Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. Februar 2005
Aktenzeichen: 33 W (pat) 90/03
(BPatG: Beschluss v. 15.02.2005, Az.: 33 W (pat) 90/03)
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des Patentamts vom 30. Januar 2003 aufgehoben, soweit der Widerspruch hinsichtlich der Waren "Kaffee, Tee, Kakao, Kaffee-Ersatzmittel" zurückgewiesen worden ist.
2. Hinsichtlich der genannten Waren wird die Löschung der Marke 300 77 165 wegen des Widerspruchs aus der Marke 1 085 259 angeordnet.
Gründe
I Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist gegen die Eintragung der für die Waren und Dienstleistungen
"Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis, Tapioka, Sago, Kaffee-Ersatzmittel; Mehle und Getreidepräparate; Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, Speiseeis; Honig, Melassesirup; Hefe, Backpulver; Salz; Senf; Essig, Saucen (Würzmittel); Gewürze; Kühleis; Dienstleistungen eines E-Commerce-Abwicklers, nämlich Warenpräsentation, Bestellannahme, Lieferabwicklung sowie Rechnungsabwicklung für elektronische Bestellsysteme; Bereitstellung einer E-Commerce-Plattform im Internet"
bestimmten Marke 300 77 165 aufgrund der für die Waren und Dienstleistungen
"Babykost; diätetische Lebensmittel, Kaffee, Tee, Kakao, Teegetränke, Kakaogetränke, Schokoladegetränke; Kaffee- oder Kakaopräparate für die Herstellung von alkoholischen oder alkoholfreien Getränken; für die menschliche Ernährung zubereitetes Getreide, insbesondere Haferflocken oder andere Getreideflocken und Getreidepräparate; Aromastoffe für Nahrungsmittel; alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken (soweit in Klasse 32 enthalten); alle vorgenannten Waren, soweit möglich, auch in Instant-Form"
am 5. Dezember 1985 eingetragenen Marke 1 085 259 am 4. Mai 2001 Widerspruch erhoben worden.
Die Markenstelle für Klasse 35 hat den Widerspruch durch Beschluss vom 30. Januar 2003 zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass die sich gegenüberstehenden Waren zwar teilweise im markenrechtlichen Sinn identisch bzw ähnlich seien, die angegriffene Marke jedoch den für die Verneinung der Verwechslungsgefahr erforderlichen deutlichen Abstand zur Widerspruchsmarke einhalte. Dies gelte insbesondere auch in klanglicher Hinsicht. Die Markenworte stimmten lediglich hinsichtlich der Buchstabenfolge "press" überein. Die Unterschiede im Wortbeginn und in der Endung prägten jedoch einen hinreichend verschiedenen Wortcharakter. Bedingt sei dieser zum einen durch die verschiedene Silbenzahl. Zum anderen sei die Endung auf dem Vokal "o" in der deutschen Sprache ungewöhnlich, sie lasse ein italienischsprachiges Wort vermuten, so dass bedingt durch diesen Eindruck der Unterschied in der Endung nicht unbemerkt bleiben werde. "Impress" sei der englischsprachige Ausdruck mit der Bedeutung "einprägen, imponieren, Abdruck". Die an englische Bezeichnungen gewöhnten deutschen Verkehrskreise würden in entscheidungserheblichem Maße dieses Markenwort nach den englischen Sprachregeln aussprechen, was eine von der rangminderen Marke erheblich abweichende Betonung der Silben sowie einen verschiedenen Sprachrhythmus bedinge. Zudem erleichtere der genannte Sinngehalt die Unterscheidbarkeit der Marken.
Gegen diese Beurteilung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie trägt vor, dass die sich gegenüberstehenden Marken die Buchstaben "i, p, r, e, s, s" enthielten. An zweiter Stelle in den jeweiligen Wörtern erscheine der Buchstabe "n" bzw "m". Diese Buchstaben seien sich im Schriftbild und klanglich sehr ähnlich. Vor diesem Hintergrund vermöge der Buchstabe "o" am Wortende der angegriffenen Marke eine Ähnlichkeit der beiden Marken nicht auszuschließen, zumal dem Wortende eine geringere Bedeutung zukomme als dem Wortanfang.
Die Widersprechende beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen mit der Maßgabe, dass der Widerspruch sich nur noch gegen die Waren "Kaffee, Tee, Kakao und Kaffee-Ersatzmittel" richtet.
Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hat vorgetragen, dass die Abweichungen hinsichtlich des "m/n" am Wortanfang und des zusätzlichen "o" am Wortende genügten, um Verwechslungen der Begriffe sicher auszuschließen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt und das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
II Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist begründet. Der Senat hält die Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zwischen den sich gegenüberstehenden Marken hinsichtlich der nunmehr lediglich beanspruchten Waren "Kaffee, Tee, Kakao und Kaffee-Ersatzmittel" für gegeben.
Ob Verwechslungsgefahr besteht, hängt nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG von der Identität oder Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Marken einerseits und andererseits von der Identität oder Ähnlichkeit der von den beiden Marken erfassten Waren ab, wobei von einem durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers auszugehen ist (EuG GRUR Int 1999, 734 - Lloyd; BGH GRUR 2000, 506 - ATTACHÉ/TISSERAND).
Darüber hinaus sind alle weiteren Umstände zu berücksichtigen, die sich auf die Verwechslungsgefahr auswirken können, insbesondere die Kennzeichnungskraft der älteren Marke (EuGH aaO - Lloyd; BGH aaO - ATTACHÉ/TISSERAND; GRUR 1999, 995 - HONKA). Dabei stehen die verschiedenen für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr heranzuziehenden Faktoren in einer Wechselwirkung, so dass z.B. ein geringerer Grad an Markenähnlichkeit durch eine höhere Kennzeichnungskraft der älteren Marke bzw. durch einen höheren Grad an Warenähnlichkeit ausgeglichen werden kann (stRspr vgl BGH GRUR 2000, 603 - Cetof/ETOP). Nach diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall eine Verwechslungsgefahr hinsichtlich der noch streitgegenständlichen Waren zu bejahen.
Nachdem Benutzungsfragen hier nicht einschlägig sind, ist für die Frage der Ähnlichkeit der Waren von der Registerlage auszugehen. Die Waren "Kaffee", "Tee" und "Kakao" sind in beiden Warenverzeichnissen identisch enthalten. "Kaffee-Ersatzmittel" in der angegriffenen Marke sind hochgradig ähnlich mit "Kaffee" der Widerspruchsmarke.
Mangels anderweitiger Anhaltspunkte legt der Senat im vorliegenden Fall eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zugrunde.
Die angegriffene Marke hält bei dieser Ausgangslage den insoweit erforderlichen größeren Abstand zur Widerspruchsmarke jedenfalls in klanglicher Hinsicht bezüglich der noch streitgegenständlichen Waren nicht ein.
Dabei ist davon auszugehen, dass die angegriffene Marke in klanglicher Hinsicht von dem Wortbestandteil "inpresso" geprägt wird, denn beim Zusammentreffen von Wort- und Bildbestandteilen misst der Verkehr in der Regel dem Wort als einfachster und kürzester Bezeichnungsform eine prägende Bedeutung zu (stRspr vgl BGH GRUR 2001, 1158, 1160 - Dorf MÜNSTERLAND). Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn das Bild durch seinen Umfang und seine kennzeichnende Wirkung die Marke derart beherrscht, dass das Wort kaum mehr beachtet wird oder jedenfalls eine so prägende Wirkung entfaltet, dass es von einem beachtlichen Teil des Verkehrs als eigenständiger Herkunftshinweis aufgefasst wird. Dafür gibt es im vorliegenden Fall keinem ausreichenden Anhaltspunkte. Die angegriffene Marke weist im letzten Buchstaben "o" einen in hellbrauner Farbe gehaltenen Pfeil auf, der von rechts unten nach links oben zeigt und einen kleinen Teil des Buchstaben "o" am unteren Rand verdeckt.
Gegenüber stehen sich in klanglicher Hinsicht daher insoweit die Wörter "impress" und "inpresso", die sich zum einen dahingehend unterscheiden, dass sich als zweiter Buchstabe in dem einen Begriff ein "m", im anderen Begriff ein "n" befindet. Die Buchstaben "n" und "m" sind in ihrer Aussprache so ähnlich, dass eine Verwechslungsgefahr durch diese Abweichung keinesfalls ausgeschlossen werden kann. Zum anderen weicht die jüngere Marke von der Widerspruchsmarke dadurch ab, dass an ihrem Ende ein "o" steht. Unter Berücksichtigung des Grundsatzes, dass die angesprochenen Verkehrskreise, hier der allgemeine Verkehr, dem Wortende eine geringere Beachtung schenken, ist zu befürchten, dass das unbetonte "o" am Wortende einer Verwechslungsgefahr nicht ausreichend entgegenwirken kann. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil ein erheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise beide Marken entsprechend den allgemein geltenden Betonungsregeln auf der zweiten übereinstimmenden Silbe "press" betonen wird. Soweit die angesprochenen Verkehrskreise die angegriffene Marke als italienisches Wort wahrnehmen bzw. - gerade bezüglich der noch streitgegenständlichen Waren - an den Begriff "Espresso" denken, werden sie die Marke ebenfalls auf der zweiten Silbe betonen. Auch das englische Wort "impress" - soweit die angesprochenen Verkehrskreise dieses erkennen - wird als Verb oder als Substantiv auf der zweiten Silbe betont.
Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage besteht kein Anlass aus Gründen der Billigkeit einer der Verfahrensbeteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 71 Abs. 1 MarkenG aufzuerlegen.
Winkler Richterin Pagenberg befindet sich in Urlaub und ist verhindert zu unterschreiben.
Winkler Dr. Hock Cl
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Beschluss v. 15.02.2005
Az: 33 W (pat) 90/03
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