Landgericht Münster:
Urteil vom 29. September 2011
Aktenzeichen: 25 O 59/11
(LG Münster: Urteil v. 29.09.2011, Az.: 25 O 59/11)
Tenor
Die Beklagten werden verurteilt,
1.
es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr Person zu transportieren, die an einer MRSA -Infektion erkrankt sind;
2.
als Gesamtschuldner an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 661,16 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.10.2010 zu zahlen.
Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 12.000 € vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Beklagten sind Geschäftsführer der L GbR. Die GbR, gegen die sich die Klage zunächst als Beklagte zu 1) ebenfalls richtete, ist im Laufe des Rechtsstreits insolvent geworden. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen ist das Verfahren gegen die beiden Beklagten abgetrennt worden und wird vorliegend nur gegen diese fortgeführt. Die GbR betrieb ein Krankenfahrtenunternehmen in B. Die Klägerin betreibt dort ebenfalls ein Krankenfahrtenunternehmen. Sie nimmt - nunmehr hier nur noch - die beiden Beklagten als Geschäftsführer der GbR auf Unterlassung des Transports von an einer MRSA-Infektion erkrankten Personen in Anspruch und ferner auf Erstattung von Abmahnkosten.
Die GbR besitzt keine Genehmigung für Krankentransporte nach § § 18 ff. RettG NW. Die Klägerin ist der Ansicht, Personen, die an einer MRSA-Infektion erkrankt sind, dürften nur mit einem Krankenkraftwagen transportiert werden, nicht aber mit einem einfachen Transportfahrzeug. Hierfür sei zudem eine Genehmigung nach dem RettG NW erforderlich.
Die Klägerin behauptet, am 4.5.2010 hätten Mitarbeiter der GbR einen an MRSA erkrankten Patienten vom St. G. B trotz fehlender Genehmigung zum Pflegeheim H.in B befördert.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagten zu verurteilen,
es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr Personen zu
transportieren, die an einer MRSA Infektion erkrankt sind
und
als Gesamtschuldner an die Klägerin vorgerichtliche
Rechtsanwaltskosten in Höhe von 661,16 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
20.10.2010 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten sind der Ansicht, auch MRSA-Patienten müssten nicht immer mit einem Krankentransportfahrzeug befördert werden. Es komme auch eine einfache Krankenfahrt, für die man keine Genehmigung nach dem RettGNW benötigt, in Betracht, wenn der klinische Zustand dies erlaube. Für diese Rechtsansicht beziehen sie sich auf eine ministerielle Stellungnahme (wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage 2 zur Klageerwiderung Blatt 25 ff. d.A. verwiesen).
Der die Beförderung anordnende Arzt habe in dem Beförderungsschein entsprechend "Taxi, Mietwagen" angekreuzt und ferner für das Feld "medizinischfachliche Betreuung notwendig" die Rubrik "Nein".
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Q und P. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Terminsprotokoll vom 23.8.2011 Blatt 101 ff. d.A. verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und die hierzu überreichten Urkunden verwiesen.
Gründe
Die Klage ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme begründet.
Der Klägerin steht zunächst ein Unterlassungsanspruch nach §§ 8,3, 4 Nr. 11 UWG, 18 RettG NW zu.
Bei § 18 RettG NW handelt es sich um eine Marktsteuerungsvorschrift nach § 4 Nr. 11 UWG. (Vergleiche OLG Hamm, Urteil vom 9.2.2010 Rz. 36)
Der Transport von Patienten, die an ansteckenden Krankheiten leiden, muss den genehmigten Transportunternehmen vorbehalten bleiben. Eine Ausnahme folgt auch nicht allein daraus, dass der Arzt, dessen Einschätzung der medizinischen Situation zwar maßgeblich ist, einen derartigen Transport für nicht geboten hält. Der Arzt kann sich nicht über die Vorschriften des RettGNW hinwegsetzen (vergleiche OLG Hamm aaO Rz. 43 am Ende). Die Haltung und Absicherung bestimmter Hygienestandards macht es aber erforderlich, dass der Transport von an MRSA erkrankten Patienten grundsätzlich nur von Unternehmen durchgeführt wird, die eine entsprechende Genehmigung besitzen. Dies folgt daraus, dass die während der Fahrten erforderlichen Schutzmaßnahmen und insbesondere die nach diesen Fahrten erforderlichen Desinfektionsmaßnahmen solche Maßnahmen sind, die nur von dem Fachpersonal in den besonders ausgestatteten und ausgerüsteten Krankentransportwagen erfolgversprechend durchgeführt werden können. Dies ist jedenfalls die Wertung des RettG NW, das entsprechende Auflagen und Kontrollen vorsieht, die für Unternehmen im Personenbeförderungsgeschäft so nicht gelten. Hierzu gehört auch die Desinfektion, wobei es entscheidend auch auf Art und Umfang der Desinfektion ankommt, die in der Regel nur das geschulte Personal der konzessionierten Unternehmen beurteilen kann (Vergleiche OLG Hamm aaO Rz. 42).
Dem entspricht auch der Ratgeber des Robert Koch Instituts, nach dessen Einschätzung die konsequente Einhaltung von Standardhygienemaßnahmen beim Transport und der Behandlung von Patienten von hervorragender Bedeutung ist. Auch danach gehört gerade die Wischdesinfektion der Patientenkontaktflächen nach dem Transport zu den Standardhygienemaßnahmen.
Die GbR hat durch ihre Mitarbeiter eine Person befördern lassen, bei der die Mitarbeiter davon ausgingen, dass diese Person an MRSA erkrankt war. Aufgrund der Aussagen der Zeugen Q und P ist das Gericht überzeugt, dass der am 4.5.2010 transportierte Patient jedenfalls nach Auffassung der Mitarbeiter der GbR an MRSA erkrankt war.
Insbesondere der Zeuge Q hat glaubhaft angegeben, dass er die Mitarbeiter der GbR im Hinblick auf deren Schutzkleidung befragt hat. Insoweit ist es auch plausibel, dass der Zeuge als Pflegedienstleiter ein ganz erhebliches Interesse daran hat, informiert zu sein, falls einer seiner Patienten/Bewohner an einer Infektionskrankheit leidet. Von daher ist ohne weiteres nachvollziehbar, dass er bei Einlieferung eines Patienten die Transportbegleiter befragt, wenn diese Schutzkleidung tragen. Der Zeuge hat auch überhaupt kein Interesse, falsche Angaben im Bezug auf die von den Transportbegleitern gemachten Auskünfte zu machen.
Die Aussage des Zeugen Q wird durch die Aussage der Zeugin P bestätigt, als diese bekundet hat, dass sie als für die Station zuständige Angestellte auch entsprechend von Herrn Q2 sofort informiert worden sei. Hiermit in Einklang steht Ihrer Angabe, dass seitens der Geschäftsleitung der GbR auf Ihren Anruf hin erklärt worden habe, man sei zum Transport von MRSA Patienten befugt. Auch ihre Aussage ist plausibel und fügt sich zwanglos in den von dem Zeugen Q geschilderten Ablauf ein.
Nach diesem Beweisergebnis steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Mitarbeiter der GbR, für die sie nach § 8 Abs. 2 UWG einzustehen hat, davon ausgingen, dass der transportierte Patient an einer MRSA Infektion leidet und sie den Transport gleichwohl durchführten. Die Geschäftsleitung der GbR ging dabei hierzu davon aus, dass sie - wie es von den Geschäftsführern der GbR auch im Prozess vorgetragen und vertreten wird - hierzu rechtlich befugt sind, wenn eine entsprechende ärztliche Entscheidung vorliegt. Ob der transportierte Patient tatsächlich an MRSA erkrankt war, kann dahinstehen, da der die Wiederholungsgefahr begründende Verstoß schon darin liegt, dass die GbR einen möglicherweise insoweit erkrankten Patienten transportieren wollte bzw. transportiert hat, obwohl sie nicht über eine Genehmigung nach dem RettGNW verfügt.
(Da es insoweit nicht darauf ankommt, ob der transportierte Patient tatsächlich an MRSA erkrankt war, war es auch ohne Belang, ob die Zeugen von der Schweigepflicht insoweit entbunden waren, über dessen Krankheit auszusagen.)
Neben der GbR haften auch die Beklagten als deren Geschäftsführer auf Unterlassung. Bei einem Unternehmen richtet sich der Unterlassungsanspruch auch gegen ihre Geschäftsführer. Die grundsätzlich für den Geschäftsführer gegebene Störerhaftung entfällt nur dann, wenn er die beanstandete geschäftliche Handlung weder veranlasst noch Kenntnis von ihr hatte. (Vergleiche OLG Frankfurt GRUR-RR 2001,198, 199 am Ende; OLG Naumburg WRP 2011, 1327.)
Diese Haftung gilt nicht nur für die gesetzlichen Vertreter einer juristischen Person sollen auch für die bestellten Vertreter einer GbR.
Dass die Beklagten die geschäftliche Handlung weder veranlasst noch Kenntnis von ihr hatten, ist weder dargelegt noch sonst nach Lage der Akten ersichtlich. Es liegt im Übrigen vielmehr nahe, dass die Beklagten als Geschäftsführer unter Berücksichtigung der Größe des Unternehmens jeweils Kenntnis hatten. Dies gilt auch deshalb, weil die Beklagten, wie die GBR der Rechtsauffassung sind, auch ohne Genehmigung zu derartigen Transporten befugt zu sein. Jedenfalls oblag es bei dieser Sachlage den Beklagten, konkret unter Beweisantritt darzulegen, dass bei ihnen wieder Kenntnis von noch Veranlassung der Störung gegeben waren.
Im Hinblick auf die danach zu Recht erfolgte Abmahnung steht der Klägerin gemäß § 12 UWG auch ein Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten zu.
Dieser besteht auch gegen die Beklagten, wenngleich die angediente Unterlassungserklärung ausschließlich an die GbR adressiert war.
Aus dem ersten Abmahnschreiben vom 17.6.2010 ist zu entnehmen, dass die Klägerin auch die Beklagten als Geschäftsführer persönlich wegen des Verstoßes gegen das RettGNW nach § 4 Nr. 11 UWG in Anspruch nehmen wollte, da sie beanstandete, dass sie, die angesprochenen Geschäftsführer keine Genehmigung besitzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO. Soweit in dem geänderten Klageantrag zu 1) auch eine teilweise Klagerücknahme zu sehen ist, war dies im Hinblick auf den Hauptantrag im Übrigen von unwesentlicher Bedeutung. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
LG Münster:
Urteil v. 29.09.2011
Az: 25 O 59/11
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