Bundesgerichtshof:
Urteil vom 2. Juni 2005
Aktenzeichen: I ZR 215/02
(BGH: Urteil v. 02.06.2005, Az.: I ZR 215/02)
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 3. Juli 2002 aufgehoben.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Dessau -Kammer für Handelssachen -vom 6. Juli 2001 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß an die Nummer 1 des Tenors der Zusatz angefügt wird:
", soweit sich die Rezepte nicht auf Diabetesteststreifen beziehen, die vom Beklagten als Schulungsbedarf oder in Notfällen abgegeben werden."
Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 1/10 und der Beklagte 9/10 zu tragen.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Der Kläger ist Inhaber einer Apotheke in W. . Er nimmt den Beklagten, der in W. eine diabetologische Schwerpunktpraxis betreibt, wegen des Angebots und der Abgabe von Diabetesteststreifen auf Unterlassung in Anspruch.
Der Beklagte händigt den von ihm behandelten Patienten bei Bedarf ein der Abrechnung mit den Krankenkassen dienendes Rezept für Diabetesteststreifen aus. Bei diesen handelt es sich um weder verschreibungsnoch apothekenpflichtige Produkte, die deshalb außer über Apotheken auch über den Diabetikerversandhandel sowie in Sanitätshäusern vertrieben werden. Sie werden von Diabetespatienten in großem Umfang zur Bestimmung des Blutzuckerspiegels benötigt und bei jedem Meßvorgang verbraucht.
Der Beklagte läßt seine Diabetespatienten bei der -gegebenenfalls auch wiederholt -erforderlichen Einweisung in den Gebrauch der Teststreifen durch seine Mitarbeiter darauf hinweisen, daß die Teststreifen auch kostengünstig über seine Praxis zu beziehen seien. Wenn es zu einer entsprechenden Abgabe kommt, läßt er die Patienten die auf die Rückseite des Rezepts aufgestempelte Erklärung "Aus wirtschaftlichen Gründen möchte ich die Artikel hier vor Ort erhalten. Das Personal der medizinischen Einrichtung nahm keinen Einfluß auf meine Entscheidung. Alternative Bezugsquellen sind mir bekannt. Artikel erhalten." unterschreiben. In welcher Weise die Patienten über die Wahlfreiheit und die Bezugsmöglichkeiten für die Teststreifen im einzelnen aufgeklärt werden, ist zwischen den Parteien streitig. Die unterschriebenen Rezepte leitet der Beklagte an das Diabetikerversandhandelsunternehmen D. GmbH & Co. KG weiter, von dem er die Teststreifen bezieht. Dieses rechnet dann mit den Kassen ab oder erteilt den Patienten eine Rechnung.
Das Landgericht hat den Beklagten entsprechend dem von dem Kläger gestellten Antrag unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken im Zusammenhang mit seiner ärztlichen Leistung 1.
Rezepte mit Diabetesteststreifen seiner Patienten in seiner Praxis entgegenzunehmen oder zu sammeln und diese zur ausschließlichen Einlösung bei der D. GmbH & Co. KG zu verwenden;
2.
Diabetesteststreifen in seiner Praxis an die Patienten abzugeben, soweit es sich nicht um Proben, Schulungsbedarf oder Notfälle handelt.
Die Berufung des Beklagten hat zur Abweisung der Klage geführt (OLG Naumburg GRUR-RR 2003, 114).
Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Er stützt sich dabei insbesondere auf die Bestimmung des § 3 Abs. 2 der Ärztlichen Berufsordnung des Landes Sachsen-Anhalt (BOÄ LSA). Diese hat -inhaltlich übereinstimmend mit derselben Bestimmung in der im Jahr 1997 erlassenen (Muster-)Berufsordnung der deutschen Ärztinnen und Ärzte (MBO) -folgenden Wortlaut:
"Ärzten ist untersagt, im Zusammenhang mit der Ausübung ihrer ärztlichen Tätigkeit Waren und andere Gegenstände abzugeben oder unter ihrer Mitwirkung abgeben zu lassen sowie gewerbliche Dienstleistungen zu erbringen oder erbringen zu lassen, soweit nicht die Abgabe des Produkts oder die Dienstleistung wegen ihrer Besonderheiten notwendiger Bestandteil der Therapie sind."
In der mündlichen Revisionsverhandlung hat der Kläger erklärt, daß der Zusatz "soweit es sich nicht um Proben, Schulungsbedarf oder Notfälle handelt" auch für den Klageantrag zu 1 gilt. Der Beklagte hat einer darin enthaltenen Klagerücknahme zugestimmt.
Gründe
I. Das Berufungsgericht hat die vom Kläger geltend gemachten Unterlassungsansprüche für nicht begründet erachtet, weil der Beklagte mit seinem Verhalten weder gegen das Apothekenrecht noch gegen das ärztliche Berufsrecht noch gegen das Kartellrecht verstoße und ferner nicht in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Klägers eingreife. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Nach der Lebenserfahrung sei davon auszugehen, daß die Patienten unabhängig davon, wie deutlich sie über ihre Wahlfreiheit aufgeklärt würden, von dem Angebot, die verordneten Produkte in der Praxis des Beklagten unmittelbar zu erhalten, Gebrauch machten. Da der Beklagte die einzige diabetologische Schwerpunktpraxis in W. betreibe, sei auch anzunehmen, daß die Auswirkungen seiner Verfahrensweise auf den örtlichen Abgabemarkt für Diabetesteststreifen erheblich seien. Die vom Beklagten vorgelegten Unterlagen zeigten, daß die Preise der D. GmbH & Co. KG unter den in Apotheken verlangten Preisen lägen.
Das Verhalten des Beklagten verstoße nicht gegen das Verbot der Einrichtung einer Rezeptsammelstelle bei einem Angehörigen eines Heilberufs. Die restriktiv auszulegende Bestimmung des § 24 der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) umfasse nicht das Sammeln von Rezepten über rezeptund apothekenfreie Medizinprodukte.
Der Beklagte verstoße mit seinem Verhalten auch nicht gegen § 34 Abs. 5 BOÄ LSA, der es dem Arzt verbiete, Patienten ohne hinreichenden Grund an bestimmte Apotheken, Geschäfte oder Anbieter gesundheitlicher Leistungen zu verweisen. Für seine Vorgehensweise sprächen ebenso wie in den den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs "Verkürzter Versorgungsweg" und "Hörgeräteversorgung" zugrundeliegenden Fällen hinreichende sachliche Gründe. Zu berücksichtigen sei insbesondere das von den Angehörigen der Heilberufe in verstärktem Maße zu beachtende Wirtschaftlichkeitsgebot. Die Verfahrensweise des Beklagten dürfte im Ergebnis wirtschaftlicher sein als der Bezug über Apotheken. Sie biete die Möglichkeit, eventuell notwendige Einweisungen und Erläuterungen zugleich in der Fachpraxis durch den Arzt oder geschultes Personal erhalten zu können. Umgekehrt hätten die dort Hilfe suchenden Patienten einen besonders großen Schulungsund Beratungsbedarf.
Die danach gerechtfertigte Vorgehensweise des Beklagten verstoße deshalb auch nicht gegen §§ 19, 20 GWB. Ebensowenig liege ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Klägers vor, zumal es an einem dafür erforderlichen betriebsbezogenen Eingriff fehle.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision des Klägers hat Erfolg. Sie führt zur Wiederherstellung des der Klage stattgebenden Urteils des Landgerichts mit der Maßgabe, daß -entsprechend der in der mündlichen Revisionsverhandlung erklärten teilweisen Klagerücknahme -vom Verbot gemäß der Nummer 1 des Tenors diejenigen Rezepte ausgenommen sind, die sich auf vom Beklagten als Schulungsbedarf oder in Notfällen abgegebene Diabetesteststreifen beziehen.
1.
Auf den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch sind die Bestimmungen des am 8. Juli 2004 in Kraft getretenen Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) vom 3. Juli 2004 anzuwenden. Der im Streitfall auf eine Wiederholungsgefahr gestützte Unterlassungsanspruch besteht allerdings nur, wenn die beanstandete Verhaltensweise auch schon zu dem Zeitpunkt wettbewerbswidrig war, zu dem der Rechtsverstoß erfolgt ist (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Urt. v. 20.1.2005 -I ZR 96/02, GRUR 2005, 442 = WRP 2005, 474 -Direkt ab Werk).
2.
Die hinsichtlich der Abgabe von Diabetesteststreifen an Patienten, soweit es sich nicht um Proben, Schulungsbedarf oder Notfälle handelt (Klageantrag 2), und der Entgegennahme, Sammlung und Verwendung der dafür ausgestellten Rezepte (Klageantrag 1) geltend gemachten Unterlassungsansprüche folgen aus § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 1, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG, § 1 UWG a.F.
i.V. mit § 3 Abs. 2 BOÄ LSA.
a) Der Senat ist nicht gehindert, das Klagebegehren auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen auch unter dem Gesichtspunkt eines wegen Verstoßes gegen § 3 Abs. 2 BOÄ LSA gesetzund wettbewerbswidrigen Verhaltens zu würdigen, auf den sich der Kläger erstmals in seinem im Revisionsverfahren eingereichten Schriftsatz vom 16. Mai 2003 gestützt hat. Die dortige Beurteilung bezieht sich auf die vom Kläger mit den Klageanträgen in den Rechtsstreit eingeführten Streitgegenstände. Diese werden durch den Klageantrag und den Lebenssachverhalt bestimmt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (st. Rspr.; vgl. BGHZ 154, 342, 348 f. -Reinigungsarbeiten; BGH, Urt. v. 22.10.2004 -V ZR 47/04, NJW-RR 2005, 501, 502, jeweils m.w.N.). Der Kläger hat geltend gemacht, daß der Beklagte berufsordnungswidrig und zugleich wettbewerbswidrig handele. Der Sachverhalt, aus dem er das berufsordnungswidrige Verhalten hergeleitet hat, umfaßte einen Verstoß gegen § 3 Abs. 2 BOÄ LSA. Soweit der Kläger diese Verbotsnorm in den Tatsacheninstanzen nicht bezeichnet hat, betraf dies allein die rechtliche Bewertung des Sachverhalts; diese aber obliegt dem Gericht. Es ist daher grundsätzlich nicht maßgebend, ob sich der Kläger ausdrücklich auf bestimmte Normen beruft; entscheidend ist vielmehr, ob er sich gegen ein davon erfaßtes Verhalten wendet. Abweichendes gilt nur dann, wenn der Kläger den Streitgegenstand dadurch begrenzt, daß er seinen Antrag nach seinem Vorbringen erkennbar allein auf bestimmte Normen stützt (vgl. BGH, Urt. v. 2.7.1998 -I ZR 77/96, GRUR 1999, 272, 274 = WRP 1999, 183 -Die Luxusklasse zum Nulltarif; Urt. v. 6.10.1999 -I ZR 242/97, NJWE-WettbR 2000, 232, 233 -Handy "fast geschenkt" für 0,49 DM; Baumbach/Hefermehl/Köhler, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl., § 12 UWG Rdn. 2.23; Fezer/Büscher, UWG, § 12 Rdn. 230; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl., Kap. 46 Rdn. 5). Dies trifft für den Streitfall jedoch nicht zu.
b) Die Abgabe der Diabetesteststreifen durch den Beklagten aus dem von ihm unterhaltenen Depot der D. GmbH & Co. KG an seine Patienten stellt die Abgabe einer Ware unter seiner Mitwirkung dar. Sie ist -sofern es sich nicht um Proben handelt -nach § 3 Abs. 2 BOÄ LSA unzulässig, soweit sie nicht wegen ihrer Besonderheiten notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie ist. Dieses ist der Fall, wenn die Abgabe der Teststreifen anläßlich der Schulung der Patienten oder in Notfällen erfolgt. Das Verbot umfaßt auch die mit der Abgabe der Teststreifen notwendig verbundenen Handlungen, wie sie im Klageantrag 1 bezeichnet sind.
aa) Bei der Auslegung des Begriffs des notwendigen Bestandteils ärztlicher Therapie und damit des Umfangs des in § 3 Abs. 2 BOÄ LSA enthaltenen Verbots ist zum einen die hinter der Regelung stehende Gemeinwohlerwägung, zum anderen aber auch die Reichweite des Art. 12 GG zu berücksichtigen. Das Verbot dient der Trennung merkantiler Gesichtspunkte vom Heilauftrag des Arztes. Der Patient soll darauf vertrauen können, daß sich der Arzt nicht von kommerziellen Interessen, sondern ausschließlich von medizinischen Notwendigkeiten leiten läßt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.8.2003 -1 BvR 1003/02, GRUR 2003, 966, 967 = WRP 2003, 1209 -betr. die Werbung eines Zahnarztes im Internet; Ratzel in: Ratzel/Lippert, Kommentar zur Musterberufsordnung der deutschen Ärzte, 3. Aufl., § 3 Rdn. 2). Die Abgabe von in großem Umfang benötigten Verbrauchsprodukten durch den Arzt ist im Regelfall Ausdruck eines rein geschäftsmäßigen Verhaltens, das die Gefahr einer langfristigen negativen Rückwirkung auf die medizinische Versorgung der Bevölkerung durch eine Orientierung an ökonomischen Erfolgskriterien in sich birgt. Das Verbot in § 3 Abs. 2 BOÄ LSA beugt der gesundheitspolitisch unerwünschten Kommerzialisierung des Arztberufs vor (vgl. BVerfGE 85, 248, 260).
bb) Das Verbot ist gerechtfertigt, soweit vernünftige Zwecke des Gemeinwohls dies erfordern und den seinen Beruf ausübenden Arzt nicht übermäßig oder unzumutbar treffen (vgl. BVerfGE 85, 248, 260). Allerdings begegnet das Verbot des § 3 Abs. 2 BOÄ LSA nicht unmittelbar bestehenden Gesundheitsgefahren, sondern soll lediglich langfristig negative Rückwirkungen auf die medizinische Versorgung durch eine Kommerzialisierung des Arztberufs verhindern. Dementsprechend ist der Begriff der Produkte, die notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie sind und daher von Ärzten zulässigerweise abgegeben werden dürfen, weit auszulegen. Es reicht aus, daß der Arzt Einweisungen, Schulungen, Anpassungsoder Kontrolleistungen oder eine Notfallversorgung für erforderlich erachtet und die Abgabe der Ware in direktem Zusammenhang damit vornimmt oder veranlaßt. Ein rein geschäftsmäßiges Verhalten liegt dagegen vor, wenn die abgegebenen Verbrauchsprodukte nicht unmittelbar für die genannten Maßnahmen benötigt werden. Soweit ein Arzt eine weitergehende Zusammenarbeit mit einem Leistungsanbieter wünscht, kann er mit diesem eine medizinische Kooperationsgemeinschaft i.S. des § 23b MBO eingehen, soweit die Berufsordnung des Landes eine entsprechende Regelung enthält.
cc) Da das Verbot in § 3 Abs. 2 BOÄ LSA der Verhinderung einer langfristig negativen Rückwirkung auf die medizinische Versorgung durch Kommerzialisierung des Arztberufs und damit dem Gemeinwohlinteresse dient, führte auch der von den einzelnen Patienten geäußerte Wunsch nach einer Abgabe der Ware nicht aus dem Verbotsbereich heraus (vgl. BGH, Urt. v. 17.10.1980 -I ZR 185/78, GRUR 1981, 280, 281 = WRP 1981, 205 -Apothekenbegünstigung). Die von den Patienten auf der Rückseite der Rezepte unterschriebene Erklärung vermag daher das Verhalten des Beklagten nicht zu rechtfertigen.
dd) Soweit der Beklagte über die vom Kläger nicht bzw. -nach der in der mündlichen Revisionsverhandlung erklärten teilweisen Klagerücknahme -nicht mehr verfolgten Fälle hinaus Diabetesteststreifen an Patienten abgibt, handelt es sich nicht um einen notwendigen Bestandteil der ärztlichen Therapie. Vielmehr ersetzt eine solche Abgabe den Bezug der Teststreifen durch die Patienten von einem ihrer Wahl unterliegenden Leistungsanbieter, nämlich einer Apotheke, einem Sanitätshaus oder einem Diabetikerversandhandel. Wie insbesondere der Text des auf Veranlassung des Beklagten auf der Rückseite seiner Rezepte angebrachten Stempelabdrucks ausweist, erfolgt die Abgabe der Teststreifen unter diesen Umständen nicht -was § 3 Abs. 2 BOÄ LSA allein zuläßt aus medizinischen, sondern aus wirtschaftlichen Gründen.
c) Die vorliegende Beurteilung steht, anders als die Revisionserwiderung meint, nicht in Widerspruch zu den Senatsentscheidungen "Verkürzter Versorgungsweg" (Urt. v. 29.6.2000 -I ZR 59/98, GRUR 2000, 1080 = WRP 2000, 1121) und "Hörgeräteversorgung" (Urt. v. 15.11.2001 -I ZR 275/99, GRUR 2002, 271 = WRP 2002, 211). Diesen Entscheidungen lagen Sachverhalte zugrunde, bei denen die Mitwirkung des Arztes zur Versorgung der Patienten mit Hörgeräten medizinisch notwendig war. Im Gegensatz dazu ist die Abgabe der Diabetesteststreifen unter Mitwirkung des Beklagten außer in Schulungsund Notfällen medizinisch nicht geboten. Im übrigen kann die D. GmbH & Co. KG auch ohne Überschreitung der nach § 3 BOÄ LSA für eine Zusammenarbeit mit dem Beklagten bestehenden Beschränkungen eigenständig neben anderen Leistungsanbietern am Wettbewerb teilnehmen, indem sie den Patienten die Teststreifen zu wirtschaftlich günstigen Bedingungen unmittelbar zur Verfügung stellt.
d) Der Beklagte handelt, soweit er gegen die Bestimmung des § 3 Abs. 2 BOÄ LSA verstößt, einer Vorschrift zuwider, die im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG wie auch der neueren Rechtsprechung des Senats zu § 1 UWG a.F. dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Insbesondere liegt keine reine Marktzutrittsregelung vor. Das in § 3 Abs. 2 BOÄ LSA enthaltene Verbot beugt, wie bereits ausgeführt wurde, der gesundheitspolitisch unerwünschten Kommerzialisierung des Arztberufs vor. Es will verhindern, daß durch eine Orientierung an ökonomischen Erfolgskriterien statt an medizinischen Notwendigkeiten langfristig negative Rückwirkungen auf die medizinische Versorgung der Bevölkerung eintreten. Dazu wird neben dem Schutz der Ärzteschaft bei deren Wettbewerb untereinander bezweckt, daß keine über die medizinischen Notwendigkeiten hinausgehende Einflußnahme auf den Wettbewerb unter den weiteren Leistungserbringern erfolgt. Denn gerade diese stellt eine rein geschäftsmäßige Betätigung dar, die dem Berufsbild des Arztes widerspricht. Insofern handelt es sich auch nicht um einen Bagatellverstoß i.S. des § 3 UWG.
III. Nach allem war das Urteil des Landgerichts mit der aus dem Tenor ersichtlichen Maßgabe wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.
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BGH:
Urteil v. 02.06.2005
Az: I ZR 215/02
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