Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. April 2010
Aktenzeichen: 24 W (pat) 66/08
(BPatG: Beschluss v. 27.04.2010, Az.: 24 W (pat) 66/08)
Tenor
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die am 9. Juli 2001 angemeldete Wortmarke PEROTEX wurde am 23. August 2001 unter der Nr. 301 41 434 für folgende Waren
"03: Waschund Bleichmittel; Putz-, Polier-, Fettentfernungsund Schleifmittel; Geschirrspülmittel, insbesondere für gewerbliche Spülmaschinen; Entkalkungsmittel für Spülmaschinen, insbesondere gewerbliche Spülmaschinen sowie sonstige von Kalkablagerungen beeinträchtigte Anlagen und Geräte, einschließlich Warmwasserboiler oder Kaffeemaschinen"
in das Markenregister eingetragen. Die Veröffentlichung erfolgte am 27. September 2001.
Auf die ursprünglich ebenfalls registrierten "Seifen" hat die Markeninhaberin im Juli 2002 verzichtet.
25. November 1952 eingetragenen Marke 630 467 PEROX die, nach mehreren Teillöschungen, seit 1980 (noch) für folgende Waren Schutz genießt:
"Tierund Pflanzenvertilgungsmittel, Entkeimungsund Entwesungsmittel (Desinfektionsmittel); Mittel zum Putzen von Leder, Bohnermasse; Parfümerien, Mittel zur Körperund Schönheitspflege, Badewässer, ätherische Öle, Seifen, Seifenpulver, Bleichsoda, Waschmittel, Einweichmittel für Wäsche und Textilien, Putzund Poliermittel (ausgenommen für Leder), Scheuermittel, Geschirrspülmittel, Wäschespülmittel".
Der Widerspruch ist auf die Waren in Klasse 3 gestützt und richtet sich gegen alle ähnlichen und identischen Waren der jüngeren Marke.
Mit einem beim Deutschen Patentund Markenamt am 3. April 2002 eingegangenen Schriftsatz hat die Markeninhaberin die Einrede der Nichtbenutzung der Widerspruchsmarke erhoben.
Zur Glaubhaftmachung einer rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke ist seitens der Widersprechenden eine erste eidesstattliche Versicherung eines Angestellten vom 2. Juli 2002 vorgelegt worden, in der eine Benutzung für "Waschmittel" mit Umsatzangaben für die Jahre 1998 bis 2000 behauptet wird, zusammen mit weiteren Unterlagen (Kopien von Produktblättern und Etiketten, jeweils für das Erzeugnis "Perox perfekt").
Die Markeninhaberin hat die Nichtbenutzungseinrede aufrechterhalten, u. a. mit dem Argument, die Hinzufügung des Wortes "perfekt" verändere den kennzeichnenden Charakter der Widerspruchsmarke.
Am 23. Juni 2004 ist die Widerspruchsmarke auf die jetzige Widersprechende umgeschrieben worden; diese ist in das Verfahren eingetreten.
In einem ersten Beschluss der Markenstelle für Klasse 3 vom 20. August 2004 ist der Widerspruch wegen nicht ausreichender Glaubhaftmachung einer rechtserhaltenden Benutzung zurückgewiesen worden. Die Angaben zu den Umsätzen deckten nur einzelne Jahre der maßgeblichen Benutzungszeiträume ab und seien für "Waschmittel" zu gering, als dass von einer ernsthaften Benutzung ausgegangen werden könne.
Die Widersprechende hat Erinnerung eingelegt und als weitere Glaubhaftmachungsunterlagen eine (zweite) eidesstattliche Versicherung ihres Marketing Direktors vom 28. Juli 2005 mit Umsatzangaben für die Jahre 2001 bis 2004 vorgelegt, wonach die Marke für "Waschund Waschhilfsmittel" benutzt worden sein soll, außerdem Rechnungskopien, Großhandelspreislisten, Kopien von Etiketten und von Produktblättern (jeweils für "Perox liquid" und "Perox perfekt").
Die Markeninhaberin hat die Nichtbenutzungseinrede mit näherer Begründung aufrechterhalten.
Die mit einer Beamtin des höheren Dienstes besetzte Markenstelle hat die Erinnerung in einem zweiten Beschluss vom 9. Juni 2008 wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Der gebotene Abstand der Zeichen werde -selbst bei identischen Waren und bei Zugrundelegung der Annahme, dass die Verbraucher den Marken nur mit geringer Sorgfalt begegneten -noch eingehalten. Die Wortlängen seien unterschiedlich und ergäben ein jeweils eigenständiges Klangbild. Auf die Frage der Benutzung der Widerspruchsmarke komme es nicht an.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden.
Sie legt eine weitere (dritte) eidesstattliche Versicherung desselben Marketing Direktors vom 19. August 2008 mit Umsatzangaben für "Waschund Waschhilfsmittel" in den Jahren 2005 bis 2008 sowie Großhandelspreislisten, Rechnungskopien, Produktblätter und Etiketten (für "Perox liquid" und "Perox perfekt") vor.
Die Benutzung der Widerspruchsmarke sei ernsthaft, insbesondere mengenmäßig hinreichend. Es bestehe auch Verwechslungsgefahr. Bei teilweiser Warenidentität und durchschnittlicher Kennzeichnungskraft könnte eine solche nur bei vollständiger Zeichenunähnlichkeit verneint werden. Im Gesamteindruck seien sich die Vergleichszeichen einander ähnlich, und zwar sowohl klanglich wie schriftbildlich.
Die Widersprechende beantragt (sinngemäß), die Beschlüsse der Markenstelle vom 20. August 2004 sowie vom 9. Juni 2008 aufzuheben und die Marke 301 41 434 im Register zu löschen.
Eine Stellungnahme der Markeninhaberin ist im Beschwerdeverfahren nicht zur Gerichtsakte gelangt.
Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden bleibt in der Sache ohne Erfolg, weil die sich gegenüberstehenden Marken nicht der Gefahr einer Verwechslung im Verkehr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG unterliegen.
1. Eine ausreichende (rechtserhaltende) Benutzung der Widerspruchsmarke hat die Widersprechende allerdings -insoweit entgegen der Ansicht des Erstprüfers der Markenstelle -glaubhaft gemacht. Bei der -rechtlich gebotenen -zusammenfassenden Betrachtung sämtlicher im Lauf des Amtsund Beschwerdeverfahrens vorgelegten Glaubhaftmachungsmittel (drei eidesstattliche Versicherungen mit ergänzenden Unterlagen) spricht die überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Widerspruchsmarke in den beiden nach § 43 Abs. 1 Sätze 1 und 2 MarkenG maßgeblichen Benutzungszeiträumen (September 1996 bis September 2001 und April 2005 bis April 2010) für Produkte, die unter die registrierten Warenoberbegriffe "Seifen" und "Waschmittel" fallen, in einem (noch) ausreichenden Maße benutzt worden ist.
Was die Benutzung im Inland, die Dauer der Benutzung und die Art der Verwendung (als Etiketten auf den Produktverpackungen) anbetrifft, ergeben sich keine Zweifelsfragen. Soweit die Benutzung während des ersten Benutzungszeitraums nicht durch die (damalige) Inhaberin selbst, sondern durch dritte Unternehmen (Lizenznehmer, Vertriebsfirmen) erfolgte, lag die Zustimmung der (damaligen) Inhaberin gem. § 26 Abs. 2 MarkenG vor.
Aus den ergänzenden Glaubhaftmachungsunterlagen ergibt sich eine Benutzung (nur) für "Nadelseife" (Produkt "Perox perfekt") und "flüssiges Seifenkonzentrat" (Produkt "Perox liquid"). Da diese gemäß § 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG auf Seiten der Widersprechenden zu berücksichtigenden Waren -auch -unter den registrierten Oberbegriff "Waschmittel" fallen -Waschmittel und Seifen weisen Überschneidungen auf -, kann die Angabe dieses (Ober-)Begriffs in den eidesstattlichen Versicherungen im vorliegenden Fall ausnahmsweise akzeptiert werden.
Die belegte Form der Benutzung -in Normalschrift anstelle der registrierten Schreibweise in Großbuchstaben -ist rechtserhaltend; auch die Hinzufügung der Wörter "liquid" und "perfekt" verändert den kennzeichnenden Charakter der registrierten Widerspruchsmarke nicht (§ 26 Abs. 3 Satz 1 MarkenG), weil "liquid" als Was den Umfang der Benutzung anbetrifft, so sind die Umsatzzahlen, die zudem zeitweise eine abnehmende Tendenz aufwiesen, zwar für ein Massenerzeugnis wie Waschmittel recht gering. Anscheinend handelt es sich aber -wofür auch die belegte Abgabe an Großabnehmer sprechen dürfte -um Spezialprodukte. Von daher ist die Benutzung (noch) ernsthaft; von einer sog. Scheinbenutzung kann im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden.
2. Ob Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG vorliegt, ist im Einzelfall unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Faktoren, insbesondere der Identität bzw. Ähnlichkeit der Waren, des Schutzumfangs der Widerspruchsmarke, des Grades der Ähnlichkeit der Zeichen sowie der Art der Waren und der bei der Auswahl zu erwartenden Aufmerksamkeit des beteiligten Verkehrs umfassend zu beurteilen (st. Rspr.; vgl. EuGH GRUR 1998, 387 -Sabèl/Puma; GRUR 2008, 343, Nr. 48 -BAINBRIDGE; BGH GRUR 2008, 903, Nr. 10 -SIERRA ANTIGUO; zur Wechselwirkung der genannten Einzelfaktoren s. auch Hacker in: Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rdn. 32, 33).
Die auf Seiten der Widersprechenden als benutzt glaubhaft gemachten Einzelwaren, d. h. "Nadelseife" und "flüssiges Seifenkonzentrat" fallen -wie oben ausgeführt -auch unter den Oberbegriff "Waschmittel", so dass insoweit Warenidentität besteht. Zumindest im Verhältnis zu "Bleichmitteln" und "Geschirrspülmitteln" der jüngeren Marke liegt zudem Warenähnlichkeit vor.
Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist von Haus aus, d. h. vor und unabhängig von jeder Benutzung, deutlich unterdurchschnittlich, weil "PEROX" offenkundig -im Wege der Verkürzung -von der chemischen Fachbezeichnung "Peroxid" abgeleitet ist; Peroxide finden zum Teil als Bleichmittel Verwendung (vgl. Brockhaus Enzyklopädie, 21. Aufl., Bd. 21, S. 221; ZEIT-Lexikon, Bd. 11, S. 257).
Die Widerspruchsmarke ist zwar vergleichsweise alt, jedoch vom Umfang her nur gering benutzt, so dass es an Anhaltspunkten für eine Kompensation der Kennzeichnungsschwäche (bzw. eine Steigerung des Schutzumfangs) fehlt; die Widersprechende hat sich auf diesen Gesichtspunkt auch nicht berufen.
Die sich gegenüberstehenden Zeichenwörter sind sich ähnlich, weil sie in den ersten vier Buchstaben "PERO" übereinstimmen und jeweils auf "X" enden. Allerdings unterscheiden sich beide Zeichen von der Länge her (7 gegen 5 Buchstaben), wobei vor allem die Abweichung in der Anzahl der Silben (3 gegen 2) sich klanglich auswirkt. Die bei jeder Betonung des Gesamtzeichens markante Endung "TEX" der jüngeren Marke (gesprochen wie "tecks") klingt völlig anders wie die Endsilbe "ROX" (= "rocks") der Widerspruchsmarke. Von daher scheidet in Übereinstimmung mit der Auffassung des Erinnerungsbeschlusses der Markenstelle eine klangliche Verwechslungsgefahr aus.
Aber auch im schriftbildlichen Vergleich wird der Verkehr -selbst aus der Erinnerung heraus -in der Lage sein, beide Marken auseinanderzuhalten. Zwar kann nicht ausschließlich auf die -generell aufmerksamen -Fachkreise abgestellt werden, an welche die Widersprechende ihre Produkte veräußert, weil sich eine entsprechende Einschränkung hinsichtlich des Vertriebs nicht aus dem Register ergibt. Aber auch in allgemeinen Publikumskreisen ist nach dem maßgeblichen Verbraucherleitbild des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Hacker in: Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rdn. 173 m. w. Nachw.) auf normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher im Bereich der einschlägigen Waren abzustellen. Wenngleich Waschmittel an sich eher niedrigpreisige Massenprodukte sind, ist die Aufmerksamkeit der Kunden (vor allem auch der Kundinnen) bei deren Erwerb generell erhöht; das Waschmittel muss für die jeweilige Wäsche und den Waschvorgang, d.h. in der Regel die Waschmaschine, geeignet sein. Diese produktbezogene Aufmerksamkeit erstreckt sich -fast zwangsläufig -auch auf die Marken. Der auf diesem Produktsektor markenDie Gesamtabwägung ergibt, dass vorliegend wegen des geringen Schutzumfangs der Widerspruchsmarke und des deutlichen Zeichenabstands selbst im Bereich identischer und ähnlicher Waren keine Verwechslungsgefahr besteht. Somit verbleibt es bei der Zurückweisung des Widerspruchs.
3. Für die Auferlegung von Verfahrenskosten (gem. § 71 Abs. 1 MarkenG) besteht kein Anlass.
Prof. Dr. Hacker Eisenrauch Viereckbr/Bb
BPatG:
Beschluss v. 27.04.2010
Az: 24 W (pat) 66/08
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