Kammergericht:
Urteil vom 21. Oktober 2011
Aktenzeichen: 5 U 93/11
(KG: Urteil v. 21.10.2011, Az.: 5 U 93/11)
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 30. März 2011 - 97 O 142/10 - wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A.
Gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen einschließlich der wieder gegebenen Anträge im angefochtenen Urteil (nachfolgend "LGU" nebst Seitenzahl) mit den folgenden Ergänzungen und Korrekturen Bezug genommen:
Im Fall L... erfolgte die Unterzeichnung des Formulars nicht, wie in LGU 5 irrtümlich ausgeführt, durch U... L..., sondern durch I... L... . Das von I... L... (nachfolgend: "Frau L... ") unterzeichnete Formular entspricht in seinem Aussehen demjenigen wie in LGU 4 abgelichtet (dort einen anderen Fall - R... - betreffend). Als sogenannte "Kopie für den Kunden" zu dem von ihr unterzeichneten Formular ist Frau L... das (LGU 5 oben erwähnte) nachfolgend abgelichtete Schriftstück überlassen worden:
Es folgt eine Fotokopie, die aus technischen Gründen nicht wiedergegeben werden kann
Die Höhe der Abmahnkostenerstattungsforderung der Klägerin gegen die Beklagte setzt sich zusammen wie aus der klägerischen "Rechnung Nr. ... " vom 2. September 2010 (siehe Anlagenkonvolut K 6) ersichtlich. Die Klägerin hat behauptet, sie habe die diesbezügliche Gebührenforderung ihrer Bevollmächtigten am 22. September 2010 ausgeglichen.
Das Landgericht hat die Beklagte (antragsgemäß) verurteilt,
1. es bei Meidung ... (der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel) zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs
a) im Rahmen des PostIdent-Verfahrens der Deutschen Post AG Verträge über die Einrichtung einer dauerhaften Voreinstellung zugunsten von p... solchen Empfängern zuzustellen und/oder zustellen zu lassen, die vor Ablieferung der jeweiligen PostIdent-Sendung nicht darüber aufgeklärt worden sind, dass mit der Unterschriftsleistung im Rahmen der Empfangnahme der PostIdent-Sendung eine Willenserklärung abgegeben wird, die auf den Abschluss eines entsprechenden Vertrages mit primacall gerichtet ist,
und/oder
b) die T... mit der Einrichtung einer dauerhaften Voreinstellung zugunsten von p... für den Telefonanschluss solcher Kunden zu beauftragen und/oder beauftragen zu lassen, die vor Ablieferung der jeweiligen PostIdent-Sendung nicht darüber aufgeklärt worden sind, dass mit der Unterschriftsleistung im Rahmen der Empfangnahme der PostIdent-Sendung eine Willenserklärung abgegeben wird, die auf den Abschluss eines entsprechenden Vertrages mit p... gerichtet ist,
2. an die Klägerin 1.780,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 Abs. 1 BGB seit dem 17. September 2010 zu zahlen.
Gestützt hat das Landgericht die Verurteilung zu 1a auf §§ 3, 5, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 312c Abs. 1 und 2 BGB, Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 4 Abs. 3 Satz 1 EGBGB, die Verurteilung zu 1b auf §§ 3, 4 Nr. 10 UWG und die Verurteilung zu 2 auf § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Berufung der Beklagten (welche im Geschäftsverkehr und auch im Prozessverkehr vor den Gerichten entgegen ihrer - gerichtsbekannten - Eintragung im Handelsregister stets unter der unkorrekten Bezeichnung "p... GmbH" [anstatt korrekt "p... c... GmbH"] auftritt). Die Beklagte setzt sich im Einzelnen mit dem angefochtenen Urteil auseinander und wiederholt, präzisiert und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Mittlerweile geht (auch) die Beklagte - wie sie in der mündlichen Berufungsverhandlung hat vortragen lassen - davon aus, dass mit ihr ein Vertrag der in Rede stehenden Art über die Einrichtung einer dauerhaften Voreinstellung ohne Unterschrift des Kunden an der Wohnungstür nicht zustande kommt.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des am 30. März 2011 verkündeten Urteils des Landgerichts Berlin, Az.: 97 O 142/10, die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung und wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
B.
Die Berufung ist zulässig (nachfolgend B I), aber unbegründet (unten B II).
I.
Die Berufung ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Auch übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstands 600 € (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Die Beschwer eines zu einer Unterlassung verurteilten Beklagten bemisst sich nach seinem Interesse an einer Beseitigung dieser Verurteilung, welches zwar nicht zwangsläufig, aber doch regelmäßig dem Interesse des Klägers an dieser Verurteilung entspricht (BGH AfP 2011, 261, Tz. 2, 5), das aber wiederum übereinstimmend von der Klägerin, vom Landgericht, vom Senat und auch unbeanstandet von der Beklagten mit 100.000 € bewertet wird. Eine ausnahmsweise niedrigere Bemessung der Beschwer, wie sie der Senat in jüngerer Zeit in einigen sonstigen Berufungsverfahren der Streitparteien (bzw. konzernverbundener Unternehmen) vorgenommen hat (z.B. Beschl. v. 12.08.2011 - 5 U 71/11), ist im Streitfall nicht veranlasst. Denn anders als dort liegt hier nicht etwa die Konstellation vor, dass die Parteien des Berufungsverfahrens nicht über die Rechtsfrage der Unterlassungspflicht selbst, sondern über die Tatfrage, ob ein Verstoß gegen die Unterlassungspflicht erfolgt ist, stritten. Vielmehr hat hier das Landgericht die Beklagte unter Zugrundelegung (auch) des von dieser selbst zum in Rede stehenden Telefonat vom 1. März 2010 Vorgetragenen zur Unterlassung verurteilt, weil das Landgericht die von der Beklagten insoweit behaupteten Gesprächsinhalte (von Rechts wegen) für keine (hinreichende) Aufklärung gehalten hat (LGU 7). Hiergegen wendet sich die Berufung und macht damit - anders als in besagten anderen Berufungsverfahren vor dem Senat - ein Interesse geltend, weiterhin so handeln zu wollen, wie es ihr erstinstanzlich verboten worden ist (nämlich in der von ihr reklamierten Art und Weise aufklären zu lassen und alsdann das Zustandekommen und die Umsetzung daraus resultierender Verträge zu betreiben).
II.
Die sonach zulässige Berufung der Beklagten hat aber in der Sache keinen Erfolg. Mit Recht ist der Klage auf Unterlassung sowie Abmahnkostenerstattung auf lauterkeitsrechtlicher Grundlage (§ 8 Abs. 1 Satz 1 UWG und § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG) stattgegeben worden. Der Senat verweist auf die Entscheidungsgründe des Landgerichts, stimmt diesen im Wesentlichen zu und ergänzt sie im Hinblick auf das Berufungsvorbringen lediglich wie folgt:
1. Mit Recht hat das Landgericht die Unterlassungsklage hinsichtlich der PostIdent-Zusendung ohne vorherige Aufklärung (u.a. wegen Irreführung) für begründet erachtet (Verurteilung zu 1a), wobei der Senat hier den Schwerpunkt der Unlauterkeit allerdings nicht in einer irreführenden geschäftlichen Handlung (§ 5 UWG) sieht, sondern in einer Irreführung durch Unterlassen (§ 5a UWG).
a) Nach § 5a Abs. 2 UWG handelt unlauter, wer die Entscheidungsfähigkeit von Verbrauchern i.S. des § 3 Abs. 2 UWG dadurch beeinflusst, dass er eine Information vorenthält, die im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände einschließlich der Beschränkungen des Kommunikationsmittels wesentlich ist. Nach § 5a Abs. 4 UWG gelten als wesentlich im vorstehenden Sinne (auch) Informationen, die dem Verbraucher nach Rechtsvorschriften zur Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Richtlinien für kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung und Marketing nicht vorenthalten werden dürfen.
b) Vorstehende Voraussetzungen sind im Fall L... erfüllt. Die Übersendung des vom Empfänger in Gegenwart des Postboten zu unterschreibenden Formulars im PostIdent-Special-Verfahren, wie beispielsweise aus LGU 4 ersichtlich, an die Verbraucherin L... ist eine geschäftliche Handlung, die ein irreführendes Unterlassen i.S. von § 5a Abs. 2, Abs. 4 UWG impliziert, da mit Hilfe dieser Unterschrift ein Vertrag im Fernabsatz zustande kommen soll (nachfolgend B II 1 c), ohne dass dies dem unterschreibenden Verbraucher vor Abschluss des Vertrags (hinreichend) deutlich gemacht worden ist (unten B II 1 d ff).
c) Mit Hilfe der Unterschrift soll ein Vertrag der in Rede stehenden Art nach der Sichtweise des Senats (erst) zustande kommen (und nicht etwa ein bereits mündlich am Telefon zustande gekommener Vertrag nur noch einmal bestätigt werden, wie die Beklagte zunächst noch in ihrer Berufungsbegründung geltend zu machen versucht hat). Diese Sichtweise des Senats findet ihre Stütze in seiner bisherigen - den Parteien bekannten - Rechtsprechung (vgl. Senat, Urt. v. 27.08.2010 - 5 U 187/08, Seite 9) und auch derjenigen des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHZ 160, 393, 395 ff.). Auch die Beklagte teilt nunmehr diese Sichtweise, dass also mit ihr - wie sie zuletzt in der mündlichen Berufungsverhandlung (mit Recht) hat erklären lassen - ein Vertrag der in Rede stehenden Art über die Einrichtung einer dauerhaften Voreinstellung nicht zustande kommt, wenn der Kunde an der Wohnungstür nicht unterschreibt.
d) Im Fall "L... " war es für einen durchschnittlichen Verbraucher (i.S. von § 3 Abs. 2 UWG) nicht aufgrund vorheriger Aufklärung erkennbar, dass die zu erbringende Unterschrift auf dem Formular, wie aus LGU 4 bzw. oben unter A ersichtlich, eine Willenserklärung dokumentierte, die auf den Abschluss des Vertrags über die Einrichtung einer dauerhaften Voreinstellung zugunsten der Klägerin gerichtet war. Soweit die Berufung bestreitet, dass Frau L... Entsprechendes bei ihrer Unterschriftsleistung nicht bewusst war, ist das für die Beurteilung des § 5a UWG von vornherein unerheblich. Denn insoweit kommt es nicht auf Frau L... Verständnis an, sondern auf dasjenige des durchschnittlichen Verbrauchers, § 3 Abs. 2 Satz 2 UWG.
Das Vorenthalten einer solchen Information über die vertragskonstituierende Bedeutung der Unterschrift stellt eine gemäß § 5a Abs. 2, Abs. 4 UWG unlautere Irreführung durch Unterlassen dar. Denn der Umstand, dass mit der Unterschrift nicht etwa nur ein Empfang quittiert (und zugleich die Identität des Quittierenden festgestellt und dokumentiert) wird, sondern eine Willenserklärung dokumentiert werden soll, ist eine "wesentliche" Information i.S. von § 5a Abs. 2 UWG. Dies gilt umso mehr, als bei Fernabsatzverträgen gemäß § 312c Abs. 1 BGB (damaliger und - inhaltsgleich - aktueller Fassung) i.V.m. den dort genannten Bezugsnormen (damaliger und - inhaltsgleich - aktueller Fassung) dem Verbraucher rechtzeitig vor Abgabe von dessen Vertragserklärung Informationen in einer dem eingesetzten Fernkommunikationsmittel entsprechenden Weise klar und verständlich darüber zur Verfügung gestellt werden müssen, wie der Vertrag zustande kommt, was auf Gemeinschaftsrecht i.S. von § 5a Abs. 4 UWG beruht (vgl. Grüneberg in: Palandt, BGB, 70. Aufl., Art. 246 § 1 EGBGB Rdn. 1).
e) Entgegen dem Vorbringen der Berufung zum Telefonat vom 1. März 2010 mit Frau L... ist dort die in Rede stehende Information nicht im erforderlichen Ausmaß und in hinreichender Deutlichkeit zur Verfügung gestellt worden, und zwar auch dann nicht, wenn man dieses Vorbringen zugunsten der - hier sekundär darlegungsbelasteten (vgl. BGH NJW-RR 1999, 1152) - Beklagten als tatsächlich zutreffend unterstellt. An das Ausmaß der Deutlichkeit sind hohe Anforderungen zu stellen. Denn für den durchschnittlichen Verbraucher ist es ein, wenn nicht gar gänzlich unbekannter, so aber doch zumindest (jedenfalls bislang) höchst ungewöhnlicher Vorgang, dass es, wenn ein bei ihm zu Hause klingelnder Briefträger eine Unterschrift bei Überreichung einer Sendung erbittet, um die Unterzeichnung eines Vertrags mit dem Absender dieser Sendung geht und nicht nur - wie weiterhin nach der Lebenserfahrung in den allermeisten Fällen - um die Bestätigung des Erhalts der Sendung. Wer dem klingelnden Briefträger die Wohnungstür öffnet und vor Erhalt einer Sendung zur Unterschrift aufgefordert wird, unterschreibt - und das geht auch den Mitgliedern des erkennenden Senats so - in der Annahme, dies tun zu müssen, anderenfalls die Sendung überhaupt nicht ausgehändigt zu erhalten.
Dieser - verfestigten - Verbrauchererwartung entgegenzuwirken bedarf es bei der telefonischen Aufklärung einer entsprechend deutlichen, unmissverständlichen und "unüberhörbaren" Klarstellung, anderenfalls der unterschreibende Kunde - weil unwissentlich kontrahierend - "hereingelegt" wird. Diesen Anforderungen wird das in Rede stehende Telefonat auch dann nicht gerecht, wenn man das tatsächliche Vorbringen der Beklagten hierzu als zutreffend unterstellt.
aa) Soweit in dem Telefonat erklärt worden sein soll, dass die als Nachweis für den Vertrag benötigte Unterschrift im Rahmen des PostIdent-Verfahrens eingeholt werde und zugleich eine Identifizierung durch Vorlage eines entsprechenden Ausweisdokuments erfolge, macht dies nicht hinreichend deutlich, dass es sich bei der "benötigten Unterschrift" um diejenige handelt, die bereits "zwischen Tür und Angel" durch den Briefträger eingefordert wird. Insoweit ist den diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichts (LGU 8 oben) uneingeschränkt beizutreten, insbesondere auch der Beurteilung, dass hier allein die Wahl des Begriffs "PostIdent-Verfahren" in keiner Weise zur diesbezüglichen Aufklärung eines durchschnittlichen Verbrauchers beiträgt.
bb) Soweit in dem Telefonat außerdem erklärt worden sein soll, dass der Postbote Daten aus dem Ausweisdokument auf dem zu unterschreibenden Vertragsformular vermerke, dann der Kundin zur Unterschrift vorlege und anschließend die Tarifunterlagen (Kopie des Auftrags, Tarifübersicht etc.) aushändige, stellt auch das die hier vermisste Information nicht in hinreichend deutlichem Ausmaß zur Verfügung. Denn aus den noch nachfolgend (B II 1 f) zum tatsächlich dann verwendeten Formular darzulegenden Gründen ist dieses mit "Vertragsformular" unzutreffend bezeichnet. Zu Recht führt die Berufungserwiderung aus, dass dieses Dokument nicht als Vertragsformular zu erkennen ist. Aus entsprechenden Gründen missverständlich und undeutlich wäre es auch gewesen, wenn die telefonische Belehrung wortwörtlich so erfolgt wäre, wie es sich aus dem auszugsweise zitierten Gesprächsleitfaden ergibt, wofür die Beklagte zweitinstanzlich erstmals Beweis antritt (Berufungsreplik v. 13.10.2011, Seite 7, Mitte). Auch die danach von der Beklagten (angeblich) vorgegebene Gesprächsführung genügt den Informationsanforderungen des § 5a Abs. 2 (und Abs. 4) UWG nicht, reicht also nicht für eine hinreichende Aufklärung. Soweit ein Gesprächsleitfaden dieses Inhalts tatsächlich - wie die Beklagte behauptet - existieren sollte, belegt dies überdies, dass nicht nur im gelegentlichen Einzelfall im Vorfeld von Vertragsabschlüssen mit der Beklagten seitens des ein oder anderen Call-Center-Mitarbeiters vielleicht einmal unzureichend aufgeklärt wird, sondern dass vielmehr die Beklagte hier systematisch auf unlautere Art und Weise "Verträge zu akquirieren" (besser: "Kunden zu fangen") versucht.
f) In der - behaupteten - telefonischen Vorabinformation (vorstehend B II 1 e bb) ist das tatsächlich zu unterzeichnende Formular (wie aus LGU 4 ersichtlich bzw. als "Kopie für den Kunden" oben unter A wiedergegeben) mit "Vertragsformular" in unzureichender, weil irreführender Weise umschrieben. Es ist als solches schlechterdings nicht erkennbar. Es lässt eine auf den Abschluss eines Vertrags gerichtete Erklärung nicht mit einer Deutlichkeit erkennen, dass dies dem durchschnittlichen Verbraucher bewusst wird. Auch den diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichts (LGU 8, Mitte) ist uneingeschränkt zuzustimmen. Der im Formular (LGU 4 bzw. oben unter A) einzig und allein auf eine rechtsverbindliche Willenserklärung dunkel hindeutende Text befindet sich dort zwischen den beiden gepunkteten Linien. Dieser vielzeilige Fließtext ist in einer Größe abgefasst, die vermuten lässt, dass dieser Text vom Kunden in Gegenwart des wartenden Briefträgers nach den Intentionen der Beklagten nicht gelesen werden soll, jedenfalls schlechterdings nicht in dieser Situation konzentriert gelesen werden kann (allgemein zur Frage einer zureichenden Schriftgröße vgl. auch Senat GRUR-RR 2011, 278, 279) und deshalb von Rechts wegen nach Auffassung des Senats als "nicht geschrieben" zu beurteilen ist. Die Unterschrift unterhalb der gepunkteten Linie (siehe Ablichtung oben unter A) nimmt überdies optisch - gerade wegen dieser gepunkteten Linie - überhaupt nicht Bezug auf den Text darüber, sondern ist abschnittsmäßig vielmehr den vom Briefträger handschriftlich ausgefüllten Personendaten zuzuordnen und hat sonach mit (irgend)einem Vertragstext schlechterdings nichts zu tun.
Ohne durchgreifenden Erfolg macht die Berufung in diesem Zusammenhang noch geltend, der Verbraucher schenke einem PostIdent-Verfahren eine weitaus höhere Aufmerksamkeit als einem Einschreiben. Denn der Unterschied zum Einschreiben, wie er sich dem durchschnittlichen Verbraucher hier erschließt, ist zunächst einmal allein seine - hier vorgenommene - Identifizierung anhand des vorzuzeigenden Ausweises und die Dokumentierung dieser Identifizierung. Dass die - personenidentifizierte - Unterschrift darüber hinaus in einem PostIdent-Special-Verfahren die Abgabe einer Willenserklärung bedeuten und somit eine vertragliche Rechtsfolge nach sich ziehen kann, ist dem durchschnittlichen Verbraucher dagegen, wie vom Landgericht (LGU 7, Mitte) zutreffend ausgeführt, nicht geläufig, zumal der im Gespräch (nach Beklagtenvortrag) allein gebrauchte Begriff "PostIdent-Verfahren" (also ohne "Special") allein auf die Identifizierung (eines Quittierenden) und nicht auf die Willenserklärung hindeutet. Der erkennende Senat kann dies alles aus eigener Anschauung beurteilen, da seine Mitglieder als Konsumenten sowohl von Telefon- als auch von Postdienstleistungen zu den insoweit angesprochenen Verkehrskreisen zählen.
2. Ebenfalls mit Recht hat das Landgericht die Unterlassungsklage hinsichtlich der Veranlassung der Einrichtung einer dauerhaften Voreinstellung bei der Beklagten hinsichtlich Verträgen bei PostIdent-Zusendung ohne vorherige Aufklärung für begründet erachtet (Verurteilung zu 1b). Mit dem Landgericht beurteilt der Senat die Weiterleitung (beispielsweise) des Vorgangs "L... " an die Klägerin zwecks Einrichtung einer dauerhaften Voreinstellung als unlautere, gezielte Behinderung i.S. der §§ 3, 4 Nr. 10 UWG der Klägerin durch die Beklagte.
Ebenso wie es bei der Umsetzung von Pre-Selection-Aufträgen eine unlautere, gezielte Behinderung des Mitbewerbers darstellen kann, wenn pflichtwidrig und nicht nur fahrlässig im Einzelfall eine geschuldete Änderung der Voreinstellung nicht vorgenommen wird (vgl. BGH GRUR 2007, 987, Tz. 25 - Änderung der Voreinstellung I) bzw. umgekehrt im Falle eines Auftragswiderrufs die vorgenommene Änderung nicht rückgängig gemacht wird (vgl. Senat MMR 2009, 694) oder eine Änderung entgegen dem erteilten Kundenauftrag vorgenommen wird (vgl. BGH GRUR 2009, 876, Tz. 21 f. - Änderung der Voreinstellung II), kann es den Tatbestand des § 4 Nr. 10 UWG erfüllen, wenn eine Änderung der Voreinstellung (nicht nur versehentlich) trotz diesbezüglich fehlenden Kundenauftrags eingeleitet wird (vgl. Senat, Urt. v. 27.08.2010 - 5 U 187/08, Seite 8). Dem ist - worüber zwischen den Parteien auf dieser rechtlichen Ebene kein Streit besteht - der Fall gleichzustellen, dass die in vorstehender Weise zwar formal zustande gekommenen, aber angreifbaren Verträge an die Klägerin, welche an die im PostIdent-Special-Verfahren (nur) formal ordnungsgemäß dokumentierten Verbrauchererklärungen zunächst einmal gebunden ist, weiter geleitet werden (vgl. auch schon OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.08.2004 - I-20 U 61/04 = Anlage K 10). So verhält es sich im Streitfall, denn der an die Klägerin weiter geleitete Vorgang L... beruht auf einem entsprechend defizitär zustande gekommenen Vertrag, wie im Zusammenhang mit dem ersten Unterlassungsbegehren ausgeführt worden ist, worauf an dieser Stelle vollumfänglich verwiesen werden kann. Um einen infolge Fahrlässigkeit zustande gekommenen Einzelfall (was gegen eine "gezielte" Behinderung sprechen könnte) handelt es sich hier nicht, wie schon anhand des von der Berufung in den Streit eingeführten - lauterkeitsrechtlich defizitären - Gesprächsleitfadens unschwer zu erkennen ist. Dergleichen macht im Übrigen auch die Berufung - zu Recht - nicht geltend.
3. Aus vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, dass das Landgericht auch dem Zahlungsbegehren nebst Prozesszinsen gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG, §§ 291, 288 BGB mit Recht stattgegeben hat (Verurteilung zu 2). Auf das erstinstanzliche Bestreiten der Beklagten zum diesbezüglichen Geldfluss von der Klägerin an deren mit der Abmahnung beauftragten Rechtsanwälte ist die Berufung nicht mehr zurück gekommen. Auch die Höhe dieser Forderung steht zwischen den Parteien nicht in Streit und ist im Übrigen von Rechts wegen auch nicht zu beanstanden.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
KG:
Urteil v. 21.10.2011
Az: 5 U 93/11
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