Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. November 2005
Aktenzeichen: 25 W (pat) 57/04
(BPatG: Beschluss v. 10.11.2005, Az.: 25 W (pat) 57/04)
Tenor
Auf die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 10. Februar 2004 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
Gründe
I.
Die Marke StressNoist am 6. April 2000 unter der Nummer 399 74 800 ua für
"Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke; Babykost"
in das Markenregister eingetragen worden.
Dagegen haben die Inhaberin der seit dem 3. November 1997 für die Waren
"Diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke"
unter der Nummer 2 104 137 eingetragenen nationalen Marke Stressonsowie die Inhaberin der seit dem 26. November 1999 für die Waren
"Nährstoffhaltige Substanzen für die Behandlung von stressbedingten Stoffwechselkrankheiten durch enterale Verabreichung"
unter der Nummer EU 571 943 eingetragenen Gemeinschaftsmarke Stresson Widerspruch erhoben.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat durch Erstprüferbeschluss vom 29. August 2001 die Löschung der angegriffenen Marke aufgrund der Widersprüche aus den Marken EU 571 943 und 2 104 137 für die bei der angegriffenen Marke genannten Waren angeordnet und im übrigen die Widersprüche zurückgewiesen.
Ausgehend von der Registerlage, wonach die Marken sich hinsichtlich der gelöschten Waren auf identischen oder sehr ähnlichen Erzeugnissen begegnen könnten, sowie einer durchschnittlichen KK der beiden WiM müssten die Marken beachtliche Unterschiede aufweisen, um eine VG zu vermeiden. Dies sei jedoch nicht der Fall. Zwar könne den Marken "StressNO" und "STRESSON" trotz der übereinstimmenden und am stärker beachteten Wortanfang stehenden Lautfolge "S T R E S S" eine nur unterdurchschnittliche Ähnlichkeit zugestanden werden, weil die Struktur der Silben "-No" und "-ON" durch Wechsel von Vokal und Konsonant verändert sei und beide Silben mit unterschiedlichen Sinninhalten versehen seien. Dennoch reiche die geringe Markenähnlichkeit noch nicht, um angesichts identischer oder sehr ähnlicher Produkte sowie unter Berücksichtigung der weiteren kollisionsfördernden Gesichtspunkte markenrechtliche Kollisionen für die gelöschten Waren völlig auszuschließen.
Gegen diesen ihr am 7. September 2001 zugestellten Beschluss hat die Inhaberin der angegriffenen Marke mit einem am 20. September 2001 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangenen Schriftsatz Erinnerung eingelegt. Im Betreff des Schreibens heißt es ua:
Widerspruch aus der EG-Marke 571 943 "Stresson"
der Firma NV Nutricia, MA Zoetermeer, NL Weiter heißt es im Text:
"Sehr geehrte Damen und Herren, in dieser Angelegenheit nehmen wir Bezug auf den Beschluss des Patent- und Markenamtes Jena vom 29. August 2001 und legen namens und im Auftrage unserer Mandantschaft Erinnerunggegen diesen Beschluss ein."
Diese begründete sie mit Schriftsatz vom 20. Februar 2002 im wesentlichen damit, dass weder die sich gegenüberstehenden Waren noch die Vergleichsmarken eine die Gefahr von Verwechslungen begründende Ähnlichkeit aufwiesen.
Mit Bescheid vom 13. Oktober 2003 wurde die Inhaberin der angegriffenen Marke darauf hingewiesen, dass Erinnerung nur gegen die aufgrund des Widerspruchs aus der Gemeinschaftsmarke 571 943 angeordnete Teillöschung eingelegt worden sei. Da somit der Beschluss der Markenstelle vom 29. August 2001 in Bezug auf die auch aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 2 104 137 angeordnete Teillöschung rechtskräftig geworden sei, müsse die Erinnerung vom 7. September 2001 als gegenstandslos betrachtet werden.
Dementsprechend hat die Markenstelle nach Ablauf einer Frist zur Stellungnahme mit Beschluss vom 10. Februar 2004 festgestellt, dass die Erinnerung der Inhaberin der angegriffenen Marke gegen den Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 vom 29. August 2001 als gegenstandslos zu betrachten ist.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden mit dem sinngemäßen Antrag, unter Aufhebung der Beschlüsse der Markenstelle vom 29. August 2001 und 10. Februar 2004 die Widersprüche zurückzuweisen und die Teillöschung der angegriffenen Marke aufzuheben.
Die von der Markenstelle in dem Erinnerungsbeschluss vom 10. Februar 2004 angenommene Beschränkung der Erinnerung auf die mit Erstprüferbeschluss vom 29. August 2001 verfügte Teillöschung der angegriffenen Marke aufgrund des Widerspruchs aus der Gemeinschaftsmarke 571 943 könne der Erinnerungsschrift nicht entnommen werden. Aus der alleinigen Benennung der Gemeinschaftsmarke und deren Inhaberin im Betreff dieses Schriftsatzes lasse sich eine solche Beschränkung nicht herleiten. In der mit Schriftsatz vom 20. Februar 2004 erfolgten Erinnerungsbegründung sei dementsprechend ausdrücklich beantragt worden, die Widersprüche zurückzuweisen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt sinngemäß, die Beschwerde zurückzuweisen.
Mit der Erinnerung sei der Erstprüferbeschluss der Markenstelle für Klasse 5 vom 29. August 2001 nur insoweit angegriffen worden sei, als mit diesem Beschluss die Teillöschung der angegriffenen Marke aufgrund des Widerspruchs aus der Gemeinschaftsmarke 571 943 verfügt worden ist.
II.
Die zulässige Beschwerde führt zur Aufhebung des Beschlusses vom 10. Februar 2004 und Zurückverweisung der Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt, weil die Markenstelle die Erinnerung zu Unrecht als "gegenstandlos" betrachtet und daher in der Sache selbst noch nicht entschieden hat (§ 70 Abs 3 Nr 1 MarkenG).
Für die seitens der Markenstelle angenommene Beschränkung der Erinnerung auf die mit Erstprüferbeschluss vom 29. August 2001 angeordnete Teillöschung der angegriffenen Marke aufgrund des Widerspruchs aus der Gemeinschaftsmarke 571 943 bietet sich keine Grundlage. Vielmehr richtete sich die Erinnerung gegen den Beschluss der Markenstelle vom 20. September 2001 in vollem Umfang, dh gegen die durch den vorgenannten Beschluss angeordnete Teillöschung sowohl aufgrund des Widerspruchs aus der Gemeinschaftsmarke 571 943 als auch aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 2 104 137.
Erforderlich ist sowohl bei der Beschwerde wie auch bei der Erinnerung eine Erklärung, die erkennen lässt, welche Entscheidung in welchem Umfang angefochten wird (vgl Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl, § 66 Rdnr 66). Ist die Erinnerung bzw. Beschwerde jedoch nicht auf einen bestimmten Teil des angegriffenen Beschluss beschränkt, zB in den Anträgen, muss von einer Anfechtung des Beschlusses in vollem Umfang ausgegangen werden (vgl dazu Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl, § 66 Rdnr 68; v Schultz, Markenrecht, § 66 Rdnr 6). Dies gilt auch für die Erinnerung der Inhaberin der angegriffenen Marke vom 20. September 2001. Dem Text der Erinnerungsschrift vom 20. September 2001, wonach gegen den Beschluss der Markenstelle vom 29. August 2001 "Erinnerung" eingelegt und die Begründung in einem gesonderten Schriftsatz nachgereicht werde, kann eine Beschränkung der Erinnerung nicht entnommen werden. Begriffe wie zB "Teilererinnerung" oder Anträge, die eine entsprechende Schlussfolgerung erlauben würden, fehlen. Eine Beschränkung der Erinnerung in dem von der Markenstelle angenommenen Umfang lässt sich auch nicht daraus herleiten, dass in dem erkennbar als Betreff ausgestalteten Teil der Erinnerungsschrift vom 20. September 2001 allein die Gemeinschaftsmarke 571 943 und deren Inhaberin benannt worden ist. Denn solche Angaben im Betreff dienen allgemein nur der Ermöglichung einer Zuordnung eines Schreibens bzw einer Erklärung zu einem Sachvorgang. Ein Erklärungsinhalt zum Nachteil der Erinnerungsführerin in Form einer Beschränkung der Erinnerung auf die mit Erstprüferbeschluss vom 29. August 2001 angeordnete Teillöschung der angegriffenen Marke aufgrund des Widerspruchs aus der Gemeinschaftsmarke 571 943 lässt sich daraus jedoch nicht ableiten. Insoweit hätte die Markenstelle auch berücksichtigen müssen, dass es nicht dem Willen der Inhaberin der angegriffenen Marke entsprechen konnte, eine erkennbar wirkungslose Teilerinnerung einzulegen, so dass auch vor diesem Hintergrund jegliche Grundlage für die Annahme einer Beschränkung fehlt.
Die Markenstelle hätte daher nicht davon ausgehen dürfen, dass sich die Erinnerung nur gegen die mit Erstprüferbeschluss vom 29. August 2001 angeordnete Teillöschung der angegriffenen Marke aufgrund des Widerspruchs aus der Gemeinschaftsmarke 571 943 richtet. Die Sache wird gemäß § 70 Abs 2 Nr 1 MarkenG an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen. Von der Möglichkeit, in der Sache selbst zu entscheiden, macht der Senat keinen Gebrauch, weil die Markenstelle den Kollisionsfall in der Sache noch nicht entschieden hat.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass (§ 71 Abs 1 MarkenG).
Kliems Bayer Merzbach Na
BPatG:
Beschluss v. 10.11.2005
Az: 25 W (pat) 57/04
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