Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 26. März 1993
Aktenzeichen: 6 U 183/92
(OLG Köln: Urteil v. 26.03.1993, Az.: 6 U 183/92)
1. Die Auskunftspflicht nach § 101 a Abs. 1 S. 1 UrhG ist verschuldensunabhängig; demgegenüber setzt eine Verurteilung zur Rechnungslegung gem. § 97 Abs. 1 ZPO UrhG eine schuldhafte Verletzung von Urheberrechten voraus.
2. Exportiert ein ausländischer (hier: italienischer) Hersteller und Anbieter hinterbeinlose Stahlrohrstühle nach Deutschland, muß von ihm verlangt werden, daß er sich vor dem Vertrieb über die einschlägigen Rechtsfragen im Zusammenhang mit solch einem Vertrieb in Deutschland, insbesondere über etwaige Schutzrechte Dritter, unterrichtet, Unterläßt er dies, kann ihm der Vorwurf einer jedenfalls fahrlässigen Verletzung seiner Erkundigungspflicht nicht erspart werden. Es genügt nicht, wenn das exportierende Unternehmen sich auf Umstände beruft, die es aus seiner Sicht rechtfertigen, von einem rechtlich unbedenklichen Vertrieb in Deutschland auszugehen. Insbesondere kann es nicht davon ausgehen, daß dann, wenn für die von ihm vertriebenen Produkte im Exportland (hier: Italien) Urheberrechtschutz nicht gewährt wird (gewährt worden ist), ein solcher auch im Importland nicht in Betracht kommt. Das gilt auch unter Berücksichtigung von Art. 30, 36 EWGV.
3. Den Hersteller eines Produktes trifft im Hinblick auf etwaige Schutzrechte Dritter eine eigene Erkundigungspflicht; es entlastet ihn nicht, wenn er auf die Rechtmäßigkeit des Handelns seines Abnehmers vertraut.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 13. Mai 1992 verkündete Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 28 O 424/91 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden den Beklagten auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beschwer der Beklagten: jeweils nicht über 60.000,-- DM.
Tatbestand
Die Klägerin produziert und vertreibt
unter anderem hinterbeinlose Stahlrohrstühle. Zu ihrem Programm
gehören dabei auch hinterbeinlose Stahlrohrstühle, die nach einem
von M. im Jahre 1926 geschaffenen, auf dem W. vom D. W.
ausgestellten Stuhl hergestellt werden. Dieser Stuhl ist im Buch
von S. "Der S." unter Nr. 88 abgebildet. Bereits im Jahre 1924
hatte der Fachlehrer G. St. einen anderen hinterbeinlosen
Stahlrohrstuhl geschaffen. An beiden Stühlen steht der Klägerin das
ausschließliche Nutzungsrecht zu. Diese Stühle sind in der
Bundesrepublik Deutschland urheberrechtlich geschützt; sie waren
bereits mehrfach Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten, teilweise
auch von höchstrichterlichen Entscheidungen.
Die Beklagte zu 1), deren
Geschäftsführer der Beklagte zu 2) ist, befaßt sich mit der
Herstellung von Möbeln in Italien und deren Vertrieb. In ihrem
Programm führt sie ebenfalls hinterbeinlose Stahlrohrstühle wie
nachstehend wiedergegeben:
Es folgen zwei Seiten Ablichtungen
Solche Stühle lieferten die Beklagten
auch in die Bundesrepublik Deutschland, so z.B. an das
Einrichtungshaus W. KG in K.
Die Klägerin ist der Ansicht, daß die
Beklagten durch den gewerbsmäßigen Vertrieb dieser
Freischwingerstühle das ihr an dem S.-Stuhl zustehende
Nutzungsrecht rechtswidrig und schuldhaft verletzen.
Während sich das Einrichtungshaus M.
unter dem 7. Februar 1991 gegenüber der Klägerin strafbewehrt
verpflichtet hat, es zu unterlassen, die streitgegenständlichen
Stühle gewerbsmäßig anzubieten oder in den Verkehr zu bringen,
zeigten die Beklagten auf eine dahingehende Abmahnung der Klägerin
vom 3. Juni 1991 keine entsprechende Reaktion.
Die Klägerin hat daher beantragt,
die Beklagten zu verurteilen,
es bei Meidung eines vom Gericht für
jeden Fall der Zuwiderhandlung
festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,-- DM, ersatzweise
Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder einer Ordnungshaft bis zu 6
Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu 2 Jahren,
wobei die Ordnungshaft am Beklagten zu 2) zu vollstrecken ist, zu
unterlassen,
in der Bundesrepublik Deutschland
hinterbeinlose Stahlrohrstühle gewerbsmä-ßig anzubieten oder in
den Verkehr zu bringen,
bei denen von dem U-förmig gebogenen
Bodengestell die beiden Rohrteile nach viertelkreisförmiger Biegung
senkrecht emporsteigen, worauf sie nach weiterer
viertelkreisförmiger Biegung die beiden Sitzstangen parallel oder
nahezu parallel zu den Außenseiten des Bodengestells bilden und
nach weiterer viertelkreisförmiger Biegung als Träger der
Rückenlehne nahezu senkrecht ansteigen, insbesondere wenn sie
freischwebende Armlehnen haben,
oder
Abbildungen solcher Stahlrohrstühle zu
vervielfältigen oder zu verbreiten oder zu vervielfältigen oder
verbreiten zu lassen,
insbesondere wie nachstehend
wiedergegeben:
es folgen die oben (Bl. 4 und 5 des
Urteils) wiedergebenen Ablichtungen der
Stühle -
der Klägerin Auskunft über die Herkunft
und den Vertriebsweg der unter Ziffer
I. 1. bezeichneten Stühle zu erteilen, und zwar unter Angabe des
Namens und der Anschriften der Hersteller, Lieferanten oder anderer
Vorbesitzer, der gewerblichen Abnehmer oder Auftraggeber sowie
über die Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder
bestellten Stühle,
der Klägerin über den Umfang der unter
Ziffer I. 1. beschriebenen Handlungen
Rechnung zu legen, und zwar unter Angabe der einzelnen Lieferungen
unter Nennung
der Typenbezeichnungen, Lieferzeiten,
Lieferpreise und Namen und Anschriften
der Abnehmer,
der Gestehungskosten unter Angabe der
einzelnen Kostenfaktoren sowie
des erzielten Gewinns,
und unter Angabe der einzelnen Angebote
und der Werbung unter Nennung
der Angebotsmengen, Typenbezeichnungen,
Angebotszeiten, Angebotspreise und
Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
der einzelnen Werbeträger, deren Aufla-
genhöhe, Verbreitungszeiten und
Verbreitungsgebiet,
sowie diese Angaben nicht schon in der
Auskunft gemäß Ziffer I. 2. enthalten sind.
II. festzustellen, daß die Beklagten
verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der
dieser durch die unter Ziffer I. 1. beschriebenen Handlungen
entstanden ist und noch entsteht.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten haben sich darauf
berufen, daß nach höchstrichterlicher italienischer Rechtsprechung
die Herstellung von klassischen modernen Möbeln, wozu auch der
streitgegenständliche Freischwingerstuhl zu zählen sei, als
urheberrechtlich nicht schutzwürdig angesehen werde. In Anbetracht
dessen hätten sie - die Beklagten -, denen nach ihrem
erstinstanzlichen Vorbringen die konträre Rechtsprechung in
Italien und der Bundesrepublik Deutschland hierzu bekannt war und
ist, hinsichtlich des Vertriebs der streitgegenständlichen Stühle
in der Bundesrepublik Deutschland weder rechtswidrig noch
schuldhaft gehandelt. Sie hätten vielmehr davon ausgehen können,
daß der Vertrieb der Stahlrohrstühle in der Bundesrepublik
Deutschland zulässig sei. In einem sich bildenden gemeinsamen
europäischen Markt könne es im übrigen nicht angehen, daß ein
Vertrieb dieser Stahlrohrstühle in Italien rechtens, in der
Bundesrepublik Deutschland aber unzulässig sei. Im übrigen seien
sie - die Beklagten - bei enger Auslegung nicht Vertreiber der
besagten Stühle in der Bundesrepublik Deutschland; dies sei
vielmehr die Transportgesellschaft, der die Stühle in Italien
übergeben würden.
Wegen des weiteren erstinstanzlichen
Vortrags der Parteien wird auf den Tatbestand der angefochtenen
Entscheidung Bezug genommen.
Durch Urteil vom 13. Mai 1992 hat das
Landgericht der Klage stattgegeben. Den von der Klägerin geltend
gemachten Unterlassungsanspruch hat das Landgericht aus § 97 Abs. 1
UrhG als begründet angesehen, während es dem Auskunfts- und
Rechnungslegungsanspruch sowie dem Feststellungsantrag der
Klägerin gemäß §§ 97 Abs. 1 UrhG, 242 BGB entsprochen hat. Wegen
der Einzelheiten der Urteilbegründung wird auf die
Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
Gegen dieses ihnen am 2. Juni 1992
zugestellte Urteil haben die Beklagten am 1. Juli 1992 Berufung
eingelegt, die sie nach entsprechender Verlängerung der
Berufungsbegründungsfrist rechtzeitig am 2. November 1992 begründet
haben.
Mit ihrer Berufung wenden sich die
Beklagten nicht gegen das Urteil des Landgerichts, soweit sie darin
(in Ziffer I. 1. des Urteilstenors) gemäß § 97 UrhG zur
Unterlassung verurteilt worden sind. Sie greifen vielmehr allein
ihre Verurteilung zur Auskunftserteilung (Ziffer I. 2. des
Urteilstenors) und Rechnungslegung (Ziffer I. 3. des
Urteilstenors) sowie zur Leistung von Schadensersatz (Ziffer II.
des Urteilstenors) an, die zuletzt genannte Verurteilung aber nur
insoweit, als es um die Zeit vor Verkündung der erstinstanzlichen
Entscheidung geht. Die Beklagten wiederholen und ergänzen ihr
erstinstanzliches Vorbringen. Sie machen geltend, sie hätten nicht
schuldhaft gehandelt. Sie seien von der Rechtmäßigkeit ihres
Handelns überzeugt gewesen und bis zur Verkündung des
erstinstanzlichen Urteils von der Freiheit des Handels mit den
streitgegenständlichen Stühlen in der Bundesrepublik Deutschland
ebenso wie in Italien und Àsterreich ausgegangen. Ihr Vortrag in
der ersten Instanz, wonach ihnen die insoweit von der Rechtslage in
Italien abweichende Regelung des Urheberrechts in Deutschland für
Möbel wie den S.-Stuhl bekannt gewesen sei, beruhe auf einem
Versehen. Tatsächlich hätten sie davon zum Zeitpunkt der Vornahme
der streitgegenständlichen Lieferungen keine Kenntnis gehabt. Die
Beklagten machen weiterhin geltend, zu ihren Gunsten sei jedenfalls
zu berücksichtigen, daß seit der Schaffung des EWG-Vertrages am
01.01.1958 die Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft zu
einer Harmonisierung der in dem jeweiligen Mitgliedstaat geltenden
rechtlichen Bestimmungen aufgerufen seien. In Anbetracht des auf
der Grundlage der italienischen Gesetzgebung aus ihrer Sicht mit
Sicherheit ausschließbaren Bestehens eines Urheberrechtschutzes
für den "S. -Stuhl" hätten sie auch von einem entsprechenden
Ausschluß eines Urheberrechtsschutzes in der Bundesrepublik
Deutschland ausgehen dürfen. Sie hätten zumindest nicht vorhersehen
können, daß die in Artikel 30 EWG-Vertrag zum Ausdruck gebrachte
Freiheit des Warenverkehrs, die in Italien im Bereich des
"S.-Stuhls" uneingeschränkt gewährleistet sei, aufgrund
restriktiver Bestimmungen in der Bundesrepublik Deutschland zu
einem Verbot der Einfuhr der in Italien hergestellten Stühle in die
Bundesrepublik Deutschland führe. Es sei für sie nicht vorhersehbar
gewesen, daß die Gerichte in Deutschland Artikel 36 EWG-Vertrag im
Interesse der in Deutschland ansässigen Hersteller extensiv
auslegen und einen Schutz eines dieser Hersteller gemäß § 97 UrhG
bejahen würden, obwohl ein derartiger Schutz in Italien nicht
gegeben sei. Jedenfalls hätten sie - die Beklagten - annehmen
dürfen, die deutschen Gerichte würden bei einem Export der
streitbefangenen Stühle von Italien nach Deutschland die
Anwendbarkeit des § 97 UrhG mit der Begründung verneinen, daß das
in dieser gesetzlichen Bestimmung geregelte Verbot ein Mittel zur
willkürlichen Diskriminierung der italienischen Hersteller sei
sowie eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen Italien
und Deutschland darstelle (Art. 36 Satz 2 EWG-Vertrag).
Wegen der weiteren Einzelheiten des
Berufungsvorbringens der Beklagten wird auf die
Berufungsbegründung vom 2. November 1992 und auf den Schriftsatz
der Beklagten vom 21. Januar 1993 Bezug genommen.
Die Beklagten beantragen,
unter teilweiser Abänderung des am 13.
Mai 1992 verkündeten Urteils des Landgerichts Köln - 28 O 424/91 -
die Klage abzuweisen,
soweit die Beklagten verurteilt worden
sind,
gemäß dem Klageantrag Ziffer I. 2. der
Klägerin Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der im
Klageantrag unter Ziffer I. 1. bezeichneten Stühle zu erteilen
und
gemäß dem Klageantrag Ziffer I. 3. der
Klägerin über den Umfang der in dem Klageantrag unter Ziffer I. 1.
beschriebenen Handlungen Rechnung zu legen,
und
soweit gemäß Ziffer II. des
Klageantrags festgestellt wurde, daß die Beklagten verpflichtet
sind, der Klägerin auch den Schaden zu ersetzen, der dieser durch
die unter Ziffer I. 1. des Klageantrags beschriebenen Handlungen
entstanden ist, soweit diese Handlungen vor der am 13. Mai 1992
erfolgten Verkündung des Urteils des Landgerichts vorgenommen
worden sind,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen und
den Beklagten zu gestatten, die
Zwangsvollstreckung auch durch Sicherheitsleistung in der Form
einer Bürgschaft einer deutschen Großbank oder Sparkasse
abzuwenden.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurück-
zuweisen;
hilfsweise - im Fall des vollständi-
gen oder teilweisen Unterliegens - der
Klägerin nachzulassen, Sicherheit auch durch die
selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank oder
öffentlichen Sparkasse zu erbringen.
Die Klägerin wiederholt und vertieft
ihren erstinstanzlichen Vortrag unter Verteidigung der
angefochtenen Entscheidung. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens
der Klägerin in der zweiten Instanz wird auf die
Berufungserwiderung vom 6. Januar 1993 Bezug genommen.
Gründe
Die zulässige Berufung der Beklagten
bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Der Anspruch der Klägerin auf Auskunft
und Rechnungslegung sowie der Antrag der Klägerin auf Feststellung
der Schadensersatzpflicht der Beklagten sind auch nach dem
Berufungsvorbringen der Parteien gerechtfertigt.
1.
Das Auskunftsbegehren der Klägerin
(Ziffer I. 2. des Urteilstenors des Landgerichts) ist gemäß § 101 a
Abs. 1 UrhG begründet.
Dabei kommt es nicht darauf an, ob die
Beklagten bei der ihnen vom Landgericht zur Last gelegten
Verletzung der Urheberrechte der Klägerin an dem S.-Stuhl
schuldhaft gehandelt haben. Voraussetzung für die Auskunftspflicht
nach § 101 a Abs. 1 Satz 1 UrhG ist allein das Bestehen eines
Unterlassungsanspruchs aus § 97 UrhG (wie nach zutreffender, wenn
auch nicht einhelliger Ansicht schon vor der Einführung des § 101 a
UrhG im Jahre 1990, vgl. Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 7. Aufl., §
97 UrhG Rn. 27 m.w.N.). Insoweit steht aber nach dem vom
Landgericht ausgesprochenen und von den Beklagten mit der Berufung
nicht angegriffenen Unterlassungsgebot (Ziffer I. 1. des Tenors der
angefochtenen Entscheidung) fest, daß die Klägerin von den
Beklagten zu Recht gemäß § 97 UrhG Unterlassung des Vertriebs der
beanstandeten Stühle fordert.
2.
Die Berufung der Beklagten ist
ebenfalls hinsichtlich des Begehrens der Klägerin auf
Rechnungslegung (Ziffer I. 3. des Tenors der angefochtenen
Entscheidung) erfolglos.
Die Klägerin kann zur Vorbereitung
eines Geldersatzanspruchs aus § 97 Abs. 1 UrhG von den Beklagten
gemäß § 97 Abs. 1 Satz 2 UrhG Rechnungslegung für den gesamten
geltend gemachten Zeitraum - also auch für die Zeit vor dem
13.05.1992 - verlangen.
Anders als der Auskunftsanspruch aus §
101 a UrhG setzt der Rechnungslegungsanspruch eine schuldhafte
Verletzung des Urherberrechts der Klägerin durch die Beklagten
voraus. Von einem derartigen Verschulden der Beklagten ist jedoch
auch nach deren zweitinstanzlichen Vorbringen auszugehen, denn
danach haben die Beklagten zumindest fahrlässig gehandelt. Der
Vorwurf der Fahrlässigkeit erfordert, daß der Handelnde es hätte
wissen können und es daher auch hätte wissen müssen, daß er eine
Rechtsverletzung beging, es aber unter Außerachtlassung der im
Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 BGB) unterließ, die ihm
gegebenen Prüfungsmöglichkeiten auszuschöpfen (vgl.
Fromm/Nordemann a.a.O. § 97 UrhG Rn. 33 m.w.N.). Dabei sind
strenge Anforderungen zu stellen, die umso höher sind, wenn es bei
dem Verletzer - wie im vorliegenden Fall - um den Hersteller geht
(Fromm/Nordemann a.a.O.). Bei Zugrundelegung dieser Grundsätze
haben aber die Beklagten durch den Vertrieb der beanstandeten
Stühle fahrlässig die Urheberrechte der Klägerin an dem S.-Stuhl
verletzt, denn sie haben es unterlassen, sich vor dem Vertrieb über
die urheberrechtliche Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland
zu unterrichten, obwohl ihnen die Umstände eine derartige
Óberprüfung nahelegten.
Die Beklagten haben nicht dem Vortrag
der Klägerin widersprochen, wonach ihnen als in der Möbelbranche
erfahrenen Unternehmen bzw. als in der Möbelbranche erfahrenem
Kaufmann grundsätzlich bekannt war und ist, daß Schutzrechte
Dritter zu beachten sind, und ihnen darüber hinaus aufgrund ihrer
internationalen Tätigkeit ebenfalls geläufig war und ist, daß es
Unterschiede zwischen den nationalen Gesetzes- und Rechtslagen
gibt. Selbst wenn klassische moderne Möbel wie der S. -Stuhl in
Italien keinen Urheberrechtsschutz genießen sollten und den
Beklagten die davon abweichende Rechtslage in der Bundesrepublik
Deutschland bei Vertrieb der streitbefangenen Stühle - nach ihrem
bestrittenen Vortrag - nicht bekannt war, mußten sie deshalb die
Möglichkeit einer anderweitigen Regelung des Urheberrechts in
Deutschland für derartige Möbel in ihre Óberlegungen einbeziehen.
Dementsprechend war von ihnen zu fordern, sich vor Vertrieb ihrer
Stühle über die einschlägigen Rechtsfragen für einen derartigen
Vertrieb in Deutschland zu unterrichten (vgl. BGH GRUR 1960/606,
608 f. "Eisrevue II"), was ihnen schon aufgrund ihrer
internationalen Tätigkeit ersichtlich unschwer möglich gewesen
wäre. Die Beklagten wären dann aber ohne weiteres auf die im
Zusammenhang mit dem S.-Stuhl ergangene Rechtsprechung (z.B. BGH
GRUR 1961/635 f. "Stahlrohrstuhl I"; BGH GRUR 1981/820 f.
"Stahlrohrstuhl II") gestoßen, die in jedem Kommentar zum
Urheberrecht angeführt und erörtert ist. Auf diese Weise hätten
sie nicht nur erfahren, daß klassische moderne Möbel wie der
S.-Stuhl nach deutschem Recht urheberrechtsfähig sein können,
sondern hätten gleichzeitig sogar von den konkret an dem S.-Stuhl
bestehenden Urheberrechten Kenntnis erlangt. Daß sie eine derartige
Óberprüfung durchgeführt haben, ist aber von den Beklagten - trotz
entsprechender Hinweise der Klägerin in der Berufungserwiderung auf
eine Erkundigungspflicht der Beklagten - nicht vorgetragen worden.
Die Beklagten begnügen sich vielmehr mit der Darlegung von
Umständen, die es aus ihrer Sicht rechtfertigten, von einem
rechtlich unbedenklichen Vertrieb der streitbefangenen Stühle in
der Bundesrepublik Deutschland auszugehen. Diese Umstände sind
aber nicht geeignet, die Beklagten von der Erkundigungspflicht zu
der in Deutschland maßgeblichen Rechtslage für den Vertrieb dieser
Stühle zu befreien.
Daß in Italien Möbel wie der S.-Stuhl
keinen Urheberrechtsschutz genießen, wie die Beklagten geltend
machen begründet für sich genommen schon aus den oben angeführten
Erwägungen kein Vertrauen der Beklagten auf eine entsprechende
Regelung des Urheberrechts in Deutschland.
Nichts anderes ergibt sich entgegen der
Ansicht der Beklagten im Hinblick auf Artikel 30, 36 EWGV. Den
Beklagten begegnen als international tätigen Unternehmen bzw. als
international tätigem Kaufmann letztlich in allen Bereichen bei
jedem grenz-überschreitenden Geschäft in den Ländern der
europäischen Gemeinschaft unterschiedliche nationale Vorschriften.
Die Beklagten hätten daher schon konkrete Umstände anführen müssen,
die aus ihrer Sicht die Annahme rechtfertigten, jedenfalls auf dem
Gebiet des Urheberrechts sei die Harmonisierung der Vorschriften
der Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft entgegen den
tatsächlichen Gegebenheiten schon vollzogen. An einem derartigen
Vortrag der Beklagten fehlt es jedoch.
Ohne Erfolg machen die Beklagten
weiterhin geltend, sie hätten nicht vorhersehen können, daß die in
Artikel 30 EWGV zum Ausdruck gebrachte Freiheit des Warenverkehrs,
die in Italien in Bezug auf den S.-Stuhl uneingeschränkt
gewährleistet sei, aufgrund extensiver Auslegung des Artikels 36
EWGV durch die deutschen Gerichte im Interesse der in Deutschland
ansässigen Hersteller zu einem Verbot der Einfuhr der in Italien
hergestellten streitbefangenen Stühle führe. Die Beklagten mußten
bei - dem ihnen unstreitig bekannten - Artikel 36 EWGV auch Satz 1
dieser Vorschrift zur Kenntnis nehmen und beachten. Nach Artikel 36
Satz 1 EWGV steht jedoch Artikel 30 EWGV u.a. nicht solchen
Beschränkungen entgegen, die zum Schutz des "gewerblichen und
kommerziellen Eigentums" gerechtfertigt sind. Diese Regelung gab
damit den Beklagten allen Anlaß, sich näher darüber zu
unterrichten, ob davon auch das nationale Urheberrecht erfaßt wird.
Wären die Beklagten aber dieser Erkundigungspflicht nachgekommen,
wäre ihnen ohne große Mühe die Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofes zur Verträglichkeit von Artikel 30, 36 EWGV mit
unterschiedlichen nationalen Urheber-Schutzrechten bekannt
geworden, wie z.B. die im angefochtenen Urteil angeführte
Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 24. Januar 1989 -
Rechtssache 341/87 -, GRUR Int. 1989/319 f.
Soweit die Beklagten mit der Berufung
geltend machen, sie hätten wenigstens davon ausgehen können, die
deutschen Gerichte würden bei dem Export dieser Stühle von Italien
nach Deutschland die Anwendbarkeit des § 97 UrhG im Hinblick auf
Artikel 36 Satz 2 EWGV mit der Begründung verneinen, daß das in §
97 UrhG geregelte Verbot ein Mittel zur willkürlichen
Diskriminierung der italienischen Hersteller sei und zudem eine
verschleierte Beschränkung des Handels zwischen Italien und
Deutschland darstelle, vermag dieser Vortrag schon deshalb nicht zu
überzeugen, weil er nicht erkennen läßt, ob die Beklagten
tatsächlich die Voraussetzungen des Artikels 36 Satz 2 EWGV vor
Beginn des Vertriebs ihrer Stühle oder auch danach geprüft haben,
wie es von ihnen zu verlangen war. Die Beklagten berufen sich
nämlich lediglich auf diese Norm, ohne näher darzutun, aus welchen
Gründen sie zu der Ansicht gelangt sind, die sehr komplexen
Tatbestandsvoraussetzungen für ein Eingreifen des Artikels 36 Satz
2 EWGV zu ihren Gunsten seien vorliegend erfüllt. Nur dann hätte
aber beurteilt werden können, ob sich die Beklagten insoweit in
der gebotenen sorgfältigen Weise informiert haben und
möglicherweise im Hinblick darauf ein Verschulden der Beklagten zu
verneinen wäre. Die Beklagten haben jedoch ihren Vortrag auch zu
dieser Frage nicht näher ergänzt, obwohl die Klä-gerin in der
Berufungserwiderung unmißverständlich auf ihre - der Beklagten -
Erkundigungspflicht zu den Artikeln 30, 36 EWGV hingewiesen hat (so
daß es keines Hinweises seitens des Senats bedurfte).
Die Beklagten vermag aber ebenfalls
nicht vom Vorwurf der fahrlässigen Verletzung ihrer
Erkundigungspflichten zu entlasten, daß sie auf die Rechtmäßigkeit
des Handelns ihres deutschen Abnehmers, der Firma M. in K.,
vertraut haben wollen. Den Hersteller trifft eine eigene Pflicht
zur Beachtung fremder Rechte, und er kann diese Pflicht nicht auf
einen Dritten verlagern, zumal auch diesem Fehler bei der Prüfung
unterlaufen können (vgl. BGH GRUR 1960/606, 608 "Eisrevue II";
Fromm/Nordemann, a.a.O., § 97 UrhG Rn. 33 m.w.N.).
Schließlich verweisen die Beklagten
ohne Erfolg auf die angeblich von ihnen vorgenommene Belieferung
der im Schriftsatz vom 7. Februar 1992 angeführten österreichen
Firma, der bekannt sein soll, daß sie - die Beklagten - die
streitgegenständlichen Stühle herstellen und in Àsterreich
vertreiben, ohne daß dies jemals von dieser Firma beanstandet
worden sei. Selbst wenn es sich bei dieser österreichischen Firma
um ein Tochterunternehmen der Klägerin handeln sollte - was diese
bestreitet - bräuchte sich die Klägerin das Verhalten dieser Firma
in Bezug auf die Lieferungen der Beklagten in die Bundesrepublik
Deutschland nicht zurechnen zu lassen, wie bereits vom Landgericht
ausgeführt. Dieser Vorgang berechtigte die Beklagten aber auch
nicht, ohne nähere Prüfung der Rechtslage in Deutschland darauf zu
vertrauen, der Vertrieb der Stühle sei nach österreichischem Recht
nicht zu beanstanden und deshalb ebenfalls nach deutschem Recht
bedenkenfrei. Trotz Àhnlichkeiten des deutschen und dem
österreichischen Rechts handelt es sich doch um verschiedene
nationale Regelungen, die auch aus der Sicht der Beklagten eine
abweichende Rechtslage bzw. Rechtsprechung in Deutschland zum
Urheberrecht für den S.-Stuhl als möglich erscheinen ließen und
dementsprechend eine Óberprüfung der deutschen Rechtslage durch
die Beklagten nahelegten.
Haben die Beklagten danach schon vor
Verkündung des erstinstanzlichen Urteils - nämlich bereits mit
Beginn des Vertriebs der streitbefangenen Stühle in Deutschland -
fahrlässig das Urheberrecht der Klägerin verletzt, besteht ihre
Verpflichtung zur Rechnungslegung nach § 97 Abs. 1 Satz 2 UrhG
uneingeschränkt in dem von der Klägerin geltend gemachten und vom
Landgericht der Klä-gerin auch zuerkannten Umfang.
3.
Daraus ergibt sich zugleich, daß auch
die Berufung der Beklagten gegenüber dem Feststellungsantrag der
Klägerin (Ziffer II des Urteilstenors des Landgerichts) unbegründet
ist.
Der Feststellungsantrag der Klägerin
ist zulässig; insbesondere hat die Klägerin gemäß § 256 ZPO ein
schutzwürdiges Interesse an der begehrten Feststellung, denn ohne
die von den Beklagten zu erteilende Auskunft ist die Klägerin nicht
in der Lage, die Höhe des Schadens zu beziffern. Angesichts der
selbst nach erteilter Auskunft erforderlichen eingehenden Prüfung
des Schadensausmaßes ist die Festellungsklage im Hinblick auf die
Nachteile drohender Verjährung der geeignete prozessuale
Rechtsbehelf. Der Feststellungsantrag der Klägerin ist aber
ebenfalls in der Sache - ohne zeitliche Beschränkung -
gerechtfertigt. Wie oben dargelegt haben die Beklagten bereits mit
Aufnahme des Vertriebs der Stühle in Deutschland fahrlässig die
Urheberrechte der Klägerin verletzt. Es spricht nach der
Lebenserfahrung auch eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür,
daß der Klägerin durch diesen Vertrieb ein Schaden entstanden ist
und noch entsteht, den die Beklagten gemäß § 97 Abs. 1 UrhG der
Klägerin - als Gesamtschuldner - ersetzen müssen.
4.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97
Abs. 1 ZPO. Die übrigen Nebenentscheidungen ergehen gemäß §§ 708
Nr. 10, 713, 546 Abs. 2 ZPO.
Dem Antrag der Beklagten auf Zulassung
der Revision war nicht zu entsprechen. Der Umfang der
Prü-fungspflicht zum Bestehen fremder Schutzrechte war bereits
wiederholt Gegenstand der (vorstehend auch angeführten)
höchstrichterlichen Rechtsprechung und wird vom Senat in der
vorliegenden Entscheidung nicht abweichend von dieser
Rechtsprechung beurteilt. Entsprechendes gilt für die
Prüfungspflicht eines ausländischen Unternehmens. Die
Voraussetzungen von § 546 Abs. 1 Ziffer 1 und 2 ZPO für eine
Zulassung der Revision liegen damit nicht vor.
OLG Köln:
Urteil v. 26.03.1993
Az: 6 U 183/92
Link zum Urteil:
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