegründet.
Die gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der angefochtenen Entscheidung und dem Interesse der Antragstellerin, von der Vollziehung vorerst verschont zu bleiben, fällt zu Lasten der Antragstellerin aus. Dabei ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass ihr Widerspruch voraussichtlich ohne Erfolg bleibt, weil sich der angegriffene Bescheid vom 28. Januar 2010 voraussichtlich als rechtmäßig erweisen wird.
Der Bescheid ist nicht bereits wegen unzureichender Anhörung (§ 28 VwVfG) in formeller Hinsicht zu beanstanden. Die Antragstellerin weist zwar zutreffend darauf hin, dass die dem Bescheid zugrunde gelegten tatsächlichen und rechtlichen Umstände in dem Anhörungsschreiben vom 12. November 2009 nicht oder nicht im vollen Umfang - etwa hinsichtlich der Voraussetzungen eines sogenannten Unternehmensverbundes - angesprochen worden sind. In der Anhörung wird lediglich darauf hingewiesen, dass die Zuteilung wegen verspäteter Antragsstellung erloschen sei. Dieser etwaige Mangel gilt jedoch nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG als geheilt, weil die Antragstellerin nach Erlass der Verfügung in ihrer Widerspruchs- und in der Antragsbegründung im vorliegenden Verfahren umfassend zu den von der Antragsgegnerin verfügten Maßnahmen hat Stellung nehmen können und die Antragsgegnerin ihrerseits die von der Antragstellerin vorgetragenen Argumente aufgegriffen und ernsthaft in Erwägung gezogen hat, auch wenn diese die Antragsgegnerin nicht zur Aufhebung ihrer Verfügung haben veranlassen können.
Vgl. zur Heilungsmöglichkeit im Widerspruchsverfahren: BVerwG, Urteile vom 17. August 1982 - 1 C 22.81 - und vom 14. Oktober 1982 - 3 C 46.81 - BVerwGE 66, 184 ff und 111 ff und VG Köln, Beschluss vom 27. Januar 2010 - 1 L 1922/09 - n.V. .
Die Verfügung vom 28. Januar 2010 ist im Ergebnis auch materiell rechtmäßig.
Bedenken bestehen allerdings, weil die Antragsgegnerin ihre Entscheidungen unmittelbar auf Vorschriften der Telekommunikations-Nummerierungsverordnung - TNV - stützt, die lediglich Verordnungsrang besitzen und keine Ermächtigung für Maßnahmen der hier streitigen Art enthalten.
Rechtsgrundlage der Verfügung vom 28. Januar 2010 ist § 67 Abs. 1 Satz 5 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) i. d. F. des Gesetzes zur Ànderung telekommunikationsrechtlicher Vorschriften vom 18. Februar 2007 (BGBl. I S. 106). Danach soll die Bundesnetzagentur im Falle der gesicherten Kenntnis von der rechtswidrigen Nutzung einer Rufnummer gegenüber dem Netzbetreiber, in dessen Netz die Nummer geschaltet ist, die Abschaltung der Rufnummer anordnen.
Die Voraussetzungen des § 67 Abs. 1 Satz 5 TKG liegen vor. Es besteht gesicherte Kenntnis von der rechtswidrigen Rufnummernutzung, weil die Antragstellerin keine Inhaberin der Rufnummer 00000 mehr ist, sodass sie sie nicht weiter verwenden darf.
Die hier in Streit stehende Rufnummer 00000 gehört zu den sogenannten Auskunftsnummern und Rufnummern für Vermittlungsdienste, die als Rufnummern im Sinne des § 3 Nr. 18 TKG gelten und der Nummernverwaltung durch die Bundesnetzagentur unterstehen. Sie wird von ihr nach § 66 Abs. 1 Satz 3 TKG zugeteilt und überwacht. Die näheren Vorschriften über die Zuteilung von Rufnummern sind in erster Linie der seit dem 15. Februar 2008 (vgl. § 13 TNV) geltenden Telekommunikations-Nummerierungsverordnung und im hier streitigen Fall der Rufnummer "00000" dem Nummernplan Auskunftsnummern und Rufnummern für Vermittlungsdienste - Nummernplan - (Verfügung Nr. 30/2009, Amtsblatt 15/2009, Seite 2982) zu entnehmen. Mit diesen Regelungen hat die Antragsgegnerin den ihr nach § 66 Abs. 1 TKG eingeräumten Ermessensspielraum im Hinblick auf die Auskunftsnummern und Rufnummern für Vermittlungsdienste ausgestaltet. In Verbindung mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG wirken diese Regelungen als normenkonkretisierende Vorschriften und bewirken eine Selbstbindung der Antragsgegnerin bei der Nummernverwaltung.
Die von der Antragstellerin beanspruchte Zuteilung der Rufnummer ist nach § 4 Abs. 6 TNV erloschen. Nach dieser Vorschrift hat derjenige bei der Antragsgegnerin unverzüglich schriftlich die Bestätigung der Zuteilung sowie deren Berichtigung zu beantragen, der durch Rechtsnachfolge Inhaber einer direkten oder originären Zuteilung von Nummern wird (Satz 1). Wird der Antrag auf Bestätigung der Zuteilung unverzüglich gestellt, dürfen die Nummern vorläufig bis zur Entscheidung der Bundesnetzagentur weiter genutzt werden (Satz 6). Andernfalls erlischt die Zuteilung (Satz 7). Dieser Erlöschenstatbestand ist erfüllt.
Die Antragstellerin hat nicht selbst die Rufnummer 00000 zugeteilt erhalten. Die Zuteilung erfolgte mit Bescheid vom 08. Mai 2003 an die D. D1. B. GmbH, die zur D2. gmbH umfirmierte und die Rufnummer später mit bestandskräftiger Genehmigung der Antragsgegnerin vom 10. Januar 2005 auf die 00000 B1. T. GmbH übertragen hatte. Diese Genehmigung der Óbertragung beruhte auf Ziffer 6.1 b) der Vorläufigen Regeln über die Zuteilung von Rufnummern für Auskunftsdienste (Amtsblatt Nr. 8/1997, Vfg. 61/1997 in der Fassung der Ànderung Amtsblatt Nr. 24/1998, Vfg. 143/1998). Die wirtschaftliche Óbernahme der 00000 B1. T. GmbH im Jahr 2007 durch den Erwerb ihrer Geschäftsanteile bewirkte nach den damals geltenden Regeln keinen Óbergang der Zuteilung auf die erwerbende Antragstellerin, zumal die Rechtspersönlichkeit der 00000 B1. T. GmbH gewahrt blieb und es an der sonst erforderlichen Genehmigung des Óbergangs fehlt (vgl. Ziffer 6.1 b) der Vorläufigen Regeln). Die Nutzungsbedingungen für die zugeteilte Nummer wurden durch die vollziehbare Verfügung 62/2008 in der Fassung der Verfügung 63/2008 (beide: Amtsblatt 22/2008, Seiten 3467 ff) ersetzt, diese wiederum durch die ebenfalls vollziehbaren Verfügungen Nr. 30 und 31/2009 (Amtsblatt 15/2009, Seiten 2982 ff). Diese Regelwerke sehen einen Óbergang der Zuteilung insbesondere für den Fall des Erwerbs der Geschäftsanteile eines Zuteilungsinhabers nicht vor. Die Óbertragung zugeteilter Rufnummern wurde vielmehr seit dem 15. Februar 2008 nur noch durch die Telekommunikations-Nummerierungsverordnung geregelt.
Da die rechtsgeschäftliche Weitergabe von Zuteilungen allein nach § 4 Abs. 5 und Abs. 2 Nr. 3 TNV zulässig ist, diese Voraussetzungen aber ersichtlich nicht gegeben sind, kann die Antragstellerin die Zuteilung allenfalls im Wege der Rechtsnachfolge erworben haben. Als Rechtsnachfolge im Sinne der Telekommunikations-Nummerierungsverordnung gelten neben der Nachfolge von Todes wegen insbesondere der Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung an einem Unternehmen, die Verschmelzung, die Spaltung, die Vermögensübertragung oder der Formwechsel, § 4 Abs. 6 Satz 5 TNV. Unbeschadet der Frage, ob die Antragstellerin den 2007 erfolgten Erwerb der 00000 B1. T. GmbH nach In-Kraft-Treten der Telekommunikations-Nummerierungsverordnung unverzüglich hätte anzeigen müssen, erfolgte die Rechtsnachfolge durch Verschmelzung der Gesellschaften der Antragstellerin und der 00000 B1. T. GmbH jedenfalls am 23. Juli 2009. Unter diesem Datum erfolgte die Zustimmung der Gesellschafter zu dem am gleichen Tag abgeschlossenen Verschmelzungsvertrag (vgl. § 13 Umwandlungsgesetz - UmwG -). Die streitige Zuteilung ist in der Folgezeit erloschen, weil kein unverzüglicher Antrag auf Bestätigung der Zuteilung gestellt worden ist. Dies gilt ebenfalls, soweit man auf den 06. Oktober 2009 als Zeitpunkt der Verschmelzung abstellen wollte. An diesem Tag wurde die bereits erfolgte Verschmelzung in das Handelsregister eingetragen, sodass die Rechte des übertragenden Unternehmens als übergegangen galten, § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG.
Demnach hätte ohne schuldhaftes Zögern bereits im Juli oder August 2009 ein Antrag gestellt werden müssen, woran es fehlt. Auch das an die Antragsgegnerin gerichtete Schreiben der Antragstellerin vom 23. Oktober 2009 kann nicht als ein solcher Antrag ausgelegt werden. Denn es enthält - unter Beifügung des aktuellen Handelsregisterauszugs - lediglich die Mitteilung der vollzogenen Verschmelzung, ohne dass die Zuteilung der Rufnummer angesprochen worden wäre. Die spätere Einlassung der Antragstellerin, dass sie ihre Absicht zur weiteren Nutzung der Nummer in diesem Schreiben konkludent erklärt habe, verfängt nicht. Aus Sicht eines objektiven Dritten kann die erfolgte Anzeige mit Blick auf den Regelungsgehalt des § 4 Abs. 6 TNV auch dahingehend verstanden werden, dass die Nutzung der Nummer demnächst auslaufen werde oder sich die Antragstellerin über die weitere Zuteilung noch äußern werde. Dies ist erst mit rechtsanwaltlichem Schreiben vom 07. Dezember 2009 - eingegangen am 09. Dezember 2009 - geschehen, und dies auch nur "lediglich vorsorglich und hilfsweise". Denn die Antragsgegnerin hatte die Antragstellerin unter dem 12. November 2009 darauf hingewiesen, dass kein unverzüglicher Antrag auf Bestätigung vorliege, und um Stellungnahme gebeten. In dieser Situation wäre es allenfalls noch als unverzüglich zu bewerten gewesen, wenn die Antragstellerin den Antrag umgehend nach Erhalt des Schreibens am 13. November 2009 gestellt hätte. Dies ist unterblieben, sodass die Zuteilung erloschen ist.
Die getroffene Entscheidung ist auch sonst rechtmäßig und leidet insbesondere nicht unter Ermessensfehlern. Liegen die Voraussetzungen des § 67 Abs. 1 Satz 5 TKG vor, soll die Abschaltung der Rufnummer angeordnet werden. Auch mit Blick auf die ratio legis von § 67 Abs. 1 TKG, Verstöße bei der Nummernnutzung wegen des Verbraucher- und Kundenschutzes effektiv verfolgen zu können,
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. September 2008 - 13 B 1329/08 -sowie Gesetzesentwurf der Bundesregierung zu einem Telekommunikationsgesetz, BT-Drucks. 15/2316 S. 83 und Stellungnahme des Bundesrats vom 19. Dezember 2003, BT-Drucks. 15/2316 S. 119,
hat der Gesetzgeber mit der Fassung des § 67 Abs.1 Satz 5 TKG das Ermessen der Bundesnetznetzagentur bei der Abschaltung von Rufnummern als Soll-Vorschrift gefasst. Dies bedeutet, dass die Behörde im Regelfall die Abschaltung anzuordnen hat.
Ein Abweichen von diesem Grundsatz ist ihr daher nur in einem atypischen Fall gestattet, der hier bei summarischer Prüfung nicht erkennbar und für den nichts vorgetragen ist. Auch aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ist ein Absehen von der regelhaft zu erfolgenden Abschaltung der Rufnummern nicht geboten.
Der Hilfsantrag,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu verpflichten, der Antragstellerin die Zuteilung der Auskunftsnummer zu bestätigen und die Zuteilung zu berichtigen,
ist unbegründet. Denn die Zuteilung der Rufnummer ist aus den oben genannten Gründen erloschen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 1 und 2, 52 Abs. 1 GKG. Wegen dem maßgebenden wirtschaftlichen Interesse der Antragstellerin an der Nutzung der Rufnummer 11899 hat die Kammer einen Wert von 10.000 EUR angenommen, der jeweils für den Haupt- und den Hilfsantrag in Ansatz kam. Nach § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG war der Hilfsantrag wertmäßig zu berücksichtigen, weil über ihn zu entscheiden war. Der so ermittelte Wert wurde im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes halbiert.
VG Köln:
Beschluss v. 10.05.2010
Az: 1 L 186/10
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