Bundespatentgericht:
Beschluss vom 25. April 2007
Aktenzeichen: 26 W (pat) 137/04
(BPatG: Beschluss v. 25.04.2007, Az.: 26 W (pat) 137/04)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I Die Antragstellerin hat beim Deutschen Patent- und Markenamt am 8. August 2002 die Löschung der für die Waren der Klasse 32
"Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke, einschließlich kohlensäurehaltige Getränke mit Fruchtgeschmack; Fruchtgetränke, nämlich kohlensäurehaltige Getränke mit Fruchtgeschmack; vorgenannte Waren ausschließlich für den Einzelhandel"
seit dem 22. Februar 1995 eingetragenen Marke 2 902 352 SOCA mit der Begründung beantragt, es handele sich bei der eingetragenen Marke um eine Angabe, die zur Bezeichnung der geografischen Herkunft der Waren dienen könne (§§ 50, 8 MarkenG). Es gebe in der slowenischen Gebirgsregion Goriska einen Fluss mit dem Namen "Soca", aus dessen Einzugsgebiet die Waren, für die die angegriffene Marke eingetragen sei, stammen könnten.
Die Markenabteilung 3.4. des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Löschungsantrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die angegriffene Marke weise für die fraglichen Waren weder einen beschreibenden Charakter auf, der ein Freihaltungsbedürfnis begründen könnte, noch sei sie geeignet, das Publikum über die Art, die Beschaffenheit oder die geografische Herkunft der Waren zu täuschen. Zwar handele es sich bei der Soa um einen in Slowenien im Bereich der Julischen Alpen gelegenen Fluss, der auch unter dem Namen "Isonzo" bekannt sei. Auch ein an diesem Fluss gelegener Ort trage den Namen Soa. Von entscheidungserheblicher Bedeutung sei insoweit jedoch, dass sowohl der Fluss als auch der Ort mit einem Akzent über dem Buchstaben "c" geschrieben würden, der in der angegriffenen Marke fehle. Der Fluss "Soa" finde sich in einer Urlaubsregion und sei insbesondere für Wildwasserfahrer attraktiv und bei diesen bekannt. Ob jedoch die hier relevanten Verkehrskreise des Getränkesektors die angegriffene Marke mit dem Flussnamen "Soa" in Verbindung brächten, sei fraglich, weil sie diese geografische Bezeichnung regelmäßig gar nicht kennen oder wegen der veränderten Schreibweise überhaupt nicht mit dieser in Verbindung bringen würden. Das der angegriffenen Marke entsprechende Wort "Soca" - ohne Akzent - weise zudem eine andere, eigenständige Bedeutung auf. Es bezeichne eine in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts entstandene, ursprünglich aus Trinidad stammende Art der Calypsomusik mit Soulelementen, eine Mischung aus Soul und Calypso, oder es stehe als Kurzwort für "Social Calypso", aus dessen Anfangsbuchstaben es gebildet sei. Aber selbst dann, wenn die maßgeblichen Verkehrskreise des Getränkesektors die angegriffene Marke mit dem Flussnamen "Soa" in Verbindung brächten, bestehe kein ernsthaftes Freihaltungsbedürfnis an der angegriffenen Marke, weil sich weder der Fluss noch der an diesem gelegene Ort gleichen Namens angesichts der geografischen Besonderheiten als Sitz für ein Unternehmen eigne, das Getränke der beanspruchten Art herstellt. Auch eine dahingehende wirtschaftliche Entwicklung sei wegen der geografischen Lage des Flusses und des Ortes im Hochgebirge unwahrscheinlich. Jedenfalls lägen keinerlei konkrete Anhaltspunkte für eine Produktion von Getränken in der fraglichen Region in der Gegenwart und für die Zukunft vor. Allein der Umstand, dass die Soa kristallklares Wasser führe und die dortige Natur vergleichsweise unberührt sei, reiche für eine dahingehende Prognose nicht aus. Dass es sich um eine naturbelassene Gebirgslandschaft handele, spreche gerade gegen den Aufbau einer industriellen Produktion. Auch die Tatsache, dass im Nordosten Sloweniens in der Stadt Radenci das relativ bekannte "Radenska" - Mineralwasser abgefüllt werde, das auch überregional bekannt sei, lasse keinen Rückschluss auf eine eventuelle Produktion von Getränken in dem im Westen Sloweniens gelegenen Gebiet der Soa zu. Selbst wenn in Zukunft doch eine entsprechende Produktion entstehen sollte, liege ein Verkauf nach Deutschland nicht nahe. Die erfolgreiche Vermarktung eines ausländischen Mineralwassers in Deutschland sei, abgesehen von französischen und italienischen Produkten, eher die Ausnahme. Erst recht weise nichts darauf hin, dass bereits zum Zeitpunkt der Eintragung der Marke ein Schutzhindernis bestanden habe.
Hiergegen wendet sich die Löschungsantragstellerin mit der Beschwerde. Sie ist weiterhin der Ansicht, bei der angegriffenen Marke handele es sich um eine Angabe, die zur geografischen Herkunft alkoholfreier Getränke und insbesondere eines Mineralwassers dienen könne. Nicht nur ein Fluss, sondern auch die entsprechende Gegend in den Julischen Alpen trage den Namen "Soca". Auch die Markenabteilung habe nicht in Abrede gestellt, dass es sich bei der Region, in der dieser Fluss gelegen sei, um ein Naturparadies und eine Urlaubsregion handele. Die Annahme der Markenabteilung, die angegriffene Marke komme als geografische Herkunftsangabe nicht in Betracht, weil es sich um eine naturbelassene Landschaft handele, sei nicht nachvollziehbar, weil sämtliche Mineralwässer aus Quellen entnommen würden, die in einem naturbelassenen Gebiet lägen, da es nur dort reines Wasser gebe. Auch die europaweit größten Produzenten von Mineralwässern entnähmen das Wasser hierfür aus Quellen in naturbelassenen Gegenden. Die Mineralwässer würden oft auch nach dem Gebiet benannt, in dem sich die Quelle befinde. In Slowenien gebe es eine erhebliche Anzahl von Kurorten, die Wasserkuren und Heilbäder anböten. Dort sei es auch üblich, Wässer mit heilender Wirkung abzufüllen. Ein Beispiel hierfür sei der slowenische Bade- und Kurort Radenci, in dem das Mineralwasser "Radenska" abgefüllt werde, das auch in Deutschland angeboten werde. Weitere Beispiele seien in Österreich die Kurorte Bad Vöslau und Bad Gastein mit den Mineralwässern "Vöslauer" und "Gasteiner". Stets diene die geografische Herkunft des Wassers als Marke. Die Region um den Fluss "Soca" sei wegen ihrer hohen Wasserqualität bekannt. In vielen angrenzenden Regionen gebe es bereits große Wellnesszentren. Bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts hätten sich in der Region der Julischen Alpen zahlreiche Kurorte befunden. Das dort gefundene Wasser sei für Trinkkuren verwendet worden und sei noch heute Grundlage für verschiedene Mineralwässer.
Die Antragstellerin beantragt, den Beschluss der Markenabteilung vom 2. März 2004 aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
Die Markeninhaberin bittet um Entscheidung nach Aktenlage.
II Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin erweist sich als unbegründet. Die Markenabteilung hat den gemäß §§ 50 Abs. 2 S. 2, 54 Abs. 1 MarkenG zulässigen Löschungsantrag zu Recht zurückgewiesen.
Die Eintragung einer Marke wird auf Antrag wegen Nichtigkeit gelöscht, wenn die Marke entgegen §§ 3, 7 oder 8 MarkenG eingetragen worden ist und das Schutzhindernis auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf Löschung besteht (§ 50 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 MarkenG). Der Eintragung der Marke "SOCA" stand für die registrierten Waren jedenfalls zum Eintragungszeitpunkt keines der von der Antragstellerin behaupteten Schutzhindernisse entgegen. Insbesondere war sie nicht gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vom Schutz auszuschließen.
Bei der angegriffenen Marke in der eingetragenen Form, also ohne den Akzent " ÿ " über dem Buchstaben "C", handelt es sich - wie die Markenabteilung zutreffend festgestellt hat - um die Bezeichnung eines Musikstils, der Elemente des Soul und des Calypso in sich vereint und auch unter der Bezeichnung "Social Calypso" geführt wird. In dieser Bedeutung weist die angegriffene Marke, was auch die Antragstellerin nicht in Abrede stellt, keinerlei beschreibende Bedeutung für die hier maßgeblichen Waren des Getränkesektors auf. Hinzu kommt, dass der Musikstil mit dem Namen "Soca" im Inland nur einem sehr kleinen Teil der Durchschnittsverbraucher von alkoholfreien Getränken bekannt ist, so dass - ausgehend von der vorstehend dargestellten Bedeutung der angegriffenen Marke - das Bestehen von Schutzhindernissen für den maßgeblichen Zeitpunkt der Eintragung der Marke für die registrierten Waren zweifelsfrei zu verneinen ist.
Der angegriffenen Marke war die Eintragung aber auch nicht vor dem - von der Antragstellerin in den Vordergrund ihrer Argumentation gestellten - Hintergrund zu versagen, dass es in Slowenien im Bereich der Julischen Alpen einen Fluss gibt, der den fast gleichen Namen wie die angegriffene Marke aufweist. Insoweit ist zunächst von Bedeutung, dass dieser Fluss, wie bereits die Markenabteilung zutreffend festgestellt hat, nicht den Namen "Soca", sondern "Soa" führt. Die angegriffene Marke stellt damit in ihrer eingetragenen Form keine geografische Herkunftsangabe dar, sondern allenfalls eine Abwandlung einer solchen Angabe. Die Bestimmung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG lässt aber - im Gegensatz zu den früheren einschlägigen Bestimmungen des Warenzeichengesetzes grundsätzlich keinen Raum (mehr) für die Zurückweisung von Abwandlungen warenbeschreibender Angaben, selbst wenn diese dem Durchschnittsverbraucher als solche ohne weiteres erkennbar sind (Amtliche Begründung zum Regierungsentwurf des Markenrechtsreformgesetzes, BlPMZ 1994 - Sonderheft - S. 45 ff., 64 und 74; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Auflage, § 8 Rdn. 271).
Aber selbst dann, wenn zu Gunsten der Antragstellerin weiterhin Berücksichtigung findet, dass der Fluss "Soa" auf deutschsprachigen Internetseiten zum Teil auch ohne den in der Landessprache üblichen und wegen der Auswirkungen auf die Aussprache auch notwendigen Akzent wiedergegeben wird, so dass eine klangliche Identität mit dem Markenwort besteht (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 678 - Postkantoor) und deshalb unterstellt wird, dass es sich bei der angegriffenen Marke um eine in Deutschland geläufige Schreibweise für dieses Gewässer handelt (woran erhebliche Zweifel bestehen, weil die "Soa" im deutschsprachigen Raum besser unter ihrem aus der Zeit der österreichischungarischen Monarchie stammenden Namen "Isonzo" bekannt ist und häufig auch entsprechend benannt wird), bestand zum Zeitpunkt der Eintragung der angegriffenen Marke kein Grund, diese gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vom Schutz auszuschließen.
Weder die Markenabteilung noch der Senat haben feststellen können, dass aus dem Fluss "Soa" zum Eintragungszeitpunkt der angegriffenen Marke Wasser zur Abfüllung als Mineralwasser oder sonstiges kohlensäurehaltiges Wasser bzw. zur Herstellung von anderen alkoholfreien Getränken entnommen worden ist. Dies stellt auch die Antragstellerin nicht in Abrede.
Bei der Prüfung der Frage, ob eine geografische Angabe zur Bezeichnung der geografischen Herkunft von Waren oder Dienstleistungen dienen kann, kommt es allerdings, worauf die Antragstellerin zutreffend hinweist, nicht nur auf die aktuellen Gegebenheiten an, sondern auch darauf, ob eine beschreibende Verwendung der fraglichen Angabe vernünftigerweise in der Zukunft zu erwarten ist. Erforderlich ist insoweit eine realitätsbezogene Prognose, die nicht lediglich auf die gegenwärtigen Verhältnisse abstellt, sondern auch mögliche, nicht außerhalb der Wahrscheinlichkeit liegende zukünftige wirtschaftliche Entwicklungen berücksichtigt (EuGH GRUR 1999, 723, 726, Nr. 31 und 37 - Chiemsee). Aber auch bei Zugrundelegung dieses rechtlichen Maßstabs sind keine Tatsachen feststellbar, die eine Schutzversagung gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG hätten rechtfertigen können.
Da es sich hier um ein Löschungsverfahren handelt, ist die geforderte realitätsbezogene Prognose vor dem Hintergrund der zum Eintragungszeitpunkt der angegriffenen Marke bestehenden Verhältnisse zu stellen. Die Soa war schon seinerzeit als Gebirgsfluss vor allem bei Wildwasserfahrern bekannt und beliebt. Ihr Quellbereich, in dem ggf. Wasser zur Abfüllung und zur Herstellung von alkoholfreien Getränken entnommen werden könnte, liegt im Hochgebirge der Julischen Alpen. Bereits dieser Umstand, der die schlechte Zugangsmöglichkeit zum Entnahmeort impliziert, ließ zum Eintragungszeitpunkt eine zukünftige Nutzung von "Soa"-Wasser bei der Getränkeherstellung wenig wahrscheinlich erscheinen. Hinzu kommt, dass weder die Antragstellerin Angaben dazu gemacht noch die Markenstelle oder der Senat haben feststellen können, dass das Wasser der Soa seinerzeit Mineralwasserqualität besaß oder überhaupt als verkehrsfähiges Trinkwasser geeignet war. Allein die Tatsache, dass ein Wasser kristallklar ist, sagt nichts über seine mineralische Zusammensetzung oder seine Trinkwasserqualität aus. Gleiches gilt für den Ursprung des Wassers aus dem alpinen Raum. Deshalb stellen auch die Abfüllung von Mineralwässern in anderen Teilen der Alpen und aus anderen, fernliegenden Quellen keinerlei Indiz für die seinerzeitige Eignung des Wassers der Soa als Getränk bzw. Getränkegrundlage und erst recht kein Indiz für eine zukünftig zu erwartende wirtschaftliche Nutzung dieses Wassers als Getränk dar.
Hinzu kommt, dass jedenfalls zum Eintragungszeitpunkt, zu dem Slowenien noch nicht Mitglied der Europäischen Union war, auch noch kein Anlass für die Annahme bestand, dass sich künftig ein weitergehender Export von alkoholfreien Getränken aus Slowenien in die Bundesrepublik Deutschland entwickeln würde. Bei dieser Sachlage fehlte es zum Zeitpunkt der Eintragung der angegriffenen Marke an ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkten für die Feststellung, dass die angegriffene Marke in der Zukunft zur Bezeichnung der geografischen Herkunft von Wässern oder auf deren Grundlage erzeugten alkoholfreien Getränken könnte, zumal es bisher relativ unüblich ist, ein Mineralwasser oder ein daraus hergestelltes alkoholfreies Getränk nach dem Namen eines Flusses zu benennen. Bei dieser Sachlage kommt es auf die Frage, ob nunmehr derartige Bezeichnungsgewohnheiten erkennbar sind, nicht an.
Der angegriffenen Marke fehlte zum Zeitpunkt ihrer Eintragung auch nicht jegliche Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
Bei der Soa handelte es sich seinerzeit, jedenfalls unter diesem Namen und erst recht in der nicht korrekten Schreibweise "Soca", um einen den inländischen, normal informierten und angemessen aufmerksamen sowie verständigen Durchschnittsverbrauchern alkoholfreier Getränke weitgehend unbekannten Fluss. Gleiches gilt für den an diesem Fluss gelegenen Ort gleichen Namens. Selbst heute, nach dem Beitritt Sloweniens zur Europäischen Union, ist er allenfalls einem geringen Teil des deutschen Verkehrs, der Wildwasserfahrten unternimmt, ein Begriff. Bei dieser Sachlage war (und ist) die angegriffene Marke, die der deutsche Verkehr in der Regel als Phantasiebezeichnung ansehen wird, geeignet, die fraglichen Getränke ihrer berteiblichen Herkunft nach zu kennzeichnen.
Die von der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren nicht mehr näher begründete und von der Markenabteilung verneinte Irreführungsgefahr bestand (und besteht weiterhin) ebenfalls nicht, weil - wie vorstehend dargelegt - dem inländischen Durchschnittsverbraucher alkoholfreier Getränke der Umstand, dass es sich bei der angegriffenen Marke um den Namen eines Gebirgsflusses bzw dessen Abwandlung handelt, regelmäßig nicht bekannt ist und er deshalb in einer entsprechenden Herkunftserwartung gar nicht - und erst recht nicht ersichtlich - getäuscht werden kann.
Weitere Schutzhindernisse, die die Löschung der angegriffen Marke rechtfertigen könnten, sind weder vorgetragen worden noch ersichtlich, so dass der Beschwerde der Antragstellerin der Erfolg versagt bleiben muss.
Für ein Abweichen von dem Grundsatz, nach dem jeder Beteiligte die ihm erwachsenen Kosten selbst trägt (§ 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG), bietet die Sach- und Rechtslage keinen Anlass.
Dr. Fuchs-Wissemann Prietzel-Funk Reker
BPatG:
Beschluss v. 25.04.2007
Az: 26 W (pat) 137/04
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