Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. Juli 2003
Aktenzeichen: 23 W (pat) 701/02

(BPatG: Beschluss v. 17.07.2003, Az.: 23 W (pat) 701/02)

Tenor

Das Patent 196 04 947 bleibt aufrechterhalten.

Gründe

I.

Die Prüfungsstelle für Klasse H01T des Deutschen Patent- und Markenamts hat auf die am 10. Februar 1996 eingereichte Patentanmeldung das am 10. Juli 1997 veröffentlichte Patent 196 04 947 (Streitpatent) mit der Bezeichnung "Verfahren zur Beeinflussung des Folgestromlöschvermögens von Funkenstreckenanordnungen und Funkenstreckenanordnung hierfür" erteilt.

Die Einsprechende hat gegen das erteilte Patent mit Schriftsatz vom 9. Oktober 1997, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am gleichen Tag, Einspruch eingelegt.

In dem vor dem Landgericht München I unter dem Aktenzeichen 21 O 15831/99 geführten Patentverletzungsprozeß hat die Patentinhaberin mit dem Klageerweiterungsschriftsatz vom 21. Februar 2000 die beigetretene Einsprechende wegen Verletzung des Streitpatents verklagt. Diese hat daraufhin mit Schriftsatz vom 15. März 2000, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am 16. März 2000, ihren Beitritt zum vorliegenden Einspruchsverfahren gemäß § 59 Abs 2 PatG erklärt.

Mit Schriftsatz vom 21. Mai 2002 hat die beigetretene Einsprechende einen Antrag dahingehend gestellt, daß über den Einspruch ein Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts entscheidet. Am 1. Juli 2002 hat die Patentabteilung 1.32 des Deutschen Patent- und Markenamts entschieden, daß die Voraussetzung des § 147 Abs 3 Nr 2 PatG erfüllt sind und hat die Akten dem Bundespatentgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Die Patentinhaberin stellt die Zulässigkeit des Einspruchs der Einsprechenden sowie des Einspruchs der beigetretenen Einsprechenden in Frage.

Sie verteidigt das Streitpatent in der erteilten Fassung.

Die erteilten nebengeordneten Patentansprüche 1 und 6 lauten:

"1. Verfahren zur Beeinflussung des Folgestromlöschvermögens von Funkenstreckenanordnungen mit zwei Elektroden, die innerhalb eines Gehäuses angeordnet sind, wobei gegebenenfalls innerhalb des Gehäuses ein Löschgas vorgesehen ist, gekennzeichnet durch eine Abstimmung der Größe des zu löschenden Folgestromes auf das Volumen des Innenraumes des Gehäuses (5) derart, daß eine kurzzeitige Erhöhung des Innendruckes des Gehäuses (5) auf ein Vielfaches des atmosphärischen Druckes bewirkt wird, wobei die Druckerhöhung in dem die Elektroden aufweisenden Innenraum (1) durch den Lichtbogen des Folgestromes selbst produziert wird.

6. Funkenstreckenanordnung mit zwei Elektroden, die im Innenraum eines geschlossenen Gehäuses angeordnet sind, zur Durchführung des Verfahrens nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, daß der die Elektroden (2a, 2b) beinhaltende Innenraum (1) von einer druckfesten Gehäuseanordnung (5) umgeben ist, wobei das Volumen des Innenraumes derart bemessen und auf die Höhe des zu erwartenden Folgestromes abgestimmt ist, daß durch den Lichtbogen des Folgestromes eine Druckerhöhung eines im Innern des Elektrodenraumes vorgesehenen Gases, insbesondere eines Löschgases auf ein Vielfaches des atmosphärischen Druckes erreicht wird."

Wegen der erteilten Unteransprüche 2 bis 5 und 7 bis 28 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.

Mit Teilungserklärung vom 25. März 1999 trennt die Patentinhaberin vom Streitpatent gemäß § 60 PatG eine Funkenstreckenanordnung mit zwei Elektroden ab, die im Innenraum eines druckfesten Gehäuses angeordnet sind, wobei das Volumen des Innenraumes so bemessen und auf die Höhe des zu erwartenden Netzfolgestromes abgestimmt ist, daß durch den Lichtbogen des Netzfolgestromes eine kurzzeitige Druckerhöhung um ein Vielfaches des atmosphärischen Druckes gegeben ist, wobei zum langsamen Abbauen des Überdruckes oder Angleichen des Innendruckes an den atmosphärischen Druck Kanäle kleinen Querschnitts ausgebildet sind.

Die Einsprechende und die beigetretene Einsprechende machen als Einspruchs- bzw. Widerrufsgründe (§ 21 PatG) geltend:

- unzulässige Erweiterung (nur bezüglich der Patentansprüche 1 und 6 nach Hilfsantrag vom 19. Oktober 2001)

- mangelnde Ausführbarkeit und - fehlende Patentfähigkeit.

Zum Stand der Technik verweisen sie dabei auf die Druckschriften:

- deutsche Gebrauchsmusterschrift 7 315 846 (Druckschrift 1) - deutsche Auslegeschrift 1 282 153 (Druckschrift 2) - Prospekt "Edelgasgefüllte Überspannungsableiter" der Firma Siemens

(Druckschrift 3) - deutsche Offenlegungsschrift 20 07 293 (Druckschrift 4) - europäische Patentschrift 0 024 584 (Druckschrift 5) - Burkhard, Günter: "Schaltgeräte der Elektroenergietechnik - Grundlagenund techn. Ausführung", 1. Auflage (1985), VDE-Verlag Berlin, Seiten 45 bis 49, 74 bis 77 und 82 (Druckschrift 6) - deutsche Patentschrift 29 34 236 (Druckschrift 7) - Brockhaus, Naturwissenschaften und Technik, Band 1 (A-EK), 1983, Seiten 152 und 153 (Druckschrift 8) - deutsche Offenlegungsschrift 1 944 564 (Druckschrift 9) - DE 19 44 564 B2 (Druckschrift 10) - DE 17 88 150 B2 (Druckschrift 11) - DE 10 16 354 (Druckschrift 12) - US 3 141 108 (Druckschrift 13) - US 3 849 704 (Druckschrift 14) - US 3 878 423 (Druckschrift 15) - DE 194 44 564 A1 (Druckschrift 16) - DE 198 17 063 (Druckschrift 17) - DE 550 864 (Druckschrift 18) - "Schalten, Schützen, Verteilen in Niederspannungsnetzen", Siemens AG, 1990, Seite 105 (Druckschrift 19) - "Schaltgeräte", Springer-Verlag, 1987, Seiten 27 bis 31, 89 und 139

(Druckschrift 20) - Erk-Schmelzle "Grundlagen der Schaltgerätetechnik", Springer-Verlag, 1974. Seiten 88, 111 und 249 bis 254 (Druckschrift 21).

Die beigetretene Einsprechende legt mit Schriftsatz vom 18. Oktober 2002 ein Ergänzungs-Sachverständigengutachten von Herrn Prof. Dr.-Ing. K... vom 20. September 2002 aus dem parallel anhängigen Verletzungsprozeß vor.

In der mündlichen Verhandlung regt die beigetretene Einsprechende zudem die Zulassung einer Rechtsbeschwerde betreffend die Widersprüchlichkeit der diametral entgegengesetzten Lehren der erteilten nebengeordneten Patentansprüche 1 und 6 vor.

Die Einsprechende und die beigetretene Einsprechende beantragen übereinstimmend, das Patent 196 04 947 zu widerrufen.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent aufrechtzuerhalten.

Zur Stützung ihres Vorbringens legt die Patentinhaberin mit Schriftsatz vom 16. Mai 2002 ein Sachverständigengutachten von Herrn Prof. Dr.-Ing. K... vom 28. März 2002 aus dem Verletzungsprozeß vor und nennt neben der vorgenannten US-Patentschrift 3 849 704 (Druckschrift 14) noch die Druckschriften:

- Informationsblatt "Phoenix Contact informiert" der Firma Phoenix Contact GmbH & Co., 32819 Blomberg (Anlage 1) - Prospekt "Funkenstrecken für Blitzströme" der Firma Dehn + Söhne GmbH & Co. KG (Anlage 2) - Joachim Schimanski "Überspannungsschutz, Theorie und Praxis", Hüthig Verlag Heidelberg, Seiten 34 bis 37 (Anlage 3).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts für die Entscheidung in dieser Einspruchssache ergibt sich aus § 147 Abs 3 Nr 2 PatG. Abweichend von § 61 Abs 1 PatG entscheidet danach nicht die Patentabteilung des Patentamts über den Einspruch, sondern der zuständige (technische) Beschwerdesenat des Patentgerichts, wenn - der Einspruch vor dem 1. Januar 2002 erhoben worden ist,

- ein Beteiligter bis 31. Dezember 2004 die Entscheidung durch den Bechwerdesenat des Patentgerichts beantragt und - die Patentabteilung eine Ladung zur mündlichen Anhörung oder die Entscheidung über den Einspruch innerhalb von zwei Monaten nach Zugang des Antrags auf patentgerichtliche Entscheidung noch nicht zugestellt hat.

Die erste und die dritte der oben bezeichneten Voraussetzungen sind ohne weiteres erfüllt.

Auch die zweite Voraussetzung, wonach ein Beteiligter die Entscheidung durch den Beschwerdesenat des Patentgerichts beantragt haben muß, ist gegeben. Der Antrag der beigetretenen Einsprechenden ist hierfür ausreichend. Mit dem Beitritt erhält die beigetretene Einsprechende die gleiche Rechtsstellung, die sonst durch die Erhebung eines fristgerechten Einspruchs nach Veröffentlichung der Patenterteilung erworben wird (vgl Schulte, PatG, 6. Aufl., § 59 Rdn 238). Damit hat die beigetretene Einsprechende eine vollwertige Beteiligtenstellung, wobei deren Einspruch auch nicht vom Schicksal des Ursprungseinspruchs abhängt, wie dies zB bei Anschlußrechtsmitteln der Fall ist, etwa nach § 524 Abs 4 oder § 567 Abs 3 Satz 2 ZPO. Auch der Umstand, daß mehrere Einsprechende am Verfahren beteiligt sind, führt nicht dazu, daß diese etwa nur übereinstimmend eine Entscheidung durch das Patentgericht beantragen können. Nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift des § 147 Abs 3 Nr 2 PatG genügt der Antrag eines Beteiligten.

Soweit die Voraussetzungen des § 147 Abs 3 Nr 2 PatG erfüllt sind, hat der Beschwerdesenat des Patentgerichts über das Verfahren insgesamt, d.h. im Falle mehrerer Einsprüche auch über diese Mehrheit von Einsprüchen zu entscheiden, unabhängig davon ob nur eine Einsprechende oder mehrere Einsprechende eine Entscheidung des Patentgerichts beantragt haben. Eine Trennung des Verfahrens nach Einsprüchen in der Form, daß über einen Einspruch das Patentgericht und über den verbliebenen Einspruch das Patentamt zu entscheiden hat, kommt nicht in Betracht. Gegenstand der Prüfung im Einspruchsverfahren ist nämlich nicht der jeweilige Einspruch, sondern das Patent (vgl. dazu auch Schulte, PatG, 6. Aufl., § 59 Rdn 142 unter Hinweis auf BGH GRUR 1995, 333 II 2 c) bb) - Aluminium-Trihydroxid). Es ist über die Aufrechterhaltung oder den Widerruf des Patents zu entscheiden. Diese Entscheidung kann auch bei einer Mehrheit von Einsprüchen nur einheitlich getroffen werden.

III.

Der Einspruch der Einsprechenden ist zwar zulässig, auch ist der Beitritt des Dritten zu dem Einspruch wirksam und ist der Einspruch der beigetretenen Einsprechenden ebenfalls zulässig, jedoch haben beide Einsprüche insofern keinen Erfolg, als nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung die Lehren der unbestritten zulässigen erteilten nebengeordneten Patentansprüche 1 und 6 ausführbar und patentfähig sind. Die Teilung des Streitpatents ist wirksam. Die von der beigetretenen Einsprechenden angeregte Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

1. Zulässigkeit der Einsprüche bzw des Beitrittsa) Der frist- und formgerecht eingelegte Einspruch der Einsprechenden ist insofern zulässig, als mit ihm (Einspruchsschriftsatz vom 9. Oktober 1997, Seiten 1 und 5 bis 10) innerhalb der Einspruchsfrist der Widerrufsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend gemacht worden ist und zur Substantiierung dieses Einspruchsgrundes zur gesamten Lehre des erteilten Patentanspruchs 1 (Merkmale a) bis e) gemäß Merkmalsanalyse des Anspruchs 1) aus der zum Stand der Technik geltend gemachten vorgenannten deutschen Gebrauchsmusterschrift 7 315 846 (Druckschrift 1) die Tatsachen im einzelnen angegeben worden sind, aus denen sich ergeben soll, daß das Patent zu widerrufen ist (vgl. hierzu BGH, "Automatisches Fahrzeuggetriebe" aaO, S 241, II.3a) mwNw; BGH BlPMZ 1988, 250, Leitsatz 2, IV.1, 251, liSp, Abs 1 - "Epoxidation"; Schulte PatG 6. Aufl. § 59 Rdn 64 bis 69). Soweit die Patentinhaberin die Auffassung vertritt, daß der Einspruch unzulässig sei, weil das gesamte Einspruchsvorbringen sich nicht auch mit den Gegenständen der erteilten Unteransprüche 2 bis 5 und 7 bis 28 des Streitpatents befaßt (Schriftsatz vom 23. April 1998, Seite 1, Absatz 2 bis Seite 2, Absatz 2), kann dem insofern nicht beigetreten werden, als unter der gesamten patentierten Lehre im Sinne der BGH-Entscheidung "Epoxidation" die Lehre eines Nebenanspruchs - d.h. beispielsweise des Patentanspruchs 1 - zu verstehen ist (BGH BlPMZ 2003, 241, Leitsatz iVm 241 reSp vorlAbs bis 242 liSp Abs 1 - "Automatisches Fahrzeuggetriebe").

b) Die Voraussetzungen für einen wirksamen Beitritt nach § 59 Abs 2 Satz 1 PatG liegen vor, denn die beigetretene Einsprechende ist von der Patentinhaberin wegen Verletzung des Streitpatents in Anspruch genommen worden und sie hat ihren Beitritt auch innerhalb von drei Monaten nach Erweiterung der Verletzungsklage auf das Streitpatent erklärt. Die Wirksamkeit des Beitritts ist von der Patentinhaberin auch nicht in Frage gestellt worden.

Der Einspruch der beigetretenen Einsprechenden ist auch zulässig, weil diese - u.a. - den Widerrufsgrund der mangelnden Ausführbarkeit geltend gemacht hat und diesen hinsichtlich der erteilten Patentansprüche 1 und 6 des Streitpatents auch ausreichend substantiiert hat, wobei sie insbesondere auf eine - angebliche - Widersprüchlichkeit der Lehren der erteilten Patentansprüche 1 und 6 hingewiesen und die Realisierbarkeit der Vorgaben nach dem kennzeichnenden Teil der erteilten Patentansprüche 1 bzw. 6 bestritten hat (Schriftsatz vom 11. April 2000, Seiten 6 bis 10). Von der Patentinhaberin ist die Zulässigkeit des Einspruchs der beigetretenen Einsprechenden im übrigen auch nur hinsichtlich der Substantiierung des zusätzlich geltend gemachten Widerrufsgrundes der mangelnden Patentfähigkeit in Zweifel gezogen worden.

c) Im übrigen eröffnet der zulässige Einspruch für das Patentgericht die Möglichkeit, neben den von den Einsprechenden vorgebrachten Einspruchsgründen von Amts wegen auch weitere Einspruchsgründe in das Verfahren einzubeziehen (vgl. dazu BGH BlPMZ 2003, 241, II.3b) - "Automatisches Fahrzeuggetriebe" GRUR 1995, 333 - Aluminium-Trihydroxid). Denn das Patentgericht entscheidet in den Einspruchsverfahren nach § 147 Abs 3 PatG nicht als Beschwerdeinstanz, sondern als erstinstanzliche Einspruchsinstanz, so daß in Bezug auf die Prüfungsmöglichkeit und den Prüfungsumfang die für das Patentamt geltenden Grundsätze maßgeblich sind.

2. Zulässigkeit der Patentansprüche Gegen die - seitens der Einsprechenden und der beigetretenen Einsprechenden unbestrittene - Zulässigkeit der erteilten Patentansprüche 1 bis 28 bestehen keine Bedenken, da diese inhaltlich durch die ursprünglichen Anmeldungsunterlagen gedeckt sind.

3. Ausführbarkeit Der von der Einsprechenden und der beigetretenen Einsprechenden vertretenen Auffassung, die Lehren der erteilten Ansprüche 1 und 6 des Streitpatents seien nicht ausführbar, kann nicht beigetreten werden.

Soweit sich diese Auffassung auf die - vermeintlich - widersprüchlichen Lehren der erteilten Ansprüche 1 und 6 des Streitpatents stützt, vermag dies aus folgenden Gründen nicht durchzugreifen:

Die Druckerhöhung ist gemäß dem Patentanspruch 1 zwar durch Abstimmung der Größe des zu löschenden Folgestromes auf das Volumen des Innenraums des Gehäuses, gemäß dem Patentanspruch 6 hingegen - umgekehrt - durch Abstimmung des Volumens des Innenraums des Gehäuses auf die Höhe des zu erwartenden Folgestromes herbeizuführen. Wie sich aus der zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehenden Beschreibung (BGH GRUR 1986, 803, 805 liSp Abs 2 - "Formstein") ergibt, ist die Lehre der erteilten Patentansprüche 1 bzw. 6 insoweit jedoch allenfalls auf den ersten Blick unterschiedlich bzw. widersprüchlich. Die Begriffe in den Patentansprüchen sind nämlich so zu deuten, wie sie der zuständige Durchschnittsfachmann nach dem Gesamtinhalt der Patentschrift unter Berücksichtigung der in ihr objektiv offenbarten Lösung versteht (BGH GRUR 2001, 232 Leitsatz - "Brieflocher"). In der Streitpatentschrift (Spalte 5, Zeilen 22 bis 47) ist aber offenbart, daß bei dem beanspruchten Verfahren - das ausweislich des Patentanspruchs 1 eine Anpassung des Folgestroms an das Volumen vorsieht - umgekehrt auch das Volumen an den Folgestrom - insoweit entsprechend dem Patentanspruch 6 - angepaßt werden kann. Nach der Gesamtoffenbarung der Streitpatentschrift ist es demnach unerheblich, ob der Folgestrom an das Volumen (Patentanspruch 1) oder - umgekehrt - das Volumen an den Folgestrom angepaßt wird (Patentanspruch 6), entscheidend ist danach vielmehr, daß Volumen und Folgestrom so aufeinander abgestimmt werden, daß der Lichtbogen des Folgestroms im Innenraum des Gehäuses eine kurzzeitige Erhöhung des Innendrucks auf ein Vielfaches des atmosphärischen Drucks bewirkt, die zur Löschung des Folgestroms führt (vgl. hierzu auch das vorgenannte Sachverständigengutachten vom 28. März 2002, Seite 18, vorletzter Absatz bis Seite 19, Mitte bzw. das Ergänzungsgutachten vom 20. September 2002, Seite 8, letzter Absatz bis Seite 9, Absatz 1 iVm den dazugehörigen Gleichungen auf Seite 6).

Soweit die Einsprechende und die beigetretene Einsprechenden zudem bezweifeln, daß die Angaben im erteilten Patentanspruch 1 bzw. 6 den Fachmann dazu befähigen, den Folgestrom und das Volumen so aufeinander abzustimmen, daß die vom Folgestrom selbst bewirkte Druckerhöhung zur Löschung des Folgestroms führt, kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden.

Die Einsprechende und die beigetretene Einsprechende vermissen in den erteilten Patentansprüche 1 bzw. 6 ersichtlich eine fertige Gebrauchsanweisung ("Kochrezept"). Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung bedarf es aber nicht der Angabe konkreter Maße, Größen und Verhältnisse, sofern der Fachmann diese durch Versuche feststellen kann, die einen zumutbaren Umfang nicht übersteigen (BGH GRUR 1972, 704, 705 reSp unten - "Wasser-Aufbereitung"). Für den zuständigen Durchschnittsfachmann - der hier als ein mit der Entwicklung und der Anwendung von Funkenstreckenanordnungen befaßter, berufserfahrener Physiker oder Elektroingenieur mit Fachhochschulausbildung zu definieren ist - finden sich in der Streitpatentschrift aber Hinweise in die entscheidende Richtung, wonach als Randbedingung zu beachten ist, daß es bei zu kleinem Innenraum-Volumen zu einer mechanischen und/oder thermischen Überlastung des Gehäuses kommt, wohingegen bei zu großem Innenraum-Volumen der Druckanstieg zu gering ist (Spalte 4, Zeilen 21 bis 30). Auch ist dem Fachmann schon aufgrund seines physikalischen Grundwissens ohne weiteres klar, daß die vom Folgestrom bewirkte Druckerhöhung um so höher ausfällt, je höher der Folgestrom ist und daß zur Erzielung des zur Löschung des Folgestroms führenden Innendrucks - von beispielsweise 10 bis 60 bar (Anspruch 2) - das Innenraum-Volumen bei höherem Folgestrom daher größer zu wählen ist als bei niedrigerem Folgestrom (vgl. hierzu auch die Streitpatentschrift, Spalte 5, Zeilen 39 bis 47).

Vor diesem Hintergrund bietet es sich dem Fachmann aber an, die durch den erteilten Patentanspruch 1 gelehrte Abstimmung des Folgestroms auf das Volumen dadurch zu realisieren, daß einer Funkenstreckenanordnung mit gegebenem Innenraum-Volumen in einem öffentlichen Stromversorgungsnetz ein veränderlicher ohmscher Widerstand vorgeschaltet wird, durch dessen schrittweise Änderung der Folgestrom solange verändert und jeweils gemessen wird, bis der Lichtbogen des Folgestroms den zum Löschen des Folgestroms führenden Druckanstieg produziert. Dazu bedarf es nach jeder Änderung des Widerstandes nur der Zündung einer Überspannungs-Lichtbogenentladung durch Anlegen einer entsprechenden Überspannung an die Funkenstreckenanordnung. Damit läßt sich aber jeder Funkenstreckenanordnung mit gegebenem Gehäuse-Innenraum-Volumen anhand einer überschaubaren Anzahl von Versuchen ohne weiteres ein Folgestrom zuordnen, dessen Lichtbogen im Gehäuse-Innenraum einen Druckanstieg produziert, der zum Löschen des Folgestroms führt.

Die durch den erteilten Patentanspruch 6 gelehrte Abstimmung des Volumens auf einen zu erwartenden Folgestrom läßt sich andererseits einfach dadurch bewerkstelligen, daß das Gehäuse-Innenraum-Volumen - beginnend mit dem bekanntermaßen großen Volumen von Funkenstreckenanordnungen, bei denen der Folgestrom durch Verlängerung des Lichtbogens gelöscht wird (Spalte 3, Absatz 3 iVm Spalte 5, Zeilen 32 bis 35 der Streitpatentschrift) - schrittweise verringert wird, bis der zum Löschen des Folgestroms führende Druck erreicht wird (vgl. hierzu auch die Streitpatentschrift, Spalte 5, Absätze 4 und 5).

Im übrigen ist in der Streitpatentschrift (Spalte 8, Zeilen 32 bis 38) explizit angegeben, daß sich bei einer Funkenstreckenanordnung mit einem Drittel der in den Figuren 1 bzw. 4 dargestellten Größe eine Erhöhung des Innendrucks auf etwa 30 bis 50 bar empfiehlt. Die Angabe einer den Folgestrom und das Volumen im Sinne der erteilten Patentansprüche 1 bzw. 6 verknüpfenden Formel ist andererseits schon deshalb nicht ohne weiteres möglich, weil die Druckerhöhung nicht nur vom Volumen des Elektrodenraumes und der Stärke des Lichtbogens des Folgestroms, sondern auch von der Geometrie des Innenraums - insbesondere derjenigen der Elektroden - abhängen kann (Spalte 6, Absatz 4). Dementsprechend hält auch der von der beigetretenen Einsprechenden (Schriftsatz vom 1. Juli 2003, Seite 4, Absatz 1) als überqualifizierter Fachmann eingestufte Sachverständige im parallelen Verletzungsprozeß Experimente für unerläßlich (siehe dessen Ergänzungsgutachten vom 20. September 2002, Antwort zur 4. Frage auf den Seiten 6 bis 8 bzw. das von der beigetretenen Einsprechenden mit Schriftsatz vom 1. Juli 2003 vorgelegte Protokoll zur Sitzung der im parallelen Verletzungsprozeß zuständigen 21. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 19. März 2003, Seite 2, vorletzter Absatz bis Seite 4, Absatz 1).

Der zu erwartende Folgestrom ist aber - soweit nicht ohnehin bekannt (Schriftsatz der Patentinhaberin vom 19. Oktober 2001, Seite 8, vorletzter Absatz und Seite 13, Absatz 3 bis Seite 14, Absatz 2 iVm Anlage 1 mittlere Spalte, Absätze 3 und 4) - entgegen den Einlassungen der beigetretenen Einsprechenden (Schriftsatz vom 11. April 2000, Seiten 9 und 10, Abschnitt d)) vom Fachmann ohne weiteres an der jeweiligen Einbaustelle im Niederspannungsversorgungsnetz nach Zünden einer Überspannungs-Lichtbogenentladung meßbar (vgl. hierzu auch das Sachverständigengutachten vom 28. März 2002, Seite 6, Absatz 2).

Hinsichtlich der von der beigetretenen Einsprechenden (Schriftsatz vom 11. Dezember 2001, Seite 4, Abschnitt a)) in Abrede gestellten Offenbarung der Einsetzbarkeit erfindungsgemäßer Funkenstreckenanordnungen bei Niederspannungsnetzen zur öffentlichen Elektrizitätsversorgung ist auf die ursprünglichen Anmeldungsunterlagen (Seite 1, letzter Absatz) bzw. die Streitpatentschrift (Spalte 1, Absatz 2) zu verweisen, wonach die Funkenstreckenanordnungen speziell in Niederspannungsversorgungssystemen installierbar sind, worunter der Fachmann - zumindest auch - Niederspannungsnetze zur öffentlichen Elektrizitätsversorgung versteht (vgl. auch das Sachverständigengutachten vom 28. März 2002, Seite 6, Absatz 1 bis Seite 7, Absatz 1).

Die vom Überspannungs-Lichtbogen selbst erzeugte Druckerhöhung braucht - auch wenn sie im Bereich von 10 bis 60 bar oder darüber liegt (Schriftsatz der beigetretenen Einsprechenden vom 18. Oktober 2002, Seite 2, letzter Absatz bis Seite 5, Absatz 1) - insofern nicht schnellstmöglich abgebaut zu werden, als die Erfindung ausweislich der erteilten Ansprüche 1 bzw. 6 des Streitpatents ersichtlich nicht für diesen - allenfalls bei einem starken Blitz auftretenden - Sonderfall, sondern für den Regelfall konzipiert ist, daß die kurzzeitige Erhöhung des Innendrucks des Gehäuses auf ein Vielfaches des atmosphärischen Drucks durch den Lichtbogen des Folgestroms selbst - d.h. erst durch diesen - produziert wird.

4. Patentgegenstand In den Oberbegriffen der erteilten Patentansprüche 1 bzw. 6 wird nach den Angaben in der Streitpatentschrift (Spalte 1, Absatz 1 bzw. Spalte 5, letzter Absatz) von einem Verfahren zur Beeinflussung des Folgestromlöschvermögens von Funkenstreckenanordnungen bzw. von einer Funkenstreckenanordnung zur Durchführung des Verfahrens ausgegangen, wie sie aus der deutschen Patentschrift 29 34 236 (Druckschrift 7) bzw. aus der deutschen Gebrauchsmusterschrift 7 315 846 (Druckschrift 1) bekannt sind (vgl. die Druckschrift 7, Anspruch 1 iVm den Zeichnungen nebst der dazugehörigen Beschreibung bzw. Druckschrift 1, Anspruch 3 und Fig. 4 mit zugehöriger Beschreibung). Soweit die Druckschrift 7 einen Überspannungsableiter mit Funkenstrecke - d.h. im Unterschied zum erteilten Patentanspruch 1 kein Verfahren zur Beeinflussung des Folgestromlöschvermögens von Funkenstreckenanordnungen - betrifft, wird von der Patentinhaberin also unterstellt, daß für den Fachmann mit der Funkenstreckenanordnung implizit auch ein Verfahren zur Beeinflussung des Folgestromlöschvermögens der Funkenstreckenanordnung offenbart ist. Unter dem Begriff Folgestrom ist dabei ausweislich der Beschreibung der Streitpatentschrift (Spalte 1, Absatz 2) stets der Netzfolgestrom zu verstehen.

Bei Funkenstreckenanordnungen, die in Niederspannungsversorgungssystemen - d.h. Niederspannungs-Energieversorgungsnetzen - als Überspannungsschutz installiert werden, kann es bei Ableitung einer Überspannung zu einem schädlichen Netzfolgestrom kommen, weshalb sich bei Funkenstreckenanordnungen die Forderung nach einem Folgestromlöschvermögen stellt (vgl. die Streitpatentschrift, Spalte 1, Absatz 2 und zusätzlich das Sachverständigengutachten vom 28. März 2002, Seite 6, Absatz 1 bis Seite 7, Absatz 1).

Gemäß der Streitpatentschrift (Spalte 1, Zeilen 21 bis 64) ist das Folgestromlöschvermögen von Funkenstreckenanordnungen im wesentlichen direkt proportional der Lichtbogenspannung, weshalb man bestrebt ist, eine möglichst hohe Lichtbogenspannung zu erzielen. Dies läßt sich beispielsweise durch eine Aufweitung - d.h. Verlängerung - des Lichtbogens erreichen (Löschprinzip B auf Seite 8 des genannten Sachverständigengutachtens), hat jedoch insbesondere den Nachteil, daß dies ein großes Volumen erfordert (Streitpatentschrift, Spalte 1, Zeilen 39 bis 45, Spalte 3, Absatz 3 und Spalte 5, Zeilen 32 bis 38).

Eine hohe Lichtbogenspannung kann alternativ auch dadurch erreicht werden (Löschprinzip D auf Seite 8 des Sachverständigengutachtens), daß - insoweit entsprechend der gattungsbildenden deutschen Patentschrift 29 34 236 (Druckschrift 7) - durch den Lichtbogen ein Löschgas erzeugt wird, das den Lichtbogen unter Kühlung vom Entladungsspalt zwischen den Elektroden wegdrückt und die ionisierten Gase aus dem Gehäuse nach außen bläst, so daß nach Überspannungsende keine weitere Zündung durch die Netzspannung erfolgen kann, was jedoch den Nachteil mit sich bringt, daß ein relativ hoher konstruktiver Aufwand für die Gasführung anfällt und heiße Gase ausgeblasen werden (Streitpatentschrift, Spalte 1, Zeilen 45 bis 62 iVm Spalte 3, Absätze 2 und 3).

Vor diesem Hintergrund liegt dem Streitpatentgegenstand als technisches Problem die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren nach dem Oberbegriff des Anspruches 1 derart auszugestalten, daß eine Steigerung des Folgestromlöschvermögens bei keiner, zumindest aber nur bei einer geringen Volumenerhöhung der Funkenstreckenanordnung erreicht wird (Spalte 3, Absatz 4 der Streitpatentschrift). Eine weitere Aufgabe besteht darin, eine Funkenstreckenanordnung gemäß dem Oberbegriff des Anspruches 6 zur Durchführung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 5 derart auszugestalten, daß sie als Löschfunkenstrecke einsetzbar ist und bei einem Überschlag und Entstehen eines Folgestromes eine möglichst optimale Folgestromlöschfähigkeit aufweist (Streitpatentschrift, Spalte 6, Absatz 2).

Diese Aufgaben werden hinsichtlich des Verfahrens bzw. der Funkenstreckenanordnung mit den Merkmalen nach dem kennzeichnenden Teil des erteilten Patentanspruchs 1 bzw. 6 gelöst.

Die Lösung besteht danach letztlich jeweils darin, daß durch den Folgestrom selbst - d.h. dessen Lichtbogen - eine kurzzeitige Erhöhung des Innendrucks des Gehäuses auf ein Vielfaches des atmosphärischen Druckes - beispielsweise 10 bis 60 bar (erteilte Ansprüche 2 und 7 iVm Spalte 8, Zeilen 33 bis 38 zu den Figuren 1 und 4) - bewirkt wird (Löschprinzip E auf Seite 8 des Sachverständigengutachtens). Diese Druckerhöhung hat nämlich eine entsprechende Erhöhung der Lichtbogenfeldstärke und somit auch der Lichtbogenspannung zur Folge (Streitpatentschrift, Spalte 3, letzter Absatz bis Spalte 4, Absatz 1 iVm den Formeln in Spalte 1, Zeilen 29 bis 36 bzw. Sachverständigengutachten vom 28. März 2002, Seite 18, Absatz 3). Die Lichtbogenspannung ist aber dem Folgestromlöschvermögen im wesentlichen proportional (Streitpatentschrift, Spalte 1, Zeilen 21 bis 23). Die Druckerhöhung wird gemäß dem erteilten Patentanspruch 1 zwar durch Abstimmung der Größe des zu löschenden Folgestromes auf das Volumen des Innenraums des Gehäuses, gemäß dem erteilten Patentanspruch 6 hingegen - umgekehrt - durch Abstimmung des Volumens des Innenraums des Gehäuses auf die Höhe des zu erwartenden Folgestromes herbeigeführt. Wie im vorstehenden Abschnitt zur Ausführbarkeit dargelegt ist es nach der Gesamtoffenbarung der Streitpatentschrift jedoch letztlich unerheblich, ob der Folgestrom an das Volumen oder - umgekehrt - das Volumen an den Folgestrom angepaßt wird, entscheidend ist vielmehr, daß Volumen und Folgestrom so aufeinander abgestimmt werden, daß der Lichtbogen des Folgestroms im Innenraum des Gehäuses eine kurzzeitige Erhöhung des Innendrucks auf ein Vielfaches des atmosphärischen Drucks bewirkt, die zur Löschung des Folgestroms führt.

Das Ziel der Erfindung wird dabei mit einem relativ kleinvolumigen Gehäuse erreicht, indem mit der kurzzeitigen Erhöhung des Innendrucks durch den Folgestrom im Sinne der erteilten Patentansprüche 1 und 6 eine hohe Bogenspannung erzeugt wird, welche der Netzspannung entgegenwirkt und damit den Folgestrom derart reduziert, daß er schnell gelöscht wird (Streitpatentschrift, Spalte 3, letzter Absatz bis Spalte 4, Absatz 1 iVm Spalte 5, Zeilen 42 bis 47), d.h. die Bogenspannung wird durch den Druckanstieg derart erhöht, daß sie die - entgegengesetzt gerichtete - Netzspannung weitestgehend kompensiert bzw. aufhebt. Durch die Verwendung eines hermetisch abgedichteten oder eines quasidruckdichten Gehäuses entfällt dabei der sich beim Stand der Technik ergebende Nachteil des Ausblasens der vom Lichtbogen erzeugten heißen Gase (Spalte 5, Absatz 2 der Streitpatentschrift), da der Abbau des Überdrucks im letzteren Fall (quasidruckdichtes Gehäuse) langsam - vorzugsweise innerhalb von 3 bis 5 Stunden - durch Be- und Entlüftungskanäle (9) kleinen Durchtrittsquerschnitts erfolgt (erteilte Ansprüche 3, 4 und 22 iVm Spalte 9, Zeilen 30 bis 36).

5. Patentfähigkeit Hierzu haben die Einsprechende und die beigetretene Einsprechende in der mündlichen Verhandlung nur noch geltend gemacht, daß die Gegenstände der erteilten Patentansprüche 1 und 6 gegenüber dem Stand der Technik nach den eingangs genannten Druckschriften 5 und 6 (Einsprechende) bzw. - bei Berücksichtigung des fachmännischen Wissens - nach den Druckschriften 9 und 14 (beigetretene Einsprechende) nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des vorstehend definierten zuständigen Durchschnittsfachmanns beruhten.

Dem kann jedoch nicht gefolgt werden.

Denn die europäische Patentschrift 0 024 584 (Druckschrift 5) betrifft - wie auch die technisch im wesentlichen inhaltsgleiche deutsche Patentschrift 29 34 236 (Druckschrift 7) - zwar einen Überspannungsableiter mit Funkenstrecke, der ein verbessertes Löschverhalten für Netznachströme aufweisen soll (Spalte 2, Absatz 2). Jedoch wird dieses Ziel danach dadurch erreicht, daß mittels der Wärmeenergie des Überspannungs-Lichtbogens aus den - beispielsweise aus Hartgas-Kunststoff bestehenden - Kammerwänden Löschgas in solcher Menge freigesetzt wird, daß der Lichtbogen vom Spalt weggedrückt wird und die ionisierten Gase schnell und ohne Stau nach außen geblasen werden, so daß nach Überspannungsende keine weitere Zündung durch die Netzspannung erfolgen kann (Spalte 2, Zeilen 8 bis 20 und Spalte 2, Zeile 54 bis Spalte 3, Zeile 1). Mithin können bei diesem nach dem Ausblasprinzip (Löschprinzip D auf Seite 8 des Sachverständigengutachtens) funktionierenden Überspannungsableiter Netzfolgeströme - da nicht vorhanden - auch keine Erhöhung des Innendrucks des Gehäuses im Sinne der Lehre der erteilten Ansprüche 1 bzw. 6 des Streitpatents bewirken, zumal das Gehäuse mit ringförmigen Austrittsöffnungen (8) und/oder bohrlochförmigen Austrittsöffnungen (8a, 8b) zum schnellen Ausblasen der Gasionen ohne Stau versehen ist, die den Aufbau eines solchen Überdrucks auch gar nicht zuließen. Soweit gemäß dieser Druckschrift gleichwohl ein Überdruck erzeugt wird, der sich günstig auf die Löschung des Lichtbogens auswirkt (Spalte 4, Zeilen 59 und 60), handelt es sich hierbei nach dem Gesamtzusammenhang der betreffenden Textstelle (Spalte 4, letzter Absatz bis Spalte 5, Absatz 1) um den vergleichsweise geringen Überdruck, der sich beim Löschen des Überspannungs-Lichtbogens beim Ausblasen der Gase aus dem Gehäuse gegen den äußeren Atmosphärendruck ergibt (bekanntlich genügt eine verhältnismäßig kleine Druckdifferenz im Millibar-Bereich, um in der Erdatmosphäre einen Sturm zu bewirken). Nach alledem hat der Fachmann aufgrund der Druckschrift 5 keinerlei Veranlassung, bei der daraus bekannten Funkenstreckenanordnung den Folgestrom und das Volumen des Gehäuse-Innenraums so aneinander anzupassen, daß der Lichtbogen des Folgestroms selbst eine zu seiner Löschung führende kurzzeitige Erhöhung des Gehäuse-Innendrucks auf ein Vielfaches des atmosphärischen Drucks bewirkt, wie dies der Lehre der erteilten Patentansprüche 1 und 6 des Streitpatents entspricht.

Eine Anregung hierzu erhält der Fachmann aber auch nicht bei Einbeziehung der - im übrigen Schaltgeräte der Elektroenergietechnik betreffenden - Druckschrift 6.

Dieser ist nämlich allenfalls entnehmbar, daß

- die Löschung von Lichtbögen durch Vergrößerung der Lichtbogenlänge die Schaltgerätgröße in sehr unerwünschter Weise beeinflußt (Seite 75, Absatz 1),

- die Aufheizung eine Druckerhöhung im Kammerraum bewirkt (Seite 49, Absatz 2),

- bei Vergrößerung des Drucks im Medium eine Vergrößerung der Brennspannung zu erwarten ist (Seite 76, Absatz 3) bzw.

- bei einem vorgegebenen Strom die Verringerung der Beweglichkeit durch Druckerhöhung den Brennspannungsbedarf und damit die Lichtbogenspannung erhöht (Seite 82, Abschnitt 4.3.1.3.).

Bei der Funkenstreckenanordnung nach der Druckschrift 5 brauchen Folgeströme aber - da nicht vorhanden - weder durch Vergrößerung der Lichtbogenlänge noch durch Druckerhöhung gelöscht zu werden. Abgesehen davon findet sich in der Druckschrift 6 aber auch kein Hinweis darauf, daß Folgestrom und Gehäuse-Innenraum-Volumen so aneinander angepaßt werden könnten, daß der Lichtbogen des Folgestroms selbst eine zu seiner Löschung führende kurzzeitige Erhöhung des Gehäuse-Innendrucks auf ein Vielfaches des atmosphärischen Drucks bewirkt, wie dies die erteilten Ansprüche 1 und 6 des Streitpatents lehren.

Andererseits betrifft die Druckschrift 9 einen Überspannungsableiter mit gasdichtem Gehäuse (Anspruch 1), der bei der Ausführungsform nach Fig. 1 einen Durchmesser von 8 mm und eine Länge von 20 mm aufweist, d.h. von kleiner Bauart ist (Seite 7, vorletzter Absatz). Soweit die beigetretene Einsprechende von dem kleinen Innenraum-Volumen dieses Überspannungsableiters - iVm der Berstfestigkeit des Gehäuses - auf eine ganz erhebliche Überdruckerzeugung durch Netzfolgeströme schließt, die zur Löschung der Folgeströme führen soll (Schriftsatz vom 18. Oktober 2002, Seite 14, Absatz 2, Seite 15, Absatz 2, Satz 1 und Seite 15, Absatz 3), kann dem insofern nicht beigetreten werden, als in dieser Druckschrift nicht einmal angegeben ist, daß Netzfolgeströme auftreten, geschweige denn, wie groß diese sind und wie sie gelöscht werden. Letzteres könnte bei kleinem Folgestrom beispielsweise auch durch "Sofortverfestigung" beim Polaritätswechsel der Netzspannung erfolgen (Löschprinzip A auf Seite 8 des Sachverständigengutachtens). Auch hat ein kleines Gehäuseinnenraum-Volumen nicht unbedingt die Auswirkung, daß jeder beliebige Folgestrom darin eine Druckerhöhung auf ein Vielfaches des atmosphärischen Druckes bewirkt, vielmehr kann ein entsprechend kleiner Folgestrom auch in einem kleinen Volumen eine nur geringe Druckerhöhung herbeiführen (vgl. hierzu auch den Schriftsatz der Patentinhaberin vom 16. Januar 2003, Seite 15, letzter Absatz). Gemäß den erteilten Ansprüchen 1 und 6 des Streitpatents sind Volumen und Folgestrom daher gezielt so aneinander anzupassen, daß durch den Lichtbogen des Folgestroms selbst eine zu seiner Löschung führende kurzzeitige Erhöhung des Innendrucks des Gehäuses auf ein Vielfaches des atmosphärischen Drucks bewirkt wird. Da all dies jedoch nicht zum Offenbarungsgehalt der Druckschrift 9 gehört, wird der Fachmann bei ausschließlicher Befolgung der Hinweise dieser Druckschrift - d.h. ohne Kenntnis der Erfindung - zwar zufällig einmal, nicht aber wiederholbar, d.h. gezielt nach einer bestimmten Methode zu der Merkmalskombination nach dem kennzeichnenden Teil der erteilten Ansprüche 1 und 6 des Streitpatents gelangen können (vgl. hierzu BGH BlPMZ 1973, 170, 171 reSp Abs 2 - "Legierungen" = "Schmelzrinne"; BGH GRUR 1956, 77, 78, 79 - "Rödeldraht"; Benkard Patentgesetz, 6. Aufl., § 3 Rdn 51).

Entsprechendes gilt auch für die ebenfalls eine gekapselte Funkenstreckenanordnung betreffende Druckschrift 14, zumal die Nachfolgeströme danach durch ein Gas gelöscht werden, das durch die Wärmeeinwirkung des Lichtbogens von einer gaserzeugenden Scheibe (90; 136) im Gehäuse (86; 124) freigesetzt wird und als eine Öffnung (113) passierender turbulenter Gasstrom die ionischen Gase kühlt und den Lichtbogen so beim nächsten Nulldurchgang des Wechselstroms (AC) unterbricht (Spalte 1, Zeilen 34 bis 41 und Spalte 6, Absatz 2 zu den Figuren 7 bis 9).

Zu der in Rede stehenden Merkmalskombination gelangt der Fachmann aber auch nicht aufgrund seines Fachwissens. Zu diesem gehört - soweit belegt (vgl. hierzu B. Jestaedt "Die erfinderische Tätigkeit in der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs", GRUR 2001, 939, 940 reSp leAbs bis 941 liSp Abs 1) - neben den vorstehend erörterten Einzelheiten der Druckschrift 6 nur noch die durch die Druckschrift 20 (Seite 89, Mitte) im Zusammenhang mit Schaltgeräten dokumentierte Kenntnis, daß

der Strom nach Null gezwungen wird, wenn die Lichtbogenspannung höher als die treibende Spannung ist, und daß damit im Wechselstromkreis Amplitude und Dauer des Kurzschlußstromes begrenzt werden, während im Gleichstromkreis auf diese Weise ein Stromnulldurchgang erzwungen wird, der dem Schalter Gelegenheit zum Unterbrechen des Stromkreises gibt.

Danach bleibt aber völlig offen, wie die Lichtbogenspannung soweit erhöht werden könnte, daß der Kurzschlußstrom erlischt. Auch vermögen die durch die Druckschrift 6 belegten Fachkenntnisse, daß

- eine Aufheizung eine Druckerhöhung im Kammerraum bewirkt (Seite 49, Absatz 2) bzw.

- bei Vergrößerung des Drucks im Medium eine Vergrößerung der Brennspannung zu erwarten ist (Seite 76, Absatz 3), den Fachmann am Anmeldetag der vorliegenden Erfindung nicht dazu anzuregen, bei der Funkenstreckenanordnung nach der Druckschrift 9 zur Löschung von Folgeströmen jeweils den Folgestrom und das Gehäuseinnenraum-Volumen so aneinander anzupassen, daß der Lichtbogen des Folgestroms selbst eine zu seiner Löschung führende kurzzeitige Erhöhung des Gehäuse-Innendrucks auf ein Vielfaches des atmosphärischen Drucks bewirkt, wie dies der Lehre der erteilten Ansprüche 1 und 6 des Streitpatents entspricht, zumal sich gemäß dem nachgewiesenen Stand der Technik eine Vielzahl andersartiger Löschprinzipien für Folgeströme von Funkenstreckenanordnungen etabliert hat und nicht ersichtlich ist, weshalb der Fachmann bei der Funkenstreckenanordnung nach der Druckschrift 9 gerade zu dem - nicht üblichen - Mittel der Druckerhöhung greifen sollte.

Die weiter in das Verfahren eingeführten Druckschriften. soweit sie vorveröffentlicht sind, liegen weiter weg, wobei die Druckschrift 16 offensichtlich richtigerweise DE 19 44 564 A1 - entsprechend der Druckschrift 9 - lautet.

Die Gegenstände der erteilten Ansprüche 1 und 6 des Streitpatents sind demnach patentfähig.

6. Unteransprüche An die erteilten Patentansprüche 1 bzw. 6 können sich die darauf zurückbezogenen erteilten Unteransprüche 2 bis 5 bzw. 7 bis 28 anschließen, die vorteilhafte und nicht selbstverständliche Ausführungsarten der Gegenstände der erteilten Patentansprüche 1 bzw. 6 betreffen.

7. Beschreibung In der Beschreibung der Streitpatentschrift ist der maßgebliche Stand der Technik angegeben, von dem die Erfindung ausgeht, sowie das beanspruchte Verfahren und die Funkenstreckenanordnung zu dessen Durchführung anhand der Zeichnungen ausreichend erläutert.

8. Wirksamkeit der Teilung Die Wirksamkeit einer Teilungserklärung ist sowohl im Einspruchs- als auch im Einspruchsbeschwerdeverfahren zu prüfen (BGH GRUR 1999, 41, 43, II2a - "Rutschkupplung"; GRUR 1996, 747, 750, CII1d - "Lichtbogen-Plasma-Beschichtungssystem"; GRUR 1996, 753, 754, BII2a bb - "Informationssignal"; Schulte PatG 6. Aufl. § 60 Rdn 31). Für die Prüfung der Teilanmeldung ist zwar die Prüfungsstelle zuständig - auch wenn die Teilung vor dem Bundespatentgericht erklärt wurde -, zuständig für die Prüfung der Wirksamkeit der Teilungserklärung ist jedoch die Stelle, vor der die Teilung erklärt wurde (BGH GRUR 1999, 148 - "Informationsträger"; Schulte PatG 6. Aufl. § 60 Rdn 33 und 34). Da im vorliegenden Fall die Teilung in einem Einspruchsverfahren erklärt wurde, über das gemäß § 147 Abs 3 Nr 2 PatG der Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts zu entscheiden hat, ist der Beschwerdesenat auch für die Prüfung der Wirksamkeit der Teilungserklärung zuständig.

Gegen die Wirksamkeit der Teilungserklärung vom 25. März 1999 bestehen seitens des Senats keine Bedenken.

Soweit das Streitpatent dabei nicht um den abgetrennten Teil - d.h. Merkmale der erteilten Patentansprüche 6 und 22 konkretisiert durch Merkmale der Beschreibung (Spalte 9, Zeilen 30 bis 36) - verringert worden ist (BGH Mitt 1999, 154, Leitsatz 2 - "Kupplungsvorrichtung"), ist dies insofern unschädlich, als nach neuer höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH GRUR 2003, 781 - "Basisstation"; BGH Mitt 2002, 526, Leitsatz iVm Abschnitt II.3.c - "Sammelhefter") durch die Teilung nicht abgetrennt werden muß und die wirksame Teilung eines Patents - in Abkehr von den Entscheidungen "Informationssignal" und "Kupplungsvorrichtung" - nicht voraussetzt, daß bereits durch die Teilungserklärung ein gegenständlich bestimmter Teil des Patents definiert wird, der von diesem abgetrennt wird. Die abschließende Bestimmung des Inhalts der Patentansprüche steht nämlich nicht am Anfang, sondern am Ende des Erteilungsverfahrens, weshalb der Gegenstand des in dem jeweiligen Verfahren erstrebten Patentschutzes erst zu diesem Zeitpunkt und nicht schon bei Abgabe der Teilungserklärung feststehen kann und muß (BGH Mitt 2002, 526 ff, 529 liSp Abs 2 - "Sammelhefter"), zumal nach der Teilung eines Patents mit der Trennanmeldung der gesamte Offenbarungsgehalt der Anmeldungsunterlagen des Stammpatents - auch über den zunächst abgetrennten Gegenstand hinaus - ausgeschöpft werden kann (BGH Mitt 1991, 239, Leitsatz - "Straßenkehrmaschine"). Im übrigen ist auf die Teilanmeldung inzwischen ein Patent erteilt worden, d.h. im Falle einer unwirksamen Teilungserklärung wäre dieser Mangel durch die Patenterteilung geheilt (Schulte PatG 6. Aufl. § 39 Rdn 89).

9. Rechtsbeschwerde Die von der beigetretenen Einsprechenden angeregte Rechtsbeschwerde betreffend die - vermeintliche - Widersprüchlichkeit der diametral entgegengesetzten Lehren der erteilten nebengeordneten Patentansprüche 1 und 6 wird nicht zugelassen, da sie keine zu klärende Rechtsfrage, sondern - wie sich aus den vorstehenden Ausführungen zur Ausführbarkeit und zum Patentgegenstand ergibt - letztlich eine Frage der technischen Auslegung der erteilten Patentansprüche 1 und 6 im Lichte der Gesamtoffenbarung der Streitpatentschrift betrifft.

Dr. Meinel Dr. Gottschalk Knoll Dipl.-Phys. Lokys Pr






BPatG:
Beschluss v. 17.07.2003
Az: 23 W (pat) 701/02


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/a79b56518425/BPatG_Beschluss_vom_17-Juli-2003_Az_23-W-pat-701-02




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