Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen:
Beschluss vom 26. Februar 2003
Aktenzeichen: 13 A 4354/01

(OVG Nordrhein-Westfalen: Beschluss v. 26.02.2003, Az.: 13 A 4354/01)

Tenor

Der Antrag wird auf Kosten der Beigeladenen zurückgewiesen.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 6.135.502,50 EUR (= 12 Mio. DM) festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Er ist bereits unzulässig.

Der Beigeladenen fehlt das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag auf Zulassung der Berufung. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist insoweit der Zeitpunkt dieser Entscheidung. Ebenso wie im Berufungsverfahren sind auch in Berufungszulassungsverfahren die Sachentscheidungsvoraussetzungen (Zulässigkeitsvoraussetzungen), soweit sie wie das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis nicht normativ fristgebunden sind, bezogen auf den Entscheidungszeitpunkt zu prüfen.

Vgl. hierzu Sodan/Ziekow, Kommentar zur VwGO, § 124a Rdn. 136.

Waren die Sachurteilsvoraussetzungen im Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels zwar gegeben, sind sie aber danach entfallen, ist das Rechtsmittel nicht mehr zulässig und zu verwerfen oder zurückzuweisen. Dem kann der Rechtsmittelführer durch eine verfahrensbeendende Erklärung, beispielsweise durch Hauptsachenerledigungserklärung, zuvor kommen.

Vgl. hierzu Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 28. August 1985 - 8 B 128.84 -, BVerwGE 72, 93, zum Fehlen des Rechtsschutzinteresses für die Revisionszulassungsbeschwerde bei Erledigung in der Hauptsache.

Der Beigeladenen fehlt das - für jeden Rechtsbehelf erforderliche - allgemeine Rechtsschutzbedürfnis für die Eröffnung eines Berufungsverfahrens im vorliegenden Anfechtungsrechtsstreit der Klägerin gegen die per Bescheid der Beklagten vom 8. September 2000 getroffene Zusammenschaltungsanordnung nebst Entgeltfestsetzung. Das Interesse der Beigeladenen geht dahin, ein Berufungsverfahren zu errreichen, um darin den angefochtenen Bescheid inhaltlich überprüfen zu lassen. Zu einer solchen Überprüfung wird es jedoch nicht kommen. Denn der Bescheid ist erledigt und hat keinerlei Bedeutung mehr für die Beigeladene wie auch für die Klägerin.

Durch den bestandskräftigen Widerruf der Beklagten vom 2. September 2002 hat er seine Existenz verloren. Zudem ist die Zusammenschaltung der Netze der Klägerin und der Beigeladenen durch Bescheid der Beklagten vom 13. November 2001 neu geregelt; auf sie finden die EBC-Entgelte nach dem Bescheid vom 31. Oktober 2001 Anwendung. Aber auch für die davor liegende Zeit, für die der Bescheid vom 8. September 2000 regelnd wirken sollte, ist er der Sache nach erledigt, weil er durch Zusammenschaltungsvereinbarungen der Klägerin und der Beigeladenen und zugehörige Entgeltgenehmigungen der Beklagten ersetzt worden ist. Eine Zusammenschaltungsanordnung ist "nur" zulässig, soweit und solange die Beteiligten keine Zusammenschaltungsvereinbarung treffen (§ 37 Abs. 2 TKG), die von der Behörde zu respektieren ist und als vorrangige privatrechtliche Vereinbarung eine behördliche Anordnung gegenstandslos macht.

Die Anordnung der Zusammenschaltung und Entgeltfestsetzung vom 8. September 2000 konnte ihre regelnde Wirkung auf Grund des Aussetzungsbeschlusses des Verwaltungsgerichts und der Bestätigung dessen durch den Senat mit Beschluss vom 3. Mai 2001 - 13 B 69/01 - nie entfalten und ist auch deshalb nie befolgt worden; eine tatsächliche Zusammenschaltung auf der Grundlage der Anordnung vom 8. September 2000 ist in der zu betrachtenden Zwischenzeit nicht erfolgt und kann im Nachhinein auch nicht mehr erfolgen. Dem entsprechend sind auch die zwischenzeitlichen Leistungen der Klägerin - von Februar bis Ende Mai 2001 und Juni 2001 bis zum Einsetzen der EBC-Entgeltstruktur - nicht auf der Grundlage dieser Anordnung erbracht worden. Soweit die Netze der Klägerin und der Beigeladenen tatsächlich zusammengeschaltet waren - und sind - und die Klägerin Leistungen erbracht hat, erfolgte dies auf der Grundlage der von der Klägerin und der Beigeladenen übergangsweise verlängerten früheren Zusammenschaltungsvereinbarung aus Dezember 2000. Die Vereinbarung inklusive der Entgelte waren vorbehaltslos, wenn sich auch die Beteiligten ab Vollziehbarkeit einer neuen EBC-Entgeltstruktur von ihnen lösen können sollten. Auch beruhen die Entgelte für zwischenzeitlich erbrachte Leistungen der Klägerin auf von der Beklagten vorbehaltlos genehmigten Entgelten und nicht auf den im angefochtenen Beschluss vom 8. September 2000 festgesetzten Entgelten. Das hat die Beklagte im Schriftsatz vom 19. Dezember 2002, auf den zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, - nochmals - zutreffend ausgeführt. Dem ist die Beigeladene nicht entgegengetreten. Im Übrigen machte es keinen Sinn, nach der im Nachhinein nicht mehr realisierbaren angeordneten Zusammenschaltung zumindest die Entgeltfestsetzung im Bescheid vom 8. September 2000 für der Anordnung nicht entsprechende zwischenzeitliche Leistungen der Beklagten aufrecht zu erhalten oder aufheben zu lassen. Noch weniger Sinn machte es, diese Entgelte für das Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beigeladenen für eine Interimszeit anzuwenden, auf Zusammenschaltungen der Klägerin mit anderen Wettbewerbern jedoch andere Entgelte anzuwenden und dadurch gegen das Diskriminierungsverbot zu verstoßen.

Diese rechtliche Wertung wird durch den Widerruf der Beklagten vom 2. September 2002 nur bestätigt. Zwar hat die Beklagte den angefochtenen Bescheid vom 8. September 2000 nur schlicht, d.h. ohne zeitliche Wirkungsangaben widerrufen, doch ist dieser Widerruf aus Sicht eines redlichen Erklärungsempfängers dahin zu verstehen, dass die Beklagte dem Bescheid vom 8. September 2000 keinerlei Rechtswirkungen mehr für die Klägerin und die Beigeladene beimessen wollte, wie sie das bereits mit Schriftsatz vom 6. März 2002 ausgeführt hatte. Mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2002 hat sie nochmals dezidiert dargestellt, dass und weshalb auch die Entgeltfestsetzung vom 8. September 2000 für die Zeit bis zum Widerruf keinerlei Rechtswirkungen entfalten kann. Dieses Einlassen und Verhalten der Beklagten kann dem Widerruf für alle Beteiligten nur den Sinn vermitteln, dass dem Bescheid vom 8. September 2000 keinerlei Rechtswirkungen, also auch nicht für die Zwischenzeit bis zur neuen Zusammenschaltungsanordnung und zum Einsetzen der neuen EBC-Tarife oder bis zum Widerruf zukommen sollte. Ob vor diesem Hintergrund dem Widerruf nicht sogar eine Wirkung ex tunc, d.h. eine Beseitigung des angefochtenen Bescheids vom 8. September 2000 von Anfang an, zuerkannt werden muss, kann offen bleiben.

Die somit eingetretene vollständige Erledigung des im Hauptsacheverfahren - Anfechtungsrechtsstreit - streitgegenständlichen Bescheids schlägt nach der o.a. bundesgerichtlichen Rechtsprechung regelmäßig auch auf das Zulassungsverfahren nieder. Die im Ausgangsverfahren bei einer Berufungszulassung regelmäßig zu erwartende Verfahrenseinstellung mit Kostenentscheidung rechtfertigt im Hinblick auf das oben dargestellte Sachinteresse der Beigeladenen keine Berufungszulassung. Wird das Zulassungsverfahren, wie die Beigeladene auf Anfrage mitgeteilt hat, gleichwohl fortgeführt, kann es bereits wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses keinen Erfolg haben.

Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis ist für die Beigeladene auch nicht etwa deshalb zu bejahen, weil die Klägerin nach einer Zulassung der Berufung die Anfechtungsklage in eine Fortsetzungsfeststellungsklage umstellen könnte oder voraussichtlich umstellen würde. Im Berufungszulassungsverfahren kann sich die Beigeladene für ein Rechtsschutzbedürfnis für ihren Antrag auf Zulassung der Berufung nicht auf einen Umstand berufen, der erst nach einer Zulassung der Berufung eintreten und zudem von ihr nicht beeinflusst werden kann und ungewiss bleibt.

Aber selbst wenn man dessen ungeachtet ein Fortbestehen des allgemeinen Rechtsschutzinteresses für das Zulassungsverfahren trotz Hauptsachenerledigung schon wegen der bloßen Möglichkeit der Umstellung der Klage auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage für grundsätzlich möglich hielte, wäre ein auf eine inhaltliche Prüfung des Bescheids vom 8. September 2000 gestütztes Rechtsschutzbedürfnis der Beigeladenen im vorliegenden Fall zu verneinen, weil eine umgestellte Klage wegen fehlenden Fortsetzungsfeststellungsinteresses der Klägerin unzulässig wäre und es zu einer solchen Prüfung nicht käme.

Als ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse der Klägerin käme im vorliegenden Fall lediglich das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr in Betracht. Das setzte das Vorliegen einer konkreten Gefahr voraus, dass die Behörde in naher Zukunft auf einen gleichartigen Antrag hin eine auf gleichartigen Erwägungen beruhende für den betroffenen Kläger belastende Entscheidung treffen könnte. Die Konkretisierung der Gefahr muss durch die Darlegung objektivierbarer Gründe erfolgen.

Vgl. hierzu Sodan/Ziekow, a.a.O., § 113 Rdn. 167.

Hieran fehlt es gegenwärtig auf der insoweit maßgeblichen Grundlage der Darlegungen der Beigeladenen. Die Beklagte hat nach der Entscheidung des Senats vom 3. Mai 2001 - 13 B 69/01 - keine Zusammenschaltungsanordnungen mit gleichzeitiger Entgeltregelung mehr getroffen; vielmehr praktiziert sie die Festsetzung der Entgelte entsprechend den Ausführungen des Senats, wie ihre Entgeltentscheidung im Bescheid vom 12. Oktober 2001 und die Zusammenschaltungsanordnung betreffend die Klägerin und die Beigeladene vom 13. November 2001 zeigen und sie im Verfahren 13 B 2175/02 mit Schriftsatz vom 11. November 2002 bestätigt hat. Sie hat im vorliegenden Rechtsstreit gegen das erstinstanzliche, ihre - frühere - Rechtsauffassung verwerfende Urteil des Verwaltungsgerichts kein Rechtsmittel eingelegt und somit nicht versucht, ihrer Rechtsauffassung in der Berufung zum Erfolg zu verhelfen. Überdies hat sie durch Widerruf des streitgegenständlichen Bescheids vom 8. September 2000 dem Anfechtungsrechtsstreit die Grundlage entzogen. All dieses Verhalten ist nur dahin zu erklären, dass die Beklagte, auch wenn sie ihre Rechtsauffassung nach wie vor für richtig halten sollte, jedenfalls so lange, wie das Telekommunikationsgesetz keine eindeutige Ermächtigung für eine Entgeltfestsetzung für Zusammenschaltungsleistungen gemeinsam mit der Zusammenschaltungsanordnung bietet, künftig nicht mehr wie im angefochtenen Bescheid vom 8. September 2000 verfahren wird. Die Beigeladene hat nichts vorgetragen, geschweige denn im Sinne des § 124a Abs. 1 Satz 4 VwGO dargelegt, dass der Klägerin die konkrete Gefahr einer dem angefochtenen Bescheid gleichartigen Entscheidung der Beklagten droht. So gesehen dürfte eine Umstellung auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage allein auf die Klärung der abstrakten Rechtsfrage hinauslaufen, ob § 37 TKG neben der Anordnung der Zusammenschaltung in einem Akt auch die Entgeltfestsetzung erlaubt und eine Entgelttarifierung auf einer hypothetischen Netzstruktur basieren darf. Vor dem Hintergrund kommt es auf die weitere Frage nicht an, ob eine unterstellte künftige Zusammenschaltungsanordnung mit Entgeltfestsetzung als dem angefochtenen Bescheid gleichartig bezeichnet werden kann, obgleich sie sich auf die Netze der Klägerin und anderer Wettbewerber sowie deren andere Zugangsanforderungen beziehen würde.






OVG Nordrhein-Westfalen:
Beschluss v. 26.02.2003
Az: 13 A 4354/01


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