Landgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 27. November 2013
Aktenzeichen: 3-8 O 106/13
(LG Frankfurt am Main: Urteil v. 27.11.2013, Az.: 3-8 O 106/13)
Tenor
Die Klägerin wird verurteilt,
1.
es bei Meidung von Ordnungsgeld bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Wochen, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen,
für das Modell X1 zu werben, ohne in dieser Werbung Angaben über dessen offiziellen Kraftstoffverbrauch und dessen offizielle CO2-Emissionen zu machen, wie geschehen in der Anlage B 1(Werbeschrift vom €.04.2013);
2.
an den Beklagten 227,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit 12. 09. 2013 zu zahlen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000 EUR vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 25.000 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Der Beklagte ist mit Wirkung vom 11.10.2004 in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § UKlaG eingetragen.
Die Klägerin warb mit einem vierseitigen Einhefter in der Ausgabe des Automagazins Y vom €.4.2013 für den X1, den X2und den X3. Auf Seite 2 des Einhefters befand sich ganz unten in weißer Schrift auf schwarzem Grund folgender Text
€Kraftstoffverbrauch gemäß RL 80/1268/EWG: kombiniert 6,8€ 4,0 l/100 km. CO2-Emission: kombiniert 157 € 98g/km.€
Wegen der weiteren Einzelheiten des Einhefters wird auf die Anlage B 1 in Bl. 49 d. A. verwiesen.
In einer Pressemitteilung der Klägerin vom 5.3.2013 (Bl. 69€ 74 d. A.) heißt es unter anderem
€Weltpremiere: X1 €Exclusive X1 €€€ feiert Debüt auf dem ZLimitierte Auflage: 400 Einheiten für Europa, Afrika und den Nahen Osten €Bestellungen in Deutschland zum Preis von 61.000,00 EUR ab sofort möglich€ Der im hauseigenen € X gezeichnete X1 wird im A-Werk O1 gebaut; er kommt noch im Laufe des Jahres 2013 auf den Markt€
In einer weiteren Presse-Information B €/2013 (Bl. 75€ 79 d. A.) heißt es unter anderem wörtlich
€Deutschland Premiere: X1€X zeigt auf der 25. D in O2 als Deutschlandpremiere die Serienversion des neuen X1.€
Die D fand vom €-€.4.2013 in O2 statt.
Der X1 ging im Oktober 2013 in Serienproduktion.
Der Beklagte mahnte die Klägerin mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 04.07.2013 (Bl. 13-15 d. A.) ab.
Die Klägerin trägt vor, dass der X1 zum Zeitpunkt der Werbung in dem Automagazin Y von €.4.2013 noch nicht auf dem Markt eingeführt gewesen sei. Insbesondere sei die Serienproduktion im April 2013 noch nicht angelaufen und Bestellungen hätten noch nicht entgegen genommen werden können. Der X1 habe deshalb zum Zeitpunkt der Werbung nicht die Voraussetzungen eines neuen Personenkraftwagens im Sinne von § 2 Ziff. 1 Pkw-EnVKV erfüllt. Die Bewerbung des X1 sei deshalb nicht der Pkw-EnVKV unterfallen.
Bei dem vor der Werbung erhältlichen X1 € handele es sich um eine limitierte Herstellung. Der X1 € sei spätestens am 27.3.2013 ausverkauft und am €4.2013 gar nicht mehr erhältlich gewesen.
Der Verkaufsstart des X1 sei erst im Oktober 2013 gewesen.Vorher sei der X1 weder im Markt eingeführt noch zu bestellen gewesen Deshalb habe im Einhefter auch noch keine Bewerbung des X1stattgefunden.
Außerdem sei der Hinweis auf der zweiten Seite unten in weiß und schwarz ausreichend gewesen, um die Verbrauchs- und CO2-Werte der im Einhefter abgebildeten X-Modelle anzugeben. Insbesondere sei es unerheblich, auf welcher Seite -1, 2, 3 oder 4- der Hinweis gegeben werde.
Die Beklagte beantragt im Wege der Widerklage, die Klägerin zu verurteilen,
1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, für das Modell X1 zu werben, ohne in dieser Werbung Angaben über dessen offiziellen Kraftstoffverbrauch und dessen offizielle CO2-Emissionen zu machen, wie geschehen in der Anlage B1 (Werbeschrift vom €4.2013);2. an den Beklagten sind 227,50 EUR nebst Zinsen von 5Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p. A. hieraus seit 12.9.2013zu zahlen.
Der Beklagte macht mit seiner Widerklage einen Unterlassungsanspruch aus §§ 3, 4 Nr. 11, 5 a UWG i. V. m. § 5 Abs.1 Pkw-EnVKV geltend.
Der Beklagte trägt vor, dass es sich bei dem im Einhefter beworbenen X1 um einen neuen Personenkraftwagen im Sinne von § 2Nr. 1 Pkw-EnVKV handele. Der X1 sei zum Zeitpunkt schon käuflich bzw. bestellbar gewesen. Außerdem greife die Pkw-EnVKV schon dann ein, wenn für neue Personenkraftwagen geworben werde, was mit dem Einhefter für den X1 geschehen sei.
Die Krafstoffverbrauch- und CO2-Angabe auf Seite 2 des Einhefters unten erfülle die Voraussetzungen von Nr. 2 der Anlage 4zu § 5 Pkw-EnVKV in zweierlei Hinsicht nicht.
Zum einen sei der Hinweis nicht leicht verständlich, weil für den angesprochenen Verbraucher nicht erkennbar sei, dass sich die Angaben zu Kraftstoffverbrauch und CO2-Angabe auf alle im Einhefter beworbenen Neufahrzeugmodelle beziehe. Gerade beim flüchtigen Lesen bringe der Verbraucher den Hinweis auf Seite 2 nur mit dem auf dieser Seite beworbenen X2 in Verbindung, keinesfalls aber mit dem Modell X1, das erst auf der Rückseite beworben werde.
Außerdem werde der Hinweis weniger hervorgehoben als der Hauptteil der Werbebotschaft. Der Hauptteil der Werbebotschaft werde in großen Bildern dargestellt. Demgegenüber befinde sich der Hinweis auf Kraftstoffverbrauch und CO2-Emission am unteren Rand der Werbeanzeige graphisch abgedrängt unterhalb eines Fließtexts und mit einer Trennlinie versehen. Deshalb sei die vom Verordnungsgeber verlangte Gleichrangigkeit mit dem Hauptteil der Werbebotschaft nicht gegeben.
Der Verstoß gegen die Kennzeichnungsvorschriften sei auch wettbewerblich relevant.
Die Klägerin beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die zwischen Ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Die Parteien haben die Klage in der mündlichen Verhandlung am 27.11.2013 übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Gründe
Die Widerklage ist begründet.
Dem Beklagten steht ein Unterlassungsanspruch aus §§ 3, 4 Nr. 11UWG i. V. m. § 1 Abs. 1, 5 Abs. 1 i. V. m. Abschnitt I Nr. 2 der Anlage 4 zu § 5 Pkw-EnVKV zu.
Der Anwendung des § 4 Nr. 11 UWG steht hier nicht entgegen, dass die Richtlinie 2005/29 EG über unlautere Geschäftspraktiken (UGP-Richtlinie), die gemäß ihrem Art. 4 die vollständige Harmonisierung der Vorschriften der Mitgliedsstaaten über unlautere Geschäftspraktiken bezweckt, welche die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher beeinträchtigen, und die mit dem ersten Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 22.12.2008 in das deutsche Recht umgesetzt worden ist, keinen dieser nationalen Vorschrift vergleichbaren Unlauterkeitstatbestand kennt. Denn § 4 Nr. 11 UWG bleibt auch nach Umsetzung der Richtlinie ausnahmsweise anwendbar, soweit die UGP-Richtlinie die Anwendung des § 4 Nr. 11 UWG zulässt (Art. 3 Abs. 3, 4 und 9 sowie Erwägungsgrund 9) oder es um Informationsanforderungen geht, die ihre Grundlage im Gemeinschaftsrecht haben (Erwägungsgrund 15 Satz 2 der Richtlinie). Letzteres liegt hier vor.
Denn die Pkw-EnVKV beruht auf der Richtlinie 1999/94/EG zuletzt geändert durch die VO (EG) Nr. 1882/2003 des europäischen Parlaments und des Rates vom 29.9.2013. Damit handelt es sich auch um wesentliche Informationspflichten i. S. v. § 5 a Abs. 4 UWG,soweit es um die Angaben über den Kraftstoffverbrauch und die CO2-Emissionen nach Maßgabe des § 5 Pkw-EnVKV sowie der Anlage 4 zu § 5 Pkw-EnVKV geht.
Die Klägerin warb in dem 4-teiligen Einhefter in der Ausgabe des Automagazins Y vom €.4.2013 auf der Vorder- und Rückseite für den X1, der ab Oktober 2013 in Serienproduktion ging. Hierbei handelt es sich um eine Werbeschrift i. S. v. § 2 Nr. 9 Pkw-EnVKV,weil die Klägerin mit dem Einhefter für den X1 in der Öffentlichkeit warb. Insoweit kann offen bleiben, ob es sich auch um eine Vermarktung des X1 handelte, weil der X1 zum Zeitpunkt des Erscheinens der Werbung weder bestellbar war noch produziert wurde,sondern lediglich die limitierte Version des X1 €. Denn unter die Pkw-EnVKV fällt jede Werbung für einen neuen Personenkraftwagen, und zwar auch dann, wenn dieser noch nicht produziert wird und bestellbar ist.
Nach § 2 Nr. 1 Pkw-EnVKV sind €neue Personenkraftwagen€ Kraftfahrzeuge, die noch nicht zu einem anderen Zweck als dem des Weiterverkaufs oder der Auslieferung verkauft wurden. Damit sollen neue Kraftfahrzeuge von gebrauchten abgegrenzt werden, mit der Folge, dass beworbene Kraftfahrzeuge neu sind, wenn es nicht um gebrauchte geht. Dies folgt insbesondere aus der Formulierung in § 2 Nr. 1 Pkw-EnVKV €€Kraftfahrzeuge, die noch nicht zu einem anderen Zweck€€. Daraus ergibt sich nämlich, dass Fahrzeuge,die überhaupt noch nicht verkauft wurden, insbesondere solche, die noch nicht hergestellt wurden, neu sind.
Da der beworbene X1 zum Zeitpunkt der Werbung überhaupt noch nicht hergestellt war, konnte es sich auch nur um die Werbung für einen neuen Personenkraftwagen handeln. Hierfür spricht auch, dass es sich um die Werbung des Herstellers von Kraftfahrzeugen handelt,der in der Regel neue Personenkraftwagen bewirbt und nicht gebrauchte.
Demgegenüber ist es nach § 2 Nr. 1 Pkw-EnVKV nicht erforderlich,dass es sich um ein Kraftfahrzeug handelt, das schon hergestellt wird oder bestellbar ist.
Dafür, dass der beworbene X1 als neu i. S. d. Pkw-EnVKVeinzustufen ist, spricht insbesondere der Umstand, dass die Klägerin auf der D in O2 -€- €.4.2013- noch vor der angegriffenen Werbung die Serienversion des X1 vorstellen wollte.
Auch der Zweck der Pkw-EnVKV erfordert eine Einbeziehung des beworbenen X1. Zweck der Pkw-EnVKV ist, dass ein Verbraucher den Kraftstoffverbrauch und die CO2-Emissionen eines Neufahrzeugs in seine Kaufentscheidung mit einbeziehen soll. Hierzu gehört auch die Entscheidung, ob ein Verbraucher mit dem Kauf eines schon beworbenen Neufahrzeugs wartet, bis dieses auf den Markt kommt,oder ob er ein anderes schon auf dem Markt verfügbares kauft.
Danach war die Klägerin als Herstellerin nach §§ 1 Abs. 1, 5Abs. 1 Pkw-EnVKV zur Angabe über den Kraftstoffverbrauch und die CO2-Emissionen des X1 nach Maßgabe des Abschnitts I Nr. 1 und 2 der Anlage 4 zu § 5 Pkw-EnVKV verpflichtet.
Nach Abschnitt I Nr. 1 Satz 2 der Anlage 4 ist die Klägerin zwar berechtigt, lediglich die Spannbreite zwischen dem ungünstigsten und dem günstigsten offiziellen Kraftstoffverbrauch und dem offiziellen spezifischen CO2-Emissionen aller im Einhefter beworbenen Modelle anzugeben. Dies muss aber nach Abschnitt I Nr. 2der Anlage 4 auch bei flüchtigem Lesen leicht verständlich geschehen und nicht weniger hervorgehoben sein als der Hauptteil der Werbebotschaft.
Soweit die Klägerin Angaben zu Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen lediglich auf der Seite 2 des Einhefters unten gemacht hat, sind diese Angaben bei flüchtigem Lesen für einen durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher insoweit nicht leicht verständlich, als es darum geht, ob sich die Spannbreite nur auf den auf Seite 2 beworbenen X2 bezieht oder auch auf den davor (Seite 1) und dahinter (Seite 4) beworbenen X1und/oder den auf Seite 3 beworbenen X3. Denn dies erschließt sich einem durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher beim flüchtigen Lesen nicht ohne weiteres, weil im Rahmen einer systematischen Auslegung einer Werbeschrift davon auszugehen ist,dass sich Angaben grundsätzlich nur auf die davor aufgeführten Produkte beziehen und nicht auf die danach beworbenen. Deshalb liegt es nahe anzunehmen, dass sich die auf Seite 2 angegebene Spannbreite nur auf den auf dieser Seite beworbenen X2 bezieht,nicht aber auch auf die beiden anderen X, weil der durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher erwartet, dass sich die Angaben zu Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen auf der letzten Seite gefunden hätten, wenn sich diese Angaben auf alle drei beworbenen X beziehen sollten. Zumindest fehlt es an einem klarstellenden Hinweis für ein leichtes Verständnis der Angaben dahingehend, ob sie sich auf alle drei X beziehen oder nur auf den auf Seite 2 beworbenen.
Außerdem sind die Angaben zu Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen weniger hervorgehoben als der Hauptteil der Werbebotschaft. Der Hauptteil der Werbebotschaft wird durch die Farbe rot gekennzeichnet, insbesondere der rote X1, die weiße Schrift auf rotem Untergrund und die rote Schrift auf grauem oder schwarzem Untergrund. Demgegenüber weisen die Angaben zu Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen eine weiße Schrift auf schwarzem Untergrund auf und sind deshalb jedenfalls weniger hervorgehoben als der Hauptteil der Werbebotschaft. Bei dieser optischen Gestaltung der Werbeschrift kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Verbraucher eindeutig und klar und vor allem gleichrangig mit den anderen Details der Werbung über den Verbrauch des X1 und dessen Emissionen informiert wird, damit er beim Kauf diese Gesichtspunkte von Anfang an in seine Kaufentscheidung mit einbeziehen kann. Es handelt sich vielmehr um eine ungenügende Information, bei der es dem Zufall überlassen bleibt, ob sie der Käufer zur Kenntnis nimmt oder nicht.
Der Zahlungsanspruch ist aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG begründet,weil die Abmahnung vom 4.7.2013 berechtigt war. Die Höhe der Aufwendungen für die Abmahnung schätzt die Kammer nach § 287 ZPOauf 227,50 EUR.
Die Zinsentscheidung beruht auf §§ 291, 288 BGB.
Die Kostenentscheidung erging nach §§ 91, 91 a ZPO.
Soweit die Parteien die Klage in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, hat die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, weil die Klage jedenfalls von Anfang an unbegründet war.Dies ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen zur Widerklage.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
LG Frankfurt am Main:
Urteil v. 27.11.2013
Az: 3-8 O 106/13
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