Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Beschluss vom 20. März 2008
Aktenzeichen: 20 W 98/08
(OLG Frankfurt am Main: Beschluss v. 20.03.2008, Az.: 20 W 98/08)
Zum Anfall der Terminsgebühr nach Ziffer 3104 RVG-VV im Wohnungseigentumsverfahren nach mündlicher Verhandlung.
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde zu tragen.
Wert des Verfahrens der weiteren Beschwerde: 808,24 EUR.
Gründe
Mit am 07.05.2007 beim Amtsgericht eingegangenem Schriftsatz hat die Antragstellerin von der Antragsgegnerin Zahlung von Wohngeld in Höhe von 15.059,-- EUR verlangt. Das Amtsgericht hat nach mündlicher Verhandlung am 10.08.2007, zu der der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin nicht erschienen ist, jedoch der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin, mit dem die Sach- und Rechtslage einseitig erörtert wurde, mit Beschluss vom 31.08.2007 dem Antrag stattgegeben. Der Antragsgegnerin wurden die Kosten des Verfahrens auferlegt, einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin. Der Geschäftswert wurde auf 15.059,-- EUR festgesetzt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss Blatt 196 ff. d. A. Bezug genommen.
Mit Schriftsatz vom 06.09.2007 hat die Antragstellerin das Kostenfestsetzungsgesuch bei Gericht eingereicht, wegen dessen Inhalts auf Blatt 208 d. A. Bezug genommen wird. Darin enthalten war auch eine 1,2-Terminsgebühr gemäß §§ 2 Abs. 2, 13 RVG in Verbindung mit Nr. 3104 RVG in Höhe von 679,20 EUR nebst 19% Mehrwertsteuer. Die Antragsgegnerin hat die Ansicht vertreten, dass wegen des Ausbleibens im Termin keine Terminsgebühr für den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin angefallen sei.
Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 12.01.2008 dem Antrag der Antragstellerin in vollem Umfang stattgegeben und die Kosten in Höhe von 1.905,65 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 07.09.2007 festgesetzt.
Gegen diesen Beschluss hat die Antragsgegnerin sofortige Beschwerde eingelegt, die sie auf die Terminsgebühr nebst Mehrwertsteuer beschränkt hat. Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde mit der Begründung nicht abgeholfen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Wohnungseigentumssachen die Terminsgebühr auch entstehe, wenn von der nach § 44 Abs. 1 WEG für die Tatsacheninstanz grundsätzlich vorgeschriebenen mündlichen Verhandlung ausnahmsweise abgesehen werde und eine abschließende Entscheidung ergehe.
Durch den angefochtenen Beschluss (Bl. 251 ff. d. A.), auf dessen Einzelheiten verwiesen wird, hat das Landgericht auf die sofortige Beschwerde den angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschluss dahingehend abgeändert, dass die Antragsgegnerin lediglich 1.097,41 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 07.09.2007 an die Antragstellerin zu erstatten habe. Die weitere Beschwerde hat es zugelassen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beschwerde deshalb begründet sei, weil die Voraussetzungen der Nr. 3104 des VV vorliegend nicht gegeben seien, da das Amtsgericht Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt und der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin diese im Verhandlungstermin nicht vertreten habe. Für diesen Fall sei die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht einschlägig.
Gegen diesen am 29.02.2008 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin mit am gleichen Tag eingegangenem Schriftsatz (Bl. 255 d. A.) sofortige weitere Beschwerde eingelegt, auf deren Begründung Bezug genommen wird.
Nach Zulassung durch das Landgericht im angefochtenen Beschluss ist die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin gemäß den §§ 43 Abs. 1 WEG a. F., 13 a Abs. 3 FGG, 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft; zur Entscheidung berufen ist das Oberlandesgericht und nicht der Bundesgerichtshof (vgl. insoweit Senat, Beschluss vom 19.02.2007, 20 W 5/07 = ZWE 2007, 370; BGH WuM 2006, 706; NJW-RR 2008, 305). Das Rechtsmittel ist auch ansonsten zulässig, so insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden.
Die sofortige weitere Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Der angefochtene Beschluss ist rechtsfehlerfrei. Zu Recht hat das Landgericht auf die Erstbeschwerde der Antragsgegnerin den angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts dahingehend abgeändert, dass die von der Antragstellerin geltend gemachte Terminsgebühr in Abzug zu bringen ist.
Zunächst liegen die Voraussetzungen der Vorbemerkung 3 Abs. 3 vor Ziffer 3100 des RVG-Vergütungsverzeichnisses (RVG-VV) nicht vor. Danach entsteht die Terminsgebühr € neben hier erkennbar nicht einschlägigen und auch nicht geltend gemachten anderen Varianten € für die Vertretung in einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin. Für diese Vertretung ist zumindest erforderlich, dass der Rechtsanwalt in diesem Termin anwesend ist (vgl. hierzu Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 17. Aufl., Vorb. 3 VV Rz. 29, 64; Anwaltskommentar RVG/Onderka/Schneider, 3. Aufl., VV Vorbem. 3 Rz. 97; Hartung/Römermann/Schons, RVG, 2. Aufl., Vorbem. 3 VV Rz. 29). Diese Voraussetzungen liegen hier nach den zutreffenden Feststellungen des Landgerichts nicht vor, da der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin in dem vom Amtsgericht am 10.08.2007 durchgeführten Termin zur mündlichen Verhandlung, in dem die Sach- und Rechtslage lediglich einseitig erörtert wurde, nicht anwesend war. Insoweit werden auch Einwendungen nicht erhoben.
Soweit sich die Antragstellerin auf die Ziffer 3104 des RVG-VV beruft, greift dies aus den zutreffenden Erwägungen des Landgerichts nicht durch. Nach dieser Gebührenvorschrift entsteht die Terminsgebühr auch, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien oder gemäß § 307 oder § 495 a ZPO ohne mündliche Verhandlung entschieden oder in einem solchen Verfahren ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird, Ziffer 3104 Abs. 1 Nr. 1 des RVG-VV. Zutreffend ist es, dass das Wohnungseigentumsverfahren nach bisherigem Recht ein solches Verfahren darstellt, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, vgl. die §§ 43 Abs. 1, 44 Abs. 1 WEG a. F.. Lediglich dies ergibt sich aus den von der Antragstellerin zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (vgl. NJW 2006, 2495; vgl. auch zur BRAGO: BGH NJW 2003, 3133).
Für den Anfall der Gebühr müssen dann allerdings auch die Voraussetzungen dieses Gebührentatbestandes vorliegen. Etwas anderes hat auch der Bundesgerichtshof in den zitierten Entscheidungen nicht erkannt. Er hat vielmehr in den Gründen des Beschlusses vom 09.03.2006 (BGH NJW 2006, 2495) mehrfach ausgeführt, dass der bezeichnete Gebührentatbestand verwirklicht wird, wenn in den in § 43 Abs. 1 WEG (a. F.) bezeichneten Verfahren ausnahmsweise eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergeht. Er hat dies damit begründet, dass die Anwendung der Vorschrift nach dem Zweck des Gebührentatbestandes geboten sei, wenn ausnahmsweise ohne eine mündliche Verhandlung entschieden werden könne. Mit der Regelung in Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 RVG-VV soll nämlich erreicht werden, dass der Prozessbevollmächtigte, der im Zivilprozess im Hinblick auf den Grundsatz der Mündlichkeit an sich erwarten kann, in der mündlichen Verhandlung eine Terminsgebühr zu verdienen, keinen Gebührennachteil erleidet, wenn durch eine andere Verfahrensgestaltung auf eine mündliche Verhandlung verzichtet wird (vgl. BGH MDR 2007, 1454 m. w. N.).
Die Voraussetzungen dieses Gebührentatbestandes liegen hier allerdings nicht vor. Im hiesigen Verfahren ist gerade entgegen dieser Gebührenvorschrift nicht ohne mündliche Verhandlung entschieden worden, sondern nach einer mündlichen Verhandlung. Nach den zutreffenden Feststellungen des Landgerichts ist vom Amtsgericht am 10.08.2007 eine mündliche Verhandlung durchgeführt worden. Die Sach- und Rechtslage wurde auch € einseitig € erörtert. Dies korrespondiert mit dem sich in der Akte befindlichen Sitzungsprotokoll des Amtsgerichts (Bl. 187 ff. d. A.) und wird auch von der Antragstellerin nicht in Abrede gestellt. Es fehlte überdies auch am Einverständnis der Antragsgegnerin mit der Entscheidung ohne mündliche Verhandlung.
Damit fehlt es an den maßgeblichen tatbestandlichen Voraussetzungen für den Anfall der Terminsgebühr nach Ziffer 3104 Abs. 1 Nr. 1 des RVG-VV, da die nachfolgende Entscheidung des Amtsgerichts gerade ohne mündliche Verhandlung hätte ergehen müssen, um den Anfall der Terminsgebühr auf Antragstellerseite zu rechtfertigen (vgl. dazu auch Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, a.a.0., Ziffer 3104 VV Rz. 17).
Eine erweiternde Anwendung der Gebührenvorschrift dahingehend, dass unabhängig von den Voraussetzungen der zitierten Gebührenvorschrift in jeglichen Wohnungseigentumsverfahren die Terminsgebühr anzusetzen sei € dazu würde die Auffassung der Antragstellerin im Ergebnis führen - , kommt nicht in Betracht. Damit würde die zitierte Gebührenvorschrift des RVG-VV gänzlich leerlaufen. Für eine erweiternde Auslegung spricht schon, dass der Gesetzgeber ausnahmsweise entgegen der Regel bewusst für konkret bezeichnete Fallkonstellationen den Anfall der Terminsgebühr vorsieht (vgl. in anderem Zusammenhang: OLG Koblenz NJW-Spezial 2008, 91, zitiert nach juris).
Bei der Kostenfestsetzung in Wohnungseigentumssachen ergibt sich die Pflicht, Gerichtskosten zu tragen, im (weiteren) Beschwerdeverfahren aus § 131 Abs. 1 Kost0 und nicht aus § 47 WEG (vgl. Senat, Beschluss vom 19.02.2007, 20 W 5/07).
Eine Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten gemäß § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG ist nicht angezeigt, da der Senat keine weiteren Beteiligten am Verfahren der weiteren Beschwerde beteiligt hat.
Die Geschäftswertfestsetzung beruht auf den §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 Kost0. Der Senat hat sich dabei an der Festsetzung durch das Landgericht orientiert.
OLG Frankfurt am Main:
Beschluss v. 20.03.2008
Az: 20 W 98/08
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