Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 24. März 2015
Aktenzeichen: I-20 U 234/13
(OLG Düsseldorf: Urteil v. 24.03.2015, Az.: I-20 U 234/13)
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 2a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 16. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Die Klägerin ist nach ihrem eigenen Vortrag die zur Geltendmachung der Rechte im eigenen Namen ermächtigte Generallizenznehmerin der X. Diese ist Inhaberin der am 1. Juni 2007 angemeldeten und am 14. August 2007 eingetragenen, nachstehend wiedergegebenen deutschen Bildmarke mit der Registernummer DE ..., die für Bekleidungsstücke (Klasse 25), Sonnenbrillen (Klasse 9) und Lederwaren (Klasse 18) eingetragen ist:
Die Klägerin vertreibt unter dem vorstehenden Zeichen über ihre Vertriebspartner und über ihren Onlineshop eine Vielzahl von Waren, vor allem Bekleidung, aber auch Uhren und Schmuck. Auf den als Anlage K 5 vorgelegten Auszug aus dem Online-Register wird Bezug genommen.
Der Beklagte betreibt unter der Bezeichnung "S." in N. ein Ladenlokal, in dem er Schmuck und Uhren verkauft. Dort erwarb ein Testkäufer der Klägerin am 22. Februar 2011 eine Uhr, bei der es sich um die nachstehend abgebildete gehandelt haben soll:
Mit Anwaltsschreiben vom 11. März 2011 ließ die Klägerin den Beklagten mit der Begründung abmahnen, dieser habe eine Uhr mit Tigermotiv veräußert und hierdurch die vorgenannte Bildmarke DE ... verletzt. Der Beklagte gab die geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, weigerte sich jedoch, der Klägerin die Abmahnkosten zu erstatten. Die Klägerin hat daraufhin die vorliegende Klage erhoben, mit der sie die Erstattung einer 1,3 Geschäftsgebühr auf der Basis eines Gegenstandswertes von 150.000,00 Euro sowie der Kosten des Testkaufs erstrebt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Abmahnung sei nicht berechtigt gewesen, ein Unterlassungsanspruch sei nicht gegeben. Zwischen den Waren Bekleidung, Sonnenbrillen und Lederwaren einerseits, für die die Marke eingetragen sei, und Uhren anderseits bestehe keine Warenähnlichkeit; der Umstand, dass Uhren als Accessoire zu Kleidung wahrgenommen werde, reiche hierfür nicht aus.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie trägt vor, gerade Armbanduhren seien Accessoires, die sehr eng mit der jeweiligen Bekleidung verknüpft seien. Zudem erwarte der Verkehr von den Herstellern von Bekleidungsstücken auch entsprechende Accessoires. Nicht nur von ihr, sondern auch von anderen Modelabels würden sowohl Bekleidung als auch Uhren hergestellt und über dieselben Verkaufsstätten vertrieben.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des am 16.10.2013 verkündeten Urteils des Landgerichts Düsseldorf, Az.: 2a O 337/11, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin EUR 2.239,50 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil. Die sich gegenüberstehenden Waren seien völlig unterschiedlich; Berührungspunkte bestünden nur insoweit, als es Modeartikel seien.
Der Senat hat mit den Parteien die Ähnlichkeit der gegenüberstehenden Waren erörtert. Die Frage der Warenähnlichkeit werde inzwischen restriktiver gesehen, wie nicht zuletzt die jüngst ergangenen die Entscheidungen "ZOOM" und "DESPERADOS/DESPERADO" des Bundesgerichtshofs zeigten. Dass eine Lizensierungspraxis nicht ausreiche, habe der Bundesgerichtshof bereits 2006 in "TOSCA BLUE" klargestellt. Das Gericht der Europäischen Union habe in seiner 2007 ergangenen Entscheidung "TOSCA/TOSCA BLUE" eine durch ein ästhetisches Ergänzungsverhältnis begründete Warenähnlichkeit zwischen Parfüm und Bekleidung verneint, die von der Klägerin angeführte Entscheidung des Harmonisierungsamtes sei folglich überholt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands erster Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil, Bl. 208 ff. d. GA., wegen des Parteivorbringens im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.
Die Klägerin hat gegenüber dem Beklagten keinen Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag, §§ 677, 683 S. 1 i.V. mit § 670 BGB.
Der Abmahnende hat einen Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag, wenn ihm gegenüber dem Abgemahnten zum Zeitpunkt der Abmahnung ein Unterlassungsanspruch zustand und die Abmahnung dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Abgemahnten entsprach (BGH, GRUR 2008, 996 Tz. 11 - Clone-CD). Diese Voraussetzung ist regelmäßig erfüllt, wenn der Abmahnende den Abgemahnten wegen dessen Rechtsverstoß auch gerichtlich hätte auf Unterlassung in Anspruch nehmen können. Der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten beruht auf der Erwägung, dass die berechtigte Abmahnung dem Schuldner zum Vorteil gereicht, weil der Gläubiger, der zunächst abmahnt, statt sofort Klage zu erheben oder einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu stellen, dem Schuldner damit die Möglichkeit gibt, eine gerichtliche Auseinandersetzung auf kostengünstige Weise durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung abzuwenden (BGH, GRUR 2008, 996 Tz. 34 - Clone-CD; GRUR 1973, 384, 385 - Goldene Armbänder).
Die Abmahnung vom 11. März 2011 war nicht berechtigt. Die Klägerin hatte gegenüber dem Beklagten keinen Anspruch auf Unterlassung der Benutzung des im Tatbestand wiedergegebenen Bildzeichens "Tigerkopf" für eine Uhr aus § 14 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5 MarkenG. Die Verwendung des Zeichens zur Kennzeichnung einer Uhr verletzt die Rechte an der deutschen Bildmarke DE ... nicht.
Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist es Dritten untersagt, ohne Zustimmung des Inhabers der Marke im geschäftlichen Verkehr ein Zeichen zu benutzen, wenn wegen der Identität oder Ähnlichkeit des Zeichens mit der Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die Marke und das Zeichen erfassten Waren für das Publikum die Gefahr der Verwechslung besteht.
Vorliegend fehlt es an der für die Annahme einer Verwechslungsgefahr erforderlichen Warenähnlichkeit. Bei der Beurteilung der Warenähnlichkeit sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren kennzeichnen; hierzu gehören insbesondere die Art der Waren, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie die Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren (EuG, GRUR-RR 2007, 347 Rn. 29 - TOSCA/TOSCA BLU; BGH, GRUR 2006, 941 Rz. 13 - TOSCA BLU). In die Beurteilung einzubeziehen ist, ob die Waren regelmäßig von denselben Unternehmen oder unter ihrer Kontrolle hergestellt werden oder ob sie beim Vertrieb Berührungspunkte aufweisen, weil sie in denselben Verkaufsstätten angeboten werden (BGH, GRUR 2003, 428, 432 - BIG BERTHA). Dabei kann von Warenunähnlichkeit nur ausgegangen werden, wenn trotz (unterstellter) Identität oder großer Ähnlichkeit der Marken die Annahme einer Verwechslungsgefahr wegen des Abstands der Waren von vornherein ausgeschlossen ist, dass beim Verkehr die Vorstellung entstehen kann, die Waren stammten aus demselben oder gegebenenfalls wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen (vgl. BGH, GRUR 2001, 507, 508 - EVIAN/REVIAN).
Es gibt jedoch eine absolute Grenze der Warenähnlichkeit, die auch bei Identität des Zeichens nicht durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft überschritten werden kann (BGH, GRUR 2006, 941 Rz. 13 - TOSCA BLU; GRUR 2014, 488 Rn. 12 - DESPERADOS/DESPERADO). Aus dem Wortlaut des Art. 4 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 2008/95/EG [EU-Markenrichtlinie 2008] ergibt sich, dass eine Verwechslungsgefahr Identität oder Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen voraussetzt. Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr zwischen zwei identischen oder ähnlichen Marken kann daher nur in den Grenzen des Grundsatzes der Spezialität bejaht werden kann, d. h. dann, wenn die fraglichen Waren in der Wahrnehmung des relevanten Publikums identisch oder ähnlich sind (EuG, GRUR-RR 2007, 347 Rn. 34 - TOSCA/TOSCA BLU, zu Art. 8 Abs. 1 lit. b GMV a.F.).
Bekleidungsstücke, aber auch Sonnenbrillen und Lederwaren, einerseits und Uhren anderseits weisen in Art, Nutzung und Verwendung keinerlei Übereinstimmungen auf. Das Bestehen eines ästhetischen Ergänzungsverhältnisses zwischen den fraglichen Produkten genügt nicht, um das Bestehen einer Ähnlichkeit zwischen den Produkten zu bejahen (EuG, GRUR-RR 2007, 347 Rn. 37 - TOSCA/ TOSCA BLU). Solche Berührungspunkte, die letztendlich alle Modeartikel aufweisen, reichen für die Begründung einer auf einem ästhetischen Ergänzungsverhältnis basierenden Warenähnlichkeit nicht aus. Es muss sich um ein echtes ästhetisches Bedürfnis in dem Sinne handeln, dass die eine Ware für die Verwendung der anderen unentbehrlich oder wichtig ist und es die Verbraucher demzufolge als üblich und normal empfinden, die fraglichen Produkte zusammen zu benutzen (Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 9 Rn. 95). Dies setzt voraus, dass die Verbraucher die Vermarktung dieser Waren unter derselben Marke als gängig ansehen, was normalerweise impliziert, dass die jeweiligen Hersteller oder Händler der Produkte größtenteils dieselben sind (EuG, GRUR-RR 2007, 347 Rn. 37 - TOSCA/TOSCA BLU; Ströbele/Hacker a. a. O.). Dies ist nicht der Fall. Das Angebot von Uhren unter dem Zeichen von Bekleidungsherstellern ist auf den Premiummarkt beschränkt und erfolgt zudem nur einseitig. Keiner der namhaften Uhrenhersteller bietet unter seinem Zeichen auch Bekleidung an.
Eine Lizenzierungspraxis führt nicht zur Ähnlichkeit der Waren (EuG, GRUR-RR 2007, 347 Rn. 38 - TOSCA/TOSCA BLU). Die ständige Übung der Modebranche, für andere Produkte Lizenzen zu vergeben, ist nicht geeignet, eine bestehende (absolute) Warenunähnlichkeit zu überwinden (BGH, GRUR 2006, 941 Rz. 12 - TOSCA BLU). Eine solche Praxis beruht auf der Erfahrung, dass sich die positiven Assoziationen, die bekannte, als exklusiv geltende Marken erwecken, auch für völlig andere Produkte nutzbar machen lassen. Diese Verwertungsmöglichkeit steht durchaus unter dem Schutz des Markenrechts, das die Wertschätzung und die Unterscheidungskraft bekannter Marken auch außerhalb der Waren- oder Dienstleistungsähnlichkeit vor einer Ausnutzung oder Beeinträchtigung schützt (§ 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG). Sie bestimmt aber nicht die Grenzen der Warenähnlichkeit. Durch die Erteilung von Vermarktungsrechten zum Zwecke der Verkaufsförderung bleibt der Warenähnlichkeitsbereich grundsätzlich unberührt (BGH, GRUR 2006, 941 Rz. 14 - TOSCA BLU). Eine derartige Vertriebspraxis kann lediglich im Grenzbereich der Warenähnlichkeit eine Verwechslungsgefahr begründen, wenn es sich um funktionsverwandte Produkte handelt, bei denen der Verkehr nicht nur von einem Imagetransfer, sondern auch von einem Knowhow-Transfer ausgeht (BGH, GRUR 2006, 941 Rz. 14 - TOSCA BLU; GRUR 2015, 176 Rn. 20 - ZOOM; vgl. auch Ingerl/ Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., § 14 Rn. 751 ff).
Eine Tätigkeit als Bekleidungs-, aber auch als Sonnenbrillen- oder Lederartikelhersteller qualifiziert jedoch in keiner Weise zur Herstellung oder zur Kontrolle der Herstellung von Uhren, eines zumindest auch technischen Erzeugnisses. Das dort erworbene Knowhow lässt sich auf die Herstellung dieser Waren ganz offensichtlich nicht übertragen. Die Klägerin verkennt, dass die Kriterien, ob die Waren regelmäßig von denselben Unternehmen oder unter ihrer Kontrolle hergestellt werden oder ob sie beim Vertrieb Berührungspunkte aufweisen, weil sie in denselben Verkaufsstätten angeboten werden, lediglich in Beurteilung einzubeziehen sind, dass es jedoch primär auf die Art der Waren, ihren Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie die Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren ankommt. Waren, die hier keine Ähnlichkeiten aufweisen, werden auch durch Berührungspunkte bei Herstellung und Vertrieb nicht ähnlich, jedenfalls nicht, solange die jeweiligen Hersteller oder Händler der Produkte nicht größtenteils dieselben sind (EuG, GRUR-RR 2007, 347 Rn. 37 - TOSCA/TOSCA BLU). Die von der Klägerin angeführte Entscheidung des Harmonisierungsamtes HABM 03, BK R 414/02-4, ist durch die vorzitierte Entscheidung des Europäischen Gerichts überholt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit fußt auf § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.
Es besteht keine Veranlassung, die Revision zuzulassen. Die hierfür in § 543 Abs. 2 ZPO niedergelegten Voraussetzungen sind nicht gegeben. Die relevanten Rechtsfragen sind durch die zitierten höchstrichterlichen Entscheidungen beantwortet. Als reine Einzelfallentscheidung hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine revisionsgerichtliche Entscheidung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.239,50 Euro festgesetzt.
OLG Düsseldorf:
Urteil v. 24.03.2015
Az: I-20 U 234/13
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