Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 17. Dezember 1999
Aktenzeichen: 6 U 116/99
(OLG Köln: Urteil v. 17.12.1999, Az.: 6 U 116/99)
Stellt sich ein Zahnarzt im Internet über ein virtuelles Praxisschild und mit vorgeschaltetem Foto von sich mit seinem Namen, seiner Fachbezeichnung "Kieferorthopäde", seiner Adresse nebst Telefon- und Telefaxnummer, einem Lageplan des Praxisstandortes sowie einer Aufzählung seiner Mitgliedschaften in zahlreichen Berufsorganisationen vor, liegt hierin jedenfalls auf Grund einer derart gewählten Präsentationsform eine berufswidrige, gemäß § 1 UWG zu unterlassende Werbung.
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 09.04.1999 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bonn - 3 O 186/98 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheitsleitung beträgt hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs 50.000,-- DM und hinsichtlich des Kostenerstattungsanspruchs 13.000,-- DM. Beiden Parteien wird gestattet, die Sicherheitsleistung auch durch unwiderrufliche, unbefristete und unbedingte selbstschuldnerische Bürgschaft eines in der Bundesrepublik Deutschland als Zoll- und Steuerbürge zugelassenen Kreditinstituts zu erbringen.
Tatbestand
Die Klägerin ist die Zahnärztekammer Nordrhein. Sie vertritt die beruflichen Belange der in ihrem Kammerbereich niedergelassenen Zahnärzte, zu denen auch der Beklagte zählt. Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte sich und seine Praxis in bestimmter Weise im Internet präsentieren darf. Bei dem Internet handelt es sich um ein weltumspannendes Datennetz aus miteinander verbundenen Computern, das seinen Benutzern vielfältige Möglichkeiten der Information und Kommunikation bietet. Die Internet-Dienste und eine spezielle Software ermöglichen es, neben Texten auch Bilder, Grafiken, Tondateien und Videos in das Internet zu übertragen. Zugang zum Internet erhält der Benutzer durch einen Personalcomputer, der entweder durch einen Direktanschluß oder mittels eines Modems oder einer ISDN-Karte über einen Zentralrechner mit dem Datennetzwerk verbunden ist.
Der Beklagte stellt sich im Internet u.a. mit seinem Namen, seiner Facharztbezeichnung "Kieferorthopäde", seiner Adresse nebst Telefon- und Telefaxnummer, einem Lageplan des Praxisstandortes sowie einer Aufzählung seiner Mitgliedschaften in zahlreichen Berufsorganisationen dar. Dieser Internetseite ist eine Eingangsseite vorangestellt, auf welcher ein virtuelles Praxisschild des Beklagten abgebildet ist. Durch das "Aufrufen" des Praxisschildes per mouseklick gelangt man auf die folgende Web-Seite, in der zunächst ein etwa 5 x 8 cm großes Foto des dort freundlich lächelnden Beklagten abgebildet ist, unter dem es heißt: "Ihre Nachricht per email". Rechts neben dem Foto des Beklagten findet sich in optisch hervorgehobener Weise sein Name und die Berufsangabe "Kieferorthopäde". Darunter folgt die Adressen-, Telefon- und Telefaxangabe. Alsdann wird der Praxisstandort unter bildlicher Wiedergabe eines Lageplanes bezeichnet. Unterhalb des Lageplans heißt es dann, die Praxis Dr. H.U. G. sei Mitglied in folgenden Berufsorganisationen:
KFO-IG Kieferorthopädische Interessengemeinschaft BDK Berufsverband Deutscher Kieferorthopäden DGfK Deutsche Gesellschaft für Kieferorthopädie IUZ Initiativkreis Umfassende Zahnmedizin GZM Internationale Gesellschaft für Ganzheitliche Zahnmedizin BNZ Bundesverband Naturheilkundlicher Zahnärzte ANZ Akademie für Naturheilkunde in der Zahnmedizin PZVD Privat-Zahnärztliche Vereinigung Deutschlands EOS European Orthodontic Society AAO American Association of Orthodontists FOR Foundation of Research WFO World Federation or Orthodontists ICAK International College of Applied Kinesiology IAK Interdisziplinärer Arbeitskreis B./R. S.
Die Klägerin hat den Beklagten mit der Begründung auf Unterlassung in Anspruch genommen, die konkrete Selbstdarstellung des Beklagten im Internet stelle eine standesrechtlich unzulässige und im Sinne des § 1 UWG wettbewerbswidrige Werbung dar. Das Internet sei als Sonderverzeichnis oder zumindest sonderverzeichnisgleiches Medium anzusehen, welches der Werbung für Dienste und Waren diene.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe bis zu 500.000,00 DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, seine Zahnarztpraxis im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken im Internet wie folgt darzustellen:
pp.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, aufgrund der Bestimmungen der Berufsordnung könne er nicht zur Unterlassung seiner Selbstdarstellung im Internet verpflichtet sein, weil eine solche Präsentationsmöglichkeit bei der Verabschiedung der Berufsordnung im Jahre 1978 noch gar nicht bedacht worden sei. Das Internet stelle ein nunmehr vielfach genutztes Informationsmedium "sui generis" dar, auf das die Begrifflichkeit der Berufsordnung nicht passe. Selbst dann, wenn die Berufsordnung auch hinsichtlich des Internets Anwendung fände, läge ein Verstoß gegen das darin enthaltene Werbeverbot nicht vor, weil das Internet kein Sonderverzeichnis bzw. sonderverzeichnisgleiches Medium darstelle. Die Eigenschaft als Sonderverzeichnis sei lediglich bei drucktechnischer Herstellung und spezieller Herausgeberschaft des Verzeichnisses anzunehmen. Zur Begriffsbestimmung könne im übrigen auch die Musterberufsordnung der Ärzte von 1997 herangezogen werden, die im Rahmen von Sonderverzeichnissen einen konkreten Herausgeber voraussetze, welcher bei einer Internetpräsentation in Ermangelung von Genehmigungs- oder Kontrollmechanismen jedoch nicht existiere. Im übrigen erfülle eine Internetdarstellung, die keine berufswidrige Werbung enthalte, die Vorgaben, die die Musterberufsordnung für Ärzte 1997 für eine zulässige Internetpräsentation als standesadäquat angenommen habe.
Durch das angefochtene Urteil vom 09.04.1999, auf das wegen der Einzelheiten ebenfalls verwiesen ist (Blatt 110 ff. d.A.), hat das Landgericht den Beklagten antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt und den Unterlassungsanspruch auf § 1 UWG in Verbindung mit § 31 des Heilberufsgesetzes Nordrhein-Westfalen sowie § 20, § 17 Abs. 4 der Berufsordnung der Zahnärztekammer Nordrhein vom 09.12.1978 gestützt. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es im wesentlichen ausgeführt, für Zahnärzte bestehe zwar kein generelles, aber ein im Lichte des Grundgesetzes verfassungskonform auszulegendes Werbeverbot. Die konkret angegriffene Selbstdarstellung des Beklagten im Internet gehe aber über das hinaus, was einem Zahnarzt bei verfassungskonformer Auslegung des in § 20 BO Nordrhein normierten generellen Werbeverbots zu tun erlaubt sei, und stelle deshalb eine berufswidrige, unzulässige und damit zu unterlassende Werbung dar.
Gegen das ihm am 14.04.1999 zugestellte Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 09.04.1999 hat der Beklagte am 12.05.1999 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 14.07.1999 mit einem am 13.07.1999 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
Der Beklagte wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und meint, in Übereinstimmung mit der Auffassung des Landgerichts sei § 20 Abs. 1 der Berufsordnung Nordrhein im Lichte des Artikels 12 Abs. 1 des Grundgesetzes verfassungskonform dahin auszulegen, dass die Vorschrift den Zahnarzt nur in der Weise beschwere, dass er berufswidrige Werbung zu unterlassen habe. Seine Darstellung im Internet sei eine bloße Information und keine Werbung. Im übrigen unterliege die Anschauung darüber, welches Handeln dem Bereich berufswidriger Werbung unterfalle, einem Wandel, der einerseits durch das Europäische Gemeinschaftsrecht und andererseits durch die Fortentwicklung der dem Grundgesetz zugrundeliegenden Werte beeinflußt werde. In diesem Zusammenhang meint der Beklagte zunächst, § 20 Abs. 1 der Berufsordnung Nordrhein verstoße gegen Europäisches Gemeinschaftsrecht. Es werde in unzulässiger Weise in die passive Dienstleistungsfreiheit von EU-Bürgern eingegriffen. Diese solle es ermöglichen, sich innerhalb der EU ungehindert ins Ausland zu begeben, um dort Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Außerdem verstoße das Werbeverbot des § 20 BO Nordrhein gegen Artikel 12 des Grundgesetzes, weil das allgemeine Werbeverbot lediglich in einer Satzung statuiert sei, die keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die hier durch das Werbeverbot gesetzte Berufsausübungsbeschränkung darstelle. Auch verstoße das Verbot gegen Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes, weil anderen Freiberuflern die Selbstdarstellung im Internet erlaubt sei. Im übrigen liege ein Verstoß gegen das Werbeverbot gar nicht vor, weil der Interessent durch den Aufruf der Homepage zunächst zu dem virtuellen Praxisschild gelange, das der Zahnarzt nach § 18 Abs. 1 der Berufsordnung ohne weiteres verwenden dürfe. Erst durch den Aufruf weiterer Textseiten per mouseklick gelange man zu den von der Klägerin beanstandeten Seiten im Internet. Dieses Vorgehen sei mit dem Hineingehen in eine Praxis in der Realität zu vergleichen. Ein Patient, der eine Arztpraxis tatsächlich betrete, finde aber auch dort Broschüren vor, die ähnliche Informationen wie jetzt im Internet enthielten. Da solche Broschüren erlaubt seien, sei es nicht einzusehen, warum eine dem entsprechende Darstellung auf virtueller Basis unzulässig sein solle. Im übrigen liege ein Verstoß gegen § 17 Abs. 4 der Berufsordnung nicht vor, weil das Internet kein Sonderverzeichnis mit werbendem Charakter im Sinne dieser Vorschrift sei. Als Zahnarzt müsse es ihm - so meint der Beklagte weiter - erlaubt sein, innovative Techniken zu nutzen und sich im Internet oder anderen Kommunikationsmedien darzustellen, ohne dadurch gegen berufsrechtliche Vorschriften zu verstoßen. Deshalb habe er unstreitig in der letzten Mitgliederversammlung der Klägerin am 24.04.1999 einen von der Versammlung angenommenen Antrag gestellt, den Kammervorstand zu bitten, bis zur nächsten Versammlung am 04.12.1999 einen Vorschlag zu den Präsentationmöglichkeiten der Zahnärzte im Internet zu unterbreiten. In diesem Zusammenhang verweist der Beklagte auf die "amtliche Mitteilung" der Bayerischen Landeszahnärztekammer vom 27.01.1999, die sich seiner Ansicht nach zutreffend mit den Darstellungsmöglichkeiten des Zahnarztes im Internet befaßt und auf die wegen der näheren Einzelheiten verwiesen wird (Blatt 153 ff. d.A.).
Der Beklagte beantragt,
das am 09.04.1999 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bonn - 3 0 186/98 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Auch sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen, hält die Bestimmungen der § 17 Abs. 4 und 20 der Berufsordnung der Klägerin für verfassungs- und EG-konform und ist weiterhin der Auffassung, die konkrete Selbstdarstellung des Beklagten im Internet sei berufswidrige Werbung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst sämtlichen Anlagen ergänzend Bezug genommen.
Gründe
Die in formeller Hinsicht unbedenkliche Berufung des Beklagten ist in der Sache nicht begründet. Das Landgericht hat der Klage vielmehr zu Recht stattgegeben. Die Klägerin kann von dem Beklagten gemäß § 1 UWG Unterlassung seiner konkreten werblichen Selbstdarstellung im Internet verlangen. Auch der Begründung der angefochtenen Entscheidung schließt sich der Senat an. Er macht sie sich zu eigen und nimmt sie in Bezug.
Die mit der Berufung gegen das angefochtene Urteil vorgebrachten Einwände greifen nicht durch. Dabei kann offenbleiben, ob die Regelungen der Berufsordnung der Klägerin dem Zahnarzt in rechtlich nicht zu mißbilligender Weise jedwede werbliche Selbstdarstellung im Internet versagen oder ob sich der Beklagte bei anderweitigem Verstoß gegen § 1 UWG nicht jedenfalls solange einer Präsentation im Internet zu enthalten hat, bis die für ihn zuständige Zahnärztekammer für alle ihre Mitglieder entschieden hat, ob und wie sich ein Zahnarzt im Internet darstellen darf. Wie der Senat mit den Parteien im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 19.11.1999 bereits ausführlich erörtert hat, spricht hier einiges dafür, daß der Zahnarzt neue Kommunikationstechniken nicht beliebig in jedweder von ihm für richtig befundenen Art nutzen darf, bevor nicht die Körperschaft, der er angehört, sich des Problems angenommen und binnen angemessener Zeit durch eine Interpretation der Berufsordnung oder aber nötigenfalls durch Änderung derselben die Darstellungsmöglichkeiten eines Zahnarztes im Internet für alle ihre Mitglieder - soweit rechtlich zulässig - verbindlich vorgegeben hat. Im Streitfall können die aufgeworfenen Fragen auf sich beruhen, weil die konkrete Selbstdarstellung des Beklagten im Internet selbst dann unzulässig und deshalb zu unterlassen ist, wenn der Beklagte nicht den Meinungsbildungsprozeß in der für ihn zuständigen Körperschaft hätte abwarten müssen und davon auszugehen ist, daß das grundsätzliche Werbeverbot des § 20 Abs. 1 der Berufsordnung der Klägerin nicht jedwede Internetpräsenz eines Zahnarztes schlechthin verbietet. Denn ungeachtet dieser Zweifelsfragen stellt sich die konkrete Selbstdarstellung des Beklagten im Internet selbst dann als berufswidrige, gemäß § 1 UWG zu unterlassende Werbung dar, wenn es dem Beklagten aus Rechtsgründen nicht schlechthin verwehrt sein könnte, auf sich und seine Praxis im Internet aufmerksam zu machen.
Es entspricht allgemeiner Meinung, daß eine Ärztekammer Verstöße ihrer Mitglieder gegen die jeweilige Berufsordnung nicht nur mit standesrechtlichen Maßnahmen, sondern auch mit dem Anspruch auf Unterlassung aus § 1 UWG verfolgen kann (vgl. hierzu: BGH NJW 1996, 3081, 3082 - "Laborbotendienst" für Ärzte sowie BGH GRUR 1989, 758, 759 - "Gruppenprofil" für Zahnärzte, jeweils mit weiteren Nachweisen). Denn die die (Zahn-) Ärzte betreffenden Regeln der Berufsordnung dienen dem Schutz der Volksgesundheit, die in ihr enthaltenen Werbeverbote regeln unmittelbar den Wettbewerb. Es handelt sich deshalb um sog. wertbezogene Normen, gegen die zu verstoßen zugleich eine Zuwiderhandlung gegen § 1 UWG bedeutet.
§ 20 Abs. 1 der Berufsordnung der Klägerin (im folgenden: BO Nordrhein) untersagt dem Zahnarzt jede Werbung und Anpreisung. § 17 Abs. 4 Satz 1 BO Nordrhein bestimmt, daß sich der Zahnarzt abgesehen von amtlichen Verzeichnissen nicht in Sonderverzeichnisse mit werbendem Charakter aufnehmen lassen darf. In den amtlichen Verzeichnissen dürfen nur Name, Berufsbezeichnung, Gebietsbezeichnung, Anschrift, Telefonnummer und Sprechstundenzeiten angegeben werden, § 17 Abs. 4 Satz 2 BO Nordrhein. Diese Regelungen finden ihre gesetzliche Grundlage in § 32 Nr. 10 des nordrheinwestfälischen Heilberufsgesetzes vom 27.04.1994 (GVBl. NRW 1994, 204 ff.), wonach die Berufsordnung Regelungen hinsichtlich des nach den Besonderheiten des jeweiligen Heilberufes erforderlichen Ausmaßes des Verbots oder der Beschränkung der Werbung enthalten kann.
Trotz des eindeutigen Wortlauts des § 20 Abs. 1 BO Nordrhein kann dem Zahnarzt allerdings nicht jedwede Werbung untersagt werden. Vielmehr ist das generelle Werbeverbot - das hat schon das Landgericht zutreffend herausgestellt - verfassungskonform dahin auszulegen, daß nicht jede, sondern lediglich die berufswidrige Werbung eines Arztes und damit auch eines Zahnarztes verboten ist (vgl. hierzu BVerfG NJW 1994, 1591, 1592 und NJW 1972, 1504). Das Verbot der berufswidrigen Werbung eines Arztes ist damit verfassungsrechtlich trotz der Tatsache, daß es in die durch Artikel 12 des Grundgesetzes geschützte Freiheit der Berufsausübung eingreift, grundsätzlich nicht zu beanstanden. Ein derartiger Eingriff nach Artikel 12 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes bedarf allerdings einer gesetzlichen Grundlage, die den Anforderungen der Verfassung an grundrechtsbeschränkende Gesetze genügt. An einer solchen Grundlage fehlt es im Streitfall entgegen der von dem Beklagten geäußerten Rechtsauffassung jedoch nicht. Denn das Bundesverfassungsgericht (a.a.O., NJW 1994, 1591, 1592) hat bereits festgestellt, daß die Heilberufsgesetze der Länder eine ausreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für den Erlaß einer Berufsordnung mit Werbeverboten und Werbebeschränkungen darstellen (vgl. BVerfG NJW 1994, 1591, 1592 für des hessische Heilbehandlungsgesetz und die entsprechende Berufsordnung für Ärzte in Hessen). Auch das grundsätzliche Werbeverbot in § 20 Abs. 1 BO Nordrhein kann deshalb für sich Geltung beanspruchen, soweit es - vgl. hierzu BVerfG GRUR 1986, 382, 384 - "Arztwerbung" - durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt wird und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügt. Hieran kann kein Zweifel bestehen. In diesem Zusammenhang hat schon das Oberlandesgericht Koblenz (OLGR 1997, 1, 3) zu der der Vorschrift des § 20 Abs. 1 BO Nordrhein entsprechenden Vorschrift des § 13 Abs. 1 der rheinlandpfälzischen Berufsordnung zutreffend darauf hingewiesen, daß das grundsätzliche Werbeverbot den vorgenannten verfassungsrechtlichen Vorgaben genügt, weil der Zahnarzt eine Reihe von öffentlichen Ankündigungen mit werblichem Charakter vornehmen darf. Er darf neben der Berufsbezeichnung "Zahnarzt" erworbene Titel und Facharztbezeichnungen führen (§ 16 Abs. 1 und Abs. 2 BO Nordrhein). Außerdem ist es ihm gestattet, seine Tätigkeit unter Angabe des Namens, der Anschrift, der Telefonnummer und der Zulassung zu Krankenkassen durch ein Praxisschild (§ 18 Abs. 1 BO Nordrhein) anzugeben sowie zu bestimmten Anlässen in Zeitungsangaben und durch die Aufnahme in amtlichen Verzeichnissen (§ 17 Abs. 1 und 4 BO Nordrhein) öffentlich bekanntzugeben.
Ist deshalb die Regelung des § 20 Abs. 1 der BO Nordrhein trotz der Tatsache, daß das grundsätzliche Werbeverbot für Zahnärzte in die durch Artikel 12 des Grundgesetzes geschützte Freiheit der Berufsausübung eingreift, insoweit verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, und kommt ein Verstoß gegen Artikel 3 des Grundgesetzes entgegen der von dem Beklagten geäußerten Rechtsauffassung ersichtlich schon deshalb nicht in Betracht, weil Angehörige anderer Berufe, z.B. Rechtsanwälte, anderen Berufsordnungen unterliegen und sich deshalb unter Umständen in ihrem werbenden Außenverhalten anders darstellen dürfen als ein Zahnarzt, erschließt sich die hier zu entscheidende Frage, ob eine bestimmte Werbung eines Zahnarztes berufswidrig ist, aus dem Berufsbild des Zahnarztes. Dieser übt kein Gewerbe aus, ist vielmehr zum Dienste an der Gesundheit des einzelnen Menschen und der Allgemeinheit berufen (§ 1 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BO Nordrhein). Sein Beruf ist mit besonderen Pflichten verbunden. Namentlich ist der Zahnarzt gehalten, dem ihm im Zusammenhang mit dem Beruf entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen. Er hat seine zahnärztliche Tätigkeit deshalb in den Dienst der Pflege, der Erhaltung und der Wiederherstellung der Gesundheit zu stellen. Daraus folgt, daß das Werbeverbot des § 20 Abs. 1 BO Nordrhein in erster Linie den Zweck verfolgt, eine Verfälschung des Berufsbildes des Zahnarztes durch den Gebrauch von Werbemethoden zu verhindern, wie sie in der gewerblichen Wirtschaft üblich sind. Darüber hinaus dient es dem Schutz der Bevölkerung vor unsachlicher Beeinflussung, da sich Kranke leicht verunsichern und beeinflussen lassen und aus diesem Grunde vor werblichen Anpreisungen bewahrt werden sollen. Nicht zuletzt soll das Werbeverbot dazu beitragen, das berufliche Verantwortungsgefühl des Zahnarztes und das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Berufsstatus zu stärken. Vor allem soll die Bevölkerung darauf vertrauen dürfen, daß sich der Zahnarzt nicht von Gewinnstreben leiten läßt, sondern seinen Beruf im Dienste der Gesundheit des einzelnen und in Verantwortung für die Volksgesundheit ausübt.
Mit diesen das Berufsbild des Zahnarztes prägenden Grundsätzen läßt sich die konkrete Selbstdarstellung, die der Beklagte für sich und seine Praxis im Internet gewählt hat, nicht vereinbaren. Denn diese mit der Klage angegriffene Außendarstellung des Beklagten beinhaltet keine bloße Sachinformation des angesprochenen Publikums, sondern soll die Aufmerksamkeit des interessierten Verkehrs erregen und es von der breitgefächerten fachlichen Kompetenz des Beklagten und der Leistungsfähigkeit seiner Praxis überzeugen. Sie zielt eindeutig darauf ab, den interessierten Internetnutzer werblich anzusprechen und ihn als Patienten zu gewinnen. Das folgt aus der Gestaltung der in der konkreten Verletzungsform angegriffenen Internetseite. Schon das an dominanter Stelle hervorgehobene Foto des Beklagten vermittelt dem Betrachter den Eindruck, hier biete ein freundlich lächelnder, seriöser und kompetenter Kieferorthopäde seine Dienstleistungen an, wobei in werbepsychologisch geschickter Weise ein positives Bild von den Fähigkeiten und Leistungen des Beklagten schon dadurch gezeichnet wird, daß sich unmittelbar unter dem Foto die Worte "Ihre Nachricht per email" wiederfinden. Dieser Satz im Zusammenhang mit dem Foto und der hervorgehobenen Namens- und Berufsbezeichnung fordert die angesprochenen Interessenten und Patienten, zu denen potentiell auch die Mitglieder des Senats zählen und was diese deshalb aufgrund eigener Anschauung und Erfahrung zu beurteilen in der Lage sind, nachdrücklich auf, sich im Bedarfsfalle der Hilfe dieses sympathisch wirkenden Fachmanns zu bedienen, der nicht nur von seinem Fachbereich, sondern auch von modernen Kommunikationstechniken etwas versteht. Wenn dann weiter nicht nur der Praxisstandort, sondern auch Parkmöglichkeiten angegeben werden, und überdies in optisch beeindruckender Weise mitgeteilt wird, in wie vielen Berufsorganisationen der Beklagte Mitglied bzw. vertreten ist, dann weist diese Art der Selbstdarstellung typische Elemente einer kommerziellen Reklame auf, die mit dem Berufsbild eines Zahnarztes nicht vereinbar und die vorzunehmen einem Zahnarzt deshalb verboten ist.
Erweist sich die konkrete Präsentation des Beklagten im Internet demgemäß als eine reklameähnliche Anpreisung der eigenen Person und Leistungsfähigkeit, die sich mit dem Berufsbild eines Zahnarztes nicht in Einklang bringen läßt und damit berufswidrig ist, braucht im übrigen nicht entschieden zu werden, ob bereits die bloße Tatsache der Angabe von Mitgliedschaften in Berufsverbänden und -organisationen oder allein der Hinweis auf Parkmöglichkeiten die Annahme rechtfertigt, ein solchermaßen werbender Zahnarzt verlasse den Bereich berufsrechtlich nicht zu beanstandender Werbung. Jedenfalls der Hinweis auf zahlreiche Mitgliedschaften in Verbänden und Organisationen ist ein typisches Werbemittel, das Unternehmen in der gewerblichen Wirtschaft einsetzen, um seriös, kompetent, modern und aufgeschlossen zu wirken und so Kunden zu gewinnen. Der Senat hat Anlaß gesehen, dies zu erwähnen, weil der Beklagte den Standpunkt vertreten hat, namentlich von der Bayerischen Landeszahnärztekammer würden Einwände gegen eine Internetpräsenz der vorliegenden Art nicht erhoben, obschon es in den amtlichen Mitteilungen der Bayerischen Landeszahnärztekammer aus Januar 1999 ausdrücklich heißt, Angaben über Mitgliedschaften in Fachgesellschaften oder Fachverbänden seien "unzulässig".
Auch die weiteren vom Beklagten vorgebrachten Einwände überzeugen nicht. Soweit der Beklagte vorgetragen hat, in Zahnarztpraxen lägen häufig auch Broschüren aus, in denen ähnliche Angaben abgedruckt seien, besagt die etwaige Zulässigkeit solcher Angaben, die der im Wartezimmer des Zahnarztes sitzende Patient durch die Lektüre einer solchen Broschüre zur Kenntnis nehmen kann, nichts über die Zulässigkeit einer Werbung, mit der sich der Zahnarzt außerhalb seiner Praxisräume auch an Nichtpatienten mit dem Ziel wendet, den Kreis der vorhandenen Patienten zu erweitern. Soweit der Beklagte dem hiernach gegebenen Unterlassungsanspruch der Klägerin entgegengehalten hat, EU-Bürgern müsse es ermöglicht werden, sich innerhalb Europas ungehindert ins Ausland zu begeben, um dort Dienstleistungen, die auch in einem Arztbesuch liegen könnten, in Anspruch zu nehmen, deshalb müsse es ihm - dem Beklagten - bei anderweitigem Verstoß gegen Artikel 50 EG-Vertrag gestattet sein, sich und seine Praxis dem interessierten Publikum vorzustellen, mag das richtig sein. Hierum geht es jedoch nicht. Streitgegenstand ist vielmehr - auch das hat der Senat mit den Parteien bereits im Termin zur mündlichen Verhandlung im einzelnen erörtert - ausschließlich die Frage, ob es dem Beklagten gestattet sein kann, sich wie geschehen in einer bestimmten, nach Auffassung des Senats in einer seinem Berufsbild nicht entsprechenden und damit nach § 1 UWG zu unterlassenden Art und Weise zu werben. Daß nationale Berufsregelungen die Dienstleistungsfreiheit insoweit zulässigerweise einschränken können, entspricht allgemeiner Meinung (vgl. nur Troberg in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Kommentar zum EU-/EG-Vertrag, 5. Aufl. 1997, Art. 59 Rdnrn 20 ff. m.w.N.).
Hat der Beklagte demgemäß mit seiner Selbstdarstellung im Internet die Grenzen zulässiger Arztwerbung überschritten, und erweist sich das angefochtene Urteil demgemäß als richtig, war die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.
Die gemäß § 546 Abs. 2 ZPO festzusetzende Beschwer des Beklagten übersteigt 60.000,00 DM.
OLG Köln:
Urteil v. 17.12.1999
Az: 6 U 116/99
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