Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. Oktober 2009
Aktenzeichen: 29 W (pat) 1/09
(BPatG: Beschluss v. 28.10.2009, Az.: 29 W (pat) 1/09)
Tenor
Die Beschlüsse des Deutschen Patentund Markenamts vom 17. Juni 2008 und 16. September 2008 werden aufgehoben.
Gründe
I.
Die Anmelderin hat beim Deutschen Patentund Markenamt die Eintragung der Farbmarke
(HKS 5) für die Waren "Zweisprachige Wörterbücher in Printform" beantragt.
Die Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patentund Markenamts hat die Anmeldung durch Beschlüsse vom 17. Juni 2008 und 16. September 2008, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Sie hat ihre Entscheidung damit begründet, dass einer Farbe als solcher nur unter außergewöhnlichen Umständen Unterscheidungskraft zukomme. Dies sei etwa dann der Fall, wenn der maßgebliche Markt sehr spezifisch sei. Hiervon könne vorliegend nicht ausgegangen werden, da der Verkehr an den intensiven Einsatz von Einzelfarben in fast allen Wirtschaftsbereichen gewöhnt sei. Zwar würden beispielsweise in der Buchhandlung Hugendubel am Marienplatz in München mehrere grün oder gelb gestaltete zweisprachige Wörterbücher der Firmen K... bzw. L... angeboten. Allerdings sei das Sprachensortiment wesentlich bun ter, zumal in den mit "Sprachen A-Z" betitelten Regalen zahlreiche andersfarbige zweisprachige Bücher angeboten würden. Es sei darüber hinaus erkennbar, dass Verlage ihre Bücher nicht immer einheitlich gestalten würden. Auf dem einschlägigen Warengebiet sei es üblich, beliebige Farben oder Farbkombinationen zu verwenden, mit denen keinerlei Hinweis auf eine bestimmte betriebliche Herkunft verbunden sei. Demzufolge könne dem Zeichen die notwendige Unterscheidungskraft nur auf Grund von Verkehrsdurchsetzung gemäß § 8 Abs. 3 MarkenG zukommen, die jedoch nicht glaubhaft gemacht worden sei.
Die Anmelderin hat dagegen Beschwerde eingelegt, mit der sie beantragt, die Beschlüsse des Deutschen Patentund Markenamts vom 17. Juni 2008 und 16. September 2008 aufzuheben.
Zur Begründung verweist sie auf ihr Vorbringen vor dem Deutschen Patentund Markenamt, in dem sie geltend macht, dass abstrakte Farben gemäß § 3 Abs. 1 MarkenG markenfähig seien. Ob ein Zeichen die notwendige Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG aufweise, setze tatsächliche Feststellungen zur Verkehrsübung und zum Verkehrsverständnis voraus. Hierbei sei zu beachten, dass es sich bei der angemeldeten Farbe um eine charakteristische Mischung aus ... % Gelb und ... % Magenta handele, die dem Farbton HKS 5 entspreche. Es sei üblich, gedruckte zweisprachige Wörterbücher abhängig von ihrer unternehmerischen Herkunft mit einer speziellen Farbe zu versehen. Demzufolge sei eine Herkunftszuordnung der Wörterbücher anhand ihrer besonderen Farbgestaltung möglich. Dies werde beispielsweise auch daran deutlich, dass in Buchhandlungen der Firma H... vornehmlich zweisprachige Wörterbücher in Grün (PONS-Bücher) und Gelb (Langenscheidt-Bücher) angeboten würden. Die in den Regalen anzutreffende Vielfalt von Farben beruhe zum einen darauf, dass dort auch Sprachenbücher zu finden seien, bei denen es sich nicht um zweisprachige Wörterbücher handele. Zum anderen sei nicht von jedem Verlag das gesamte Sortiment an zweisprachigen Wörterbüchern vorhanden. Andere Verlage würden die Farbe "Gelb" nicht als Mittel der Gestaltung zweisprachiger Wörterbücher verwenden. Für diese existiere ein spezifischer Markt. Zudem werde Markenschutz nur für einen bestimmten Gelbton beansprucht. Auf Grund der vielfältigen Farbkombinationen bestehe kein Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG an der beanspruchten Farbe. Demzufolge sei sie auch nicht als übliche Bezeichnung nach § 8 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG anzusehen. Die Beschwerdeführerin macht hilfsweise Verkehrsdurchsetzung gemäß § 8 Abs. 3 MarkenG geltend. Sie legt zu diesem Zweck ein vom 28. Juli 2009 stammendes demoskopisches Gutachten der G... vor und führt hierzu aus, dass der Bekanntheits grad der Farbmarke "Gelb" (HKS 5) für "Zweisprachige Wörterbücher in Printform" innerhalb der beteiligten Verkehrskreise bei ... % liege.
II.
Die nach § 66 Abs. 1 und 2 MarkenG zulässige Beschwerde ist begründet. Für die Waren "Zweisprachige Wörterbücher in Printform" hat sich das angemeldete Zeichen auf Grund seiner markenmäßigen Benutzung im Verkehr gemäß § 8 Abs. 3 MarkenG durchgesetzt.
1. Die angemeldete Farbmarke ist mangels Unterscheidungskraft von Hause aus nicht schutzfähig (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).
1.1. Unterscheidungskraft im Sinne der genannten Vorschrift ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Sie entspricht der Hauptfunktion der Marke, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten. Die Beurteilung der Unterscheidungskraft hat sich daher einerseits an den beanspruchten Waren und Dienstleistungen und andererseits an der Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise zu orientieren (vgl. EuGH GRUR 2006, 229, Rdnrn. 27 f. -BioID; GRUR 2004, 674, Rdnr. 34 -Postkantoor; BGH GRUR 2005, 417, 418, 419 -BerlinCard; GRUR 2006, 850, Rdnr. 18 -FUSSBALL WM 2006). Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft einer abstrakten Farbmarke ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass das angesprochene Publikum nicht daran gewöhnt ist, allein aus der Farbe von Waren oder ihrer Verpackung auf die Herkunft der Waren zu schließen, da eine abstrakte Farbe im Verkehr grundsätzlich nicht als Mittel der Identifizierung verwendet wird. Nur unter außergewöhnlichen Umständen kann ihr daher Unterscheidungskraft zukommen, etwa wenn die Zahl der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen sehr beschränkt und der maßgebliche Markt sehr spezifisch ist (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, Rdnrn. 65 f. -Libertel).
1.2. Zweisprachige Wörterbücher in gedruckter Form werden von allgemeinen Verkehrskreisen erworben. Bei ihnen handelt es sich um sehr spezifische Waren, die auf dem eng umgrenzten Markt der Übersetzungshilfen angeboten werden. Die verfahrensgegenständlichen Waren gehören daher einem spezifischen Warensegment im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften an (vgl. EuGH -Libertel, a. a. O., Rdnr. 66). Er nennt die beschränkte Zahl der Waren und Dienstleistungen und den spezifischen Markt als Beispiele außergewöhnlicher Umstände, die dazu führen können, dass der Verkehr eine Farbe nicht wie sonst üblich als Warenfarbe oder dekoratives Element, sondern als betrieblichen Herkunftshinweis ansieht. Dabei geht er offensichtlich davon aus, dass nur in einem überschaubaren Marktsegment mit eigenen Kennzeichnungsgewohnheiten eine "Umgewöhnung" des Verkehrs in der Wahrnehmung abstrakter Farben stattfinden kann. Für den Senat folgt daraus, dass außergewöhnliche Umstände nur angenommen werden können, wenn die Waren Teil eines in sich geschlossenen, von den üblichen Kennzeichnungsgewohnheiten unabhängigen und in diesem Sinne spezifischen Marktsegments sind (vgl. BPatG 29 W (pat) 58/06 -Signalgelb). Dies ist hier der Fall (vgl. BPatG GRUR 2005, 1056, 1058 -Dunkelblau/Hellblau; 33 W (pat) 143/02 -Zitzengummis für Melkanlagen).
1.3. Dem Zeichen kann jedoch keine Unterscheidungskraft von Hause aus zugebilligt werden, weil sich für die beanspruchten Waren eine Gewöhnung des Verkehrs an die herkunftshinweisende Verwendung abstrakter Farben im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft nicht feststellen lässt (vgl. EuGH -Libertel, a. a. O., Rdnr. 65). Auf dem Gebiet der gedruckten zweisprachigen Wörterbücher werden Farben vielfach und beliebig dekorativ eingesetzt. Die Recherchen des Senats zeigen, dass bei Verlagen, die zweisprachige Wörterbücher herausgeben, eine allgemeine Übung besteht, die Umschlagseiten farbig zu gestalten. Die Farbe hat dabei im Wesentlichen die Funktion eines "Eye-Catchers" und erregt die Aufmerksamkeit des Lesers bzw. Nutzers. Die Anbieter gestalten die Wörterbücher dabei in unterschiedlichen Farben. Mitbewerber verwenden etwa Grün (PONS); daneben gibt es vereinzelt Wörterbücher anderer Verlage, die verschiedenfarbig gestaltet sind (zum Beispiel "Pocket Oxford, Italian -English"). Die Farbe wird dabei üblicherweise nicht als Merkmal eines Verlags hervorgehoben. Es wird auch kein Bezug zwischen der jeweiligen Farbe und dem herausgebenden Verlag hergestellt (vgl. Grabrucker, Der Schutzgegenstand der Farbmarke, GRUR 1999, 850, 852; dies., Offene Rechtsfragen zur Praxis der abstrakten Farbmarke, WRP 2000, 1331, 1334). In der Wahrnehmung der beteiligten Verkehrskreise verbinden sich Farbe und Ware damit zu einem einheitlichen lediglich dekorativen Erscheinungsbild, so dass der Verkehr keine Veranlassung hat, der Farbe als solcher eine herkunftshinweisende Wirkung beizumessen (vgl. BGH GRUR 2007, 780, Rdnr. 28 -Pralinenform; GRUR 2007, 235, Rdnr. 24 -Goldhase; GRUR 2003, 712, 714 -Goldbarren; BPatG GRUR 2008, 428 -Farbmarke Rot).
1.4.
Da es bereits an einer Gewöhnung des Verkehrs an abstrakte Farben als Kennzeichnungsmittel im spezifischen Marktsegment fehlt, erübrigt sich die Prüfung der konkreten Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Es kommt auf die Frage einer möglichen beschreibenden Bedeutung der Farbe "Gelb" für die beanspruchten Waren daher nicht an. Lässt sich für das beanspruchte Marktsegment keine Gewöhnung der Verbraucher an die markenmäßige Verwendung von Farben feststellen, so ist eine Eintragung grundsätzlich nur im Wege der Verkehrsdurchsetzung möglich (vgl. Grabrucker/Fink, Aus der Rechtsprechung des Bundespatentgerichts im Jahre 2007 Teil I: Markenrecht, GRUR 2008, 371 ff.).
2.
Das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft hat die angemeldete Marke aber für die beanspruchten Waren in Folge ihrer Durchsetzung im Verkehr überwunden (§ 8 Abs. 3 MarkenG).
2.1. Die Eintragung einer Marke im Wege der Verkehrsdurchsetzung setzt voraus, dass das Zeichen in Folge seiner kennzeichenmäßigen Verwendung für die fraglichen Waren und Dienstleistungen von einem wesentlichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkannt wird (vgl. BGH GRUR 2008, 710, Rdnr. 23 -VISA-GE). Maßgebliche Kriterien sind dabei nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft insbesondere der von der Marke gehaltene Marktanteil, die Intensität, die geografische Verbreitung und die Dauer der Benutzung dieser Marke, der Werbeaufwand für die Marke, der Anteil der angesprochenen Verkehrskreise, der die Ware oder Dienstleistung auf Grund der Marke als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennt sowie Erklärungen von Industrieund Handelskammern oder anderen Berufsverbänden (vgl. EuGH GRUR 2006, 1022, Rdnr. 75 -Wicklerform; GRUR 2002, 804, Rdnr. 60 -Philips; GRUR 1999, 723, Rdnr. 51 -Chiemsee). Die Tatsache, dass die angesprochenen Verkehrskreise die betreffende Ware oder Dienstleistung als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennen, muss auf der Benutzung des Zeichens als Marke beruhen, also einer Benutzung, die der Identifizierung der Ware oder Dienstleistung als von einem bestimmten Unternehmen stammend dient (EuGH -Chiemsee, a. a. O., Rdnrn. 49, 54; EuGH -Philips, a. a. O., Rdnr. 64; BGH -VISAGE, a. a. O.).
2.2. Unter Zugrundelegung dieser Kriterien ergibt eine Gesamtschau der vorgetragenen Umstände und des vorgelegten demoskopischen Gutachtens vom Juli 2009, dass das Schutzhindernis der von Hause aus fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG überwunden ist. Dies gilt im Übrigen auch für das Schutzhindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, sofern ergänzend vom Vorliegen eines Freihaltungsbedürfnisses ausgegangen wird.
2.2.1. Der Marktanteil der Beschwerdeführerin liegt nach ihren glaubhaften Angaben bei ca. ... %. Der nächste Wettbewerber für zweisprachige Wörterbü cher weist nur einen Marktanteil von ca. ... % auf. In den vergangenen elf Jahren hat die Anmelderin ca. ... Millionen zweisprachige Wörterbücher verkauft, wobei ihr jährlicher Werbeaufwand in den letzten acht Jahren bei rund ... Millionen EUR lag.
2.2.2. Dem demoskopischen Gutachten vom Juli 2009 ist zu entnehmen, dass der Zuordnungsgrad der Farbmarke "Gelb" (HKS 5) für zweisprachige Wörterbücher innerhalb der beteiligten Verkehrskreise bei ... % liegt. Die Befra gung wurde von einem anerkannten Institut zur Durchführung von Verkehrsbefragungen durchgeführt. Befragungsumfang, Repräsentativität der Stichproben sowie Ablauf der Befragungen und Inhalt der Fragebögen sind nachvollziehbar dargestellt. Abzustellen ist bei den maßgeblichen Verkehrskreisen auf die Nutzer bzw. Verwender von zweisprachigen Wörterbüchern, da diese Waren nicht zu den Gegenständen des täglichen Bedarfs gehören und deshalb nur einen Teil der Bevölkerung ansprechen. Dieser Verkehrskreis umfasst etwa ... % der Gesamtbevölkerung ab ... Jahren, da sich bei der Befragung von ... Personen herausstellte, dass ... Personen Nut zer bzw. Verwender von zweisprachigen Wörterbüchern sind. Ihnen wurde bei der anschließenden Befragung die Abbildung eines gelben (HKS 5) Kästchens gezeigt. ... der ... zu den beteiligten Verkehrskreisen zu zählenden Befragten sehen in der Farbe "Gelb" (HKS 5) im Zusammenhang mit zweisprachigen Wörterbüchern einen Hinweis auf einen ganz bestimmten Verlag und benennen ihn mit "Langenscheidt". Ausweislich des vorgelegten Gutachtens liegt unter Berücksichtigung der Größe des befragten Verkehrskreises, einer Sicherheitswahrscheinlichkeit von ... % und der sta tistischen Schwankungsbreite der Zuordnungsgrad zwischen ... % und ... %. Somit ist die untere Grenze von ... % in jedem Fall überschritten. Dies gilt auch dann, wenn unter zweisprachigen Wörterbüchern auch solche in nicht gedruckter Form verstanden werden. Angesichts der geringeren Verbreitung von elektronischen "Wörterbüchern", des auch heute vorherrschenden Verständnisses des Begriffs "Wörterbuch" und der in dem Gutachten gestellten Frage nach einem bestimmten Verlag ist davon auszugehen, dass die Befragten bei ihren Antworten grundsätzlich Wörterbücher in Papierund damit in Printform gemeint haben.
Der Beschwerde ist somit im Hinblick auf das Begehren der Beschwerdeführerin, das beantragte Zeichen im Wege der Verkehrsdurchsetzung einzutragen, stattzugeben.
Grabrucker Ri'in Kopacek ist in Urlaub und kann daher nicht unterzeichnen. Dr. Kortbein Grabrucker Hu
BPatG:
Beschluss v. 28.10.2009
Az: 29 W (pat) 1/09
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