Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. Januar 2003
Aktenzeichen: 26 W (pat) 79/02

(BPatG: Beschluss v. 29.01.2003, Az.: 26 W (pat) 79/02)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die für die Waren und Dienstleistungen

"Biere, Hopfenextrakte für die Bierherstellung, Sodawasser, Mineralwässer, kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke, isotonische Getränke, Limonaden, Brausepulver und Brausetabletten für Getränke, Cocktails (alkoholfrei), Fruchtgetränke und Fruchtsäfte, Gemüsesäfte, Nektare, Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken, Limonaden;

alkoholhaltige Getränke (ausgenommen Biere); alkoholische Essenzen und Extrakte; Spirituosen aller Art, insbesondere Weine, Aperitifs, Schnäpse, Liköre, Whisky, Wodka;

Belieferung von Cafes, Cafeterias, Kantinen, Bars, Restaurants, Schnellimbissen mit oben genannten Waren zur Verpflegung von Gästen und Bediensteten"

eingetragene Marke 399 07 070 Schneewalzerist Widerspruch erhoben worden aus der älteren Marke 397 54 635 Schneeweißedie für die Waren und Dienstleistungen

"Weißbier einschließlich alkoholvermindertes und alkoholfreies Weißbier; Beherbergung und Verpflegung von Gästen"

geschützt ist.

Die Markenstelle für Klasse 32 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Zwar seien die sich gegenüberstehenden Marken zur Kennzeichnung identischer bzw. wirtschaftlich nahestehender Waren und Dienstleistungen bestimmt, so dass ausgehend von einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ein deutlicher Abstand der Marken erforderlich sei, um die Gefahr von Verwechslungen hinreichend auszuschließen. Diesen Abstand halte die angegriffene Marke jedoch ein.

Eine klangliche Verwechslungsgefahr bestehe nicht, denn die Marken "Schneewalzer" und "Schneeweiße" wichen bereits durch die unterschiedlichen Begriffe "-walzer" und "-weiße" hinreichend voneinander ab, zumal den Marken ein jeweils allgemein verständlicher Sinngehalt zukomme. Während der Begriff "Schneewalzer" dem Verkehr als Tanz geläufig sei, werde "Schneeweiße" ohne weiteres im Sinne einer besonders weißen Farbe verstanden. Für eine etwaige schriftbildliche Ähnlichkeit gelte Entsprechendes. Der Annahme einer Gefahr, die Marken würden unter dem Gesichtspunkt eines Serienzeichens gedanklich miteinander in Verbindung gebracht, stehe entgegen, dass nichts dafür vorgetragen oder ersichtlich sei, dass die Widersprechende eine Zeichenserie mit dem Bestandteil "Schnee" verwende.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Ihrer Ansicht nach verfügt die Widerspruchsmarke über eine überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft, denn ihre Marke "Schneeweiße" benutze ein Wortspiel, nämlich die sprachliche Entwicklung im süddeutschen Raum von "Weizenbier" hin zu "Weißbier", wobei sich das Wort "Schnee" wiederum auf die schneereiche Jahreszeit beziehe, in der die Ware vornehmlich angeboten werde. Angesichts der Übereinstimmungen von "SCHNEE-WEI-SSE" und "SCHNEE-WAL-ZE(R)" liege eine hochgradige klangliche Übereinstimmung vor. Die von der Markenstelle angeführten Sinngehalte kämen beim Verhören insbesondere in lauten Gaststätten nicht zum Tragen. Ebenso bestehe eine schriftbildliche Ähnlichkeit, zumal der Verkehr die Wortanfänge deutlich stärker beachte und Getränke als Waren des täglichen Bedarfs nur mit geringer Aufmerksamkeit erworben würden. Schließlich lehne sich die angegriffene Marke unlauter an die Widerspruchsmarke an und beute den Ruf aus, den die Widersprechende sich aufgrund der intensiven und jahrelangen Verwendung erarbeitet habe.

Demgemäß beantragt sie sinngemäß, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Widerspruch stattzugeben.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke stellt den Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss. Das von der Werbung propagierte Markenbewusstsein der Verbraucher und die unterschiedlichen Sinngehalte der sich gegenüberstehenden Kennzeichnungen stünden einer Verwechslungsgefahr entgegen.

II.

Die zulässige Beschwerde erweist sich in der Sache als unbegründet, denn auch nach Auffassung des Senats besteht zwischen der Widerspruchsmarke "Schneeweiße" und der jüngeren Marke "Schneewalzer" keine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Die Gefahr markenrechtlich erheblicher Verwechslungen ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, die zueinander in einer Wechselbeziehung stehen, umfassend zu beurteilen. Zu den maßgeblichen Umständen gehören insbesondere die Ähnlichkeit der Marken und der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (vgl BGH GRUR 1998, 387 -Sabèl/Puma; BGH GRUR 1995, 216 Oxygenol II).

Bei der Beurteilung der Warenähnlichkeit ist im vorliegenden Fall von Identität oder zumindest naher Ähnlichkeit der Waren auszugehen, denn beide Kennzeichnungen sind für "Biere" bestimmt. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke "Schneeweiße", die sich nach ihrem Gesamteindruck bemisst, ist nur als durchschnittlich zu bewerten, denn für eine besondere Originalität oder besonders umfangreiche Benutzung und eine sich daraus ergebende gesteigerte Kennzeichnungskraft liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte vor. Die von der Widersprechenden angeführte sprachliche Entwicklung im süddeutschen Raum von "Weizenbier" hin zu "Weißbier" vermag eine überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft schon deshalb nicht zu begründen, weil eine derartige Entwicklung in der Widerspruchsmarke "Schneeweiße", die einen Gesamtbegriff darstellt, nicht erkennbar wird.

Im Hinblick auf die Wechselwirkung der für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr zu berücksichtigenden Faktoren hält die jüngere Marke trotz der Identität oder nahen Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen, der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der breiten Abnehmerkreise den erforderlichen erheblichen Abstand ein.

Bei der Prüfung der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen ist grundsätzlich auf den Gesamteindruck abzustellen, den sie hervorrufen (vgl EuGH, aaO -Sabèl/Puma; BGH GRUR 2000, 506 - ATTACHÉ/TISSERAND mwNachw). Insoweit weichen die sich gegenüberstehenden Kennzeichnungen - "Schneewalzer" und "Schneeweiße" - in ihrem klanglichen und schriftbildlichen Gesamteindruck so deutlich voneinander ab, dass Verwechslungen ausgeschlossen sind. Zwar stimmen die beiden Kennzeichnungen hinsichtlich des Anfangsbestandteils "Schnee", des nachfolgenden Konsonanten "w" sowie der Silbenzahl überein, dennoch gewährleisten die beiden Endsilben der insgesamt nur dreisilbigen Kennzeichen - "(w)alzer" und "(w)eiße" - die klangliche und schriftbildliche Unterscheidbarkeit im Gesamteindruck. Hierzu trägt insbesondere der geläufige Sinngehalt der angegriffenen Marke "Schneewalzer" bei, der einen (bekannten) Tanz im Schnee bezeichnet, während die Widerspruchsmarke "Schneeweiße" überwiegend auf ein Weißbier hindeutet, das in einer winterlichen Jahreszeit angeboten wird.

Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt der Übereinstimmung prägender Markenbestandteile, worauf die Widersprechende außerdem abstellt, besteht ebenfalls nicht. Zwar kann ausnahmsweise einem einzelnen Markenbestandteil eine besondere, das Gesamtzeichen prägende Kennzeichnungskraft zugemessen werden, wenn diesem Bestandteil in der Marke eine selbständig kennzeichnende Stellung zukommt und er deshalb geeignet ist, die Erinnerung an das Gesamtzeichen wachzurufen, während die weiteren Elemente der Marke nur eine untergeordnete Bedeutung haben. Die Feststellung der Prägung des Gesamteindrucks eines mehrteiligen Zeichens durch einen Bestandteil setzt jedoch voraus, dass die weiteren Bestandteile so in den Hintergrund treten, dass sie für den Verkehr an Bedeutung verlieren und zum Gesamteindruck des Zeichens nichts beitragen, vgl BGH WRP 2000, 173 -RAUSCH/ELFI RAUCH). Gegen eine derartige "Prägung" durch den übereinstimmenden Bestandteil "Schnee" spricht jedoch, dass der überwiegende Teil der durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren (vgl BGH aaO - ATTACHÉ/TISSERAND) die Kennzeichnung "Schneewalzer" als Begriff für einen Tanz kennt. Für diesen überwiegenden Teil des Verkehrs stellt deshalb die angegriffene Marke einen geschlossenen Gesamtbegriff dar, der nicht etwa von dem Bestandteil "Schnee" geprägt wird. Aber auch der Teil des Verkehrs, dem "Schneewalzer" nicht als Bezeichnung für einen Tanz geläufig sein sollte, hat keine Veranlassung, dem Bestandteil "Schnee" eine selbständig kennzeichnende Stellung beizumessen, denn es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Verkehr den weiteren Bestandteil "weiße" nur als beschreibende Angabe wertet, die keinen Beitrag zum Gesamteindruck der angegriffenen Marke leistet. Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass der angesprochene Verkehr auch wegen der Kürze der angegriffenen Marke keine Veranlassung hat, sie auf das Element "Schnee" zu verkürzen.

Die Gefahr assoziativer Verwechslungen der Marken (§ 9 Abs. 1 Nr 2 letzter Halbs MarkenG) ist ebenfalls zu verneinen. Es liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass dem übereinstimmenden Bestandteil "Schnee" ein Hinweischarakter auf die Inhaberin der älteren Marke zukommt. Weder hat die Widersprechende den Verkehr bereits durch Benutzung mehrerer eigener, entsprechend gebildeter Marken an dieses Wort als Bestandteil gewöhnt noch liegen sonstige Umstände vor, die für den erforderlichen Hinweischarakter sprechen könnten.

Soweit die Widersprechende ihr Begehren darauf stützt, dass die Inhaberin der angegriffenen Marke mit ihrer jüngeren Marke den Ruf der Widerspruchsmarke ausbeute (§ 14 Abs. 2 Nr 3 MarkenG), ist dieser Einwand im vorliegenden Verfahren unbeachtlich (§ 140 MarkenG).

Demgemäß war die Beschwerde zurückzuweisen.

Für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG bestand kein Anlass.

Albert Eder Kraft Ko






BPatG:
Beschluss v. 29.01.2003
Az: 26 W (pat) 79/02


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