Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. Februar 2007
Aktenzeichen: 28 W (pat) 2/02

(BPatG: Beschluss v. 22.02.2007, Az.: 28 W (pat) 2/02)

Tenor

Auf die Beschwerde der Löschungsantragstellerin wird der Beschluss der Markenabteilung 3.4. vom 18. Oktober 2001 aufgehoben.

Die Marke 1 034 262 wird im Register gelöscht.

Gründe

I.

Beim Deutschen Patentamt ist am 8. Juni 1982 unter der Nummer 1 034 262 die Bildmarke Grafik der Marke 1034262 für die Waren

"Rasierapparate; Einzelteile der genannten Waren, soweit in Klasse 8 enthalten"

aufgrund von Verkehrsdurchsetzung eingetragen worden.

Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 6. Dezember 2000 nach § 50 Abs. 1 MarkenG die Löschung der Marke beantragt und dies insbesondere damit begründet, dass es sich bei der angegriffenen Marke um die bloße Wiedergabe eines Produktteiles der beanspruchten Waren handle. Da ihre wesentlichen Gestaltungselemente ausschließlich technisch bedingt seien, sei die Marke entgegen § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG eingetragen worden und damit löschungsreif, ohne dass es auf mögliche Formalternativen zur angestrebten technischen Wirkung ankomme.

Die Markeninhaberin hat dem Löschungsantrag rechtzeitig widersprochen und ausgeführt, der Ausschlussgrund des § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sei nur auf dreidimensionale Marken anwendbar. Absolute Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG könnten der Marke aufgrund § 50 Abs. 2 S. 2 MarkenG wegen Ablaufs der 10-Jahres-Frist nicht mehr entgegengehalten werden.

Die Markenabteilung 3.4. des Deutschen Patent- und Markenamtes hat den Löschungsantrag zurückgewiesen, da die angegriffene Bildmarke keine Form aufweise, die ausschließlich zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich sei. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Beschwerde hat das Bundespatentgericht aus Rechtsgründen zurückgewiesen, da ein § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entsprechender Tatbestand dem alten Warenzeichengesetz fremd gewesen sei und damit bezogen auf den Eintragungszeitpunkt der geltend gemachte Löschungsgrund nach altem Recht nicht die Zeichenfähigkeit als solche, sondern lediglich die konkrete Unterscheidungskraft betreffe, die durch Verkehrsdurchsetzung überwunden sei.

Auf die zugelassene Rechtsbeschwerde der Löschungsantragstellerin hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 17. November 2005 die patentgerichtliche Entscheidung aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen (BGH GRUR 2006, 588 - Scherkopf). Nach Auffassung des BGH sei auch unter der Geltung des Warenzeichengesetzes ein Warenzeichenschutz an Merkmalen, die das Wesen einer Ware bestimmten, grundsätzlich ausgeschlossen gewesen, so dass Abbildungen der Ware oder von Warenteilen auch damals schon der Zeichencharakter selbst dann gefehlt habe, wenn sie Verkehrsgeltung erlangt hätten. Sollte der Streitmarke wegen technischer Bedingtheit der abgebildeten Gestaltungsmerkmale zum Eintragungszeitpunkt das Schutzhindernis der Zeichenunfähigkeit i. S. v. § 1 WZG entgegengestanden haben, könne sich die Markeninhaberin weder auf einen Bestands- oder Vertrauensschutz berufen, noch dem Löschungsbegehren sonstige auf Verfristung oder Verwirkung gestützte Einwände entgegenhalten.

Die Beschwerdeführerin und Löschungsantragstellerin hat im Zuge des fortgeführten Beschwerdeverfahrens weiter ausgeführt, dass sich die Technizität der wesentlichen Gestaltungselemente des angegriffenen Zeichens bereits dadurch ergebe, dass diese sämtlich in verschiedenen Patent- und Offenlegungsschriften als kennzeichnende Anspruchsmerkmale nachweisbar seien.

Die Beschwerdegegnerin hat ihren Antrag auf Zurückweisung der Beschwerde aufrechterhalten. Sie hält nach wie vor die Ausführungen der Markenabteilung und des Senates für zutreffend, zumal die wesentlichen Merkmale der angegriffenen Marke ohnehin weder als ausschließlich funktionell bedingt angesehen werden könnten noch durch die Art der Ware vorgegeben seien. Die Schutzfähigkeit als Marke werde durch verschiedene Designelemente begründet, für die es zahlreiche Formalternativen gegeben habe und gebe. Eine angebliche Technizität der Formelemente könne auch nicht aus Patentschriften hergeleitet werden, denn weder die Drei-Scherkopf-Form noch die Gestaltung der abgerundeten dreieckigen Trägerplatte oder ihre Umrandung seien jemals Gegenstand von Patenten gewesen.

Hilfsweise regt die Markeninhaberin die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens an sowie die erneute Zulassung der Rechtsbeschwerde und für den Fall der Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde die Vorlage der Sache an den Europäischen Gerichtshof.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig und auch begründet, da der angegriffenen Marke sowohl nach den zum Eintragungszeitpunkt geltenden Vorschriften des WZG als auch nach den im Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag maßgeblichen Bestimmungen des MarkenG das Schutzhindernis der technisch bedingten Form entgegenstand bzw. entgegensteht (§§ 162 Abs. 2, 50 Abs. 2, i. V. m. 1 WZG, 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG).

Die angegriffene Bildmarke zeigt die naturgetreue zeichnerische Wiedergabe der Schereinheit eines Rasierapparates und damit einen Teil der beanspruchten Rasierapparate bzw. die darüber hinaus beanspruchten Einzelteile und insoweit die beanspruchten Waren selbst. Die bildliche Darstellung der einzelnen Gestaltungsmerkmale in der angegriffenen Marke weist dabei keinerlei grafische Verfremdung auf, sondern ist derart naturgetreu und detailgenau gehalten, dass sie ohne weiteres als realistische Warendarstellung zu erkennen ist. Die abgebildete Schereinheit besteht in ihren wesentlichen Merkmalen aus einer sockelartigen, dreieckigen Trägerplatte mit abgerundeten Ecken, auf der drei mit kreisförmig angeordneten Schlitzen versehene Scherköpfe in Form eines gleichseitigen Dreiecks angebracht sind. Am oberen Rand der Trägerplatte befindet sich ein umlaufender Spannring. Nach umfassender Würdigung aller vorgelegten Unterlagen, einschließlich der von den Verfahrensbeteiligten zu den Akten gereichten Parteigutachten, steht für den Senat die technische Funktionalität dieser Merkmale außer Zweifel. Die betreffenden Gestaltungselemente waren für den Gebrauchszweck der beanspruchten Waren - nämlich eine angenehme und gründliche Rasur zu ermöglichen - von entscheidender Bedeutung und vermittelten den fraglichen Waren damit die für die Nachfrage der angesprochenen Verkehrskreise maßgebliche Eigenart. Solche Gestaltungsmittel und ihre naturgetreue Abbildung betrafen aber nach der Rechtsprechung zum WZG das Wesen der Ware selbst (vgl. BGH GRUR 1977, 602, 606 - Trockenrasierer) und waren nach § 1 WZG nicht zeichenfähig, wobei es auf mögliche Gestaltungsvarianten nicht ankam (BGH GRUR 1962, 299, 302 - formstrip). Damit sollte dem begrenzten Zweck des Warenzeichenschutzes Rechnung getragen und ein Alleinherstellungsrecht funktionell bedingter Waren über die hierfür vorgesehenen, speziellen technischen Schutzrechte hinaus ausgeschlossen werden (vgl. auch BGH GRUR 2006, 588, Rdn. 12 - Scherkopf).

Zur Bestimmung der Technizität von Formelementen können bei der markenrechtlichen Prüfung auch einschlägige Patent- und Offenlegungsschriften herangezogen werden, weil diese Schriften notwendigerweise den Stand der Technik im Bereich der angemeldeten Erfindung und die Technizität der Erfindung im Einzelnen belegen. Es stellt daher ein starkes Indiz für die Annahme einer technisch bedingten Formgebung dar, wenn es sich bei den fraglichen Gestaltungselementen um technische Merkmale handelt, die in Patent- oder Offenlegungsschriften entweder in den Ansprüchen oder in der Beschreibung dargestellt sind (so etwa auch die Entscheidung des Grand Board of Appeal des HABM vom 10. Juli 2006, R 856/2004-G, Rdn. 40 - Lego; veröffentlicht unter http://oami.europa.eu).

Die in der Marke wiedergegebene Schereinheit mit drei Scherköpfen wurde von der Markeninhaberin entwickelt, um die Rasiergeschwindigkeit gegenüber den früheren Doppelscherkopf-Modellen nachhaltig zu steigern, wie dies etwa auch aus einer zu den Akten gereichten und in der mündlichen Verhandlung erörterten Werbeanzeige der Markeninhaberin aus den 70er Jahren hervorgeht, wo ausgeführt wird: "The first Tripleheader. Three heads are faster than two. 50% faster.". Wenn aber zur Erhöhung der Rasiergeschwindigkeit und zur Erzielung einer sauberen und angenehmen Rasur ein elektrischer Rasierer mit rotierenden Messern und drei Scherköpfen konstruiert werden soll, müssen diese drei Köpfe - wie etwa in dem Patent US 4 250 617 beschrieben - in Form eines gleichseitigen Dreiecks angeordnet werden. Diese Konstruktion stellt darüber hinaus in technischer Hinsicht auch die optimale Lösung für den erforderlichen Antrieb dar, der bei dieser Formgebung über eine zentrale Antriebsachse geführt werden kann. Damit die Barthaare an die darunter verlaufenden Messer gelangen können, müssen die Scherköpfe Schlitze aufweisen, wobei Form und Anordnung der Schlitze zu den Messern passen muss. Da ein optimales Rasierergebnis nur mit rotierenden Messern zu erreichen ist, ergibt sich zwangsläufig die kreisförmige Anordnung der Schlitze. Diese Feststellungen des Senats hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung im Parallelverfahren 28 W (pat) 147/02 ausdrücklich bestätigt und hervorgehoben, dass "es sich bei der Anordnung der drei Scherköpfe in einem gleichseitigen Dreieck sowie bei den kreisförmig angeordneten Schlitzen, durch die die Barthaare den in den Scherköpfen sich bewegenden Messern zugeführt werden, um Gestaltungsmerkmale handelt, die allein der technischen Wirkung zuzuschreiben sind" (vgl. BGH GRUR 2006, 589, Rdn. 20 - Rasierer mit drei Scherköpfen). Der Bundesgerichtshof hat damit klar gestellt, dass die konkrete Anordnung der Scherköpfe in all ihren wesentlichen Merkmalen technisch bedingt ist. Die Markeninhaberin geht deshalb fehl, wenn sie geltend macht, der Bundesgerichtshof habe hierbei einzelne Aspekte unberücksichtigt gelassen, wie etwa die Anordnung der Scherköpfe in einem auf dem Kopf stehenden Dreieck oder die einheitliche Größe der Scherköpfe. Auch wenn diese Feststellungen des Bundesgerichtshofs für das vorliegende Löschungsverfahren keine formelle Bindungswirkung gemäß § 89 Abs. 4 S. 2 MarkenG entfalten, ist dieser Sachkomplex aufgrund der insoweit übereinstimmenden Gestaltungsmerkmale damit höchstrichterlich entschieden und bedarf keiner weiteren Klärung.

Darüber hinaus dient auch die Gestaltung der abgerundeten Trägerplatte, die für die Einfassung der drei Scherköpfe erforderlich ist, einschließlich des am oberen Rand der Trägerplatte befindlichen Spannrings, einer rein technisch bedingten Zweckmäßigkeit. Das belegen die Patentschriften DE 2 121 912 und OE 315 675 für einen plattenförmigen, dreieckig ausgebildeten und abgerundeten Scherkopfträger. Um ein zielgenaues Heranführen der Scherköpfe an die zu rasierenden Hautpartien zu ermöglichen, ist bei der Gestaltung der Trägerplatte zunächst zu beachten, dass für den Nutzer eine unnötige Einschränkung des Sichtfelds vermieden wird. Daher ist es technisch geboten, das Volumen der Trägerfläche so klein wie möglich zu halten, was wiederum nur dann erreicht werden kann, wenn die Trägerfläche die drei Scherköpfe möglichst eng umschließt. Aufgrund der vorgegebenen dreieckigen Anordnung der Scherköpfe ergibt sich damit zwangsläufig die dreieckige Form der Trägerplatte.

Aus der dargestellten Notwendigkeit, die Einfassung der Scherköpfe so klein wie möglich zu halten, folgt auch die abgerundete Form der Trägerplatte, da eine eckige Ausgestaltung zwangsläufig mehr Fläche beanspruchen würde. Die abgerundete Form der Trägerplatte ist außerdem sicherer und hautschonender, da mit spitzen Ecken oder Kanten die Gefahr von Verletzungen und Hautirritationen verbunden wäre.

Die sockelartige Ausgestaltung der Trägerplatte trägt zum einen ergonomischen Gesichtspunkten Rechnung, da sie es ermöglicht, beim Rasieren die so genannten Problemzonen des Gesichts, wie Halspartie, Kinn oder Wangenknochenbereich leichter zu erreichen. Darüber hinaus ist die Sockelform technisch erforderlich, um (wie in den Patentschriften DE 2 504 247, EP 0 197 572 sowie EP 0 918 599 dargestellt) einerseits - etwa zu Reinigungszwecken - ein leicht abnehmbares Gehäuse für die Schneideeinheit zu schaffen, und andererseits das zur Aufnahme konstruktiver Teile (Antrieb, Wellen, Federn, Messer) nötige Raumvolumen zur Verfügung zu stellen, wie das in der Patentschrift US 3 844 033 besonders plastisch dargestellt ist.

Am oberen Rand der Trägerplatte befindet sich ein umlaufender Spannring, wie er beispielsweise in den Patentschriften DE 2 121 912, DE 2 504 247 und OE 315 675 für die Schereinheit eines elektrischen Trockenrasiergeräts sowie in der Offenlegungsschrift DE 2 855 315 und in der britischen Patentanmeldung GB 2 011 819 für einen Trockenrasierapparat mit mindestens zwei Schneideinheiten beschrieben ist. Dieser Hautspannring umläuft die Trägerplatte und erfüllt die technische Funktion, die Haut beim Rasiervorgang zu glätten bzw. zu spannen, damit die Barthaare aufgerichtet und besser in die Öffnungen der Scherköpfe geführt werden, wodurch sich das Rasierergebnis verbessert. Auch die Anmelderin selbst hat die entsprechende Vorrichtung bereits bei den aus einem Doppelscherkopf-System bestehenden Vorgängermodellen des Dreikopf-Rasierers ausweislich einer zu den Akten gereichten und in der mündlichen Verhandlung erörterten Werbeanzeige aus dem Jahr 1955 als spezielle Produkteigenschaft beworben und hierzu ausgeführt: "Um den Philips Doppelscherkopf liegt ein Spannring, der die Haut beim Rasieren strafft und das Barthaar aus den Poren heraustreten lässt. Dabei richtet sich das Haar auf. Die kreisenden Schermesser können das Barthaar an der Wurzel abschneiden". Damit wird anschaulich beschrieben, welche technischen Notwendigkeiten dem Spannring zugrunde liegen, von dem die Antragsgegnerin meint, er stelle ein selbständiges Element dar, das der Bildmarke nach den von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen die Zeichenfähigkeit vermittle. Die vorstehenden Feststellungen belegen in eindeutiger Weise, dass es sich hierbei um keine ornamentale, verzierende Linienführung handelt, wie die Markeninhaberin fälschlich behauptet. Vielmehr geht das genannte Gestaltungselement ausschließlich auf die dargelegten technischen Gründe zurück, ohne dass ästhetische Überlegungen hierfür entscheidend waren. Dass es sich bei der entsprechenden Darstellung in der Abbildung der angegriffenen Marke um keine bloß ornamentale Linienführung handelt, bestätigt im Übrigen auch die tatsächliche Produktgestaltung des zum Anmelde- wie Eintragungszeitpunkt von der Markeninhaberin vertriebenen Rasierapparats mit drei Scherköpfen, auf dessen Bekanntheit und Durchsetzung im Verkehr sie sich im damaligen patentamtlichen Prüfungsverfahren sogar ausdrücklich berufen hatte.

Die vorstehenden Feststellungen belegen für den Senat in eindeutiger Weise, dass alle wesentlichen Formmerkmale der angegriffenen Marke ausschließlich technisch bedingt sind. Wenn die Markeninhaberin dem entgegen hält, die als Marke beanspruchte Gestaltungsform sei in der Gesamtheit ihrer Merkmale nie Gegenstand eines Patentes gewesen, verkennt sie die Tatbestandsmerkmale des § 1 WZG. Sowohl dem WZG - wie im Übrigen auch dem MarkenG - waren bzw. sind die patentrechtlichen Gesichtspunkte der Neuheit und der neuheitsschädlichen Vorwegnahme fremd. Auch einem ganz neuen Zeichen war der Zeichencharakter abzusprechen, wenn es eine technische Lehre offenbarte, die im Sinne des Patentrechts neu war und deswegen patentfähig sein konnte. Sowohl für die markenrechtliche Beurteilung nach § 1 WZG wie auch nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG kommt es allein auf die objektiven technischen Gegebenheiten an, d. h. technisch bedingt sind Formelemente auch dann, wenn sie nicht explizit Gegenstand von Patentansprüchen sind, sondern nur zum allgemeinen technischen Formen- und Erfahrungssatz gehören. Insbesondere spielt die Neuheit einer technischen Lehre keine Rolle, sondern ausschließlich die Frage, ob alle wesentlichen Elemente der beanspruchten Form technisch bedingt sind. Deswegen ist § 1 WZG ebenso wie § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG z. B. auch auf solche Zeichen anwendbar, die eine technische Lehre verkörpern, für die nie ein Patent erteilt wurde, z. B. weil diese Lehre seit jeher zum bekannten Stand der Technik gehörte und daher zu keiner Zeit patentfähig war. Wie schon ausgeführt, sind Patentschriften nur ein Typ von einer Vielzahl anderer möglicher Belege für die Technizität der Formmerkmale einer Marke. Die Technizität eines Zeichens i. S. v. § 1 WZG bzw. § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG kann aber dann durch Patentschriften belegt werden, wenn sich die technische Funktionalität ihrer wesentlichen Gestaltungsmerkmale entweder aus dem Bericht zum Stand der Technik oder aus der Darstellung der neuen technischen Lehre ergibt, für die in der Patentschrift Schutz begehrt wird. In diesem Sinne hat sich der Senat bei seiner Beurteilung der Technizität der streitgegenständlichen Marke auf die zitierten Patentschriften gestützt.

Angesichts der Offenkundigkeit der dargestellten technischen Sachverhalte bestand für den Senat keine Veranlassung für eine Beweiserhebung durch Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens nach § 74 Abs. 1 MarkenG, wie sie im markenrechtlichen Beschwerdeverfahren ohnehin nur in Ausnahmefällen zum Tragen kommt, beispielsweise bei besonders schwierigen technischen Fragestellungen. Eine Bindung des Patentgerichts an Beweisanträge besteht nicht (§ 73 Abs. 1 MarkenG). Auch der Bundesgerichtshof hat in seiner bereits zitierten Entscheidung in dem Parallelverfahren 28 W (pat) 147/02 lediglich darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit zur Erhebung eines Sachverständigenbeweises nach § 74 Abs. 1 MarkenG im Registerverfahren grundsätzlich gegeben ist. Nachdem es sich bei der Streitmarke aber um einen Gegenstand des täglichen Gebrauchs handelt, dessen Gestaltungsmerkmalen für einen Durchschnittsverbraucher überschaubare technische Fakten zugrunde liegen, sieht sich der Senat nach umfassender Würdigung der vorgelegten Patent- und Offenlegungsschriften sowie der eingereichten Parteigutachten ohne weiteres in der Lage, die Frage der technischen Funktionalität der fraglichen Merkmale in eigener Sachkunde zu beurteilen.

Da sich die angegriffene Bildmarke somit lediglich in der naturgetreuen Darstellung von technisch bedingten und damit im Hinblick auf die beanspruchten Waren wesensbestimmenden Gestaltungselementen erschöpft, fehlte ihr zum Eintragungszeitpunkt der Zeichencharakter i. S. v. § 1 WZG, ohne dass dieses generelle Eintragungshindernis durch die geltend gemachte Durchsetzung des Zeichens im Verkehr überwunden werden konnte (vgl. BGH GRUR 2006, 588, Rdn. 12 - Scherkopf).

Im Gegensatz zum früheren Warenzeichenrecht ist die angegriffene Bildmarke als Wiedergabe der Form einer Ware bzw. eines Warenteils nach § 3 Abs. 1 MarkenG zwar grundsätzlich markenfähig. Da das Schutzhindernis der Zeichenunfähigkeit i. S. v. § 1 WZG wegen technischer Bedingtheit aber dem Ausschlussgrund des § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entspricht (vgl. nochmals BGH, a. a. O., Rdn. 14 - Scherkopf), erfüllen die dargelegten Feststellungen auch die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Entgegen der Wertung der Markeninhaberin bezieht sich § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht auf die Frage der abstrakten Markenfähigkeit. Vielmehr stellt diese Norm in richtlinienkonformer Auslegung ein spezielles Freihaltebedürfnis dar, das im öffentlichen Interesse die Monopolisierung von technischen Lösungen oder Eigenschaften einer Ware ausschließt, mit der Mitbewerber daran gehindert werden können, ihre Waren mit diesen technischen Lösungen oder Eigenschaften zu versehen (EuGH GRUR 2002, 804, Rdn. 78 - Philips; BGH MarkenR 2006, 274, Rdn. 13 - Porsche Boxter). Dieser Ausschlusstatbestand erfasst dabei nicht nur dreidimensionale Marken, sondern auch Bildmarken, die ausschließlich aus der grafischen Darstellung der Form einer Ware bestehen, deren wesentliche Merkmale zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich sind (vgl. EuGH a. a. O., Rdn. 76) und zwar unabhängig davon, ob die fragliche technische Wirkung auch durch andere Formen erzielt werden kann (vgl. BGH GRUR 2006, 589, Rdn. 19 - Rasierer mit drei Scherköpfen). Da dieses Schutzhindernis ebenfalls nicht im Wege der Verkehrsdurchsetzung überwunden werden kann, wie dies auch der Bundesgerichtshof ausdrücklich bestätigt hat (vgl. BGH, a. a. O., Rdn. 15 f. - Rasierer mit drei Scherköpfen), ist die angegriffene Marke auch nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zu löschen.

Soweit sich die Markeninhaberin darauf beruft, dass der Löschungsantrag bereits an § 50 Abs. 2 S. 2 MarkenG scheitern müsse, wonach die Löschung einer Marke, die entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 1, 2 oder 3 MarkenG eingetragen wurde, nur dann möglich sei, wenn der Antrag auf Löschung innerhalb von zehn Jahren seit dem Tag der Eintragung gestellt werde, vermag dies kein anderes Ergebnis zu begründen. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Rechtsbeschwerdeentscheidung ausdrücklich hervorgehoben, dass eine (entsprechende) Anwendung der Zehn-Jahres-Frist des § 50 Abs. 2 Satz 2 MarkenG im vorliegenden Fall bereits deshalb ausgeschlossen sei, weil ein Bestandsschutz nach dieser Norm nur bei den in § 8 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 MarkenG genannten Eintragungshindernissen bestehe, nicht dagegen im Falle des Schutzhindernisses des § 3 Abs. 2 MarkenG, dem das nach § 1 WZG gegebene Eintragungshindernis der Zeichenunfähigkeit wegen technischer Bedingtheit der abgebildeten Gestaltungsmerkmale der Sache nach entspreche. Die Markeninhaberin könne sich bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der Zeichenunfähigkeit wegen technisch bedingter Form i. S. v. § 1 WZG auch nicht auf einen Bestands- oder Vertrauensschutz berufen. Nach § 10 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 WZG sei ein Löschungsantrag gegen ein zu Unrecht eingetragenes Zeichen weder an eine Frist gebunden gewesen, noch hätte dem Löschungsantrag grundsätzlich mit dem Einwand des Vertrauens auf den rechtlichen Bestand der Entscheidung über die Eintragung begegnet werden können. Da das Schutzhindernis der Zeichenunfähigkeit auf dem Allgemeininteresse an der Freihaltung der das Wesen der Ware bestimmenden Gestaltungselemente beruhe, das einem etwaigen Vertrauens- oder Bestandsschutz des Zeicheninhabers vorgehe, komme auch kein Bestands- oder Vertrauensschutz aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) in Betracht. Aus dem gleichen Grund könnten dem Löschungsbegehren auch sonstige auf Verfristung oder Verwirkung gestützte Einwände nicht entgegengehalten werden (vgl. nochmals BGH a. a. O. Rdn. 14 - Scherkopf). An diese Feststellungen sieht sich der Senat gebunden (§ 89 Abs. 4 S. 2 MarkenG). Für eine Durchbrechung der gesetzlichen Bindungswirkung - vergleichbar der Fallgestaltung in BGH GRUR 2007, 55 - gelb/grün II, oder in BPatG BlPMZ 2006, 423 - Taschenlampe II - sind im vorliegenden Fall keine Gründe ersichtlich und auch von der Markeninhaberin nicht belegt worden. Insbesondere liegen keinerlei Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Rechtsanwendung durch den Bundesgerichtshof oder ein Abweichen von seiner eigenen Entscheidungspraxis vor, wie sie von der Markeninhaberin sinngemäß geltend gemacht werden. Vielmehr befindet sich die Entscheidung des BGH in vollständiger Übereinstimmung mit den allgemeinen Rechtsprechungsgrundsätzen und mit der Rechtsprechung des EuGH zum Markenrecht.

Da die hier getroffene Entscheidung auf der Anwendung der Rechtsprechungsgrundsätze des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs beruht und nicht über neue Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung entschieden werden musste, war die von der Markeninhaberin angeregte erneute Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 83 Abs. 2 MarkenG nicht veranlasst. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Rechtsbeschwerdeentscheidung zu allen maßgeblichen Rechtsfragen eindeutig und abschließend Stellung genommen. Neue rechtliche Gesichtspunkte, die eine erneute Zulassung der Rechtsbeschwerde rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich und auch von der Markeninhaberin nicht dargelegt worden. Das bloße Interesse eines Verfahrensbeteiligten an einer nochmaligen höchstrichterlichen Überprüfung der gleichen Rechtsfragen desselben Falles vermag aber für sich genommen die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht zu rechtfertigen.

Der Senat ist auch nicht der Anregung der Markeninhaberin gefolgt, von einer Entscheidung in der Sache abzusehen und das Verfahren dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorzulegen, da er eine derartige Entscheidung nicht für erforderlich hält (Art. 234 EGV). Eine solche Vorlage kommt nur in Betracht, wenn eine Frage des Gemeinschaftsrechts zu entscheiden ist, zu der keine hinreichende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes vorliegt und die aus den gesetzlichen Quellen nicht eindeutig zu beantworten ist. Eine solche Rechtsfrage konnte die Markeninhaberin nicht aufzeigen.

Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst (§ 71 Abs. 1 MarkenG).






BPatG:
Beschluss v. 22.02.2007
Az: 28 W (pat) 2/02


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/a665f1af45f5/BPatG_Beschluss_vom_22-Februar-2007_Az_28-W-pat-2-02




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share