Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. April 2005
Aktenzeichen: 28 W (pat) 63/04
(BPatG: Beschluss v. 20.04.2005, Az.: 28 W (pat) 63/04)
Tenor
Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 8 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 15. Januar 2004 aufgehoben.
Wegen des Widerspruchs aus der Marke 701 580 wird die Löschung der angegriffenen Marke 398 18 332 angeordnet.
Gründe
I.
In das Markenregister wurde die Marke (Rollennummer 398 18 332)
TWINPOWER als Kennzeichnung für Waren Kl 8: Handwerkzeuge, insbesondere Sägen, Sägeblätter und -messer, Bandblätter und -messer; Halterungen und Führungsvorrichtungen für Sägeneingetragen. Die Veröffentlichung erfolgte am 24. Februar 2000.
Die Inhaberin der rangälteren, seit dem 5. April 1957 eingetragenen Marke (Rollennummer 701 580)
Twinhat hiergegen Widerspruch erhoben und den Widerspruch auf folgende, für ihre Marke eingetragenen Waren gestützt " Messerschmiedewaren; Handwerkzeuge; Stall- Garten- und landwirtschaftliche Geräte".
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat die Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten; die Widersprechende hat daraufhin behauptet, ihre Marke werde seit mehr als 100 Jahren intensiv benutzt und zum Nachweis der Benutzung eine Broschüre und Kopien aus Prospekten vorgelegt. Ein weiterer Sachvortrag ist zunächst nicht erfolgt, insbesondere ist keine eidesstattliche Versicherung vorgelegt worden.
Die Markenstelle hat den Widerspruch sodann mit der Begründung zurückgewiesen, es fehlten jegliche Angaben über Umfang und Art der Benutzung.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie bekräftigt nunmehr unter Vorlage von zwei eidesstattlichen Versicherungen die Benutzung ihrer Marke auf den Produkten "Messerschmiedewaren" (Messer, Scheren) in den Jahren 1995, 1996 und 2000 bis 2003. Als Nachweis für die Art der Verwendung der Marke legt sie umfangreiches Prospektmaterial vor. Nach ihrer Ansicht besteht zwischen den Marken Verwechslungsgefahr, denn der Markenbestandteil POWER in der angegriffenen Marke sei nur beschreibender Natur und trete beim Vergleich der Marken in den Hintergrund. Auch sei sie Inhaberin einer Markenserie mit dem Bestandteil "Twin", was die Verwechslungsgefahr verstärke.
Die Markeninhaberin hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss sowie auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig (§§ 165 Abs 4, 66 Abs 1 und Abs 2 MarkenG) und hat in der Sache Erfolg, denn zwischen den Marken besteht Verwechslungsgefahr (§ 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG).
Die Widersprechenden hat nunmehr die Benutzung ihrer Marke in den hier maßgeblichen Benutzungs-Zeiträumen von fünf Jahren vor der Veröffentlichung der angegriffenen Marke und den letzten fünf Jahren vor der Entscheidung für "Messerschmiedewaren" ausreichend glaubhaft gemacht. Die vorgetragenen Umsatzzahlen von teilweise über 3 Millionen Euro im Jahr, sowie die - branchenübliche - Anbringung der Marke auf den jeweiligen Waren selbst belegen den umfangreichen und auch funktionsgemäßen Gebrauch der Marke im geschäftlichen Verkehr. Dass die Marke "Twin" teilweise mit Zusätzen wie "Collection", "Crip" oder "Select" verwendet worden ist, würde nur schaden, wenn der Verkehr diesen Zusätzen eine eigene kennzeichnende Wirkung in einem Umfang beimisst, dass er das abweichend benutzte Zeichen dem Gesamteindruck nach nicht mehr mit der eingetragenen Marke gleichsetzt, er also in der benutzten Form nicht mehr dieselbe Marke erkennt. Bei den von der Widersprechenden vorgenommenen Ergänzungen handelt es sich aber vorwiegend um werbeübliche und erkennbar aussageschwache Bestandteile, so dass sie in Verbindung mit der Marke "Twin" keine eigene maßgebende kennzeichnende Wirkung haben; der Verbraucher wird also auch bei den mit "Twin" zusammengesetzten Kennzeichnungen die Widerspruchsmarke als benutzt ansehen (§ 26 Abs 3 MarkenG, BGH WRP 2005, 620 - FERROSIL).
Zwischen den von der Widersprechenden benutzten "Messerschmiedewaren" und den "Handwerkzeugen" der Inhaberin der angegriffenen Marke besteht eine erhebliche Warenähnlichkeit, denn diese Waren sind häufig aus dem gleichen Material gefertigt (Stahl und Edelstahl), sie besitzen oft eine ähnliche Funktion (zB Schneiden und Sägen), womit sich ihr Einsatzbereich je nach Einsatzzweck überschneidet. Zudem werden sie regelmäßig in denselben Geschäften zum Kauf angeboten. Eine solch deutliche Warenähnlichkeit ist auch in Hinblick auf die "Halterungen ...für Sägen" zu bejahen, denn dieses entsprechen den für die Aufbewahrung von Messerschmiedewaren als Zubehör angebotenen Holzböcken.
Die Gewichtung der für die Beurteilung einer Verwechslungsgefahr maßgebenden Faktoren erfordert demnach einen deutlichen Abstand der angegriffenen Marken. Dieser ist hier nicht eingehalten; die jüngere Marke greift vielmehr in den - durchschnittlichen - Schutzbereich der Widerspruchsmarke ein.
Bei der Gegenüberstellung der beiden Marken ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der jüngeren Marke zwar um eine Gesamtwort handelt, die beiden Wortteile "TWIN" und POWER" jedoch aufgrund der Silbentrennung und des deutlich erkennbaren Begriffes "POWER" getrennt gesehen werden. Ob bereits eine unmittelbare Verwechslungsgefahr zu bejahen ist, etwa weil der Bestandteil TWIN in der jüngeren Marke derart hervortritt, dass er den Gesamteindruck allein prägt und POWER wegen seines beschreibenden Inhalts in den Hintergrund tritt, kann hier dahinstehen, denn es ist jedenfalls von einer Verwechslungsgefahr in gedanklicher Hinsicht auszugehen. Die Widerspruchsmarke Twin war bereits zum Zeitpunkt der Anmeldung der jüngeren Marke, im Januar 2000, der Stammbestandteil einer der Widersprechenden zustehenden Markenserie (zB die prioritätsälteren Marken TWINSTAR, TWIN Master, TWIN PROfection, TWIN CUISINE, TWIN Gourmet, Twindur). Diese Marken sind - entgegen der Behauptung der Markeninhaberin, die im Beschwerdeverfahren allerdings nicht mehr aufgegriffen worden ist - von der Widersprechenden auch tatsächlich verwendet worden. Dies ergibt sich bereits aus dem der Markenstelle vorgelegten Messer- und Schleifgeräte-Prospekt sowie nunmehr aus den für die Glaubhaftmachung der Benutzung eingereichten Verwendungsbeispielen. Dieser tatsächliche Gebrauch der Twin-Markenserie dauert fort, denn die Widersprechende ist Inhaberin weiterer, nach der Priorität der angegriffenen Marke eingetragener Twin-Kennzeichnungen (zB TWIN Pollux, TWIN Select, TWIN Artis). Es ist somit davon auszugehen, dass sich der Verkehr bereits zum Zeitpunkt der Anmeldung der jüngeren Marke an eine Markenserie mit den Bestandteil "Twin" gewöhnt hat und dieses Verbraucherwissen anhält. Die Art, wie die jüngere Marke gebildet ist, entspricht der, wie auch die Widersprechenden ihre Markenserie aufgebaut hat; dem Bestandteil "Twin" ist jeweils ein weiterer, meist deutlich beschreibenden Markenteil angefügt. Dem steht auch nicht entgegen, dass die jüngere Marke aus zwei Worten besteht, denn angesichts des unzweideutig erkennbaren Begriffsinhaltes von "POWER" wird der Verkehr die Eigenständigkeit des Markenteiles "Twin" ohne weiteres erkennen. Im Ergebnis spricht also alles dafür, dass der Verkehr, der die ältere Marke Twin und die Twin-Markenserie kennt, die jüngere Marke TWINPOWER eben dieser Markenserie und damit dem Verantwortungsbereich des Unternehmens der Widersprechenden zuordnen wird. Dies umso mehr, als die Grenze zwischen Messerschmiedewaren und Handwerkzeugen fließend ist (so können aus der Sicht der Verbraucher Waren wie Gartenscheren, Taschenmesser, Wetzstähle oder Hackmesser nicht unzweideutig dem Bereich "Handwerkzeuge" oder "Messerschmiedewaren" zugeordnet werden), es damit für den Verbraucher nahe liegt, dass ein Hersteller für "Messerschmiedewaren" seine Produktionspalette auf "Handwerkzeuge" ausweitet. Damit ist das Vorliegen einer gedanklichen Verwechslungsgefahr zu bejahen.
Die Beschwerde hat Erfolg.
Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst, § 71 Abs 1 MarkenG.
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BPatG:
Beschluss v. 20.04.2005
Az: 28 W (pat) 63/04
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