Bundesgerichtshof:
Urteil vom 17. April 2012
Aktenzeichen: X ZR 54/09
(BGH: Urteil v. 17.04.2012, Az.: X ZR 54/09)
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 10. Februar 2009 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts abgeändert.
Das europäische Patent 1 042 961 wird mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass die Patentansprüche die Fassung der deutschen Übersetzung der Patentschrift erhalten, wobei in den Patentansprüchen 1, 5 und 6 an die Stelle der Worte "Bereich von 60 bis 90 mm" die Worte "Bereich von >60 bis 76 mm" treten und die Patentansprüche 2 und 8 entfallen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zwei Drittel und die Beklagte ein Drittel.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Die Beklagte ist Inhaberin des am 7. Juli 2000 unter Inanspruchnahme der Priorität einer Voranmeldung in den Niederlanden vom 24. März 2000 angemeldeten, mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 042 961 (Streitpatents), das eine Kakaopresse betrifft und acht Patentansprüche umfasst. Die nebengeordneten Patentansprüche 1, 5 und 6 lauten in der Verfahrenssprache Englisch wie folgt:
"1. A press (1) for separating cocoa mass into cocoa cake and cocoa butter, comprising a frame, in which a plurality of pressure elements (6) are disposed, and means (4, 5) for compressing the pressure elements (6), wherein the pressure elements (6) each comprise a cavity (9) for receiving cocoa mass to be pressed, in which cavity (9) at least one squeezer (11) is present, and wherein a filter (10, 10') is disposed in front of the squeezer (11) and on the side of the cavity (9) opposite said squeezer (11), characterized in that, in the filling position of the squeezer (11), the spacing between the said filters (10, 10') is in a range from 60 to 90 mm.
5. A method for operating a press (1) in accordance with the preamble of claim 1, characterized in that, during the step of filling the cavity (9) with cocoa mass, the spacing between the said filters (10, 10') is in a range from 60 to 90 mm.
6. A method for modifying a press (1) in accordance with the preamble of claim 1, characterized in that, in the filling position of the squeezer (11), the spacing between the said filters (10, 10') is in a range from 60 to 90 mm."
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig. Sie hat sich dazu u.a. auf eine Betriebsanleitung der H. B. Maschinenfabrik GmbH aus dem Jahr 1966 (BR3) gestützt, die diese ihren Abnehmern bei Auslieferung der zugehörigen Kakaobutterpresse ausgehändigt habe. 1 Die Beklagte hat das Streitpatent mit einem auf einen Bereich von größer 60 bis kleiner 90 mm eingeschränkten Patentanspruch 1 in deutscher Fassung verteidigt und eine gleichartige Einschränkung auch in den weiteren Patentansprüchen vorgenommen.
Das Patentgericht hat das Streitpatent in vollem Umfang für nichtig erklärt. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie die Patentansprüche 1, 5 und 6 zuletzt noch mit der aus der Urteilsformel ersichtlichen weitergehenden Einschränkung verteidigt, die hinsichtlich der Obergrenze von 76 mm den Patentansprüchen 2 und 8 des erteilten Patents entspricht, weiter hat sie einen Hilfsantrag gestellt. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel insgesamt entgegen.
In einem vor der Rechtbank Den Haag (Niederlande) geführten Rechtsstreit wurde das Streitpatent durch Urteil vom 31. Dezember 2008 in seiner erteilten Fassung für nichtig erklärt, jedoch wurde der Patentinhaberin die Möglichkeit eröffnet, das Patent beschränkt zu verteidigen.
Als gerichtlicher Sachverständiger hat Prof. Dr.-Ing. E. W. , Leiter des Instituts für Lebensmittel, Ernährung und Gesundheit der Hochschule Z. , ein schriftliches Gutachten er- stattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.
Gründe
Die Berufung, mit der das Streitpatent in weiter eingeschränkter Fassung verteidigt wird, hat insoweit Erfolg.
I. Das Streitpatent betrifft eine Presse zum Trennen von Kakaomasse in Kakaokuchen und Kakaobutter, sowie Verfahren zum Betreiben und zum Modifizieren einer solchen Presse. 3 Die Beschreibung des Streitpatents bezeichnet eine Presse dieser Art als aus der Praxis bekannt. Allgemein sei ein Hydraulikzylinder vorgesehen, der in einem mittels zweier getrennter Zugstangen mit einem Halter verbundenen Zylinderblock gebildet sei, wobei in dem Zylinder ein Kolben vorhanden und zwischen diesem und dem Halter eine Reihe von Druckelementen angeordnet sei. Die Druckelemente wiesen einen Topf auf, der einen üblicherweise zylindrischen Hohlraum definiere, in dem ein Kompressor und (beispielsweise zwei) Filter vorhanden seien. Der Raum zwischen den Filtern diene dazu, eine Menge an zu pressender Kakaomasse aufzunehmen (Beschr. Abs. 2). Die Beschreibung gibt für diesen Raum einen Abstand von mehr als 92 mm zwischen den Filtern an (Abs. 23). Da die Kakaoindustrie vielfach fordere, dass in dem Kakaokuchen weniger als 10 Gewichtsprozent Kakaobutter enthalten sei, sei ein verlängertes Pressen bei sehr hohem Druck erforderlich (Beschr. Abs. 4).
Durch das Streitpatent soll entsprechend den Angaben in der Beschreibung (Abs. 11) eine Presse zur Verfügung gestellt werden, die es ermöglicht, vorzugsweise ohne erhebliche Veränderung gegenüber bekannten Pressen die Länge eines Druckzyklus signifikant zu verringern und/oder den Druck zu vermindern. Als objektiv zu lösendes technisches Problem lässt sich daraus ableiten, dass eine Kakaopresse zur Verfügung gestellt werden soll, die es effizient (mit relativ geringem Druck oder in relativ kurzer Zeit) ermöglicht, einen Kakaokuchen mit gewünscht niedrigem Gehalt an Kakaobutter zu erhalten.
Zur Lösung dieses Problems sieht Patentanspruch 1 in seiner noch verteidigten Fassung eine Kakaopresse vor, bei der der Abstand zwischen den Filtern in der Füllposition des Kompressors in einem Bereich von größer 60 mm bis 76 mm liegt. Für das Ausführungsbeispiel ist ein Abstand von 71 mm angegeben. Die Beschreibung erläutert, es sei überraschenderweise festgestellt worden, dass die Dauer des Presszyklus mit der erfindungsgemäßen Presse um 5 bis 10 Minuten vermindert werden könne, während 9 gleichzeitig der erforderliche Druck um etwa 10% reduziert werden könne. Eine erfindungsgemäße Presse mit 16 Töpfen könne so viel Kakaomasse verarbeiten wie eine Presse derselben Länge nach dem Stand der Technik mit 14 Töpfen. Auf Grund des kürzeren Presszyklus sei die Produktionskapazität jedoch um 25 bis 50% höher (Beschr. Abs. 26). Zudem sei die Zusammensetzung der erhaltenen Kuchen homogener; dies verbessere deren Qualität und zeige auch technische Vorteile für den Pressvorgang (Beschr. Abs. 27 bis 29).
Eine erfindungsgemäße Presse zeigt Fig. 2 des Streitpatents:
II. Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt, weil es dessen Gegenstand als durch den Stand der Technik nahegelegt angesehen hat (Art. 56 EPÜ).
Es hat dabei bejaht, dass die eingeschränkt (anstelle einer Bereichsangabe von 60 mm bis 90 mm mit einer Bereichsangabe von größer 60 mm bis kleiner 90 mm) verteidigten Patentansprüche auch in dieser Fassung ursprünglich offenbart seien und die geänderte Bereichsangabe nicht 12 zu einer gegenständlichen Erweiterung führe, da für den Fachmann alle Zwischenwerte mit offenbart seien.
Das Patentgericht ist jedoch zu dem Ergebnis gekommen, dass der Gegenstand der Patentansprüche 1, 5 und 6 auch in ihren verteidigten Fassungen durch den Stand der Technik nahegelegt sei. Die Betriebsanleitung der H. B. Maschinenfabrik GmbH aus dem Jahr 1966 (BR3), die eine Kakaopresse mit allen Merkmalen des Oberbegriffs des Patentanspruchs 1 beschreibe, gebe für den Abstand zwischen den Filtern in der Füllposition des Kompressors lediglich die Werte 60 mm und 90 mm an und nehme die eingegrenzten Werte der verteidigten Patentansprüche damit nicht vorweg. Jedoch sei dem Fachmann, einem Maschinenbauingenieur mit langjähriger Erfahrung in der Konstruktion von hydraulischen Pressen, wenn nicht durch die BR3 selbst, jedenfalls durch sein Fachwissen, wie es etwa die BR4 (Der B. , Hausmitteilungen der Firma H. B. GmbH, Hamburg-Altona, Mai 1959, S. 7 Nr. 7; S. 9 Abs. 1) und H. F. , Handbuch der Kakaoerzeugnisse, 2. Aufl. 1965 (BR10; Vorwort; S. 174) belegten, bekannt gewesen, dass mittels Filterplatten verkleinerte Druckkammern dünnere Presskuchen lieferten, die auf Fettgehalte zwischen 7 und 8% angepasst werden könnten. Der Fachmann habe dann nur durch einfache Versuche ermitteln müssen, ob auch bei den gegenüber 90 mm kleineren Abständen größer 60 mm das Erwartete eintrete und die geforderten Kakaobuttergehalte bei hoher Produktionskapazität erhalten werden.
III. Das hält auf der Grundlage der nunmehr zulässigerweise verteidigten Fassung des Streitpatents der Überprüfung nicht stand.
1. Gegen die von der Patentinhaberin vorgenommene Bereichseinschränkung bestehen keine Bedenken. Die neue Obergrenze von 76 mm ist bereits in den ursprünglichen Unterlagen (insbesondere ursprünglicher Patentanspruch 4) als zur Erfindung gehörend offenbart; sie ist zudem auch in der Streitpatentschrift enthalten (Beschr. Abs. 15, Patentansprüche 2 und 8). 15 Die Änderung der Untergrenze von 60 mm auf größer als 60 mm entspricht den Kriterien, die auch die Große Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts zur Zulässigkeit eines Disclaimers zur Herstellung der Neuheit gegenüber dem Stand der Technik entwickelt hat (EPA - Große Beschwerdekammer - Entscheidungen vom 4. April 2004 - G 1/03, G 2/03, ABl. EPA 2004, 413, 448 = GRUR Int. 2004, 959 - Disclaimer/PPG, und Disclaimer/GENETIC SYSTEMS; Entscheidung vom 30. August 2011 - G 2/10 - Disclaimer/SCRIPPS).
2. Für die Herstellung kakaohaltiger Produkte wie Schokolade und Kakaogetränke bedarf es der Trennung von Kakaobutter und Kakaopulver. Der Restfettgehalt des Kakaopresskuchens, der beim Abpressen der Kakaomasse zurückbleibt, liegt je nach Abpressgrad bei >20% bei schwach entölten Presskuchen und bei 8 bis 20% bei stark entölten Presskuchen. Für die Verarbeitung werden gegebenenfalls auch Fettgehalte von <10% benötigt. Der Pressdruck bestimmt dabei, wie weit der Presskuchen komprimiert werden kann und wie schnell der Kompressionsvorgang erfolgt. Je höher der Pressdruck ist, desto schneller kann der gewünschte Kakaobuttergehalt erreicht werden (GA W. S. 3/4).
3. Der Gegenstand des zulässigerweise verteidigten Patentanspruchs 1 ist neu. Der Bereich für den Filterabstand, auf den sich die Patentinhaberin nunmehr beschränkt, wird von keiner Entgegenhaltung vorweggenommen.
4. Dass sich der Gegenstand des Streitpatents mit dieser eingeschränkten Bereichsangabe in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergab (Art. 56 EPÜ), kann nicht bejaht werden.
Der Unterschied insbesondere zur BR3 liegt ausschließlich in dieser Bemaßung. BR3 Seite 40 gibt hierzu (unter 3.3) an, dass die normale Presskammer eine Höhe von 90 mm hat, aber mittels einer Zwischenplatte um ein Drittel, d.h. auf 60 mm, verkleinert werden kann. Damit ist, wie das Patentge-18 richt zutreffend angenommen hat, ein beliebiger Wert >60 mm und <90 mm in der BR3 nicht offenbart; Werte von 90 mm und 60 mm waren dagegen vorbeschrieben, letzterer unter Verwendung einer Zwischenplatte. Für die bejahende Beantwortung der Frage, ob der Fachmann, ein Maschinenbauingenieur mit langjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der hydraulischen Pressen insbesondere für den Lebensmittelbereich, im Sinn der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 30. April 2009 - Xa ZR 92/05, BGHZ 182, 1 = GRUR 2009, 746 - Betrieb einer Sicherheitseinrichtung) Veranlassung hatte, unter Abweichung von den vorbeschriebenen Werten den nunmehr verteidigten Wertebereich auszuwählen, fehlt es an einer hinreichenden tatsächlichen Grundlage. Zwar liegt der verteidigte Bereich mit seiner unteren Grenze nahe an dem Wert, der sich aus der BR3 unter Verwendung der Zwischenplatte ergibt. Gleichwohl bietet die BR3 weder für eine Überschreitung des Werts von 60 mm noch für die obere Bereichsgrenze von 76 mm einen Anhaltspunkt. Die deutsche Auslegeschrift 1 109 501 aus dem Jahr 1961 (BR15) nennt Töpfe geringer Füllhöhe von etwa 20 mm bis 30 mm und vermittelt damit ebenfalls keine Anregung, gerade den Wert von größer 60 mm bis 76 mm auszuwählen.
Allerdings können dem Stand der Technik durchaus Anregungen entnommen werden, gegebenenfalls von der über Jahre eingeführten Füllhöhe von rund 90 mm nach unten abzugehen. Dies ergibt sich sowohl aus der BR4, die (S. 9) angibt, dass die stärkste Abpressung (der Kakaobutter) bei reduziertem Füllinhalt unter Verwendung von Einsatzplatten zur Erzeugung dünner Kakaokuchen zu erreichen sei; dementsprechend gibt auch das Handbuch der Kakaoerzeugnisse von Heinrich Fincke, 2. Auflage 1965, Seite 174 (BR10) an, dass der Inhalt der Druckkammern durch besondere Filterplatten verkleinert werden könne, wodurch man dünnere Presskuchen erhalte, die auf einen Fettgehalt bis zu 7 bis 8% abgepresst werden könnten.
Diesen Anregungen war allerdings mit den zitierten Angaben in der BR3 bereits Rechnung getragen; es sind keine weitergehenden Anregungen 23 ersichtlich, von dem Vorschlag in der BR3 abzuweichen und nicht nur für bestimmte Fälle das Kammervolumen durch die Verwendung von Einsatzplatten zu verkleinern, sondern für das Kammervolumen von vornherein gerade den eingeschränkten Bereich auszuwählen, für den die Patentinhaberin jetzt noch Schutz begehrt.
Soweit sich die Klägerin darauf beruft, dass ausgehend von diesen Anregungen geeignete Werte mit wenigen und zumutbaren Versuchen hätten ermittelt werden können, ergibt sich daraus ein Naheliegen des konkreten Bereichs nicht. Die mengenmäßige, qualitative und zeitlich schnelle Ausbeute hängt vom geschickten Einsatz teils verschiedener, verhältnismäßig leicht variierbarer Parameter wie dem Druck beim Abpressen, teils nicht ohne weiteres beeinflussbaren Größen wie den Füllzeiten und den Rüstzeiten, die beim Abpressen kleinerer Volumina zum Erreichen der gleichen mengenmäßigen Ausbeute in größerer Zahl anfallen, ab. Es handelt sich damit um ein durchaus komplexes System, bei dem eine Optimierung entgegen der Auffassung des Patentgerichts jedenfalls nicht ohne weiteres zu erreichen war. Dies hat auch der gerichtliche Sachverständige bestätigt. Es lag zwar, wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung zu Recht ausgeführt hat, auf der Hand, dass eine Verkleinerung des Kammervolumens eine kürzere Presszeit und/oder einen geringeren Pressdruck ermöglichte. Verhandlung und Beweisaufnahme haben jedoch keine Anhaltspunkte dafür erbracht, dass aus fachmännischer Sicht zu erwarten war, hiermit auch eine höhere Produktivität zu erzielen. Denn die verkürzte Presszeit führte hierzu nur dann, wenn der mit ihr verbundene Vorteil nicht durch verlängerte Füll- und Rüstzeiten aufgezehrt wurde. Wenn im Stand der Technik ein Kammervolumen von 60 mm nur in denjenigen Fällen verwendet wurde, in denen wegen des gewünschten besonders hohen Entfettungsgrades mit dem normalen Kammervolumen von 90 mm oder größer nicht gearbeitet werden konnte, lässt dies darauf schließen, dass das größere Kammervolumen trotz des Umstands, dass dieses naturgemäß einen höheren Druck und/oder längere Presszeiten 25 erforderte, als betriebswirtschaftlich günstiger als ein Kammervolumen von 60 mm oder gar, wie in der BR15, noch deutlich darunter, angesehen worden ist. Andernfalls wäre es sinnwidrig gewesen, ein Kammervolumen von 60 mm nur bei einem gewünschten besonders hohen Entfettungsgrad zu verwenden und für diese Fälle in Kauf zu nehmen, dass sich das gesamte Füllvolumen der Presse hierbei durch die Verwendung der Einsatzplatten um ein Drittel verminderte und die Produktivität der Presse dementsprechend niedriger war. Das Verdienst der Patentinhaberin ist es demgegenüber, ein optimiertes System aufgezeigt zu haben, in dem die Verringerung des Kammervolumens gerade nicht zu einer Verringerung, sondern zu einer Erhöhung der Produktivität führt. Als mögliche Erklärung hierfür ergibt sich aus dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen, dass der Pressdruck im Stand der Technik oberhalb des kritischen Kompressionsdrucks gelegen haben mag, von dem an der Massenstrom der abzupressenden Kakaobutter durch Druckerhöhung in Folge der Kompressibilität des Feststoffgerüsts und der damit einhergehenden Porendurchmesserreduktion nicht mehr gesteigert werden kann.
Die Ermittlung des kritischen Kompressionsdrucks hat der Sachverständige als durchaus anspruchsvolle Aufgabe bezeichnet. Es mag zwar sein, dass der Fachmann hierzu gleichwohl in der Lage gewesen wäre oder den kritischen Kompressionsdruck mit Hilfe eines hinzuzuziehenden Fachmanns mit vertieften verfahrenstechnischen Kenntnissen oder auch durch bloßes Ausprobieren hätte ermitteln können. Es haben sich jedoch keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Fachmann Anlass hatte, Überlegungen in diese Richtung anzustellen. In der BR4 wird ausgeführt, dass der Füllinhalt der Presse verschieden groß sein könne; so ließen sich entsprechend der Art des abzupressenden Kakaos und des Abpressungsgrads die jeweils besten Verhältnisse erzielen (S. 3 Abs. 4): Bei "normalem" Füllinhalt erfolgt eine starke Abpressung, für schwächere Abpressungen kann der flüssige Kakao unter Druck eingefüllt werden (S. 3 unten/S. 4 oben); so ergibt sich ein ma-26 ximaler Füllinhalt (S. 9 oben). Schließlich kann für die stärkste Abpressung zur Erzeugung dünner Kakaokuchen unter Verwendung von Einsatzplatten mit einem reduzierten Füllinhalt gearbeitet werden. Die Reduzierung des Kammervolumens erfolgt dabei lediglich, um eine besonders starke Abpressung erzielen zu können; sie setzt einen relativ dünnen Kuchen voraus. Zu diesem Zweck werden die Einsatzplatten zur Verringerung der Höhe der Presskammer und damit zur Verringerung des Abstands zwischen den Filtern eingefügt. Ausgehend von diesem Stand der Technik lässt sich ohne weitere Anregung allenfalls die Überlegung als nahegelegt ansehen, ob die Füllhöhe wie nach der BR3 tatsächlich um ein Drittel vermindert werden muss oder ob eine davon abweichende Verringerung ebenfalls ausreichen kann, um hinreichend stark entfettete Presskuchen zu erzeugen. Für eine Verringerung des "normalen" Kammervolumens und für die Annahme, dass sich durch eine Verringerung der Presskammerhöhe auf einen Wert von bis zu 76 mm die Produktivität erhöhen lasse, bot dies jedoch keinen Anhalt.
Im Übrigen lenkt, worauf die Beklagte zu Recht hingewiesen hat, der Stand der Technik den Fachmann auf andere Optimierungsmaßnahmen hin, wie die pressgerechte Vorbereitung der Kakaomasse, die in der BR3 (S. 72) als "von allergrößter Wichtigkeit" bezeichnet wird, "um gute Pressresultate bzw. hohe Pressleistungen zu erzielen"; auch im Handbuch der Kakaoerzeugnisse wird auf diesen Gesichtspunkt hingewiesen, wenn dem Zusatz von Lecithin eine das Abpressen der Kakaobutter erleichternde und beschleunigende Wirkung zugeschrieben wird (BR10, S. 172). Die Veröffentlichung der internationalen Patentanmeldung 92/12853 (BR7) zeigt schließlich, dass auch jüngere Überlegungen zu Maßnahmen zur Produktivitätserhöhung in eine andere Richtung gegangen sind, indem versucht worden ist, entweder die Filterfläche zu vergrößern oder die Filterform zu verändern.
Das weitere von der Klägerin angeführte Argument, bei einem Umbau der Anlage nach der BR3 wäre der Anwender auf die Werte gestoßen, die dem verteidigten Patentanspruch zugrunde liegen, ist durch nichts belegt und 27 erweist sich deshalb als spekulativ; damit kann es die Annahme, die Werte hätten sich in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergeben, nicht stützen.
5. Die verteidigten nachgeordneten Patentansprüche werden durch die Schutzfähigkeit der Patentansprüche 1, 5 und 6 in ihrer verteidigten Fassung mitgetragen.
IV. Eine unzulässige Erweiterung hat die Klägerin nicht schlüssig geltend gemacht, weil Maßstab hierfür nicht die ursprünglich eingereichten Patentansprüche sind, sondern der gesamte Offenbarungsgehalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen ist (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juni 2010 - Xa ZR 124/07, GRUR 2010, 910 - fälschungssicheres Dokument). Zudem stand es der Patentinhaberin grundsätzlich frei, als zur Erfindung gehörend offenbarte Merkmale nicht in allen Verästelungen in den Patentanspruch aufzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 16. Oktober 2007 - X ZR 226/02, GRUR 2008, 60 - Sammelhefter II). Die Klägerin ist in der mündlichen Verhandlung auf diesen Nichtigkeitsgrund, der sich ohnehin nur gegen das Patent in seiner erteilten Fassung, nicht aber gegen verteidigte Fassungen richten könnte, nicht mehr zurückgekommen. 29 V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs. 2 PatG, § 91 Abs. 1 ZPO, § 97 Abs. 1 ZPO.
Meier-Beck Keukenschrijver Mühlens Grabinski Schuster Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 10.02.2009 - 3 Ni 24/07 (EU) - 31
BGH:
Urteil v. 17.04.2012
Az: X ZR 54/09
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