Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 12. Juni 2007
Aktenzeichen: 4 U 196/06
(OLG Hamm: Urteil v. 12.06.2007, Az.: 4 U 196/06)
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 07. November 2006 verkündete
Urteil der 15. Zivilkammer - Kammer für Handelssachen- des Landgerichts
Bochum wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Die Klägerin ist die bundesweit bekannte Wettbewerbszentrale mit Sitz in C. Zu ihren Mitgliedern zählen unter anderem die Tierärztekammern O und X, die Psychotherapeuten O und der Bundesverband Q e.V.. Der Beklagte hat bei der privaten Akademie für Tiernaturheilkunde (XXX) in E/Schweiz ein Diplom (Bl. 51) erhalten, nach dem er am 25. März 2006 dort die Abschluss-Prüfung des Studienganges Tierpsychologie mit der Spezialisierung Hund bestanden hat. Er ist im April 2006 im Rahmen einer Pressemitteilung 01/2006 (Bl. 9, 10) unter Hinweis auf seine Domain *internetadresse* mit seinem Namen und der nachfolgenden Bezeichnung Diplom-Tierpsychologe (XXX) aufgetreten. Außerdem hat er nach seiner eigenen Erklärung im Internetauftritt vom 22. Mai 2006 von diesem Tage an auf die vorher von ihm auch im Internet geführte Bezeichnung "Diplom-Tierpsychologe" in seiner Werbung verzichtet (Bl.17).
Die Klägerin hat in dem Auftreten unter dieser Bezeichnung eine wettbewerblich relevante irreführende Werbung im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 3 UWG gesehen, weil der angesprochene Verbraucher mit der Bezeichnung die Vorstellung verbinde, der Beklagte habe eine besondere Hochschulausbildung abgeschlossen und dafür ein Diplom erhalten. Sie hat den Beklagten erfolglos abgemahnt.
Mit der Klage hat die Klägerin vom Beklagten begehrt, es zu unterlassen, im Wettbewerb handelnd, die Bezeichnung "Diplom-Tierpsychologe" zu führen. Sie hat außerdem die Erstattung ihrer vorgerichtlichen pauschalierten Abmahnkosten in Höhe von 189 € nebst Zinsen erstattet verlangt.
Der Beklagte hat sich gegen die Klage verteidigt. Er hat die Auffassung vertreten, seine Werbung in Zusammenhang mit der beanstandeten Bezeichnung sei nicht irreführend gewesen. Die angesprochenen Verkehrskreise seien Hundehalter und insbesondere solche Tierhalter, die über einen gehobenen Bildungsgrad verfügten. Diesen sei bekannt, dass es keinen Studiengang der Tierpsychologie an den Hochschulen gebe und dass der Tierarzt der einzige akademische Beruf im Bereich der Tiermedizin sei. Im Übrigen sei sein Verhalten auch wettbewerbsrechtlich nicht relevant, weil Tierheilpraktiker wie Heilpraktiker nicht deshalb aufgesucht würden, weil sie ein Hochschulstudium absolviert hätten. Es sei insoweit auch zu berücksichtigen, dass er tatsächlich nach zweijähriger Ausbildung ein Diplom einer fachlich anerkannten Akademie erhalten habe. Eine etwaige unlautere Wettbewerbshandlung stelle sich außerdem als Bagatelle dar, weil sie den Wettbewerb zum Nachteil der sonstigen Marktteilnehmer allenfalls nur unerheblich beeinträchtigen könne.
Das Landgericht hat die Klage in vollem Umfang zugesprochen. Den Unterlassungsanspruch hat es nach §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, 3, 5 Abs. 2 Nr. 3 UWG für begründet gehalten, weil die vom Beklagten verwendete Bezeichnung Diplom-Tierpsychologe irreführend sei. Mit der Bezeichnung erwecke der Beklagte beim angesprochenen Personenkreis, zu dem jeder Hundehalter gehöre, die unzutreffende Vorstellung, er habe ein an einer Hochschule oder Fachhochschule erworbenes Diplom auf dem Gebiet der Tierpsychologie. Zumindest gegenwärtig werde der Zusatz Diplom immer noch mit einer Hochschulausbildung verbunden. Einem Diplom-Tierpsychologen werde eine solche Hochschulausbildung gleichfalls zugeordnet, weil die naheliegenden Berufe des Diplom-Psychologen und des Tierarztes bekanntermaßen eine Hochschulausbildung erforderten. Die Irreführung werde auch durch den Klammerzusatz XXX nicht ausgeräumt, weil die Verbraucher damit nichts verbinden würden. Das Landgericht hat ferner die Auffassung vertreten, die Irreführung sei auch wettbewerbsrechtlich relevant. Dem Beklagten sei es ohne Weiteres möglich, auf seine besondere Ausbildung auf eine andere Weise hinzuweisen, die solche falschen Vorstellungen nicht erwecken könne. Das Verhalten des Beklagten stelle sich auch nicht als Bagatelle dar. Für einen Rechtsmissbrauch im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG sei nichts ersichtlich. Schließlich hat das Landgericht die Erstattung der Abmahnkosten nach § 12 Abs. 1 UWG dem Grunde nach für berechtigt und der Höhe nach mit 189 € auch für angemessen gehalten.
Der Beklagte greift das Urteil mit der Berufung an. Er hält sein Werbeverhalten nach wie vor nicht für unlauter. Er stellt in den Vordergrund, dass er eine Ausbildung als "Diplom-Tierpsychologe" absolviert und deshalb nicht über seine Befähigung irregeführt habe. Er habe die Bezeichnung "Diplom-Tierpsychologe" entsprechend den Richtlinien seines Verbandes nicht titelähnlich geführt, nicht dem Namen angefügt und auch nicht diesem vorangestellt. Er habe vielmehr mit der Bezeichnung nur darauf hingewiesen, dass er eine entsprechende Berufsbezeichnung bei einem anerkannten Institut in der Schweiz erworben habe. Das sei von den in aller Regel gebildeten und mit einem besseren Einkommen versehenen, zumindest gut informierten Verbrauchern, die bereit seien, Tierpsychologen zu konsultieren,
auch so verstanden worden. Das Landgericht habe den Kreis der angesprochenen Verbraucher zu weit gezogen. Es sei seinem Beweisangebot, eine Verkehrsbefragung durchzuführen, zu Unrecht nicht nachgekommen. Eine solche Verkehrsbefragung hätte zum einen ergeben, dass der überwiegende Teil der Klienten eines Diplom-Tierpsychologen wisse, dass dieser kein Hochschulstudium absolviert habe. Zum anderen wäre daraus zu entnehmen gewesen, dass die Entscheidung, einen Diplom-Tierpsychologen zu konsultieren, nicht davon beeinflusst werde, ob dieser ein Hochschulstudium absolviert hat oder nicht.
Außerdem meint der Beklagte unter Hinweis auf höchstrichterliche Rechtsprechung, es fehle selbst dann, wenn ein nicht unbeachtlicher Teil des Verkehrs von seiner Hochschulausbildung ausgehe, an der Relevanz dieser Fehlvorstellung.
Schließlich beanstandet der Beklagte, dass das Landgericht nicht berücksichtigt habe, dass die Klägerin hier das Erfordernis der nicht unerheblichen Wettbewerbsverfälschung als Anspruchsvoraussetzung des § 3 UWG nicht dargelegt und bewiesen habe. Die Auswirkungen des Wettbewerbsverstoßes müssten auch im Bereich der Irreführung so erheblich sein, dass eine Verfolgung wirklich im Interesse der Allgemeinheit liege. Das sei vorliegend ungeachtet der Strafvorschrift des § 132 a StGB nicht der Fall, weil die an den Dienstleistungen des Beklagten interessierten Verbraucher vor einer Inanspruchnahme seiner Dienste weitere Informationen über ihn einholen und spätestens dann über seine Ausbildung informiert würden. Der Beklagte verweist insoweit auch auf die Entscheidung "Professorenbezeichnung in der Arztwerbung" des Bundesgerichtshofs, deren Problematik er für vergleichbar hält. Entscheidend sei, dass dem Beklagten der ausländische Titel unter Umständen und Voraussetzungen verliehen worden sei, die denen entsprechen, die der Verkehr mit der Verleihung eines entsprechenden Diploms im Rahmen eines Hochschulabschlusses verbinde. Insoweit sei bekannt, dass Diplomarbeiten in aller Regel von den Professoren gründlich betreut würden und mit einem Staatsexamen ohnehin nicht zu vergleichen seien. Außerdem sei die Ausbildung bei der XXX in der Schweiz von den Anforderungen her mit dem Erwerb eines Diploms in der Humanpsychologie zu vergleichen. So habe die Klägerin auch nicht bestritten, dass er, der Beklagte, eine fundierte Ausbildung in der Schweiz genossen habe.
Der Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie meint, das Landgericht habe es zu Recht als einen im Sinne des § 3 UWG relevanten Irreführungsfall angesehen, dass der Beklagte die Bezeichnung "Diplom-Tierpsychologe" geführt habe. Zum Sachverhalt stellt sie auch unter Hinweis auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils klar, dass der Beklagte in den Anlagen K1 und K2 unter "Joachim Westermann Diplom-Tierpsychologe (XXX)" aufgetreten sei, ohne darauf hinzuweisen, dass er die Berufsbezeichnung bei einem anerkannten Institut in der Schweiz erworben habe. Der dem widersprechende Vortrag in der Berufungsbegründung sei neu und damit präkludiert. Die Klägerin verweist darauf, dass das dem Beklagten von einer Akademie in der Schweiz verliehene Diplom nicht aufgrund feststehender Prüfungsordnungen und durch eine staatliche Stelle verliehen wurde. Gerade von einer akademischer Ausbildung mit einem Abschluss amtlichen Charakters gehe der Verkehr aber aus, wenn der Begriff "Diplom" in Zusammenhang mit einem Beruf verwendet werde. Insoweit verweist die Klägerin auf Entscheidungen des OLG Köln, des LG Frankfurt und des OLG Stuttgart. Die Klägerin bestreitet vorsorglich, dass der überwiegende Teil der Klienten eines Diplom-Tierpsychologen wisse, dass dieser kein Hochschulstudium absolviert habe. Sie bestreitet ferner, dass die Entscheidung für einen bestimmten Tierpsychologen nicht dadurch beeinflusst werde, ob er ein Hochschulstudium absolviert habe, sondern dadurch, ob er überhaupt eine fundierte Ausbildung besitze. Das Landgericht habe dem Beweisanerbieten durch eine Verkehrsbefragung nicht nachgehen müssen, da die entscheidenden Richter selbst zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören. Nach Auffassung der Klägerin ist der Wettbewerbsverstoß auch geeignet, den Wettbewerb mehr als nur unerheblich zu beeinträchtigen. Sie verweist darauf, dass die von ihr angeführten Entscheidungen dazu überhaupt keine Ausführungen gemacht hätten, weil die Gerichte wie selbstverständlich von der Relevanz eines solchen Verstoßes ausgegangen seien. Auch die von dem Beklagten angeführten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs rechtfertigten keine andere Betrachtung. Bei der Entscheidung "Professorenbezeichnung in der Arztwerbung II" sei es um die ungerechtfertigte Diskreditierung gleichwertiger ausländischer Titel gegangen. Hier gehe es aber um das von einer privaten Akademie im Ausland verliehene "Diplom", das einem durch eine staatliche Stelle verliehenen gleichlautenden Titel von vorneherein nicht gleichwertig sein könne. Vorsorglich weist die Klägerin dabei darauf hin, dass es noch nicht einmal darauf ankomme, ob die Leistungen des Beklagten möglicherweise gleichwertig oder sogar besser seien als die, die der Verkehr von einem "Diplom-Tierpsychologen" erwarte. Auch dann dürfte er nämlich nicht mit der mangels staatlicher Verleihung des Titels irreführenden Bezeichnung werben. Mit näheren Ausführungen macht die Klägerin deutlich, warum sich auch aus der Entscheidung "Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie" für den vorliegenden Fall nichts herleiten lasse.
II.
Die Berufung ist unbegründet. Das Landgericht hat zutreffend erkannt, dass der Klägerin ein Unterlassungsanspruch und ein Anspruch auf Zahlung der Kostenpauschale zusteht, weil der Beklagte in irreführender Weise mit der Bezeichnung "Diplom-Tierpsychologe" geworben hat.
1) Der Antrag ist bestimmt genug im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, weil ein Schlechthinverbot der Verwendung der Bezeichnung "Diplom-Tierpsychologe" erstrebt wird. Deshalb scheint hier ausnahmsweise die Einbeziehung der konkreten Verletzungshandlung in den Antrag nicht erforderlich.
2) Es wird jedenfalls in der Berufungsinstanz nicht mehr geltend gemacht, dass sich die Klägerin rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG verhalten haben soll.. Dafür sind auch keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich.
3) Der Klägerin steht ein Unterlassungsanspruch nach §§ 8 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, 3, 5 Abs. 2 Nr. 3 UWG gegen den Beklagten zu. Denn der Beklagte hat mit dem Auftreten unter der Bezeichnung "Diplom-Tierpsychologe" eine relevante irreführende Angabe über seine Befähigung und Qualifikation und damit zugleich auch über seine geschäftlichen Verhältnisse gemacht und damit eine unlautere Wettbewerbshandlung im Sinne des § 3 UWG begangen.
a) Die sich aus § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG unproblematisch ergebende Klagebefugnis der Klägerin ist ausdrücklich nicht mehr im Streit.
b) Der Beklagte hat die Bezeichnung "Diplom-Tierpsychologe" (XXX) jedenfalls bis zum 22. Mai 2006 als solche auch isoliert geführt. Das steht schon so im unstreitigen Tatbestand des angefochtenen Urteils. Das kann und will der Beklagte auch in seiner Berufungsbegründung nicht ernsthaft bestreiten. Die Führung der beanstandeten Bezeichnung ergibt sich nämlich nicht nur aus einer Pressemitteilung (Bl.10) in Zusammenhang mit seinen Dienstleistungsangeboten, sondern auch aus seiner eigenen Erklärung im Internetauftritt vom 22. Mai 2006. Danach hat der Beklagte "ab heute" auf die beanstandete Bezeichnung verzichtet. Das kann aber nur bedeuten, dass er sie bis zu diesem Zeitpunkt auch im Internet so benutzt hat. Dieses Verhalten stellt eine Wettbewerbshandlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar, weil der Beklagte damit auf sich und seine (künftigen) Dienstleistungen aufmerksam machen wollte.
c) In der Benutzung des Begriffs "Diplom" als akademischer Grad im Rahmen der gewählten Bezeichnung "Diplom-Tierpsychologe" ist eine irreführende Angabe über die Befähigung und Qualifikation des Beklagten, insbesondere über seine berufliche Ausbildung zu sehen.
aa) Unter Angaben in diesem Sinne sind objektiv nachprüfbare Aussagen zu verstehen. Die Aussage des Beklagten, er sei Diplom-Tierpsychologe, hat im Hinblick auf seine Qualifikation jedenfalls einen bestimmten tatsächlichen Kern, der auf seine Richtigkeit ohne weiteres nachprüfbar und im Hinblick auf eine damit verbundene Verleihung des Diploms als akademischer Grad auch einer Beweisaufnahme zugänglich ist.
bb) Diese Aussage ist irreführend, weil sie jedenfalls von einer nicht unerheblichen Zahl der angesprochenen Verkehrskreise falsch verstanden wird. Entscheidend ist dafür, welchen Inhalt die angesprochenen Verkehrskreise der Werbeaussage entnehmen und ob dieser mit der Wirklichkeit übereinstimmt (BGH GRUR 1998, 949, 950 -D-Netz-Handtelefon). Die von der Werbung des Beklagten angesprochenen Verkehrskreise sind jedenfalls alle Hundehalter. Gerade die schon erwähnte Pressemitteilung aus Anlass der Einrichtung eines Sorgentelefons richtet sich gezielt und ohne Einschränkung an diese Personengruppe. Denn ein Problem mit seinem Hund kann jeder Hundehalter haben. Es bedürfte keiner Einrichtung eines kostenlosen Sorgentelefons, wenn davon nicht eine große Zahl der Hundehalter betroffen sein könnte. Die geschilderte Resonanz bei mehr als zehn Rat suchenden Hundehaltern schon am ersten Tag macht dies auch besonders deutlich. Wieso hier nur eine von der Bildung oder von guten wirtschaftlichen Verhältnissen her zu bestimmende Elite von Hundehaltern mit ihren eigenen Erkenntnissen und Vorlieben angesprochen worden sein sollte, ist nicht erkennbar. Wenn aber alle Hundehalter angesprochen werden, so kommt es darauf an, welche Vorstellung sich die normal informierten, angemessen aufmerksamen und angemessen verständigen Hundehalter als Durchschnittsverbraucher von der beruflichen Ausbildung und Qualifikation des Beklagten machen. Deren Vorstellung kann der Senat abergenauso wie das Landgericht- aufgrund seiner Lebenserfahrung selbst beurteilen, ohne dass die Senatsmitglieder selbst Hundehalter sein müssten. Denn es ist nichts dafür vorgetragen der ersichtlich, dass Hundehalter die Berufsbezeichnung anders verstehen als sonstige Durchschnittsverbraucher. Insoweit bedarf es keiner Verkehrsbefragung.
cc) Das Diplom ist in Deutschland nach wie vor noch als der häufigste akademische Grad bekannt, der Studenten an Hochschulen als Abschluss einer wissenschaftlichen Ausbildung verliehen wird. Bei einem Diplom erwarten die sich aus allen Hundehaltern zusammensetzenden Verkehrskreise im allgemeinen eine Qualifizierung, die auf Grund einer feststehenden Prüfungsordnung durch staatliche Stellen verliehen wird (OLG Köln GRUR-RR 2003, 160; Hefermehl/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, § 5 UWG Rdn. 5.95). Wird der Begriff "Diplom" in Zusammenhang mit einem Beruf verwendet, so wird nach dem Verständnis des inländischen Verkehrs in aller Regel eine akademische Ausbildung des Verwenders in diesem Berufsbereich erwartet, deren Abschluss mit einem Diplom nach festen und offiziellen Prüfungsrichtlinien durch eine staatliche Stelle verliehen wird. Die Titelführung erweckt deshalb den Eindruck einer besonderen Qualifikation, die gerade wegen der dadurch belegten abgeschlossenen Hochschulausbildung ein besonderes Vertrauen in die Fähigkeiten, den Ruf und die Zuverlässigkeit des Graduierten begründen kann.
dd) Eine solche Vorstellung besteht bei den angesprochenen Tierhaltern auch und gerade, wenn es um den Beruf des Tierpsychologen geht. Sowohl ein Tierarzt, der herkömmliche Behandlungsmethoden bei Tieren anwendet, als auch ein im Humanbereich tätiger Diplom-Psychologe ist an einer Hochschule ausgebildet und geprüft worden. Das bringt es mit sich, dass zumindest ein ganz erheblicher Teil der angesprochenen durchschnittlich informierten Hundehalter, der mit der Hochschullandschaft nicht so gut vertraut ist, aus der Verwandtschaft des Tierpsychologen zum Tierarzt einerseits und zum Psychologen andererseits schließt, dass es auch insoweit -dem verwendeten Grad entsprechend- um einen Tierpsychologen mit einer (speziellen) Hochschulausbildung geht. Diese Verkehrskreise wissen nämlich nicht, dass es ein staatliches Diplom als Abschluss einer staatlichen Hochschulausbildung bei einem Tierpsychologen nicht gibt. Dies gilt umso mehr, als es nach dem eigenen Vorbringen des Beklagten eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Tierpsychologen gibt, die gezielt auch Tierhalter ansprechen wollen, die eine Alternative zur Tierarztbehandlung suchen.
ee) Diese Verbrauchervorstellung entspricht nicht der Wirklichkeit. Der Beklagte hat keine Ausbildung an einer staatlichen Hochschule genossen und nicht durch eine staatliche Stelle nach einer feststehenden Prüfungsordnung ein Diplom erhalten. Seine zweijährige Ausbildung an der Akademie für Tiernaturheilkunde in E in der Schweiz und seine Abschluss-Prüfung des Studienganges Tierpsychologie mit der Spezialisierung "Hund" sind dem nicht vergleichbar.
4) Diese Fehlvorstellung der angesprochenen Verkehrskreise muss zudem auch wettbewerbsrechtlich relevant sein. An dem Erfordernis der Relevanz als weiteres Tatbestandsmerkmal des § 5 UWG hat sich durch die UWG-Reform nichts Entscheidendes geändert. In § 3 UWG n.F. ist zwar erstmals eine allgemeine Bagatellklausel kodifiziert, die verhindern soll, dass weder von Mitbewerbern noch von Interessenverbänden zur Förderung des lauteren Wettbewerbs wie der Klägerin an sich unlautere Wettbewerbshandlungen verfolgt werden können, an deren Verfolgung die Allgemeinheit kein schutzwürdiges Interesse hat. Dieser Bagatellklausel kommt aber gerade in den Fällen einer irreführenden Werbung keine gesonderte Bedeutung zu. Schon Art. 2 Ziff. 2 der Irreführungsrichtlinie 84/450/EWG hatte bei der Definition der irreführenden Werbung neben der Eignung zur Täuschung der angesprochenen Verkehrskreise verlangt, dass deren wirtschaftliches Verhalten durch die Täuschung beeinflusst werden oder dadurch jedenfalls ein Mitbewerber geschädigt werden könnte. In Folge davon hatte der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung verlangt, dass in Fällen der irreführenden Werbung stets auch die wettbewerbsrechtliche Relevanz gegeben sein musste.
a) Eine Werbeaussage, durch die eine Fehlvorstellung der angesprochenen Verkehrskreise ausgelöst wird, ist nach dieser Rechtsprechung erst dadurch wettbewerbsrechtlich relevant, dass sie geeignet ist, das Marktverhalten der Gegenseite zu beeinflussen (BGH GRUR 2003, 628, 630 -Klosterbrauerei; BGH GRUR 2000, 239, 241 - Last-Minute Reise). Das ist der Fall, wenn es nach der Lebenserfahrung nahe liegt, dass die erzeugte Fehlvorstellung für die Marktentscheidung eines nicht unbeträchtlichen Teils des Verkehrs von Bedeutung ist. Denn Aufgabe des Wettbewerbsrechts ist es nach wie vor nicht, den Verbraucher vor jedweder Fehlvorstellung zu schützen. Das Verbot der irreführenden Werbung dient auch im neuen Recht vielmehr allein der Wahrung schützenswerter Interessen, sei es des Verbrauchers, sei es des Mitbewerbers. Es ist somit erforderlich, dass die täuschende Werbeangabe gerade wegen ihrer Unrichtigkeit geeignet ist, die wirtschaftliche Entschließung des Publikums irgendwie zu beeinflussen (BGH GRUR 1992, 70, 72 = NJW-RR 1991, 1392 -40 % weniger Fett). Das setzt regelmäßig voraus, dass die Werbeangabe dem Publikum Vorteile in Aussicht stellt. Daran fehlt es ausnahmsweise dann, wenn sie nur einen für die Kaufentschließung ganz nebensächlichen Punkt betrifft. Bei objektiv unrichtigen Werbeangaben kann die wettbewerbsrechtliche Relevanz im allgemeinen bereits aus der Täuschung selbst gefolgert werden. Wird ein nicht unerheblicher Teil der Verbraucher dadurch getäuscht, spricht dies regelmäßig auch ohne Beweiserhebung für die wettbewerbsrechtliche Relevanz der beanstandeten Werbung (vgl. z.B. BGH GRUR 1991, 852, 858 - Aquavit ).
b) Legt man diese Voraussetzungen zugrunde, so ist hier die wettbewerbsrechtliche Relevanz gegeben. Die Bezeichnung des Beklagten als Diplom-Tierpsychologe und die dadurch verursachte Fehlvorstellung sind geeignet, die angesprochenen Hundehalter dazu zu veranlassen, gerade mit dem Beklagten in Kontakt zu treten, wenn sie die Behandlung ihres Tieres durch einen Tierpsychologen wünschen. Wie oben schon ausgeführt, ist die Verwendung des Diploms als akademischer Grad besonders geeignet, das Vertrauen der angesprochenen Verbraucher in die besondere Fähigkeiten, den Ruf und die Zuverlässigkeit des Graduierten zu schaffen und sie dadurch zu einer Kontaktaufnahme zu veranlassen. Der Beklagte macht geltend, dass der Hinweis auf sein Diplom nicht unrichtig ist, weil ihm gerade ein solches Diplom von der XXX in der Schweiz verliehen worden ist. Damit kann der Beklagte aber nicht gehört werden. Entscheidend ist die Vorstellung, die die angesprochenen Verkehrskreise mit einem staatlichen Diplom verbinden. Im Unterschied zum Sachverhalt in den von der Beklagten angeführten Entscheidungen "Professorenbezeichnung in der Arztwerbung" und "Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie" verfügt der Beklagte hier gerade nicht über ein staatliches Diplom. Er täuscht deshalb über seine Ausbildung und Qualifikation. Ihn kann es insoweit auch nicht entlasten, wenn der Verband der U e.V. ihm insoweit eine falsche Auskunft gegeben haben sollte (vgl. Bl.15).
c) Zu beachten ist schließlich noch, dass ein irreführendes Anlocken schon dann wettbewerbsrechtlich relevant sein kann, wenn der Kunde vor Vertragsabschluss den wahren Sachverhalt erfahren und damit vor der endgültigen Marktentscheidung aufgeklärt sein sollte. § 5 UWG setzt nur die Gefahr einer Irreführung voraus. Nachfolgende Zusätze zu einer unrichtigen Werbeangabe beseitigen deshalb in der Regel die Eignung zur Irreführung nicht. Es reicht vielmehr aus, wenn sich der angesprochene Verkehr veranlasst sieht, sich gerade wegen der Angabe und der dadurch bewirkten Fehlvorstellung erst näher mit der beworbenen Dienstleistung zu befassen. Es kommt deshalb nicht darauf an, inwieweit sich der angelockte Hundehalter gegebenenfalls vor einer Auftragsvergabe noch näher informiert und was der Hundehalter dann über die Ausbildung und den vermeintlichen Hochschulabschluss erfahren könnte. Zudem ist der umworbene Hundehalter zu Recherchen auch nicht verpflichtet.
5) Aus Gesagtem folgt zugleich, dass der Wettbewerbsverstoß des Beklagten keine Bagatelle, sondern nach § 3 UWG unzulässig ist, weil er die Interessen der Marktteilnehmer nicht nur unwesentlich beeinträchtigt. Bei einer irreführenden Werbung wird gerade auch die Erheblichkeit der Beeinträchtigung der Interessen der anderen Marktteilnehmer in Gestalt des Tatbestandsmerkmals der wettbewerblichen Relevanz geprüft, das eine zusätzliche Erheblichkeitsprüfung entbehrlich macht (vgl. Köhler, GRUR 2005, 1, 7).
6) Ist der Unterlassungsanspruch gegeben und war die Abmahnung auch deshalb berechtigt, kann die Klägerin nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG auch die Erstattung der angemessenen Abmahnpauschale ersetzt verlangen.
Die in § 543 Abs. 2 ZPO geregelten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die Rechtssache ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Abweichende Entscheidungen anderer Obergerichte liegen nicht vor. Es ist für den Senat auch nicht ersichtlich, dass es zu abweichenden Entscheidungen kommen könnte, wenn die Revision nicht zugelassen würde.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
OLG Hamm:
Urteil v. 12.06.2007
Az: 4 U 196/06
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