Verwaltungsgericht Köln:
Urteil vom 29. März 2012
Aktenzeichen: 1 K 5556/04
(VG Köln: Urteil v. 29.03.2012, Az.: 1 K 5556/04)
Tenor
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat.
Der Bescheid der Regulierungsbehörde vom 25. Juni 2004 wird insoweit aufgehoben, als damit unter Ziffer 1.1 Bereitstellungsentgelte und unter Ziffer 1.2 Kündigungsentgelte für die Produkte "D. 0 00" und "D. 0 00 hoch" genehmigt werden.
Die Klägerin hat die Kosten der Klagerücknahme zu tragen.
Im Óbrigen tragen die Beklagte und die Beigeladene die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin betreibt öffentliche Telekommunikationsnetze und erbringt Telekommunikationsdienste für die Àffentlichkeit. Mit der Beigeladenen besteht ein Vertrag über den Zugang zu deren Teilnehmeranschlussleitung (TAL).
Die Beigeladene beantragte am 27. April 2004 bei der Regulierungsbehörde für den Zeitraum ab dem 01. Juli 2004 die Genehmigung von Entgelten, die in Zusammenhang mit dem Zugang zu ihren Teilnehmeranschlussleitungen stehen.
Die Beschlusskammer erteilte der Abteilung 1 noch im April 2004 einen auch der Beigeladenen zur Stellungnahme übersandten und später ergänzten Prüfauftrag, in dem sie unter anderem auf verschiedene Steigerungen gegenüber den im letzten Zeitraum genehmigten Entgelten hinwies.
Am 14. Mai 2004 fand bei der Regulierungsbehörde die mündliche Verhandlung statt, an der neben der Beigeladenen auch die Klägerin teilnahm. Nachdem der Prüfbericht der Abteilung 1 vorlag und ergänzende Stellungnahmen vorgelegt wurden, genehmigte die Regulierungsbehörde mit Bescheid vom 25. Juni 2004 (00 00-00-000/0 00.00.00) die Entgelte der Beigeladenen für den Zugang zur TAL nur teilweise und zwar - jeweils in unterschiedlicher Höhe - die einmaligen Bereitstellungsentgelte für 17 Zugangsvarianten (Ziffer 1.1), die Kündigungsentgelte für 17 Zugangsvarianten (Ziffer 1.2) und Entgelte für die Bereitstellung zu besonderen Zeiten (Ziffern 1.3.1 und 1.3.2). Die Genehmigung ist auf § 39 1. Alt. i.V.m. §§ 35 Abs. 1, 24, 25 Abs. 1, 27 Telekommunikationsgesetz vom 25. Juli 1996 (TKG 1996) gestützt und erstreckt sich auf die damals geschlossenen sowie die bis zum 30. Juni 2004 noch zu schließenden Zugangsverträge (Ziffer 2). Sie gilt ab dem 01. Juli 2004 (Ziffer 1) und ist bis zum 30. Juni 2005 befristet (Ziffer 3).
Mit Verfügung 25/2004 (Amtsblatt Regulierungsbehörde 13/2004 vom 30. Juni 2004, S. 642) stellte die Regulierungsbehörde fest, die mit dem vorgenannten Bescheid genehmigten TAL-Entgelte stellten ein Grundangebot im Sinne des § 6 Abs. 5 der Verordnung über besondere Netzzugänge (Netzzugangsverordnung - NVZ - ) dar und seien daher gemäß § 6 Abs. 5 S. 2 NVZ von einem Betreiber nach § 35 Abs. 1 TKG 1996 in seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufzunehmen.
Die Klägerin hat am 28. Juli 2004 Klage gegen die vorgenannte Entgeltgenehmigung erhoben. Sie macht im Wesentlichen geltend:
Der Bescheid der Regulierungsbehörde sei formell rechtswidrig ergangen, weil die Beteiligtenrechte der Klägerin durch die umfassenden Schwärzungen im Verwaltungsverfahren verkürzt würden und der Bescheid zudem unzureichend begründet sei. So fehle es an einer Begründung der Entgeltdifferenzierung zwischen D. 0 00 und D. 0 00 hochbitratig.
Der Bescheid sei materiell rechtswidrig.
Die Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung (KeL) gem. § 3 Abs. 2 Telekommunikations-Entgeltregulierungsverordnung (TEntgV) seien von der Beigeladenen nicht ausreichend nachgewiesen und von der Beklagten nur unzureichend ermittelt worden. Die Beklagte habe erhebliche Effizienzgesichtspunkte nicht ausreichend ermittelt und einfach die beantragten Entgeltpositionen ohne vertiefte und ausreichende Prüfung übernommen (bspw. Stundensätze und Gemeinkosten).
Die Reduzierung der Gemeinkosten durch Festsetzung eines Gemeinkostenanteils von 11,11 % als Zuschlagsfaktor auf die Einzelkosten aufgrund der Empfehlung der EU-Kommission vom 08. April 1998 (98/322/EG, Teil 2) sei fehlerhaft. Die Behörde berücksichtige nicht, dass Gemeinkosten der jeweiligen Dienstleistung zugeordnet werden müssen, § 2 Abs. 2 Satz 2 und 3 TEntgV. Die Regulierungsbehörde verstoße gegen die Maßstäbe zur Ermittlung der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung.
Auch die angesetzten Fakturierungskosten beruhten nicht auf einer den Anforderungen des § 24 Abs. 1 TKG, § 3 TEntgV entsprechenden Kostenprüfung. Die Fakturierungskosten seien unzureichend ermittelt worden. Die Beklagte habe alle Ansätze aus dem Vorgängerbeschluss (Az. BK 4a-03-023/E30.04.03) übernommen, der seinerseits die Kosten nur aus dem Beschluss zu den monatlichen Óberlassungsentgelten vom 29. April 2003 übernommen habe. Die Beklagte habe wesentliche Einsparpotentiale, die durch Automatisierung und die elektronischen Schnittstellen entstanden seien, nicht übernommen. Selbst bei Óbernahme der Kostenansätze aus 2003 hätte sie zumindest eine Effizienzprüfung bzw. einen Effizienzvergleich ("Alsob-Wettbewerbspreis") vornehmen müssen, was zu Lasten der Wettbewerber nicht geschehen sei.
Die Stundensätze der Beigeladenen seien völlig ungeprüft übernommen worden. Sowohl die angenommenen Prozesszeiten als auch die von der Beigeladenen übernommenen Stundensätze führten zu überhöhten Entgelten, was etwa ein Vergleich mit Fremdvergaben eindrücklich zeige.
Des Weiteren seien auch durch eine Erhöhung des Fremdvergabeanteiles weitere Kostensenkungen möglich gewesen.
Die Entgeltgenehmigung betreffend die Kündigungsentgelte sei rechtswidrig. Die der Beigeladenen im Rahmen der Kündigung entstehenden Kosten seien für die Bereitstellung der TAL nicht notwendig. Die Beigeladene dürfe diese Kosten bei Vertragsbeendigung nicht zu den Bereitstellungsentgelten hinzurechnen. Da die Beigeladene im Endkundenmarkt kein Kündigungsentgelt, ein solches aber im Vorleistungsmarkt verlange, ergebe sich eine rechtswidrige Preis-Kosten-Schere.
Schließlich sei die angefochtene Entgeltgenehmigung auch rechtswidrig wegen Verstoßes gegen Art. 82 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften (EGV) i.V.m. § 27 Abs. 3 TKG 1996.
Es bestehe eine Preis-Kosten-Schere zwischen Vorleistungs- und Endkundenpreisen.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 25. Juni 2004 (00 00-00-000/000.00.00) aufzuheben,
Die Klägerin hat am 20. August 2010 die Klage insoweit zurückgenommen, als in der ursprünglichen Anfechtungsklage auch die Entgeltfestsetzungen für andere Produkte bzw. Entgeltpositionen enthalten waren.
Die Klägerin beantragt nunmehr,
den Bescheid der Beklagten vom 25. Juni 2004 (00 00-00-000/000.00.00) insoweit aufzuheben, als damit unter Ziffer 1.1 Einmalige Bereitstellungsentgelte für die Produkte "D. 0 00" und "D. 0 00 hoch" sowie unter Ziffer 1.2 Kündigungsentgelte für die Produkte "D. 0 00" und "D. 0 00 hoch" genehmigt werden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verteidigt den angefochtenen Bescheid und trägt im Wesentlichen vor:
Die durchgeführte Kostenprüfung entspreche den gesetzlichen Vorgaben. Insbesondere habe sie zulässigerweise ihr Ermessen dahingehend ausgeübt, ein Kostenmodell heranzuziehen. Hinsichtlich der Gemeinkosten sei - in Ermangelung prüffähiger Kostenunterlagen - rechtmäßigerweise auf die Empfehlung der EU-Kommission vom 08. April 1998, die eine Experteneinschätzung darstelle, zurückgegriffen worden. Jedenfalls sei sie nicht verpflichtet gewesen, eine spezifische Zuordnung der Gemeinkosten zu den jeweiligen Dienstleistungen vorzunehmen. Zu Recht sei hinsichtlich der Fakturierungskosten auf eine frühere Entgeltgenehmigung zurückgegriffen worden, da keine Erkenntnisse über eine Ànderung dieser Position vorgelegen hätten. Des Weiteren liege eine Preis-Kosten-Schere nicht vor.
Die Beigeladene beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Klage sei unbegründet. Eine Rechtsverletzung der Klägerin hinsichtlich des angesetzten Gemeinkostenzuschlages scheide schon deswegen aus, weil ein höherer Gemeinkostenzuschlag aufgrund der von ihr, der Beigeladenen, vorgelegten, prüffähigen Kostenunterlagen hätte genehmigt werden müssen. Jedenfalls hätte die BNetzA auf den durchschnittlichen Gemeinkostenzuschlagssatz der Beigeladenen zurückgreifen müssen. Die Fakturierungskosten seien zutreffend von der Behörde ermittelt worden. Eine Preis-Kosten-Schere liege nicht vor.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der nach Maßgabe des Kammerbeschlusses vom 08. März 2010 beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Regulierungsbehörde verwiesen.
Gründe
Das Verfahren ist gemäß § 92 Abs.3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) einzustellen, soweit die Klägerin die Klage teilweise in Bezug auf die Genehmigung der einmaligen Bereitstellungs- und Kündigungsentgelte von 15 Produktvarianten sowie für die Entgelte für die Bereitstellung zu besonderen Zeiten (Ziffer 1.3.1 und 1.3.2) zurückgenommen hat.
Im Óbrigen ist die Klage zulässig und begründet. Der angefochtene Beschluss der Regulierungsbehörde vom 25. Juni 2004 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die Klägerin ist gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt, da sie geltend machen kann, durch den angefochtenen Bescheid möglicherweise in ihren eigenen Rechten verletzt zu sein. Die in Rede stehende Entgeltgenehmigung gestaltet gemäß §§ 39 und 29 Abs. 2 Telekommunikationsgesetz vom 25. Juli 1996, BGBl. I S. 1120, (TKG 1996) unmittelbar die zwischen der Klägerin und der Beigeladenen bestehenden privatrechtlichen Vereinbarungen über die Gewährung des TAL-Zugangs, so dass das vom Grundgesetz gewährleistete Recht verletzt sein kann, den Inhalt von vertraglichen Vereinbarungen mit der Gegenseite frei von staatlicher Bindung auszuhandeln,
so zur vergleichbaren Situation bei Zusammenschaltungsentgelten: BVerwG, Beschluss vom 13. Dezember 2006 - 6 C 23.05 -, Buchholz 442.066 § 24 TKG Nr. 2, Rn. 15.
Die Vorschriften des TKG 1996 finden Anwendung, da maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei der Anfechtungsklage gegen Entgeltgenehmigungen der Zeitpunkt der Behördenentscheidung ist,
vgl. BVerwG, Urteil vom 25. April 2001 - 6 C 6.00 - BVerwGE 114, 160 (166 ff.); Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschlüsse vom 27. Mai 2004 - 13 A 1699/02 und 13 A 1701/02 - .
Die Entgeltgenehmigung datiert vom 25. Juni 2004 und wurde am selben Tag und damit vor Inkrafttreten des TKG 2004 der Beigeladenen zugestellt.
Die Klage ist auch begründet.
Der angefochtene Teil des Bescheides vom 25. Juni 2004 ist insoweit, als er die Entgeltgenehmigungen der Produkte "D. 0 00" und "D. 0 00 hoch" unter Ziffern 1.1 und 1.2 betrifft, rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die Genehmigung der monatlichen Óberlassungsentgelte ist § 39 in Verbindung mit § 27 Abs. 1 und 3 TKG 1996.
Danach genehmigt die Regulierungsbehörde Entgelte auf der Grundlage der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung (§ 27 Abs. 1 Nr. 1 TKG 1996).
Die Genehmigung ist unter anderem zu versagen, wenn die Entgelte den Anforderungen des § 24 Abs. 2 Nr. 1 TKG 1996 nicht entsprechen oder mit dem Telekommunikationsgesetz oder anderen Rechtsvorschriften nicht in Einklang stehen (§ 27 Abs. 3 TKG 1996).
Soweit die Regulierungsbehörde monatliche Óberlassungsentgelte für diejenigen Zugangsvarianten genehmigt hat, die auf Kupferleitungen basieren, kommt Art. 3 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2887/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 über den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss (TAL-VO) (ABl. EG Nr. L 336 vom 30. Dezember 2000) als andere Rechtsvorschrift im Sinne des § 27 Abs. 3 TKG 1996 in Betracht. Nach Art. 3 Abs. 3 TAL-VO müssen sich - unbeschadet des hier nicht einschlägigen Art. 4 Abs. 4 TAL-VO - die von gemeldeten Betreibern in Rechnung gestellten Preise für den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss an den Kosten orientieren.
Die Vorschrift ist anwendbar. Die Beigeladene ist im Hinblick auf ihre Marktmacht "gemeldeter Betreiber" (Art. 2 Buchst. a TAL-VO). Unter einem "Teilnehmeranschluss" im Sinne der Verordnung ist die Doppelader-Metallleitung zwischen dem Standort des Teilnehmers und dem Hauptverteiler (HVt) zu verstehen (Art. 2 Buchst. c TAL-VO), was hier alle Zugangsvarianten mit Ausnahme derjenigen einschließt, die auf Glasfaserleitungen beruhen. Die Teilnehmeranschlüsse sind im Sinne von Art. 2 Buchst. f TAL-VO vollständig entbündelt, da sie die Nutzung des gesamten Frequenzspektrums der Doppelader-Metallleitung ermöglichen.
Danach unterliegt die Festlegung der Preise für den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss dem Gebot der Kostenorientierung. Welche Vorgaben Art. 3 Abs. 3 TAL-VO insoweit zu entnehmen sind, ist durch die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) verbindlich festgelegt,
vgl. Urteil vom 24. April 2008 - C-55/06 -, Slg. 2008, I-2931.
Bei der Prüfung, ob das jeweilige Entgelt dem mithin gemäß Art. 249 Abs. 2 EGV unmittelbar geltenden Erfordernis der Kostenorientierung entspricht, steht der Regulierungsbehörde ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu,
vgl. VG Köln, Urteil vom 19. November 2009 - 1 K 4341/02 - unter Bezugnahme auf EuGH, Urteil vom 24. April 2008 - C-55/06 - , Rn. 155 bis 159 http://curia.europa.eu/jurisp/.; Urteil vom 25. Mai 2011 - 21 K 4637/03 - .
Die Feststellungen der Behörde, die sie aufgrund des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums getroffen hat, sind demgemäß vom Gericht nur darauf zu überprüfen, ob die Behörde die gültigen Verfahrensbestimmungen eingehalten hat, von einem richtigen Verständnis des anzuwendenden Gesetzesbegriffes ausgegangen ist, den erheblichen Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt hat und sich bei der eigentlichen Beurteilung an allgemein gültige Wertungsmaßstäbe gehalten, insbesondere das Willkürverbot nicht verletzt hat,
vgl. BVerwG, Urteil vom 02. April 2008 - 6 C 15.07 -, BVerwGE 131, 42 Rn. 14 ff.; Urteil vom 29. Oktober 2008 - 6 C 38.07 -, Buchholz 442.066 § 10 TKG Nr. 2, Rn. 18.
Gemessen an diesen Grundsätzen sind die von der Beklagten im streitgegenständlichen Beschluss zu den Stundensätzen, den Fakturierungskosten und zu den Gemeinkostenzuschlägen getroffenen Feststellungen als beurteilungsfehlerhaft zu beanstanden. Dies führt dazu, dass die Einmalentgelte, soweit sie angefochten sind, rechtswidrig festgelegt worden sind. Denn der Genehmigung der Bereitstellungsentgelte und der Kündigungsentgelte liegen - für alle beantragten und genehmigten Varianten - entsprechend der Kalkulation der Beigeladenen Produkt- und Angebotskosten zugrunde, die sich aus der Multiplikation von Prozesszeiten und Stundensätzen und der anschließenden Addition von Gemeinkostenzuschlägen ergeben.
Obwohl der angefochtene Bescheid keine Ausführungen darüber enthält, welche Stundensätze, Fakturierungskosten und Gemeinkostenzuschlagssätze den jeweils genehmigten Entgelten zugrunde liegen, kann allerdings nicht angenommen werden, dass er bereits wegen nicht ausreichender Begründung rechtswidrig ist. Der Umfang der gemeinschaftsrechtlichen Begründungspflicht für Einzelakte orientiert sich am sachkundigen Beteiligten,
vgl. VG Köln, Urteil vom 19. November 2009 - 1 K 4341/02 - mit weiteren Nachweisen.
Für einen solchen Beteiligten muss selbst bei der Lektüre der in Bezug auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse geschwärzten Entgeltgenehmigung mangels anderweitiger Anhaltspunkte klar sein, dass die Regulierungsbehörde die Stundensatzberechnungen der Beigeladenen übernommen bzw. hinsichtlich der Fakturierungskosten und Gemeinkostenzuschläge eine Reduzierung vorgenommen hat. Wollte man unter diesen Umständen die Wiedergabe auch der Ergebnisse der Berechnungen im Beschluss verlangen, würden die Begründungsanforderungen überspannt, zumal die Begründungspflicht hauptsächlich dem Adressaten der hoheitlichen Maßnahme und nicht dem lediglich Drittbetroffenen dient,
vgl. VG Köln, Urteil 27. August 2009 - 1 K 3427/01 -.
Beurteilungsfehlerhaft und damit rechtswidrig ist aber, dass die Regulierungsbehörde mit der Verwertung und Anerkennung der Stundensatzberechnungen, der Fakturierungskosten und der Gemeinkostenzuschläge der Beigeladenen von einem nicht "zutreffend festgestellten Sachverhalt" ausgegangen ist.
a) Die Regulierungsbehörde hat nämlich bei den Stundensätzen die Ansätze und Berechnungen der Beigeladenen übernommen, obwohl diese ausweislich des Prüfberichts (Ordner 10, 4239 - 4244) mangels Unterlagen nicht nachgewiesen und insgesamt nicht nachvollziehbar sind. Die Einzelheiten der Kritik der Fachabteilung der Regulierungsbehörde stellen, wie im Beschluss der Kammer vom 08. März 2010 dargelegt, schützenswerte Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen dar und dürfen daher in dieser Urteilsbegründung nicht offenbart werden.
Die Regulierungsbehörde hat aufgrund der gerügten Gesichtspunkte nicht die erforderliche Reduzierung der Stundensätze vorgenommen, sondern im Hinblick auf die Reduzierung der Gemeinkosten auf eine weitere Korrektur der Stundensätze verzichtet,
vgl. hierzu VG Köln, Urteil vom 29. März 2012 - 1 K 5299/04 -.
Diese Vorgehensweise stellt einen Fehler dar, da nach § 2 Abs. 2 Satz 1 bis 3 Telekommunikations-Entgeltregulierungsverordnung vom 01. Oktober 1996, BGBl. I S. 1492, (TEntgV) die Einzel- und die Gemeinkosten getrennt nachzuweisen und also auch getrennt zu überprüfen und evtl. zu korrigieren sind. Ein Fehler bei der Berechnung der Stundensätze als Einzelkosten kann nicht bei der Festsetzung der Gemeinkosten berücksichtigt werden. Da nach § 2 Abs. 2 TEntgV Gemeinkosten diejenigen Kosten sind, die sich der Leistung nicht unmittelbar zuordnen lassen, können bei diesen Gemeinkosten also nicht Reduzierungen oder Zuschläge vorgenommen werden, die die beantragten Einzelkosten betreffen. Ebenso kann im Hinblick auf eine vorgenommene Reduzierung der Gemeinkosten nicht von der - erforderlichen - Korrektur der Stundensätze im Hinblick auf die erfolgte Korrektur der Gemeinkostenzuschläge abgesehen werden. Die strikte Kostentrennung nach § 2 Abs. 2 Satz 1 TEntgV würde dadurch unterlaufen.
b) Beurteilungsfehlerhaft und damit rechtswidrig ist die von der Regulierungsbehörde vorgenommene Reduzierung der Fakturierungskosten. Die Regulierungsbehörde hat bei dieser Reduzierung auf einen bereits im vorausgegangenen Beschluss (Az. BK 4a 03-023/E30.04.03) vom 30. Juni 2003 berücksichtigten Wert zurückgegriffen, obwohl bislang die bereits in diesem Beschluss ausführlich dargestellten Mängel nicht durch die betreffenden Kostenunterlagen verbessert wurden. Ausweislich des Prüfberichts (Ordner 10, 4246) ist wegen der Umstellung auf die elektronische Abrechnung das Festhalten am reduzierten Wert mangels Unterlagen nicht nachgewiesen und insgesamt nicht nachvollziehbar. Die Einzelheiten der Kritik der Fachabteilung der Regulierungsbehörde stellen, wie im Beschluss der Kammer vom 08. März 2010 dargelegt, schützenswerte Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen dar und dürfen daher in dieser Urteilsbegründung nicht offenbart werden.
c) Die Festsetzung eines generellen Gemeinkostenzuschlags auf 11,11 % ist rechtswidrig.
Zunächst ist die Regulierungsbehörde zutreffend davon ausgegangen, dass die beantragten Gemeinkosten aufgrund der von der Beigeladenen vorgelegten Unterlagen nicht nachgewiesen und infolgedessen anzuerkennen sind.
Soweit die Regulierungsbehörde als alternative Erkenntnisquelle hinsichtlich eines gerechtfertigten Gemeinkostenzuschlags der Empfehlung der EU-Kommission vom 08. April 1998 (98/322/EG, Teil 2 ) folgt und einen Gemeinkostenzuschlagsatz von 11,11 % festsetzt, ist diese Festsetzung aber rechtswidrig.
Die Regulierungsbehörde unterläuft mit der Festsetzung eines starren Gemeinkostenzuschlags nämlich den vom Gesetz geforderten Kosten- und KeL-Maßstab, wenn anstelle der dem nachweispflichtigen Unternehmen möglichen konkreten Sachverhaltsfeststellungen bloße Schätzungen als Entscheidungsgrundlage zu Lasten der Drittbetroffenen herangezogen werden könnten,
vgl. hierzu VG Köln, Urteil vom 07. Dezember 2011 - 21 K 3259/03 - .
Dabei hat das Verwaltungsgericht trotz der weit reichenden Befugnisse der Regulierungsbehörde sicherzustellen, dass die mit dem Kosten- und KeL-Maßstab verbundenen materiellen Anforderungen tatsächlich eingehalten werden,
so EuGH, Urteil vom 24. April 2008, C - 55/06, a.a.O., Rn. 170.
Dies wäre aber nicht gewährleistet, wenn die tatsächlichen Entscheidungsgrundlagen nur geschätzt würden, obwohl sie - wie hier - durch die Beigeladene im strengeren Sinne hätten nachgewiesen werden können. Zwar sind Schätzungen im Rahmen der Kosten effizienter Leistungsbereitstellung nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht ausgeschlossen, sofern sie auf einer hinreichenden Datenbasis beruhen,
vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Juni 2010 - 6 B 82.09 -, Juris, Rn. 5.
Von einer hinreichenden Datenbasis kann nach den Feststellungen im Prüfbericht vorliegend aber gerade nicht ausgegangen werden. Mangels ausreichender Unterlagen steht der BNetzA keine Datenbasis zur Verfügung, anhand derer eine Zuweisung von 10 % als unternehmensweiter Gemeinkostenanteil plausibel sein könnte.
Die Heranziehung der Empfehlung 98/322/EG als alternative Erkenntnisquelle zur Berechnung des Gemeinkostenzuschlags scheitert daran, dass es sich hierbei nur um eine "Empfehlung" handelt und diese ausdrücklich für Zusammenschaltungsdienste erlassen und also auf den vorliegenden Fall der Entgeltgenehmigung für den Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung (Bereitstellung, Kündigung, Schalten zu besonderen Zeiten) direkt keine Anwendung findet.
Entgegen der Auffassung der Regulierungsbehörde findet sie auch nicht entsprechend Anwendung. Soweit die Regulierungsbehörde der Auffassung ist, Ziffer 3 Satz 3 der Empfehlung lege einen "allgemeingültigen Gemeinkostenanteil" von 10 % fest, kann dem nicht gefolgt werden. Die Regulierungsbehörde verletzt insoweit den rechtlichen Rahmen des ihr eingeräumten Beurteilungsspielraums. Die Meinung der Regulierungsbehörde,
"Denn Ausführungen zu Gemeinkosten können sich sachnotwendig nicht nur auf einen einzelnen Dienst beziehen. Der Charakter von Gemeinkosten ist es gerade, dass sie für mehrere Dienste gemeinsam anfallen, ohne einem einzelnen Dienst der Verursachung nach zuordenbar zu sein. Der in der Empfehlung festgelegte Gemeinkostenanteil von 10 Prozentpunkten muss somit als unternehmensweiter Gemeinkostenanteil angesehen werden, der für jeden einzelnen Dienst gleichermaßen gilt." ( Seite 29 des Bescheides, Ordner 11, 4383)
ist nicht belegt und nachvollziehbar.
Satz 3 enthält bereits keine Aussage über Gemeinkosten von 10 %, sondern verhält sich mit der Zuweisung von Kosten aufgrund eines gut definierten Kostenzurechnungssystems von mindestens 90 %. Daraus folgt, dass bei Vorliegen eines gut definierten Kostenrechnungssystems mindestens 90 % der Kosten auf der Grundlage direkter oder indirekter Kostenverursachung zugewiesen werden können und also plus/minus 10 % Gemeinkosten anzurechnen sind. Der Gemeinkostenanteil ist also nicht starr auf 10 % festgelegt, sondern flexibel und hängt vom Einzelfall ab.
Der Gemeinkostenanteil setzt dabei nach Ziffer 3 Satz 3 ein gut definiertes Kostenzurechnungssystem voraus. Was hierunter zu verstehen ist, ist Ziffer 3 Satz 1 und - für den Fall der Zusammenschaltung - Satz 2 zu entnehmen. Nach Ziffer 3 Satz 1 wird empfohlen, die Zurechnung von Kosten, eingesetztem Kapital und Erträgen gemäß den Grundsätzen der Kostenverursachung (z. B. der aktivitätsorientierten Kostenerfassung ("ABC") vorzunehmen.
Da sich die Kostenverursachung auf einzelne "activities", Leistungen, bezieht, dürften sich bei der Zusammenschaltung andere Leistungen und damit auch andere darauf basierende Kosten ergeben als bei der Bereitstellung des Zugangs. Daraus folgt, dass es keinen allgemeingültigen Gemeinkostenanteil für jeden einzelnen Dienst gleichermaßen gibt. Der Regulierungsbehörde ist es somit verwehrt, einen Gemeinkostenanteil von 10 % generell als unternehmensweiten Gemeinkostenanteil zu Grunde zulegen und aufgrund dessen einen Gemeinkostenzuschlag von 11,11 % in Ansatz zu bringen.
Die Kammer lässt dahingestellt, ob in Bezug auf die Prozesszeiten weitere Beurteilungsfehler vorliegen. Denn schon allein die nicht zutreffend festgestellten Stundensätze, Fakturierungskosten und Gemeinkostenzuschläge führen zur Rechtswidrigkeit der Genehmigung der in Rede stehenden einmaligen Entgelte. Es bedarf daher auch keiner rechtlichen Óberprüfung der Kündigungsentgelte.
Es ist auch nicht Aufgabe des Gerichts, im Rahmen des vorliegenden Anfechtungsrechtsstreits den für die Beurteilung zutreffenden Sachverhalt feststellen zu lassen. Dies liefe nämlich nicht nur darauf hinaus, in unzulässiger Weise die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 TKG 1996 erforderliche Begründung des angefochtenen Verwaltungsakts in einem wesentlichen Punkt von Amts wegen auszutauschen. Es wäre auch nicht mit dem Grundsatz vereinbar, dass im Anfechtungsrechtsstreit von der im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung bestehenden Sachlage auszugehen ist, wofür hier zudem spricht, dass die telekommunikationsrechtliche Entgeltgenehmigung auf einem gemäß §§ 73 bis 75 TKG 1996 formalisierten Beschlusskammerverfahren beruht,
vgl. VG Köln, Urteile vom 21. Februar 2002 - 1 K 5694/98 -, vom
31. Juli 2003 - 1 K 2182/01 - und vom 26. März 2009 - 1 K 5114/07 -.
Die Klägerin wird durch die Rechtswidrigkeit der Entgeltgenehmigung schließlich in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Es besteht zumindest die Möglichkeit, dass eine beurteilungsfehlerfreie Ermittlung der Stundensätze, der Fakturierungskosten sowie der Gemeinkostenzuschläge zu einem niedrigeren Entgelt führt.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 155 Abs. 2 VwGO.
Die Kostentragungspflicht der Beigeladenen ergibt sich aus § 154 Abs. 3 Satz 1 VwGO, da sie einen Klageabweisungsantrag gestellt hat. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind gemäß § 162 Abs. 3 VwGO im Hinblick darauf auch erstattungsfähig.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 709 Sätze 1 und 2 ZPO.
VG Köln:
Urteil v. 29.03.2012
Az: 1 K 5556/04
Link zum Urteil:
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