Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. April 2005
Aktenzeichen: 7 W (pat) 63/02

(BPatG: Beschluss v. 27.04.2005, Az.: 7 W (pat) 63/02)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse F 02 P des Deutschen Patentund Markenamts vom 10. Juli 2002 aufgehoben und das Patent erteilt.

Bez eichnung: Verfahren zur Dämpfung von auftretenden Ruckelschwingungen für Brennkraftmaschinen Anmeldetag: 8. Juli 1992.

Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:

Patentansprüche 1 bis 6, eingegangen am 9. April 2002, Beschreibung Seiten 1 und 3 bis 6, eingegangen am 10. Juli 1992, Beschreibung Seiten 2 und 2a, eingegangen am 8. August 2002, Figuren 1 und 2 gemäß Offenlegungsschrift DE 42 22 298 A1.

Gründe

I Die Patentanmeldung 42 22 298.2-13 ist am 8. Juli 1992 beim Deutschen Patentund Markenamt eingegangen.

In einem Bescheid der Prüfungsstelle für Klasse F 02 P des Deutschen Patentund Markenamts vom 30. November 2001 hat der Prüfer der Anmelderin mitgeteilt, daß die Erteilung eines Patents mit den vorgelegten Unterlagen nicht in Aussicht gestellt werden könne, da der beanspruchte Gegenstand mangels Neuheit nicht patentfähig sei. Zum Stand der Technik hat die Prüfungsstelle die Druckschriften DE 40 09 791 A1, DE 32 43 235 A1, DE 29 06 782 C2 und US-PS 4 527 523 genannt.

Mit Schriftsatz vom 4. April 2002, eingegangen am 9. April 2002, hat die Anmelderin der Auffassung der Prüfungsstelle widersprochen und neue Patentansprüche 1 bis 6 eingereicht. Sie hat geltend gemacht, daß die Gegenstände dieser Ansprüche gegenüber dem aufgezeigten Stand der Technik neu und erfinderisch seien.

Durch Beschluß vom 10. Juli 2002 hat die Prüfungsstelle die Anmeldung mit der Begründung zurückgewiesen, daß der Anmeldungsgegenstand gegenüber dem Stand der Technik nicht patentfähig sei. Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 sei bereits vor dem Anmeldetag dem Fachmann durch DE 40 09 791 A1 bekannt geworden.

Gegen diesen Beschluß hat die Anmelderin mit Schriftsatz vom 5. August 2002 am 8. August 2002 Beschwerde erhoben und zugleich neue Beschreibungsseiten 2 und 2a vorgelegt. Sie hat sinngemäß den Antrag gestellt, den Beschluß der Prüfungsstelle vom 10. Juli 2002 aufzuheben und ein Patent zu erteilen auf der Grundlage der Patentansprüche 1 bis 6 vom 4. April 2002, der Beschreibungsseiten 2, 2a vom 5. August 2002, der ursprünglichen Beschreibungsseiten 1 und 3 bis 6 sowie der ursprünglichen Zeichnung, Figuren 1 und 2.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet:

Verfahren zur Dämpfung von auftretenden Ruckelschwingungen für Brennkraftmaschinen durch Zündwinkelverstellung, wobei bei Drehzahlzunahme eine Drehmomentenverkleinerung und bei Drehzahlabnahme eine Drehmomentenvergrößerung erfolgt, dadurc h gekennzeic hnet, dass dieDrehzahlsowie die angreifende Last zyklisch erfasst und zwischengespeichert wird und eine durch Vergleich aufeinanderfolgender Lastwerte erkannte Laständerung eine Zündwinkelverstellung bewirkt, deren Ausmaß durch die Laständerung und die Drehzahl bestimmt wird.

Die geltenden Patentansprüche 2 bis 6 sind dem Patentanspruch 1 nachgeordnet und zumindest mittelbar auf ihn rückbezogen.

Gemäß der geltenden Beschreibung Seite 2a Absatz 1 soll ein Verfahren zur Dämpfung von Ruckelschwingungen für Brennkraftmaschinen angegeben werden, das (gegenüber bekannten Verfahren) eine frühere Auslösung der Antiruckelmaßnahmen und eine Erhöhung des Fahrkomforts ermöglicht.

Das Beschwerdeverfahren, das zwischenzeitlich aufgrund der fiktiven Zurücknahme der Patentanmeldung wegen Nichtzahlung der 11. Jahresgebühr beendet worden war, wurde nach Wiedereinsetzung der Patentanmelderin in den vorherigen Stand (Beschluß des Deutschen Patentund Markenamts vom 5. August 2003) fortgesetzt.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akte verwiesen.

II Die Beschwerde ist zulässig. Sie hat in der Sache auch Erfolg.

Der Anmeldungsgegenstand stellt in der Fassung der geltenden Patentansprüche eine patentfähige Erfindung iSd § 1 bis § 5 PatG dar.

1.

Die geltenden Patentansprüche 1 bis 6 sind zulässig. Die Ansprüche 1 und 2 sind durch Teilung des ursprünglichen Anspruchs 1 hervorgegangen. Die Patentansprüche 3 bis 5 entsprechen sachlich den ursprünglichen Patentansprüchen 2 bis 4. Das Merkmal des Patentanspruchs 6 ist in der ursprünglichen Beschreibung offenbart (S 4 Z 14 bis 18).

2.

Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 ist neu. Keine der entgegengehaltenen Druckschriften offenbart ein Verfahren mit sämtlichen Merkmalen des Patentanspruchs 1.

Ein Verfahren zur Dämpfung von Ruckelschwingungen für Brennkraftmaschinen durch Zündwinkelbzw. Zündzeitpunktverstellung, wobei bei Drehzahlzunahme eine Drehmomentenverkleinerung und bei Drehzahlabnahme eine Drehmomentenvergrößerung erfolgt, gemäß den Oberbegriffsmerkmalen des geltenden Patentanspruchs 1 ist unbestritten aus der DE 40 09 791 A1 (Sp 1 Z 43 bis 65) bekannt. Bei diesem Verfahren werden in weiterer Übereinstimmung mit Merkmalen im kennzeichnenden Teil des vorliegenden Patentanspruchs 1 zur betriebspunktabhängigen Zündwinkeleinstellung ua die Eingangsgrößen Last und Drehzahl zyklisch erfaßt und gespeichert (Sp 2 Z 5 bis 21). Zum Zwecke der Dämpfung der Ruckelschwingungen wird das Drehzahlsignal derart ausgewertet, daß aus aufeinanderfolgenden Signalen ein Drehzahlgradient ermittelt und je nach Vorliegen eines Maximums oder eines Minimums des Drehzahlgradienten auf eines von zwei Zündkennfeldern, von denen eines in Richtung "spät" verschobene Zündzeitpunkte aufweist (Sp 2 Z 25 bis Z 35), umgeschaltet wird (Sp 1 Z 43 bis 65).

Damit unterscheidet sich das Verfahren nach Patentanspruch 1 vom aus der DE 40 09 791 A1 bekannten Verfahren dadurch, daß aus aufeinanderfolgenden Lastwerten eine Laständerung ermittelt wird und abhängig von dieser Laständerung und der Drehzahl das Ausmaß der Zündwinkelverstellung bestimmt wird.

Dieses Unterschiedsmerkmal ist auch den weiteren Entgegenhaltungen DE 32 43 235 A1, DE 29 06 782 C2 und US 4 527 523, die die Prüfungsstelle lediglich in ihrem Prüfungsbescheid pauschal zu den Unteransprüchen genannt hat, nicht zu entnehmen.

3. Das zweifellos gewerblich anwendbare Verfahren zur Dämpfung von Ruckelschwingungen für Brennkraftmaschinen nach Patentanspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Der Fachmann, hier ein auf dem Gebiet der Regelund Steuerungstechnik für Brennkraftmaschinen tätiger und erfahrener Fachhochschulingenieur des Maschinenbaus oder der Elektrotechnik, findet im aufgezeigten Stand der Technik keine Anregungen für das die Neuheit des Verfahrens nach Anspruch 1 begründende Merkmal, durch das aufgabengemäß eine Dämpfung der Ruckelschwingungen frühzeitig, nämlich mit dem Erkennen einer Laständerung, ausgelöst wird.

Bei dem Verfahren nach der DE 40 09 791 A1 ist eine Laständerung weder als Kriterium für die Auslösung noch als Kriterium für die Bestimmung des Ausmaßes der Zündwinkelverstellung zum Zwecke der Dämpfung der Ruckelschwingungen angesprochen. Wie beim Neuheitsvergleich schon ausgeführt, ist dort als Auslösekriterium für die schwingungsdämpfende Zündwinkelverstellung allein der Gradient der Motordrehzahl (Ansprüche 1 und 3) herangezogen. Anregungen in Richtung auf ein Verfahren gemäß dem geltenden Schutzanspruch 1 sind nicht ersichtlich.

Das aus der DE 29 06 782 C2 bekannte Verfahren zur Dämpfung von Ruckelschwingungen bei Brennkraftmaschinen nutzt ebenfalls den ermittelten Drehzahlgradienten für eine Änderung des Betriebs der Brennkraftmaschine, wobei jedoch nicht der Zündwinkel, sondern die Kraftstoffzumessung verändert wird. Die Kraftstoffkorrektur ist zusätzlich abhängig von der Systemlaufzeit und der Frequenz der Ruckelschwingung (Anspruch 1). Dieses Verfahren liegt ersichtlich weiter ab vom erfindungsgemäßen Verfahren.

Ein Verfahren nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1 der vorliegenden Anmeldung offenbart auch die DE 32 43 235 A1 (Titelblatt). Der Korrekturzündwinkel ist bei diesem Verfahren abhängig von Parametern der Brennkraftmaschine, ua der Drehzahl und der Last, variierbar (Anspruch 3), wobei zur Richtungsvorgabe der Zündwinkelverstellung nach früh oder spät ein Drehzahldifferenzsignal ausgewertet wird (Anspruch 5). Von der Auswertung einer ermittelten Lastdifferenz zum Zwecke der Dämpfung von Ruckelschwingungen ist an keiner Stelle dieser Entgegenhaltung die Rede. Hinweise in Richtung dieser Maßnahme lassen sich deshalb aus dieser Druckschrift nicht herleiten. Entsprechendes gilt für die US-PS 4 527 523, die eine Nachanmeldung der Patentanmeldung nach DE 32 43 235 A1 betrifft.

Der Patentanspruch 1 ist nach alledem gewährbar.

Die Patentansprüche 2 bis 6 sind auf weitere Ausgestaltungen des Verfahrens nach Patentanspruch 1 gerichtet. Ihre Patentfähigkeit ergibt sich daher schon aus der des Anspruchs 1.

Tödte Eberhard Köhn Frühauf Hu






BPatG:
Beschluss v. 27.04.2005
Az: 7 W (pat) 63/02


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