Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. Mai 2005
Aktenzeichen: 32 W (pat) 96/03
(BPatG: Beschluss v. 11.05.2005, Az.: 32 W (pat) 96/03)
Tenor
Die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 22. August 2002 sowie vom 14. Januar 2003 werden insoweit aufgehoben, als der angemeldeten Marke der Schutz für "Vermittlung von Beherbergung und Verpflegung von Gästen in Hotels und Restaurants; Durchführung von Konferenzen, Tagungen und Seminaren, Lehrgängen, Symposien, kulturelle Ausstellungen" versagt wurde.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die am 24. Mai 2000 für zahlreiche Waren und Dienstleistungen unterschiedlicher Klassen angemeldete Wortfolge Radio Thüringenhat die Markenstelle für Klasse 41 mit Beschluss vom 22. August 2001 ganz und mit Erinnerungsbeschluss vom 14. Januar 2003 noch hinsichtlich folgender Waren und Dienstleistungen mangels Unterscheidungskraft zurückgewiesen:
bespielte, mechanische, magnetische, magnetooptische, optische und elektronische Träger für Ton und/oder Bild und/oder Daten; Datenbankprogramme; Computer-Software; netzwerkunterstützende Computer-Software (Netware); Firmware; Veranstaltung von Hörfunksendungen/-programmen; Verbreitung, Verteilung und Weiterleitungen von Hörfunk-, Telekommunikations- und Informationssignalen über kabelfreie und/oder kabelgebundene digitale und analoge Netze, auch im Online- und Offline-Betrieb sowie mittels Computer; Veranstaltung und Betrieb von interaktiven elektronischen Mediendiensten; Sammeln und Liefern von Nachrichten; Betrieb von Datenbanken; Tonproduktion; Musikdarbietungen; Veröffentlichung und Herausgabe von elektronisch wiedergebbaren Text-, Grafik-, Bild und Toninformationen, die über Datennetze abrufbar sind; Veröffentlichung und Herausgabe von Druckereierzeugnissen; Durchführung von Konzert-, Theater- und Unterhaltungsveranstaltungen, von Konferenzen, Tagungen, Seminaren, Lehrgängen, Symposien, kulturelle Ausstellungen und Vorträgen; Veranstaltung von Sportwettbewerben; Entwickeln und Vermittlung und Vermietung von Zugriffszeiten auf Datenbanken; Vermittlung von Beherbergung und Verpflegung von Gästen in Hotels und Restaurants; Erstellen von Computerprogrammen und Grafiken.
Der Anmelder hat gegen die Zurückweisung Beschwerde eingelegt und dazu vorgetragen, mehr als 59,3 % der Verbraucher ordneten "Radio Thüringen" einem öffentlichrechtlichen Unternehmen mit Sitz in Thüringen zu, wie die vorgelegte Untersuchung belege. Sie habe einen Marktanteil von 24 %. Entsprechende Marken seien auch eingetragen worden.
Er beantragt sinngemäß, den Beschluss vom 14. Januar 2003 aufzuheben und die Marke einzutragen.
Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Amtsakten verwiesen.
II.
1) Die Beschwerde des Anmelders ist zulässig, jedoch in der Sache nur teilweise erfolgreich.
a) Einer Registrierung der als Marke angemeldeten Wortfolge steht für die noch strittigen Waren und Dienstleistungen mit Ausnahme der im Tenor genannten Dienstleistungen aus dem Reise- und Veranstaltungsbereich das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen.
Danach sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche im Verkehr u.a. zur Bezeichnung der Art, der Bestimmung, der geographischen Herkunft oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale dienen können (vgl. BGH GRUR 2002, 64 - INDIVIDUELLE).
In Verbindung mit der geographischen Angabe "Thüringen" beschreibt das Wort "Radio" nicht ein Empfangsgerät für Rundfunksendungen, sondern den Sender bzw. Veranstalter von Rundfunk- und Fernsehprogrammen. Dies ist unabhängig davon, ob diese als öffentlichrechtliche Anstalten verfasst oder privatrechtlich organisiert sind. "Radio Thüringen" bezeichnet einen Sender, der in dem Bundesland Thüringen angesiedelt ist und/oder ein Hörfunk- oder Fernsehprogramm ausstrahlt, welches - zumindest hinsichtlich seines Informationsteils - vorwiegend für Bewohner und Gäste dieser Region von Interesse ist.
Dass es mehrere Sender geben kann, die in Thüringen ihren Sitz haben und/oder sich thematisch so ausrichten, liegt im Zuge der Regionalisierung und Privatisierung nahe. Thüringen ist ein Bundesland mit einer beträchtlichen Zahl von ständigen Bewohnern sowie ein beliebtes Reiseziel, das Besucher aus ganz Deutschland und darüber hinaus aufsuchen. Weimar, Jena und andere Städte sowie Wandergebiete (z.B. der Rennsteig) sind touristische Anziehungspunkte.
Die Eignung der angemeldeten Wortfolge, in Verbindung mit den versagten Waren und Dienstleistungen deren Art, Bestimmung und geographische Ausrichtung bzw. Verbreitung zu beschreiben, entfiele nicht einmal bei einer derzeit fehlenden Konkurrenzsituation. Das durch § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG geschützte Allgemeininteresse an der Freihaltung einer solchen Bezeichnung besteht unabhängig davon, ob aktuell Mitbewerber des Anmelders vorhanden sind, wenn - wie hier - nicht ausgeschlossen werden kann, dass solche in Zukunft in Erscheinung treten werden.
b) Die Regelung des § 23 Nr. 2 MarkenG ist nicht geeignet, ein vorhandenes Eintragungshindernis i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 zu relativieren (Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl., § 23 Rdnr. 23 m.w.Nachw.). Der Regelungsgehalt beider Bestimmungen ist nämlich ein unterschiedlicher. Schutzzweck des Eintragungsverbots nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist es, bereits im Registerverfahren die Entstehung von Fehlmonopolisierungen bei beschreibenden Angaben zu verhindern. § 23 Nr. 2 MarkenG stellt demgegenüber eine zusätzliche Sicherung der Mitbewerber bei der Verwendung derartiger beschreibender Angaben dar. Die negativen Folgen einer etwaigen Fehleintragung sollen abgemildert werden, die Regelung stellt aber keine Rechtfertigung dafür dar, die gebotene gründliche und umfassende Prüfung der Schutzhindernisse im Registrierungsverfahren zu beschränken (vgl. Ströbele/Hacker, aaO, § 8 Rdnr. 246).
c) Für die im Tenor von der Versagung des Markenschutzes ausgenommenen Dienstleistungen eines Reisebüros bzw. Veranstaltungsdienstleisters entbehrt "Radio Thüringen" nicht jeglicher Unterscheidungskraft. Unter dieser versteht man die einer Marke innewohnende konkrete Eignung als Unterscheidungsmittel für die erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen. Bei der Beurteilung ist grundsätzlich ein großzügiger Maßstab anzulegen. Hat eine Marke keinen für die fraglichen Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt und handelt es sich bei ihr auch sonst nicht um gebräuchliche Begriffe der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache, welche die Verbraucher - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstehen, so fehlt ihr nicht jegliche Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft (st. Rspr.; vgl. BGH BlPMZ 2002, 85 - INDIVIDUELLE).
2) Der Senat sieht keine Möglichkeit, hinsichtlich der streitbefangenen Waren und Dienstleistungen weiter als im Tenor ausgeführt zu differenzieren.
a) Nur die Vermittlung von Beherbergung und Verpflegung von Gästen in Hotels und Restaurants, die Durchführung von Konferenzen, Tagungen und Seminaren, Lehrgängen, Symposien und kulturellen Ausstellungen sind keine Tätigkeiten von Sendern, auch regional ausgerichteten, die mit "Radio Thüringen" beschrieben werden.
b) Datenbankprogramme und andere Software können dagegen Inhalte von Rundfunk- und Fernsehinformationen zugänglich machen und daher mit "Radio Thüringen" ebenso beschrieben werden wie die Programme, die als Quelle dienen. Viele Sender bieten ihre Nachrichten, Wetterberichte etc. nämlich neben der Ausstrahlung zusätzlich im Internet, über Videotext oder auf entsprechenden Wegen an. Die Realisierung solcher Angebote, die Erstellung von Software dafür und der Betrieb von Informationssystemen sind davon nicht zu differenzieren. Gleiches gilt für Mediendienste und Veröffentlichung von Informationen auf allen möglichen Wegen etc.
Die Durchführung von Konzert-, Theater- und Unterhaltungsveranstaltungen sowie Vorträgen gehört zum Tätigkeitsbereich von Sendern, die darüber live oder per Aufzeichnung berichten. Entsprechendes gilt für die Veranstaltung von Sportwettbewerben, die Sender zusammen mit Open-Air-Konzerten oder anderem kulturellen Beiprogramm veranstalten und über den Wettbewerb sowie das Rahmenprogramm berichten (BR-Radltour, Pistenparties etc.).
3) Verkehrsdurchsetzung gemäß § 8 Abs. 3 MarkenG kann der Senat nicht feststellen. Dass 59,3 % der Verbraucher Bezeichnungen mit dem Namen eines Bundeslandes einem öffentlichrechtlichen Sender mit Sitz in dem betreffenden Bundesland zuordnen, sagt nichts über eine markenmäßige Zuordnung von "Radio Thüringen" zu dem Unternehmen des Anmelders aus. Der Marktanteil von 24 % ist für "MDR 1 Radio Thüringen" und nicht für "Radio Thüringen" belegt.
4) Soweit sich der Anmelder auf Eintragungen von entsprechenden Marken für Dritte beruft, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung, weil selbst Eintragungen gleicher Marken nicht zu einer Bindung führen (vgl. BGH BlPMZ 1989, 192 - KSÜD); die Eintragung ist keine Ermessensentscheidung. Im Übrigen liegen den Entscheidungen zum Teil deutlich unterschiedliche Sachverhalte zu Grunde. So bezieht sich "Radio Preußen" (BPatG Beschluss vom 1. Februar 1995, Az: 29 W (pat) 17/93) auf einen nicht mehr existierenden Staat und "Radio Donau" auf ein nicht genau definierbares, großes Gebiet (Beschluss vom 25. Oktober 1989, Az: 29 W (pat) 420/88).
Viereck Richter Kruppa ist wegen Urlaubs an der Unterschrift verhindert.
Viereck Dr. Albrecht Hu
BPatG:
Beschluss v. 11.05.2005
Az: 32 W (pat) 96/03
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