Landgericht Bonn:
vom 1. Juni 2007
Aktenzeichen: 1 O 552/05

(LG Bonn: v. 01.06.2007, Az.: 1 O 552/05)

Tenor

Der Klageanspruch wird dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

Tatbestand

Die Klage steht im Zusammenhang mit der im Juni 2000 erfolgten Umplatzierung von Aktien der Klägerin aus dem Bestand der Beklagten zu 2) auf dem nationalen und internationalen Kapitalmarkt. Die Klägerin ist eine mit Wirkung zum 01.01.1995 aus der E U hervorgegangene und seit November 1996 börsennotierte Aktiengesellschaft mit Sitz in C . Ursprünglich hielt die Beklagte zu 1) sämtliche Aktien der Klägerin. In den Jahren 1996, 1999 und 2000 wurden in drei Tranchen Aktien der Klägerin auf dem nationalen und internationalen Kapitalmarkt platziert. Am 31.03.2000 betrug die Beteiligung der Beklagten zu 1) an der Klägerin 64,78 %; 43,18 % hielt die Beklagte zu 1) direkt, 21,60 % waren der Beklagten zu 1) über die Beklagte zu 2) zuzurechnen. Die Ausgabe der letztgenannten Aktien stellt den Ausgangspunkt des vorliegenden Verfahrens dar. Im Rahmen der dritten, für das vorliegende Verfahren relevanten Tranche veräußerte die Beklagte zu 2) am 19.06.2000 200 Millionen Aktien der Klägerin an Anleger. In den USA wurden diese in Form von so genannten American Depository Shares (ADS) ausgegeben. Sämtliche dieser Aktien stammten aus dem Bestand der Beklagten zu 2), die diese treuhänderisch von der Beklagten zu 1) übernommen hatte. Die Aktien wurden zum Preis von 66,50 € je Aktie verkauft. Früh zeichnenden Privatanlegern aus Europa wurde unter bestimmten Voraussetzungen ein Preisnachlass von 3,00 € je Aktie gewährt. Zudem sagte die Beklagte zu 2) Privatanlegern in Europa, den USA, Kanada und Japan, welche Aktien oder ADS zeichneten und diese ununterbrochen bis zum 31.12.2001 hielten, unter bestimmten Voraussetzungen die Lieferung von Bonusaktien oder Bonus-ADS im Verhältnis von je einer Bonusaktie/ADS für je zehn der aufgrund dieses Angebots erworbenen und bis 31.12.2001 gehaltenen Aktien/ADS zu. Aufgrund der Zusage von Bonusaktien gewährten die Beklagten den qualifizierten Privatanlegern im Frühjahr 2002 direkt oder über ADS aus ihrem Bestand insgesamt 11.635.209 Bonusaktien zum damaligen durchschnittlichen Kurswert von 11,99 € je Aktie. Der Verkaufserlös in Höhe von insgesamt 13 Mrd. € wurde zwischen den Beklagten nach einem internen Verteilungsschlüssel aufgeteilt. An dem Verkaufserlös partizipierte die Klägerin nicht. Die Gesamtkosten der Aktienplatzierung wurden mit 835.800.000,00 € ganz überwiegend von den Beklagten getragen.

Die Klägerin unterstützte den Verkauf der Aktien insbesondere durch Werbe- und Marketingmaßnahmen, durch die Mitwirkung an der Erstellung des Verkaufsprospekts und die Tragung der Prospektverantwortung gegenüber den Erwerbern der Aktie. Welche Informationen und Beiträge zu den Veröffentlichungen die Klägerin zu diesem Zweck übernehmen sollte, war für künftige Börsengänge teilweise in einer internen Vereinbarung vom 16.06.1999 anlässlich der Durchführung der zweiten Tranche geregelt worden. Dementsprechend trug die Klägerin - neben den Konsortialbanken - in dem deutschen Verkaufsprospekt vom 26.05.2000 ausdrücklich die Verantwortung für den gesamten Inhalt des Prospekts. Die Darstellung der geschäftlichen und sonstigen Verhältnisse der Klägerin stammte von dieser allein. In gleicher Weise war der in den USA herausgegebene Verkaufsprospekt ausgestaltet. Die Klägerin trug auch hier die Verantwortung für den Inhalt der US-amerikanischen Registrierungserklärung und des US-Verkaufsprospekts. Die Verkaufsprospekte wurden in Zusammenarbeit zwischen der Klägerin, den Beklagten und den Konsortialbanken erstellt. Am 17.06.2000 schlossen unter anderen die Klägerin und die Beklagten den so genannten "DT 3 - Globaler Übernahmevertrag" (Übernahmevertrag). Im Vorfeld der Durchführung der dritten Tranche bemühte sich die Klägerin um eine ausdrückliche vertragliche Regelung für den Fall einer Inanspruchnahme aus Prospekthaftung. Eine derartige Regelung wurde jedoch nicht getroffen.

Im Zusammenhang mit der Durchführung der dritten Tranche wurden in den USA mehrere Sammelklagen erhoben, die später zu einer Sammelklage zusammengefasst wurden. Die Klägergruppe umfasste sämtliche Anleger, welche ADS der Klägerin im Zeitraum vom 19.06.2000 bis 21.02.2001 erworben hatten. Geltend gemacht wurden auf US-Wertpapiervorschriften gestützte Ansprüche hinsichtlich behaupteter Mängel des US-Verkaufsprospekts. Begründet wurden die Klagen damit, dass die Angaben in der Registrierungserklärung und dem US-Verkaufsprospekt in wesentlichen Punkten falsch und irreführend gewesen seien. Insbesondere hätten in der Registrierungserklärung und dem US-Verkaufsprospekt Angaben zu den Übernahmediskussionen der Klägerin mit dem US-amerikanischen Unternehmen " W Corporation" gefehlt. Zudem sei der Wert des Immobilienvermögens der Klägerin in der in diesen Dokumenten enthaltenen Bilanz überhöht ausgewiesen worden. Die Klägerin hielt die geltend gemachten Ansprüche für unbegründet. Am 28.01.2005 traf die Klägerin mit den Klägervertretern ohne Anerkenntnis eines Gesetzesverstoßes oder eines Fehlverhaltens eine Vergleichsvereinbarung, in der sie sich, entgegen einem ursprünglich geforderten Vergleichsbetrag in Höhe von 400.000.000,00 USD, zur Zahlung eines Betrags in Höhe von 120.000.000,00 USD (95.352.140,03 €) an die Kläger des Sammelklageverfahrens verpflichtete. Dieser Vergleich umfasste alle Ansprüche, die von den Anlegern in den USA im Zusammenhang mit dem öffentlichen Kaufangebot der Aktien im Juni 2000 geltend gemacht worden waren. Der Vergleich umfasst auch etwaige Ansprüche, die gegen die Beklagten hätten geltend gemacht werden können. Er wurde mit dem Ziel abgeschlossen, die erheblichen Kosten und Belastungen für die Klägerin, die Bindung von Management-Kapazitäten und insbesondere das Risiko und die Unkalkulierbarkeit zu vermeiden, die mit einem Laienjuryprozess angesichts einer verschuldensunabhängigen Haftung in den USA verbunden gewesen wären. Dazu hatten der Klägerin ihre amerikanischen Rechtsberater geraten. Im Juni 2005 stimmte die zuständige amerikanische Richterin dem Vergleich mit der Folge der rechtlichen Verbindlichkeit und Endgültigkeit als "fair, reasonable and adequate" zu. Den Betrag in Höhe von 120.000.000,00 USD zahlte die Klägerin am 04.02.2005.

Die Klägerin forderte von den Beklagten mehrfach Erstattung der im Rahmen des Verfahrens in den USA von ihr getragenen Kosten. Sie verlangte erstmals am 12.11.2001 von der Beklagten zu 2) Freistellung von Rechtsverteidigungskosten der mit der Platzierung betrauten Konsortialbanken im Zusammenhang mit der Sammelklage. Mit Schreiben vom 16.11.2001 lehnte die Beklagte zu 2) eine Freistellung ab. Mit Schreiben vom 11.03.2005 forderte die Klägerin die Beklagte zu 2) zur Zahlung des Vergleichsbetrags auf. Soweit die Korrespondenz unmittelbar nur an die Beklagte zu 2) gerichtet war, informierte diese gemäß bestehender Abreden die Beklagte zu 1) jeweils hierüber und leitete die Korrespondenz an die Beklagte zu 1) weiter. Ihre F - Versicherer erstatteten der Klägerin am 27.07.2005 von der in den USA gezahlten Vergleichssumme einen Anteil in Höhe von 50.000.000,00 USD (41.091.387,25 €) sowie 5.270.346,26 € der Rechtsverteidigungskosten. Mit Schreiben vom 16.09.2005 forderte die Klägerin die Beklagte zu 1) letztmalig auf, ihr einen Gesamtbetrag von 66.775.005,02 € zu erstatten. In dieser Summe waren die seitens der F - Versicherer erstatteten Beträge nicht enthalten. Die Beklagte zu 1) lehnte eine Freistellung der Klägerin sowie die Übernahme der anfallenden Rechtsverteidigungskosten ab. Die F - Versicherer haben die Klägerin ermächtigt, soweit ein Übergang der Ansprüche auf die Versicherer erfolgt ist, diese Ansprüche im Wege gewillkürter Prozessstandschaft geltend zu machen. Die Klägerin und die Beklagten vereinbarten am 18./22.12.2003, dass etwaige gegenseitige Ansprüche aus diesem Themenkomplex nicht vor Ablauf des 21.12.2005 verjähren.

Der Vergleichsbetrag des US-amerikanischen Verfahrens in Höhe von 95.352.140,03 € sowie die dabei entstandenen Rechtsverteidigungskosten in Höhe von 17.233.412,76 € sind Gegenstand der Klage. Die Klägerin behauptet, die Beklagten hätten sie damit beauftragt, sie bei der Umplatzierung der dritten Tranche zu unterstützen. Sie habe mit den Leistungen dazu beigetragen, dass die Investitionsentscheidungen der Anleger zugunsten eines Erwerbs der Aktien von der Beklagten zu 2) erfolgen konnten. Ohne die Beteiligung an der Prospektherstellung und der Tragung der Prospekthaftung gegenüber den Anlegern sei die Platzierungsmöglichkeit der Beklagten entweder aus Rechtsgründen oder aus Gründen der Marktakzeptanz nachhaltig eingeschränkt gewesen. Ein Entgelt sei für die Erbringung der Leistungen zwischen den Parteien nicht vereinbart worden. Während sich die Klägerin durch ihre Beiträge einem erheblichen Haftungsrisiko ausgesetzt habe, hätten die Beklagten nur Vorteile gehabt. Die Klägerin habe mit ihren Beiträgen nahezu ausschließlich die Belange des verkaufenden Aktionärs und der hinter diesem und der Umplatzierung stehenden Beklagten unterstützt. Die Beklagten seien die alleinigen Nutznießer des Verkaufserlöses. Da die Klägerin nicht an dem Verkaufserlös der Umplatzierung der Aktien partizipierte habe, sei es für sie selbstverständlich gewesen, dass die Beklagten für den Fall einer Inanspruchnahme der Klägerin aus Prospekthaftung der Klägerin im Innenverhältnis Regress zu leisten hätten.

Der Abschluss des Vergleichs komme den Beklagten unmittelbar zugute und sei im Interesse der Beklagten gewesen. Sie, die Klägerin habe vor Abschluss des Vergleichs die potentiellen Risiken sorgfältig gegeneinander abgewogen. Auch seien die Beklagten über den beabsichtigten Vergleichsabschluss im Vorfeld informiert worden. Diese hätten keine Einwände erhoben.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie einen Betrag von 112.585.552,79 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz

aus einem Betrag von 95.352.140,03 € seit dem 04.02.2005, aus einem weiteren Betrag von 1.976.364,65 € seit dem 01.01.2002, aus einem weiteren Betrag von 5.367.506,83 € seit dem 01.01.2003, aus einem weiteren Betrag von 5.928.280,67 € seit dem 01.01.2004, aus einem weiteren Betrag von 3.061.201,32 € seit dem 01.01.2005, aus einem weiteren Betrag von 567.430,76 € seit Rechtshängigkeit der Klage und aus einem weiteren Betrag von 332.628,53 € seit Rechtshängigkeit der Klageerhöhung

zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie behaupten, dass vor allem die Klägerin ein starkes Interesse an einer publikumswirksamen Aktienplatzierung in den Ländern gehabt hätte, in denen sie geschäftliche und strategische Pläne verfolgt habe. Es habe sich um ein gemeinschaftliches Projekt der Beklagten einerseits und der Klägerin andererseits im gemeinsamen Interesse gehandelt. Der Plan für eine solche Art des Zusammenwirkens sei bereits in der internen Vereinbarung vom 16.06.1999 festgelegt gewesen. Der Gesamtkontext habe in der schrittweisen Durchführung der Privatisierung der U nach Gründung der Klägerin bestanden. Sie, die Beklagten, hätten zur Förderung dieses Ziels bei den ersten beiden Tranchen wesentliche Vorleistungen erbracht. Diese lägen nicht nur im Verzicht auf Bezugsrechte, sondern vor allen Dingen auch in der unentgeltlichen Abgabe von Bonusaktien aus dem Bestand der Beklagten im Gesamtwert von mehr als 1,2 Mrd. €. Der Verzicht auf die Bezugsrechte seitens der Beklagten anlässlich der zweiten Tranche hätte zwar bei den Beklagten keine großen Einbußen bewirkt, wenn man den Wert des Bezugsrechts lediglich in seinem rechnerischen Wert messe. Für die Klägerin habe dieser Verzicht jedoch einen Mehrwert geschaffen, der sich in dem um 2,00 € je Aktie erhöhten Ausgangspreis, den die Klägerin für die bezugsrechtsfreien Aktien habe erzielen können, manifestiere. Auch sei der Preisnachlass ein elementarer Bestandteil der für die Platzierung gewählten Strategie gewesen. Denn durch diesen hätte das Bewusstsein einer Vergünstigung für den dafür qualifizierten Personenkreis erreicht werden können. Mit dem gewährten Preisnachlass sei das Anliegen der Klägerin an der Strukturierung ihres Aktionärskreises und einem starken Gewicht privater Anleger gefördert worden. Das besondere Interesse der Klägerin an einer starken Platzierung ihrer Aktien in den USA und insbesondere auch bei dortigen Privatanlegern habe sich aus den von der Klägerin parallel verfolgten und dann realisierten Plänen zur Übernahme von zwei amerikanischen Unternehmen, " W Corporation" und " Q Inc." ergeben. Ohne die vorangegangene breite Platzierung von Aktien auch bei US-amerikanischen Privatanlegern wäre der Einsatz von Aktien der Klägerin als "Zahlungswährung" in dem bei den Transaktionen erfolgten Umfang und mit der ihnen zugrunde gelegten Bewertung nicht möglich gewesen. Die Etablierung von Aktien der Klägerin auf dem US-amerikanischen Markt habe auch dem Zweck gedient, die Aktie als Akquisitionswährung zu nutzen. Ferner ergebe sich aus der Art der gerügten Prospektmängel, dass die zugrunde liegenden Sachverhalte dem Vorstand der Klägerin bei Emission des Prospekts positiv bekannt gewesen seien. Hingegen seien sie den Beklagten selbst nicht bekannt gewesen. Darüber hinaus hätten sie auch nicht verlangt, dass die Klägerin die Prospekthaftung übernehme.

Die Beklagten sind der Ansicht, dass die in den Sammelklagen gegen die Klägerin gerügten Prospektmängel allein die geschäftlichen und sonstigen Verhältnisse der Klägerin betroffen hätten. Für diese hätte die Klägerin gemäß § 9 Abs. 1 des Übernahmevertrags die Verantwortung übernommen.

Die Klägerin entgegnet hierauf, dass die Beklagten schon gesetzlich zum Verzicht des Bezugsrechts verpflichtet gewesen seien. Eine Ausübung des Bezugsrechts durch die Beklagten im Zuge einer Kapitalerhöhung bei der Klägerin hätte sowohl die Privatisierung als auch die Einführung der Gesellschaften am Kapitalmarkt eher behindert. Das Bezugsrecht der Beklagten bei der zweiten Tranche habe keinen monetären Wert gehabt, da sich die im Wege des Bookbuildingverfahrens vorgenommene Preisfestlegung nach Ende der Zeichnungsfrist so nah wie möglich am Börsenkurs orientiert habe. Ohne den Bezugsrechtsverzicht der Beklagten bei der zweiten Tranche sei allenfalls der als Marketinginstrument eingesetzte Privatanlegerrabatt in seiner konkreten Ausprägung nicht möglich gewesen. Dann hätten nämlich die Aktien zum selben Ausgabepreis angeboten werden müssen, d.h. entweder zu 39,50 € oder zu 37,50 €, oder aber auch zu einem dazwischen liegenden Kurs. Dem Angebot im Rahmen der zweiten Tranche habe am Ende jedoch eine rund doppelt so hohe Nachfrage gegenübergestanden, sodass Zeichnungswünsche in Bezug auf ca. 280 Millionen Aktien nicht hätten befriedigt werden können. Daher wäre, im Hinblick auf die enorme Nachfrage und angesichts des Umstands, dass die Preisfestlegung nach Auffassung aller Beteiligten so nahe wie möglich am Börsenkurs erfolgten sollte, ein höherer Ausgabepreis als 37,50 €, wahrscheinlich sogar der Kurs von 39,50 € gewählt worden. So hätte der im Hinblick auf die außerordentlich große Nachfrage höchstmögliche Emissionserlös erzielt werden können. Zudem behauptet sie, dass die Bonusaktien nicht der Klägerin gewährt worden seien. Vielmehr sei der gewährte Vorteil unmittelbar den übrigen Aktionären der Klägerin zugute gekommen. Es handele sich um eine Leistung der Beklagten zu 2) an Privatanleger, die ihre Aktien ununterbrochen über einen bestimmten Zeitraum hielten. Ihr, der Klägerin, Interesse habe sich in einem einheitlichen Marketingkonzept erschöpft. Denn sie habe ein Interesse daran gehabt, die Umplatzierung der Aktien in eine einheitliche Marketingkampagne einzubinden, da ihre Aktien umplatziert und ihre Marken und Logos verwendet wurden. Die Einbindung der dritten Tranche in eine einheitliche Marketingkampagne sei für die Klägerin in besonderem Maße von Bedeutung gewesen, weil 2000 neben der dritten Tranche zwei weitere Börsennotierungen ( V und X ) angedacht gewesen seien. Dies seien jedoch alles lediglich mittelbare Folgen der dritten Tranche, die sich möglicherweise auch positiv auf die Klägerin auswirken könnten. Die Umplatzierung von Aktien der Klägerin habe keine Bedeutung für die W - Transaktion gehabt. Vielmehr habe das Management von W es abgelehnt, eine Transaktion anzudenken, bei der den Aktionären von W Aktien von X statt Aktien der Klägerin angeboten würden, da für X Aktien kein öffentlicher Markt bestanden habe. Da die Aktien der Klägerin bereits in den USA notiert und gehandelt worden seien, hätte eine Transaktion nach Auffassung des W - Managements nur unter Einbeziehung der Aktien der Klägerin als Tauschobjekt vereinbart werden können. Wenn überhaupt hätte daher nur ein vorheriger Börsengang von X Bedeutung für die W - Transaktion haben können, da damit auch die X Aktie als Akquisitionswährung in Betracht gekommen wäre. Die Beklagten würden verkennen, dass die Aktien der Klägerin bereits im Rahmen der ersten und zweiten Tranche bei US-amerikanischen Privatanlegern platziert worden waren und seitdem an der New York Stock Exchange gehandelt wurden. Daher habe es einer Aufwertung der Aktie für US-amerikanische Privatanleger gar nicht bedurft.

Die Einbeziehung des US-amerikanischen Markts im Rahmen der dritten Tranche habe nicht ihrem ausdrücklichen Wunsch entsprochen. Auch die Einbeziehung von US-Privatanlegern sei nicht auf ihr Verlangen hin erfolgt. Vielmehr sei dies die logische Fortsetzung derjenigen Konzepte gewesen, die bereits im Rahmen der ersten und zweiten Tranche verfolgt worden seien. Alle Beteiligten seien selbstverständlich davon ausgegangen, dass im Rahmen der dritten Tranche das öffentliche Angebot auch in den USA erfolgen müsse, da man dem Kapitalmarkt gegenüber nicht hätte begründen können, warum, im Unterschied zu der ersten und zweiten Tranche, US-amerikanische Anleger bei der dritten Tranche keine Gelegenheit zur Zeichnung hätten haben sollen. Die Besonderheit der dritten Tranche habe lediglich darin gelegen, dass sämtliche Privatanleger global gleichbehandelt wurden. Weiter behauptet die Klägerin, dass der US-Platzierungsprospekt inhaltlich richtig gewesen sei und keine wesentlichen Umstände verschwiegen habe. Jedenfalls habe sie bei Erstellung des Prospekts die gebotene Sorgfalt walten lassen, insbesondere durch umfassende rechtliche Begleitung einer internationalen und für das US-Recht renommierten Anwaltskanzlei. Sie behauptet, dass durch die Offenlegung einer möglichen W - Transaktion im Zeitpunkt der Prospektveröffentlichung am 16.06.2000 der Prospekt falsch gewesen wäre. Denn zum damaligen Zeitpunkt habe die W - Transaktion noch nicht festgestanden. Die Klägerin behauptet überdies, dass die Beklagte zu 2) lange vor Abschluss des Vergleichs am 28.01.2005 in einem Telefonat, das der Finanzvorstand der Klägerin mit dem damaligen Vorstandssprecher der Beklagten zu 2) geführt habe, über den wesentlichen Inhalt des abzuschließenden Vergleichs informiert worden sei. In diesem Telefonat seien keinerlei Einwände gegen den Abschluss des Vergleichs durch die Klägerin erhoben worden.

Die noch 2005 eingereichte Klage ist der Beklagten zu 1) am 19.01.2006 und der Beklagten zu 2) am 17.01.2006 zugestellt worden. Die Klageerhöhung ist der Beklagten zu 1) am 31.10.2006 und der Beklagten zu 2) am 25.10.2006 zugestellt worden.

Die ursprünglich getrennten Verfahren der Klägerin gegen die Beklagte zu 1) (1 O 552/05) sowie der Klägerin gegen die Beklagte zu 2) (1 O 558/05) wurden zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Sitzungsprotokoll vom 14.02.2007 verwiesen.

Gründe

I. Die zulässige Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt. Über den Grund kann vorliegend nach § 304 ZPO vorab entschieden werden, weil der Rechtsstreit insoweit zur Entscheidung reif ist. Der Klägerin steht gegen die Beklagten als Gesamtschuldner ein Rückerstattungsanspruch wegen Verstoßes gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr aus §§ 57, 62 AktG dem Grunde nach zu.

1. Ob der Anspruch der Klägerin auf §§ 662, 670 BGB gestützt werden kann, kann dahinstehen. Denn ein Anspruch der Klägerin besteht jedenfalls wegen Verstoßes gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr aus § 57 Abs. 1 AktG. Insbesondere könnte die Klägerin aus etwaigen Aufwendungsersatzansprüchen aufgrund des Erfordernis der Erforderlichkeit der Aufwendungen keinen weitergehenden Ersatz verlangen als aus §§ 57, 62 AktG. Denn der Kern des spezifisch gesellschaftsrechtlichen Anspruchs aus §§ 57, 62 AktG stellt der rechnerische Vermögensausgleich im Gesellschaftsvermögen dar (Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 19 Rn. 11).

2. Die Anwendung der §§ 57, 62 AktG ist nicht etwa von vorneherein ausgeschlossen. Aus der Entscheidung des BGH in Sachen " G .TV" wollen die Beklagten eine verallgemeinerungsfähige Regel ableiten, die besagen soll, dass das Verbot der Einlagenrückgewähr hinter den allgemeinen Haftungsnormen zurücktreten müsse. Die Beklagten sind der Auffassung, die Anwendung der allgemeinen Haftungsnormen schließe nicht erst die Rechtsfolge der §§ 57, 62 AktG aus, sondern bereits deren Tatbestand.

Eine solche weitgehende Aussage kann dem Urteil des BGH aber nicht entnommen werden. Vielmehr ist Sinn und Zweck der Entscheidung des BGH, bei einer kapitalmarktbezogenen sittenwidrigen Beeinträchtigung der Willensfreiheit des Anlegers durch das Leitungsorgan der Gesellschaft, dieser wegen des aktienrechtlichen Vermögensbindungsgrundsatzes keinen Haftungsvorteil zukommen zu lassen (BGH ZIP 2005, 1270, 1273). Grundlage der Einschätzung des BGH war die besondere Schutzunwürdigkeit des vorsätzlich sittenwidrigen Schädigers, wobei die Zurechnung der sittenwidrigen Schädigung an die Gesellschaft analog § 31 BGB erfolgt. Darüber hinausgehende Aussagen von allgemeinverbindlichem Charakter hat der BGH gerade nicht getroffen. So hat er dann auch betont, dass das Konkurrenzverhältnis zwischen kapitalmarkrechtlicher (Prospekt-)Haftung und dem aktienrechtlichen Grundsatz der Vermögensbindung aus § 57 AktG nicht Gegenstand seiner Überlegungen sei, sondern hinsichtlich der von ihm zu lösenden Problemstellung dahinstehen könne (BGH ZIP 2005, 1270, 1272 f.).

3. In der Übernahme der Prospekthaftung als solcher durch die Klägerin ist ein Verstoß gegen § 57 Abs. 1 S. 1 AktG zu sehen. Nach § 57 Abs. 1 S. 1 AktG verboten sind grundsätzlich alle Zuwendungen an einen Aktionär aus dem Vermögen der Aktiengesellschaft, die nicht als Gewinn festgestellt sind und aufgrund eines wirksamen Beschlusses der Hauptversammlung ausgeschüttet werden (Bayer in: MünchKomm zum AktG, § 57 Rn. 7, 25). Das Verbot des § 57 Abs. 1 S. 1 AktG ist zwingend und kann weder durch vertragliche Vereinbarung noch durch Satzungsbestimmungen abbedungen oder eingeschränkt werden (Wiesner in: Münchener Hdb. des Gesellschaftsrechts, Band 4, § 16 Rn. 42). Unerheblich ist auch, auf welchem Weg die angeordnete Vermögensbindung ausgehebelt wird (Bayer in: MünchKomm. zum AktG, § 57 Rn. 25). So kommt es nicht darauf an, in welcher Form das Vermögen der Aktiengesellschaft den Interessen einzelner Aktionäre oder Aktionärsgruppen nutzbar gemacht wird. Entscheidend ist allein, ob sich im Rahmen einer umfassenden Gesamtschau ergibt, dass einzelne Aktionäre durch eine Maßnahme der Aktiengesellschaft im Ergebnis - direkt oder indirekt - einen Vorteil erlangt haben, ohne dass dem eine äquivalente Gegenleistung gegenübersteht.

a. Durch die Übernahme der Prospekthaftung hat die Klägerin den Beklagten eine Leistung entgegengebracht, der ein bestimmter wirtschaftlicher Vermögenswert zukommt. Dies ergibt sich aus einem Vergleich zu der Situation, die besteht, wenn ein Emissionsunternehmen mit der Börsenplatzierung eines Aktien-Altbestandes beauftragt wird. Zwar stellt die Haftungsfreistellung der Aktiengesellschaft gegenüber dem Emissionsunternehmen keine Leistung dar, die nach § 57 AktG gegenüber dem Emissionsunternehmen verboten wäre (vgl. Groß, Kapitalmarktrecht, BörsG, §§ 45, 46 Rn. 8), doch ist in der Haftungsfreistellung eine Vermögenszuwendung der Aktiengesellschaft an den verkaufenden Aktionär zu sehen (Bayer in: MünchKomm zum AktG, Band 2, § 57 Rn. 91; Hoffmann-Becking in: FS für Lieberknecht, S. 37). Wird diese Zuwendung vom abgebenden Aktionär nicht ausgeglichen, so liegt ein Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr vor (Bayer in: MünchKomm zum AktG, Band 2, § 57 Rn. 91; Groß, Kapitalmarktrecht, BörsG, §§ 45, 46 Rn. 22). Eine vermögenswerte Zuwendung an den verkaufenden Aktionär muss danach erst recht vorliegen, wenn die Aktiengesellschaft selbst die Prospekthaftung für den verkaufenden Aktionär übernimmt.

Zudem ist die Klägerin mit der Übernahme der Prospekthaftung ein nicht unerhebliches Haftungsrisiko eingegangen. Die mit der Haftungsübernahme einhergehende Belastung des Vermögens der Klägerin durch das Inanspruchnahmerisiko bedeutete einen (geldwerten) Vorteil für die Beklagten. Denn diese konnten so ihre eigenen Aktien auch auf dem amerikanischen Markt anbieten, ohne selbst einem (substantiellen) Klagerisiko aus Prospekthaftung in den Vereinigten Staaten ausgesetzt zu sein.

Treffend ist insoweit der von der Klägerseite hinsichtlich der Qualifizierung der Prospekthaftungsübernahme als Vorteilsgewährung gezogene Vergleich zur Sicherheitenbestellung. Für diese ist allgemein anerkannt, dass sie wegen der mit ihr einhergehenden Stärkung des Kredits des Aktionärs, diesem - möglicherweise unter Verstoß gegen § 57 AktG - zum Vorteil gereicht (vgl. BGH AG 1981, 227; OLG München AG 1980, 272, 273; OLG Düsseldorf AG 1980, 273, 274). Mit der Übernahme der Prospekthaftung hat die Klägerin wie bei der Sicherheitenbestellung wegen der zumindest potenziellen Inanspruchnahme ihres Vermögens die Grundlage geschaffen, um Dritte (die Anleger) zu einer Vermögensdisposition zugunsten der Beklagten zu verlassen. Insofern kam der Prospekthaftungsübernahme eine mit einer Sicherheitenbestellung vergleichbare Sicherungsfunktion zu, die für die Beklagten einen Vorteil darstellte.

b. Die Übernahme der Prospekthaftung war auch kein marktübliches Rechtsgeschäft. Denn der mit der Übernahme der Prospekthaftung erfolgten Vermögensdisposition zugunsten der Beklagten stand keine kompensierende Gegenleistung der Beklagten an die Klägerin gegenüber (vgl. nur OLG Koblenz AG 1977, 231; Hüffer, AktG, § 57 Rn. 8; Lutter in: Kölner Komm zum AktG, § 57 Rn. 15; Henze in: GroßKomm zum AktG, § 57 Rn. 35).

Von einem Rechtsgeschäft zu marktüblichen Konditionen ist nur dann auszugehen, wenn es sich um ein sog. neutrales Drittgeschäft handelt, das keinen Bezug zur Aktionärsstellung des Empfängers aufweist (Bayer in: Münch Komm zum AktG, § 57 Rn. 26 ff.). Letzteres ist nur dann zu bejahen, wenn das Rechtsgeschäft unter sonst gleichen Umständen zu den gleichen Bedingungen auch mit einem Nichtaktionär abgeschlossen worden wäre, also betrieblich veranlasst war (BGH NJW 1996, 589, 590 zur GmbH). Das Geschäft muss also zu den Konditionen abgewickelt werden, die auch jeder Dritte, der nicht Aktionär ist, von der Aktiengesellschaft erhalten würde ("at arms length"). Ein solches Drittgeschäft berührt den Schutzzweck des § 57 AktG bereits deshalb nicht, weil die Zuwendungen aus dem Vermögen des Aktiengesellschaft an den Vertragspartner völlig losgelöst von dessen Stellung als Aktionär erbracht werden (Bayer in: Münch Komm zum AktG, § 57 Rn. 26). Diese Voraussetzung ist vorliegend indessen nicht gegeben. Denn die Leistung der Klägerin an die Beklagten ist nicht durch eine angemessene Gegenleistung der Beklagten kompensiert worden wie es marktüblich gewesen wäre.

aa. Die Beklagten nennen als eine die Übernahme der Prospekthaftung kompensierende Gegenleistung den von ihnen im Rahmen von DT 2 erklärten Verzicht auf die Bezugsrechte. Hierzu berufen sich die Beklagten auf den einleitenden Abschnitt des als Anlage K 1 vorgelegten Agreements vom 16. Juni 1999, in dem festgehalten worden sei, dass die Beklagten die Klägerin bei der Durchführung der Kapitalerhöhungsemission vom Juni 1999 unterstützt und insbesondere auf die ihnen zustehenden Bezugsrechte verzichtet hätten.

Indessen lag in dem Bezugsrechtsverzicht der Beklagten keine die Übernahme der Prospekthaftung kompensierende Gegenleistung. Denn dem Agreement vom 16. Juni 1999 kommt nicht die ihm von den Beklagten beigemessene Bedeutung zu. Denn die Vereinbarung vom 16. Juni 1999 ist im Zusammenhang mit zwei gleich lautenden Schreiben der Beklagtenseite an die Klägerin vom selben Tag auszulegen. In diesen Schreiben wird ausdrücklich erklärt, dass die Beklagten die ihnen zustehenden Rechte auf den Bezug junger Aktien im Rahmen der bevorstehenden Kapitalerhöhung der Klägerin nicht ausüben werden. Dabei erklären die Beklagten, dass sie sich aus dem Verzicht auf Ausübung oder Verkauf der Bezugsrechte aus Anlass der Kapitalerhöhungsemission vom Juni 1999 keine Besserstellung im Vergleich zu anderen Aktionären erwarten. Daraus wird deutlich, dass der Bezugsrechtsverzicht auch aus Sicht der Beklagten quasi "unentgeltlich" erfolgen sollte. Stellte die Übernahme der Prospekthaftung durch die Klägerin eine Gegenleistung für den Bezugsrechtsverzicht der Beklagten da, käme es gerade zu einer Besserstellung der Beklagten gegenüber anderen Aktionären.

Überdies steht der Annahme, der Verzicht auf die Bezugrechte durch die Beklagten stelle eine Leistung an die Klägerin dar, der Privatisierungsauftrag des D aufgrund der Artt. 87 f., 143 b GG entgegen. Denn die Beklagten sind durch den Verzicht auf ihre Bezugsrechte lediglich ihrer im Grundgesetz festgeschriebenen Verpflichtung gerecht geworden, so dass es sich mithin nicht etwa um eine gleichsam freiwillig der Klägerin gegenüber übernommen Verpflichtung handeln kann, die zur Kompensation der Übernahme der Prospektverantwortung durch die Klägerin geeignet sein könnte. Wie die Beklagten selbst vortragen, sollte die Errichtung der Klägerin, der E AG sowie der H AG in der Rechtsform der Aktiengesellschaft der Einführung dieser Gesellschaften am Kapitalmarkt dienen. Eine Ausübung der Bezugsrechte durch die Beklagten im Zuge einer Kapitalerhöhung bei der Klägerin hätte sowohl der Privatisierung als auch der Einführung der Gesellschaft am Kapitalmarkt entgegenarbeitet. Der grundgesetzliche Privatisierungsauftrag wäre konterkariert worden.

bb. Auch stellte die Gewährung von Bonusaktien durch die Beklagten im Rahmen von DT 1 und DT 2 keine Gegenleistung für die von der Klägerin an die Beklagten erbrachte Leistung im Rahmen von DT 3 dar. Denn die Bonusaktien sind nicht der Klägerin, sondern Privatanlegern gewährt worden, die ihre Aktien unterbrochen über einen bestimmten Zeitraum hielten. Erklärtes Ziel war dabei einerseits, die Attraktivität der U -Aktie für Privatanleger zu erhöhen und letztere zu veranlassen, ihre Aktien unabhängig von Kursschwankungen langfristig zu halten, um so die Aktie als "Volksaktie" zu etablieren, und andererseits, die Beteiligung Dritter am Volksvermögen zu fördern. Damit handelte es sich um eine Leistung an bestimmte Aktionäre der Klägerin, nicht aber um eine Leistung an die Klägerin selbst. Dies wird zusätzlich dadurch bestätigt, dass die Beklagte zu 1) selbst in einem vom Bundesfinanzhof entschiedenen Verfahren (BFH DStR 2005, 639 ff.) ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass der mit der Gewährung der Bonusaktien einhergehenden Vorteil unmittelbar den Mitaktionären der Beklagten zugewendet worden sei und gerade nicht der Klägerin zugute komme.

cc. Auch das Argument der Beklagten, dass die Übernahme der Prospekthaftung durch die Klägerin jedenfalls deshalb keine unzulässige Einlagenrückgewähr i. S. d. § 57 AktG darstelle, weil die Klägerin mit der Umplatzierung maßgeblich auch Eigeninteressen verfolgt habe, überzeugt nicht. Richtigerweise vermag auch ein mitverfolgtes Eigeninteresse der Gesellschaft bei einer Börsenplatzierung eines Aktien-Altbestands die von der Gesellschaft durch die der Übernahme der Prospektverantwortung erbrachte vermögenswerte Leistung nicht auszugleichen (vgl. Bayer in: MünchKomm zum AktG, § 57 Rn. 91; Hirte in: Lutter/Scheffler/Schneider, Handbuch der Konzernfinanzierung, R, 35, 37; Henze in: GroßKomm zum AktG, § 57 Rn. 56). Denn Ratio des § 57 AktG ist der unbedingte und absolute Schutz des Gesellschaftsvermögens vor eigennütziger Verwendung für einzelne Aktionäre. Verboten ist also, das Gesellschaftsvermögen maßgeblich dem Interesse einzelner Aktionäre zu zunutze zu machen. Dies muss auch dann noch der Fall sein, wenn lediglich reflexartig Interessen der Gesellschaft durch die Verwendung des Gesellschaftsvermögens gefördert werden, die eigentliche Ursache der Investition aber ein Aktionärsinteresse ist. Nur so kann gewährleistet werden, dass bei mehreren Verwendungsvarianten allein die Interessen der Gesellschaft den entscheidenden Ausschlag geben. Soweit in der Literatur die Auffassung vertreten wird, ein bestehendes Gesellschaftsinteresse an der Umplatzierung des Aktienpaktes kompensiere die Übernahme der Prospekthaftung durch die Gesellschaft, so dass kein Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr vorliege (so Hoffmann-Becking in: FS für Lieberknecht, S. 37), so entbehrt dies nicht nur näherer Begründung, sondern verkennt auch diese hinter § 57 AktG stehende Wertung.

Das weit überwiegende Interesse an der Umplatzierung der Aktien lag vorliegend bei den Beklagten. Dies ergibt sich schon daraus, dass diesen der Erlös in Höhe von 13 Mrd. € zufiel. Das Interesse der Klägerin, die Umplatzierung der Aktien in eine einheitliche Marketingkampagne einzubinden, tritt dahinter deutlich zurück. Bei der Verwendung von Marken und Logos der Klägerin handelt es sich lediglich um eine reflexartige mittelbare Auswirkung, die mit nahezu jeder Umplatzierung eines größeren Aktienpaketes verbunden sein dürfte. Diese reflexartige Förderung von Interessen der Klägerin vermag aber die von der Klägerin durch die der Übernahme der Prospektverantwortung erbrachte vermögenswerte Leistung gerade nicht auszugleichen. Gleiches gilt für den Umstand, dass die Klägerin parallel zu dem Umplatzierungsvorhaben Pläne zur Übernahme von zwei amerikanischen Unternehmen, " W Corporation" und " Q Inc." verfolgte und später realisierte. Die Beklagten argumentieren, die Etablierung von Aktien der Klägerin auf dem US-amerikanischen Markt habe auch dem Zweck gedient, die Aktie als Akquisitionswährung zu nutzen. Auch dieser Gesichtspunkt stellt - wie die Beklagten selbst vortragen - lediglich einen "auch" verfolgten Zeck und damit ein allenfalls mitverfolgtes Eigeninteresse der Klägerin dar, das im Rahmen eines Anspruch aus §§ 57, 62 AktG nicht zu berücksichtigen ist.

dd. Ferner hat die Klägerin auch nicht darauf verzichtet, im Falle einer Inanspruchnahme aus Prospekthaftung bei den Beklagten Regress zu nehmen. Gegen einen derartigen Verzicht seitens der Klägerin spricht, dass in dem Agreement vom 16. Juni 1999 jeweils ausdrücklich festgehalten worden ist, dass die Klägerin "unentgeltlich und kostenerstattungsfrei" die Beklagten in Bezug auf Marketingmaßnahmen, Informationsbeiträge sowie die Zurverfügungstellung von Due Diligence Unterlagen zu unterstützen hatte. Soweit in dem Agreement in Ziffer 2 zudem festgehalten worden ist, die Klägerin werde hinsichtlich der Beiträge für Verkaufprospekt und ähnliche werbliche Veröffentlichungen "die Verantwortung für die inhaltliche Richtigkeit, Vollständigkeit und Klarheit übernehmen", fehlt gerade ein Passus, dass dies von der Klägerin erstattungsfrei zu erfolgen habe.

4. Der Argumentation der Beklagten, die von der Klägerin erbrachte Leistung habe nicht nur in der Übernahme der Prospekthaftung, sondern auch in der vollständigen Zurverfügungstellung des zur Prospekterstellung erforderlichen Informationsmaterials bestanden, kommt im Rahmen des Anspruchs aus §§ 57, 62 AktG keine Bedeutung zu. Ein etwaiges Fehlverhalten der Klägerin bei der Prospekterstellung findet im Rahmen dieses Anspruchs keine Berücksichtigung. Für einen Rückgewähranspruch der Klägerin wegen Verstoßes gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr ist allein entscheidend, ob die von der Klägerin erbrachte Leistung durch eine Gegenleistung der Beklagten kompensiert wurde, oder ob auf das Gesellschaftsvermögen ersatzlos Zugriff genommen worden ist. Ein etwaiges Verschulden der Klägerin muss dabei deshalb außer Betracht bleiben, da durch §§ 57, 62 AktG nicht allein die Aktiengesellschaft, sondern daneben auch die Aktionäre und die Gläubiger vor der eigennützigen Verwendung des Gesellschaftsvermögens für einzelne Aktionärsgruppen geschützt werden sollen.

II. Über die endgültige Höhe des Anspruchs kann noch nicht entschieden werden. Denn diese hängt davon ab, welcher Wert der von der Klägerin übernommenen Prospekthaftung als solcher beizumessen ist. Zum derzeitigen Stand des Verfahrens fehlen dem Gericht die notwendigen Informationen um festzustellen, welcher Verkehrswert der Übernahme der Prospekthaftung durch die Klägerin zukommt. Mit anderen Worten: Maßgeblich ist, welchen Betrag die Klägerin (vor dem Verkauf der Aktien auf dem Markt) hätte aufwenden müssen, wenn ein Dritter die Prospektverantwortung übernommen hätte.

Soweit die Klägerin vorträgt, dass der von ihr erbrachten Leistung der Wert beizumessen sei, den der gegen die Klägerin aufgrund des Vergleichsabschlusses in den USA geltend gemachte Anspruch aufweist, kann ihr nicht gefolgt werden. Denn es ist nicht ersichtlich, dass die Vergleichssumme das bloße Inanspruchnahmerisiko der Klägerin aus der übernommenen Prospekthaftung hinreichend verlässlich wiederspiegelt. Die Haftung für die Richtigkeit des erstellten Prospekts ist nicht gleichbedeutend mit der diese Haftung ausfüllenden konkreten Schadensersatzpflicht. Letztere ergibt sich erst aus dem Zusammenwirken der übernommenen Haftung mit dem konkreten Prospekt. Für Fehler desselben aber kann sich die Klägerin nicht bei den Beklagten erholen; vielmehr muss sie für solche Fehler selbst einstehen.

Die für den Fall der Unrichtigkeit des Prospekts eintretende konkrete Zahlungspflicht ist nicht vergleichbar mit der Zahlungspflicht eines Akkreditivstellers, Bürgen oder Garanten. Das gilt auch dann, wenn die Bürgschaft oder Garantie für eine ungewisse oder bedingte Verpflichtung übernommen wurde. Denn das Charakteristikum von Bürgschaft oder Garantie, wie auch des Akkreditivs, besteht darin, dass der Bürge bzw. Garant bzw. Akkreditivsteller die Einstandspflicht für die Verpflichtung eines Dritten, des Hauptschuldners, übernimmt. Die Klägerin aber hat ihre Verpflichtung zur Zahlung der Vergleichssumme nicht nur durch die konkrete Gestaltung des Prospekts sondern auch durch den Abschluss des Vergleichs selbst herbeigeführt, mithin keine fremde Verpflichtung übernommen, sondern lediglich eine eigene erfüllt. Denn der Vergleich wurde mit dem Ziel abgeschlossen, die erheblichen Kosten und Belastungen für die Klägerin, die Bindung von Management-Kapazitäten und insbesondere das Risiko und die Unkalkulierbarkeit zu vermeiden, die mit einem Laienjuryprozess in den USA verbunden gewesen wären. Die Einschätzung des Vergleichs als "fair, reasonable and adequate" spricht dafür, dass das Begehren der dortigen Anspruchsteller nicht als gänzlich haltlos angesehen wurde.

Ob der von der Klägerin geschlossene Vergleich, dieser wirtschaftlich von Vorteil war oder nicht, kann dabei dahingestellt bleiben. Denn der Frage, ob der Prospekt inhaltlich vollständig und richtig gewesen ist bzw. ob die Klägerin bei der Erstellung des Prospekts die erforderliche Sorgfalt hat walten lassen, kommt keine Bedeutung zu. Auch ohne Bestehen einer Rechtspflicht resultiert eine von der Klägerin selbst ausgelöste Verpflichtung aufgrund des Abschlusses des Vergleichs. Bestünde eine Rechtspflicht der Klägerin schon aufgrund unrichtiger Prospekterstellung, so wäre auch diese von der Klägerin selbst, nämlich durch ihr eigenes Fehlverhalten bei der Prospekterstellung ausgelöst worden.

III. Die Kostenentscheidung sowie die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit bleiben dem Schlussurteil vorbehalten.

Streitwert: 112.585.552, 79 €






LG Bonn:
v. 01.06.2007
Az: 1 O 552/05


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/a7bf610fd10a/LG-Bonn__vom_1-Juni-2007_Az_1-O-552-05




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share