Bundesgerichtshof:
Urteil vom 19. April 2011
Aktenzeichen: II ZR 237/09
(BGH: Urteil v. 19.04.2011, Az.: II ZR 237/09)
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 29. September 2009 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Der Kläger war Aktionär der W. AG, deren Hauptaktionärin die Beklagte ist. Zwischen der W. AG und der Beklagten als herrschendem Unternehmen bestand seit 2004 ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag. Die Beklagte schuldete nach § 4 Abs. 2 Satz 3 des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags eine Ausgleichszahlung nach Körperschaftssteuerbelastung in Höhe von 3,83 € je Vorzugsaktie, die nach § 4 Abs. 2 Satz 4 jeweils am Tag nach der ordentlichen Hauptversammlung der W. AG für das abgelaufene Geschäftsjahr fällig sein sollte. Nach § 4 Abs. 3 Satz 2 verminderte sich der Ausgleich für das Geschäftsjahr zeitanteilig, falls der Vertrag während eines Geschäftsjahres der W. AG endete oder der Ausgleich für ein weniger als zwölf Monate dauerndes Geschäftsjahr zu leisten war. Das Geschäftsjahr der W. AG dauerte vom 1. Juli eines Jahres bis zum 30. Juni des Folgejahres.
In der Hauptversammlung der W. AG vom 13./14. Dezember 2005 wurde auf Verlangen der Hauptaktionärin beschlossen, die Aktien der übrigen Aktionäre gegen Gewährung einer Barabfindung von 80,37 € auf die Hauptaktionärin zu übertragen. Nachdem der Übertragungsbeschluss in der Hauptversammlung der W. AG vom 27. Februar 2007 bestätigt worden war und das Oberlandesgericht Frankfurt am Main am 5. November 2007 festgestellt hatte, dass die erhobenen Klagen der Eintragung nicht entgegenstehen (§ 319 Abs. 5 Satz 1 AktG aF), wurde er am 12. November 2007 in das Handelsregister eingetragen und am Folgetag bekannt gemacht. Die nächste ordentliche Hauptversammlung der W. AG fand am 23. Januar 2008 statt.
Der Kläger verlangt mit der Klage den Ausgleich für das Geschäftsjahr 2006/2007 für 17.403 Vorzugsaktien der W. AG in Höhe von 66.653,49 € und die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm für 17.403 Vorzugsaktien der W. AG für dieses Geschäftsjahr eine Ausgleichsergänzung in Höhe von 75 % desjenigen Betrages zu zahlen, um den der im Spruchverfahren vor dem Landgericht Frankfurt am Main etwa rechtskräftig festgesetzte Ausgleich aus dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag über den vertraglich festgesetzten Ausgleich in Höhe von 5,11 € je Vorzugsaktie hinausgeht.
Das Landgericht hat die Beklagte - abgesehen von einem Teil der begehrten Zinsen - zur Zahlung verurteilt und die Feststellungsklage als unzulässig abgewiesen. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Beklagten unter Zurückweisung der Anschlussberufung des Klägers, mit der er seinen Feststellungsantrag weiter verfolgt hat, die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision des Klägers, mit der er seinen Zahlungsantrag und den Feststellungsantrag weiterverfolgt.
Gründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf die geltend gemachten Ausgleichszahlungen. Er sei nicht mehr Aktionär gewesen, als der Ausgleichsanspruch entstanden und fällig geworden sei. Der konkrete Zahlungsanspruch werde gemäß § 4 Abs. 2 Satz 4 des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags am Tag nach der ordentlichen Hauptversammlung der Untergesellschaft fällig. Der Anspruch für das Geschäftsjahr 2006/2007 sei daher erst am 24. Januar 2008 fällig geworden. Zu diesem Zeitpunkt sei der Kläger nicht mehr Aktionär der Beklagten gewesen, da die Übertragung der Aktien auf die Beklagte mit der Eintragung des Übertragungsbeschlusses am 12. November 2007 wirksam geworden sei. Der Kläger habe auch keinen Anspruch nach § 4 Abs. 3 Satz 2 des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags, weil der Vertrag nicht während eines laufenden Geschäftsjahres beendet worden sei oder ein weniger als zwölf Monate dauerndes Rumpfgeschäftsjahr vorliege. Ein Anspruch folge auch nicht aus einer ergänzenden Vertragsauslegung. Er lasse sich auch nicht aus § 101 Nr. 2 Halbsatz 2 BGB begründen, weil danach ein Anspruch nur entstehe, wenn tatsächlich Früchte gezogen würden, und in der Person der Beklagten als nicht außenstehender Aktionärin kein Ausgleichsanspruch mehr entstanden sei. Obwohl nach § 327b Abs. 2 Satz 2 AktG die Barabfindung für die Übertragung erst von der Bekanntmachung der Eintragung des Übertragungsbeschlusses zu verzinsen sei, entstehe keine durch den Ausgleich aufzufüllende Verzinsungslücke. Es sei nicht mehr als eine Chance für den Kläger gewesen, durch die Verzögerung der Eintragung zum in der Barabfindung enthaltenen, diskontierten Ausgleich noch den konkreten Ausgleich zu erhalten.
II. Das Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht hat den Zahlungsanspruch und den Feststellungsantrag zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Ausgleichszahlung mehr zu. Ein Minderheitsaktionär hat weder ganz noch teilweise einen Anspruch auf Zahlung des festen Ausgleichs für ein Geschäftsjahr, wenn der Beschluss, die Aktien der Minderheitsaktionäre auf den Hauptaktionär zu übertragen, vor dem Entstehen des Anspruchs auf die Ausgleichszahlung in das Handelsregister eingetragen wird.
1. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte als herrschendes Unternehmen auf die Zahlung des festen Ausgleichs (§ 304 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 AktG) für das Geschäftsjahr 2006/2007. Er hat seine Stellung als Aktionär der W. AG verloren, bevor ein Anspruch auf Zahlung des jährlichen Ausgleichs für dieses Geschäftsjahr entstehen konnte. Der Anspruch auf die Zahlung des jährlichen festen Ausgleichs entsteht als regelmäßig wiederkehrender Anspruch jedes Jahr mit dem Ende der auf ein Geschäftsjahr folgenden ordentlichen Hauptversammlung der abhängigen Gesellschaft neu, soweit im Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zugunsten der außenstehenden Aktionäre nichts anderes vereinbart ist.
a) Der Anspruch auf die Zahlung des jährlichen Ausgleichs steht demjenigen zu, der zu dem für die Entstehung eines solchen Anspruchs maßgebenden Zeitpunkt außenstehender Aktionär ist. Die Entgegennahme der Ausgleichszahlung ist Fruchtziehung (BGH, Urteil vom 10. Dezember 2007 - II ZR 99/06, BGHZ 174, 378 Rn. 11). Die Früchte eines Rechts gebühren demjenigen, der zur Zeit ihrer Entstehung berechtigt ist, sie zu beziehen (vgl. § 101 BGB).
b) Der Anspruch auf die Zahlung des jährlichen Ausgleichs entsteht als regelmäßig wiederkehrender Anspruch jedes Jahr neu, nicht schon als betagter Anspruch mit der Ausgleichsberechtigung bei der Eintragung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags in das Handelsregister des abhängigen Unternehmens.
Mit dem Wirksamwerden des Unternehmensvertrags werden die außenstehenden Aktionäre zwar dem Grunde nach zum Ausgleich berechtigt (BGH, Urteil vom 16. September 2002 - II ZR 284/01, BGHZ 152, 29, 31). Der Anspruch auf die jeweilige konkrete jährliche Ausgleichszahlung entsteht aber originär erst in der Person desjenigen, der in dem maßgeblichen Zeitpunkt der Entstehung des Zahlungsanspruchs außenstehender Aktionär ist; er leitet sich nicht von einem Anspruch desjenigen ab, der zum Zeitpunkt der Eintragung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags außenstehender Aktionär war. Der Ausgleich steht daher beispielsweise auch einem außenstehenden Aktionär zu, der nach Abschluss des Unternehmensvertrags Aktien des beherrschten Unternehmens vom herrschenden oder vom beherrschten Unternehmen erwirbt, obwohl in diesem Fall der Veräußerer keinen Anspruch auf einen Ausgleich hatte und dem Erwerber kein "Stammrecht" übertragen konnte (vgl. Koppensteiner in KK-AktG, 3. Aufl., § 304 Rn. 17; Hasselbach/Hirte in Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 304 Rn. 33; vgl. zur Abfindung BGH, Urteil vom 8. Mai 2006 - II ZR 27/05, BGHZ 167, 299 Rn. 11). Während der Dauer des Unternehmensvertrags hat jeder außenstehende Aktionär unabhängig vom Erwerbszeitpunkt der Aktie oder der Person des Veräußerers einen Anspruch auf den jährlichen Ausgleich, weil mit dem Ausgleich die Beeinträchtigung der aus der Mitgliedschaft folgenden Herrschaftsrechte ausgeglichen und der Anspruch auf Zahlung der Dividende ersetzt werden soll (vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 2007 - II ZR 199/06, BGHZ 174, 378 Rn. 11; Urteil vom 13. Februar 2006 - II ZR 392/03, BGHZ 166, 195 Rn. 8; Beschluss vom 21. Juli 2003 - II ZB 17/01, BGHZ 156, 57, 61; Urteil vom 16. September 2002 - II ZR 284/01, BGHZ 152, 29, 35).
c) Aus dem Zweck des Ausgleichsanspruchs, den Verlust der mitgliedschaftlichen Vermögensrechte auszugleichen und den Anspruch auf Zahlung der Dividende zu ersetzen, folgt, dass der Anspruch auf Zahlung des jährlichen festen Ausgleichs grundsätzlich mit dem Ende der auf ein Geschäftsjahr folgenden ordentlichen Hauptversammlung der abhängigen Gesellschaft entsteht, soweit im Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zugunsten der außenstehenden Aktionäre nichts anderes vereinbart ist (vgl. OLG München, ZIP 2007, 582; OLG Düsseldorf, Urteil vom 18. Dezember 2008 - I-6 U 139/07, juris Rn. 53; OLG Köln, ZIP 2010, 519, 521; Koppensteiner in KK-AktG, 3. Aufl., § 304 Rn. 9; MünchKommAktG/Paulsen, 3. Aufl., § 304 Rn. 108; Hüffer, AktG, 9. Aufl., § 304 Rn. 13; Veil in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 304 Rn. 34; Stephan in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 304 Rn. 35; Tebben, AG 2003, 600, 601; MünchHdbGesR IV/Krieger, 3. Aufl., § 70 Rn. 68; aA Heidel/Meilicke, AktG, 3. Aufl., § 304 Rn. 12; Hasselbach/Hirte in Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 304 Rn. 42; Henze, Konzernrecht, Rn. 363; Wackerbarth, EWiR 2010, 377; offengelassen bei OLG Hamburg, ZIP 2002, 754, 757; KG, ZIP 2009, 1223, 1227).
Der Dividendenanspruch wäre mit dem Gewinnverwendungsbeschluss der Hauptversammlung (§ 174 Abs. 1 AktG) entstanden (BGH, Urteil vom 12. Januar 1998 - II ZR 82/93, BGHZ 137, 378, 381). Für diesen Zeitpunkt spricht darüber hinaus, dass auch ein Anspruch auf Zahlung des garantierten Mindestgewinnanteils beim reinen Beherrschungsvertrag (§ 304 Abs. 1 Satz 2 AktG) erst mit dem Gewinnverwendungsbeschluss der Hauptversammlung entstehen und fällig werden kann. Dass beim festen Ausgleich kein Gewinnverwendungsbeschluss mehr gefasst wird, schließt es nicht aus, den Zeitpunkt heranzuziehen, an dem er hätte gefasst werden müssen (aA Hasselbach/Hirte Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 304 Rn. 33).
Der Anspruch auf die jährliche Ausgleichszahlung entsteht nicht schon mit der Feststellung des Jahresabschlusses (aA Heidel/Meilicke, AktG, 3. Aufl., § 304 Rn. 12). Spätestens zu diesem Zeitpunkt entsteht zwar der Anspruch des herrschenden Unternehmens auf die Gewinnabführung, der hier nach § 2 Abs. 4 Satz 1 des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags zehn Tage danach zur Zahlung fällig wird. Eine Gleichbehandlung der außenstehenden Aktionäre mit dem herrschenden Unternehmen ist aber weder möglich noch notwendig. Ein Jahresgewinn wird nicht immer erzielt, und ein (vorläufiger) Verlustausgleichsanspruch der abhängigen Gesellschaft wird bereits mit dem Bilanzstichtag fällig (BGH, Urteil vom 11. Oktober 1999 - II ZR 120/98, BGHZ 142, 382, 386; Urteil vom 14. Februar 2005 - II ZR 361/02, ZIP 2005, 854, 855). Die Feststellung des Jahresabschlusses kann verzögert oder der Hauptversammlung vorbehalten werden (§ 173 Abs. 1 AktG), so dass die Entstehung des Ausgleichsanspruchs ebenfalls bis zur Hauptversammlung hinausgeschoben werden könnte. Den außenstehenden Aktionären wird auch kein besonderes Insolvenzrisiko aufgebürdet, wenn zwar der Anspruch des herrschenden Unternehmens auf den Jahresgewinn bereits mit der Feststellung des Jahresabschlusses entsteht, der Anspruch auf Zahlung des jährlichen Ausgleichs aber erst mit der ordentlichen Hauptversammlung. Da der Ausgleich vom herrschenden Unternehmen geschuldet wird, tragen die außenstehenden Aktionäre das Insolvenzrisiko unabhängig davon, ob und wann der Gewinn des beherrschten Unternehmens abgeführt wird. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die außenstehenden Aktionäre beim festen Ausgleich in zeitlicher Hinsicht besser gestellt werden sollen als Aktionäre, die nur im Fall eines Bilanzgewinns und eines Ausschüttungsbeschlusses einen Anspruch auf eine Dividende haben.
Der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag enthält in § 4 Abs. 2 Satz 4 keine den außenstehenden Aktionären günstigere Bestimmung zur Entstehung des Anspruchs. Danach wird der Ausgleich - entsprechend der allgemein üblichen Praxis für die Dividendenzahlung börsennotierter Gesellschaften (Stephan in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 304 Rn. 35) - jeweils am Tag nach der ordentlichen Hauptversammlung der W. AG für das abgelaufene Geschäftsjahr fällig.
d) Der Kläger war kein außenstehender Aktionär der W. AG mehr, als die auf das Geschäftsjahr 2006/2007 folgende ordentliche Hauptversammlung der W. AG am 23. Januar 2008 stattfand. Der Kläger hatte seine Stellung als Aktionär der W. AG schon zuvor mit der Eintragung des Übertragungsbeschlusses in das Handelsregister am 12. November 2007 verloren. Mit der Eintragung des Übertragungsbeschlusses gingen die Aktien der Minderheitsaktionäre auf die Hauptaktionärin über (§ 327e Abs. 3 Satz 1 AktG).
e) Der Kläger ist auch nicht nach Treu und Glauben so zu behandeln, als ob die Hauptversammlung noch vor der Eintragung des Übertragungsbeschlusses stattgefunden hätte. Dabei kann dahinstehen, ob bei einer Verzögerung des Hauptversammlungszeitpunkts gegenüber normalen Geschäftsjahren oder über den in § 175 Abs. 1 Satz 2 AktG bestimmten Zeitraum hinaus der Ausgleichsanspruch als fällig geworden zu behandeln ist. Eine solche Verzögerung ist nicht festgestellt.
2. Der Kläger kann von der Beklagten als dem herrschenden Unternehmen auch keinen Ausgleich für das Geschäftsjahr 2006/2007 ohne Rücksicht auf den (regulären) Entstehungszeitpunkt des jährlichen Zahlungsanspruchs verlangen. Im Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag wird den außenstehenden Aktionären kein Teilanspruch für ein laufendes Geschäftsjahr eingeräumt. Nach § 4 Abs. 3 Satz 2 des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags vermindert sich der Ausgleich zeitanteilig, wenn der Vertrag während eines Geschäftsjahrs endet oder er für ein weniger als zwölf Monate dauerndes Rumpfgeschäftsjahr zu leisten ist. Beide Fälle setzen voraus, dass ein Anspruch auf Zahlung des Ausgleichs noch entsteht, und verschieben seine Entstehung nicht. Im Übrigen endete der Vertrag nicht während des Geschäftsjahres 2006/2007 und auch nicht mit der Eintragung des Übertragungsbeschlusses. Die Übertragung der Aktien auf das herrschende Unternehmen beendet den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag nicht (Singhof in Spindler/ Stilz, AktG, 2. Aufl., § 327e Rn. 10; Habersack in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl., § 327e Rn. 11).
Die vertragliche Regelung über eine zeitanteilige Verminderung des Ausgleichsanspruchs ist auch nicht in ergänzender Vertragsauslegung auf den Fall der Übertragung nach §§ 327a ff. AktG anzuwenden. Mit dem Teilanspruch für den Fall einer Beendigung des Vertrages wollten die Parteien den Ausgleich für den Fall der unterjährigen Kündigung (§ 297 AktG) regeln. Dem steht der Verlust des Ausgleichsanspruchs nach einer Übertragung der Aktien nicht gleich, auch nicht insoweit, als damit die die außenstehenden Aktionäre begünstigende Ausgleichsverpflichtung endet (Mennicke/Leyendecker, BB 2010, 1426, 1428; aA Dreier/Riedel, BB 2009, 1822, 1823). Die außenstehenden Aktionäre sind am Unternehmensvertrag selbst nicht unmittelbar beteiligt. Inwieweit sie dadurch begünstigt werden, bestimmt - soweit nicht gesetzliche Mindestbestimmungen einzuhalten sind - nur die Vereinbarung der Vertragsparteien.
3. Ein Anspruch auf Ausgleichszahlung für das Geschäftsjahr 2006/2007 steht dem Kläger nach gesetzlichen Regelungen auch nicht gegen die Beklagte als Hauptaktionärin zu. Der außenstehende Aktionär hat keinen Anspruch gegen den Hauptaktionär auf einen Ausgleich hinsichtlich der Ausgleichszahlung aus § 101 Nr. 2 Halbsatz 2 BGB bis zum Wirksamwerden der Übertragung, weder unmittelbar noch in analoger Anwendung (OLG Köln, ZIP 2010, 519; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl., § 304 Rn. 21a und 75; Veil in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 304 Rn. 37; Mennicke/Leyendecker, BB 2010, 1426; Bödecker/Fink, NZG 2010, 296; aA Dreier/Riedel, BB 2009, 1822; Meilicke, AG 2010, 561; Wackerbarth, EWiR 2010, 377; für die Zeit bis zum Übertragungsbeschluss Koppensteiner in KK-AktG, 3. Aufl., § 327b Rn. 7).
a) Bei wiederkehrenden Erträgen kann der frühere Rechtsinhaber gegen denjenigen, der als späterer Rechtsinhaber den erst während seiner Rechtsinhaberschaft entstehenden Anspruch auf den Ertrag erwirbt, einen schuldrechtlichen Ausgleichsanspruch auf einen der Dauer seiner Berechtigung entsprechenden Teil haben (§ 101 Nr. 2 Halbsatz 2 BGB), soweit keine anderweitige Regelung getroffen ist. Der Ausgleichsanspruch aus § 101 Nr. 2 Halbsatz 2 BGB setzt voraus, dass die Fruchtziehungsberechtigung auf einen Rechtsnachfolger übergeht und die Frucht tatsächlich gezogen wird. Dass die Früchte gezogen werden könnten, genügt nicht. Erst recht entsteht kein Ausgleichsanspruch, wenn schon ein Fruchtziehungsrecht gar nicht besteht (BGH, Urteil vom 30. Januar 1995 - II ZR 45/94, ZIP 1995, 374, 376). In der Person der Beklagten entstand mit der auf das Geschäftsjahr 2006/2007 folgenden Hauptversammlung kein Anspruch auf die Ausgleichszahlung, weil sie keine außenstehende Aktionärin war. Folglich ging auch keine Fruchtziehungsberechtigung vom Kläger auf die Beklagte über.
b) § 101 Nr. 2 Halbsatz 2 BGB ist auch nicht entsprechend anzuwenden, um den Kläger einem dividendenberechtigten Aktionär gleichzustellen.
§ 101 Nr. 2 Halbsatz 2 BGB regelt den Ausgleich zwischen dem früheren Rechtsinhaber und dem Rechtsinhaber, der die Frucht zieht. Die Vorschrift ist etwa bei der Veräußerung von Aktien nicht anwendbar, wenn der Ausgleich schon dadurch hergestellt ist, dass der zu erwartende Ertrag aus dem laufenden Jahr im Kaufpreis berücksichtigt ist. Das ist typischerweise der Fall, wenn börsennotierte Aktien erworben werden, weil der in dem laufenden und den künftigen Geschäftsjahren zu erwartende Ertrag im Börsenkurs vorweg berücksichtigt ist (Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl., § 304 Rn. 22; Stephan in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 304 Rn. 35; Tebben, AG 2003, 600, 602). Ein Ausgleich nach § 101 Nr. 2 Halbsatz 2 BGB wäre insoweit auch gar nicht praktikabel, weil sich Veräußerer und Erwerber nicht kennen und nicht gesichert ist, dass der Erwerber noch Rechtsinhaber ist, wenn die Dividende fällig wird.
Entsprechend sind die Ansprüche des Minderheitsaktionärs gegen den Hauptaktionär in §§ 327a ff. AktG geregelt. Die Abfindung muss angemessen sein und die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung der Hauptversammlung berücksichtigen, die die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre beschließt (§ 327a Abs. 1 Satz 1, § 327b Abs. 1 Satz 1 AktG). Wenn die Abfindung für die Übertragung nach § 327a ff. AktG nach dem Börsenkurs bemessen ist, sind die zu erwartenden Erträge wie bei einer freiwilligen Veräußerung im Börsenwert enthalten und damit im Abfindungsanspruch abgegolten. Das gleiche gilt, wenn die Abfindung nach der Ertragswertmethode als Barwert der künftigen Erträge ermittelt wird. Nach den - insoweit von der Revision nicht angegriffenen - Feststellungen des Berufungsgerichts liegt hier der Abfindungsbetrag unter Berücksichtigung sowohl der künftigen Erträge als auch der zu erwartenden Ausgleichszahlungen als ewige Rente nicht höher als der Börsenkurs. Der auf den Zeitpunkt der Hauptversammlung ermittelte Barwert war vielmehr in beiden Fällen niedriger als die angebotene Abfindung auf der Basis des Börsenkurses.
c) Der Kläger hat schließlich auch keinen Anspruch auf eine anteilige Ausgleichszahlung wegen einer "Verzinsungslücke".
aa) Allerdings wird bei der Berechnung des Barwerts der künftigen Erträge auf den Zeitpunkt der Hauptversammlung, die die Übertragung beschließt, als dem nach § 327b Abs. 1 Satz 1 AktG maßgebenden Zeitpunkt abgezinst, weil dieser Zeitpunkt nach § 327b Abs. 1 Satz 1 AktG der Wertberechnung zugrunde zu legen ist; auch die Bestimmung des Börsenwerts richtet sich grundsätzlich nach diesem Zeitpunkt (BGH, Beschluss vom 19. Juli 2010 - II ZB 18/09, BGHZ 186, 229 Rn. 15 - Stollwerck). Da die Abfindung erst mit der Eintragung des Übertragungsbeschlusses zu zahlen ist, stimmen der Zeitpunkt der Wertbestimmung und der Zeitpunkt der Zahlung nicht überein. Ein Aktionär erhält mit der Abfindungszahlung vom Hauptaktionär rechnerisch den erwarteten Ertrag anteilig für ein laufendes Geschäftsjahr bis zur Hauptversammlung, in der der Übertragungsbeschluss gefasst wird, nur abgezinst, ebenso für alle künftigen Geschäftsjahre. Er erhält den Differenzbetrag auch nicht über eine Verzinsung der Abfindung, weil der Anspruch auf die Abfindung erst von der Bekanntmachung der Eintragung des Übertragungsbeschlusses an zu verzinsen ist (§ 327b Abs. 2 AktG).
bb) Diese "Verzinsungslücke" beruht aber nicht auf einer mit einem anteiligen Ausgleichsanspruch (§ 304 AktG) zu schließenden Gesetzeslücke. Es fehlt schon eine Gesetzeslücke, weil der Gesetzgeber ausdrücklich entschieden hat, den Abfindungsanspruch erst ab der Bekanntgabe der Eintragung des Übertragungsbeschlusses (§ 327b Abs. 2 AktG) zu verzinsen. Eine Lücke wäre auch nicht mit einem anteiligen Ausgleichsanspruch zu füllen. Die sogenannte "Verzinsungslücke" betrifft das Verhältnis zwischen Minderheitsaktionär und Hauptaktionär und nicht zwischen dem außenstehenden Aktionär und dem herrschenden Unternehmen. Wenn der Übertragungsbeschluss erst nach der nächsten ordentlichen Hauptversammlung eingetragen wird, erhalten die außenstehenden Aktionäre den festen Ausgleich für das vergangene Geschäftsjahr unabhängig davon, was die Hauptaktionärin zu zahlen hat. Den entstandenen Ausgleich für das Geschäftsjahr 2005/2006 erhielten die außenstehenden Aktionäre deshalb neben den in der Abfindung enthaltenen Nutzungen für dieses Geschäftsjahr. Da herrschendes Unternehmen und Hauptaktionär - etwa im mehrstufigen Konzern - nicht identisch sein müssen, könnte eine Lückenschließung durch einen Ausgleichsanspruch für die außenstehenden Aktionäre zu einer doppelten Zahlungsverpflichtung des herrschenden Unternehmens führen, wenn auch die Hauptaktionärin außenstehende Aktionärin ist.
cc) Dem Kläger ist gegen die Beklagte, die auch Hauptaktionärin ist, auch nicht in verfassungskonformer Auslegung von § 327b Abs. 2 AktG wegen dieser "Verzinsungslücke" ein Anspruch auf Verzinsung der Abfindung zuzusprechen. Ein solcher Zinsanspruch ist nicht Gegenstand der Klage.
§ 327b Abs. 2 AktG wäre im Übrigen auch nicht ergänzend dahin auszulegen, dass die Verzinsung der Abfindung bereits mit dem Übertragungsbeschluss der Hauptversammlung beginnen muss, um einer verfassungswidrigen Verzinsungslücke zu begegnen. Abgesehen davon, dass einer ergänzenden Auslegung der Vorschrift der eindeutige Wortlaut entgegensteht, entspricht die Verzinsungsregelung in § 327b Abs. 2 AktG verfassungsrechtlichen Vorgaben (BVerfG, ZIP 2007, 1261 Rn. 28; OLG Stuttgart, ZIP 2006, 27, 30; Mennicke/ Leyendecker, BB 2010, 1426, 1430; aA Altmeppen, ZIP 2010, 1773, 1777; Meilicke, AG 2010, 561, 569). Dass die Verzinsung nicht schon mit dem Bewertungszeitpunkt, der Hauptversammlung, sondern erst mit dem Wirksamwerden der Übertragung beginnt, entspricht der Regelung bei anderen Strukturmaßnahmen (§ 305 Abs. 3 Satz 3, § 320b Abs. 1 Satz 6 AktG). In den gesetzlichen Regelungen in §§ 327a ff. AktG ist auch keine Verzinsungslücke angelegt. Sie sehen vor, dass der Hauptversammlungsbeschluss grundsätzlich umgehend in das Handelsregister eingetragen werden kann (§ 327e Abs. 1 AktG) und damit Bewertungszeitpunkt und Zahlung der Abfindung bzw. der Verzinsung nahe beieinander liegen. Zu einer Verzögerung der Eintragung kommt es nur, wenn Aktionäre mit Anfechtungsklagen die unverzügliche Eintragung des Übertragungsbeschlusses verhindern und die Übertragung der Aktien hinauszögern (§ 327e Abs. 2, § 319 Abs. 5 AktG). Der Gesetzgeber kann dieser Verzögerung auch anders als durch eine Verzinsung, nämlich durch die Beschleunigung des Freigabeverfahrens (§ 327e Abs. 2, § 319 Abs. 6 Satz 1 AktG) begegnen. Der dennoch mögliche, in der Höhe beschränkte Nutzungsentgang stellt den vom Bundesverfassungsgericht geforderten vollen angemessenen Wertersatz für den ausgeschlossenen Aktionär (BVerfG, ZIP 2007, 1261 Rn. 20) noch nicht in Frage. Die Aktionäre sind gerade bei einer längeren Verzögerung der Eintragung von den Nutzungen nicht abgeschnitten. Sie erhalten, sofern der Übertragungsbeschluss erst nach der nächsten ordentlichen Hauptversammlung eingetragen wird, Dividende oder Ausgleichzahlungen. Kürzere Verzögerungen beeinträchtigen die volle Entschädigung nicht. Dass der Zeitpunkt der Wertberechnung und der Zahlungszeitpunkt auseinanderfallen, ist bei Aktien nicht ungewöhnlich. So wird die Dividende, obwohl der Gewinn zum Ende eines Geschäftsjahrs errechnet wird, erst bis zu acht Monate später nach dem Beschluss der Hauptversammlung über die Gewinnverwendung ausgezahlt. Bei einer Abwägungkann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass nicht der Hauptaktionär, sondern die anfechtenden Aktionäre die Verzögerung zu verantworten haben. Einem Aktionär, der die Verzögerung nicht hinnehmen will, bleibt es schließlich unbenommen, dem Hauptaktionär seine Aktien auch schon vor der Eintragung des Übertragungsbeschlusses anzudienen.
Bergmann Caliebe Drescher Born Sunder Vorinstanzen:
LG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 16.05.2008 - 3/5 O 357/07 -
OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 29.09.2009 - 5 U 69/08 -
BGH:
Urteil v. 19.04.2011
Az: II ZR 237/09
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