Oberlandesgericht Hamburg:
Beschluss vom 2. April 2008
Aktenzeichen: 3 W 228/07
(OLG Hamburg: Beschluss v. 02.04.2008, Az.: 3 W 228/07)
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg, Kammer 6 für Handelssachen, vom 26. November 2007 wird zurückgewiesen.
Die Gläubigerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für die Beschwerdeinstanz auf 25.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die sofortige Beschwerde istzulässig. Der angefochtene Beschluss des Landgerichts ist der Gläubigerin am 29. November 2007 zugestellt worden (Bl. 44 OHeft), die sofortige Beschwerde ist per Telefax am 11. Dezember 2007 bei Gericht eingegangen (Bl. 50) und der entsprechende Schriftsatz dazu im Original vom 10. Dezember 2007 am 12. Dezember 2007 (Bl. 51).
II.
Die sofortige Beschwerde istnicht begründet. Zu Recht hat das Landgericht die Ordnungsmittelanträge der Gläubigerin vom 16. Oktober 2007 und vom 5. November 2007 zurückgewiesen.
1.) Mit derBeschlussverfügung des Landgerichts vom 28. März 2007 ist den Schuldnern unter Androhung von Ordnungsmittelnverboten# worden,
im geschäftlichen Verkehr für das Produkt "na_xx" mit einer Bezugnahme auf den Öko-Test 6/2006 zu werben, wenn
a) die Werbung außerhalb der Fachkreise erfolgt und/oder
b) in der Werbung die Fundstelle (Titel, Monat und Jahr der Erstveröffentlichung) nicht oder nicht vollständig angegeben wird.
2.) Für denVerbotsbereich der Beschlussverfügung und damit auch für die Bestimmung desStreitgegenstandes des entsprechenden Verfügungsantrages sind die vorgetragenen Verletzungsfälle sowie die Ausführungen der Gläubigerin zur Begründung ihrer Ansprüche maßgeblich.
Der Verbotsumfang eines gerichtlichen Titels beschränkt sich zwar nicht auf das beschriebene Verbot, sondern erfasst auch unwesentliche Abwandlungen, die den Kern der Verletzungshandlung unberührt lassen. Der bisherige Streitgegenstand darf aber nicht verlassen werden. Nach der sog. Kernbereichslehre fallen unter den Tenor eines Unterlassungstitels nicht nur identische Handlungen, sondern auch solche, die von dem wettbewerbswidrigen Kern der verbotenen Handlung nur geringfügig abweichen, ihr alsopraktisch gleichwertig sind, weil es sonst mühelos möglich wäre, den Titel zu unterlaufen. Eine Ausdehnung des Unterlassungstitels auf solche Wettbewerbshandlungen, die der verbotenen Handlung aberim Kern lediglich ähnlich sind, ist dagegen nach der Natur des Vollstreckungsverfahrensnicht möglich.
Der Senat hat seit langem in diesem Sinne entschieden (siehe nur: OLG Hamburg, Beschluss vom 17.11.1989 € 3 W 119/89 € GRUR 1990, 637) und sieht sich durch die BGH-Rechtsprechung darin bestätigt (BGH GRUR 2005, 692 - "statt"Preis, WRP 2006, 590 € Markenparfumverkäufe).
3.) Nach diesen Grundsätzen haben die Schuldner auch nach Auffassung des Senats mit der im Schriftsatz der Gläubigerin vom16. Oktober 2007 beanstandeten Werbemaßnahme betreffend dieBestellliste (Anlage AG 4)nicht gegenBuchstabe a) der Beschlussverfügung zuwidergehandelt.
(a) ZuBuchstabe a) der Beschlussverfügung wurde imErlassverfahren beanstandet, die Schuldnerin zu 1) - deren Geschäftsführer ist der Schuldner zu 2) - habe u. a. im Internet und damitfür jeden zugänglich für das von ihr vertriebene Arzneimittel " na_xx" mit einem Testbericht der Zeitschrift "ÖkoTest"geworben (Anlage ASt K 2 - Erlassverfahren); eine solche Werbung außerhalb der Fachkreise verstoße generell gegen § 11 Abs. 1 Ziffer 2 HWG und sei unlauter.
Demgemäß geht es im Hinblick auf die Wendung "Werbung außerhalb der Fachkreise" im Verbotsausspruch zu Buchstabe a)im Kern um typische Werbemaßnahmen (wie Anzeigen) in Medien, die (jedenfalls auch) für das allgemeine Publikum (Nichtfachkreise)bestimmt sind, eben wie bei der uneingeschränkt zugänglichen Internetwerbung, dem Verletzungsfall des Erlassverfahrens.
(b) Auf dernunmehr beanstandetenBestellliste der Schuldner sind mehrere Produkte mit Preisen und Bestellmengen aufgeführt, u. a. auch das Arzneimittel " na_xx" unter Bezugnahme auf den Testbericht in der Zeitschrift "ÖkoTest" (Anlage AG 4; vgl. auch Anlage ASt K 21 = Bl. 8 OHeft). Insoweit wird allerdings für das Arzneimittel mit dem im Verbotsausspruch zitierten Testbericht geworben. Gleichwohl handelt es sich bei der beanstandeten Abgabe der Bestelllistenicht um einen kerngleichen Verstoß gegen das Verbot der Beschlussverfügung zu Buchstabe a). Das Landgericht kann diesen Vorfall bei Erlass der einstweiligen Verfügung nicht gleichsam "mitentschieden" haben.
(aa) Zum einen richtet sich dieBestellliste als Werbemaßnahme schon nach demInhalt und deräußeren Aufmachung nuran Fachkreise undnicht an das allgemeine Publikumaußerhalb der Fachkreise.
Die Bestellliste ist nur für Apotheker bestimmt. Sie ist überschrieben mit "Direktbezugskonditionen", oben rechts ist die Rubrik "Apothekendaten" zum Ausfüllen vorgesehen. Die Produkt-Auflistung darunter ist in Spalten aufgeteilt, die wie folgt überschrieben sind: "PZN, Produkt, Artikelbeschreibung, Bestellkonditionen, Maximale Bestellmenge, Bestellmenge, Interne Nr.€ Bei den dort aufgeführten Präparaten "yx-oo" und "spa" ist zusätzlich jeweils angegeben: "Im dekorativen Zahlteller" (Anlage AG 4).
(bb) Zum anderen ist die Bestellliste der Schuldner auf einerMesse speziell für Fachkreise im Sinne des HWGverbreitet worden, wobei die Messe allerdings auch für das allgemeine Publikum zugänglich gewesen ist. Demgemäß betrifft der Beanstandungsfall eine - wie ausgeführt inhaltlich nur an Apotheker gerichtete Werbung, die auch durch die Art der Veranstaltung, auf der sie verbreitet wurde, ausschließlich nur für Fachkreisebestimmt ist.
Die Bestellliste der Schuldner (Anlage AG 4) ist zur Verteilung auf der Messe "Expopharm 2007" gekommen, auf der die Schuldner mit einem Stand vertreten waren und die in Düsseldorf vom 27. bis 30. September 2007 stattfand. Veranstalter sind die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, die Apothekerkammer Nordrhein und der Apothekenverband Nordrhein (Anlage AG 2). Es handelt sich nach der Eigendarstellung der Veranstalter um die "Internationale Pharmazeutische Fachmesse", die "wichtigste und größte pharmazeutische Fachmesse Europas" (Anlage ASt K 20 = Bl. 5, 7 OHeft). Hierzu passt das Vorbringen der Schuldner, die "Expopharm 2007" sei keine Publikumsmesse, sondern an das Fachpublikum gerichtet; laut Umfrage hätten 94 % der Besucher den Fachkreisen angehört, der Rest (6 %) sei der übliche Anteil von Nichtfachbesuchern bei Fachmessen, bedingt z. B. durch Begleitpersonen (Bl. 32 OHeft mit Beweisantritt, Anlage AG 3). Dem steht die Behauptung der Gläubigerin nicht entgegen, die Messe sei jedem zugänglich gewesen (vgl. Anlagen ASt K 20 und K 22).
(c) Der Senat verkennt nicht, dass auf einer Fachmesse inSonderfällen gerade auch gegenüber dem Laienpublikum für ein Arzneimittel geworben werden kann. Eine solche Fallgestaltung stand bei Erlass der Beschlussverfügung streitgegenständlich aber nicht zur Entscheidung.
(d) Im Übrigen steht schon nach dem Vorbringen der Gläubigerin nicht einmal fest, dass an dem Düsseldorfer Fachmesse-Stand der Schuldner die Bestellliste an eine Person außerhalb der Fachkreise abgegeben worden ist.
Nach der Darstellung der Schuldner lag Bestellliste auf dem Messestand nicht frei zugänglich aus, sondern wurde in einer Schublade verwahrt und während der Messe ausschließlich dazu verwendet, die Bestellungen von Apothekern aufzunehmen. Soweit die Schuldner vortragen, auf ausdrückliche Nachfrage sei dem Standbesucher die Liste auch mitgegeben worden (Bl. 33 OHeft mit Beweisantritt), so zeigt auch das auf, dass es bei dem Beanstandungsfall nicht um eine gezielte, jedenfalls auch für das Publikum außerhalb der Fachkreise bestimmte Werbung im Sinne der Beschlussverfügung geht.
Das Argument der Gläubigerin, ihr Geschäftsführer (K.P.) habe sich nicht als Fachbesucher der Messe zu erkennen gegeben, gleichwohl aber am Stand der Schuldnerin zu 1) die Bestellliste erhalten, greift demgegenüber nicht durch. Denn dadurch, dass sich der Geschäftsführer der Gläubigerin sich nicht als Fachkreis-Angehöriger zu erkennen gegeben hat, ist dieser nicht dem allgemeinen Publikum im Sinne des gerichtlichen Verbots zuzurechnen. Auch auf diesen Sonderfall stellt das gerichtliche Verbot nicht ab.
4.) Die Schuldner haben mit der im Schriftsatz der Gläubigerin vom16. Oktober 2007 beanstandeten Werbemaßnahme betreffend dieBestellliste (Anlage AG 4) auchnicht gegenBuchstabe b) der Beschlussverfügung zuwidergehandelt.
(a) HinsichtlichBuchstabe b) der Beschlussverfügung wurde imErlassverfahren# beanstandet, für das Produkt " na_xx" sei in einer Beilage der Schuldner geworben worden, und zwar zur Pharmazeutischen Zeitung Nr. 5 vom 1. Februar 2007 und dort unter Hinweis auf ein Testergebnis ohne Angabe der Fundstelle der Erstveröffentlichung. Diese Werbebeilage enthielt tatsächlichkeine Fundstellenangabe zur Erstveröffentlichung (Anlage ASt K 1 - Erlassverfahren). Zur Begründung hat die Gläubigerin vortragen lassen, eine Werbung ohne Fundstellenangabe verstoße gegen §§ 3, 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG.
Demgemäß geht es im Hinblick auf die Wendung €in der Werbung dieFundstelle (Tag, Monat und Jahr der Erstveröffentlichung)nicht oder nicht vollständig angegeben€ im Verbotsausspruch zu Buchstabe b)im Kern um Werbemaßnahmen, bei denen die Fundstelle überhaupt nicht oder nur unvollständig vorliegt.
(b) Auf dernunmehr herangezogenenBestellliste der Schuldner wird, wie ausgeführt, bei dem Arzneimittel " na_xx" auf den Testbericht in der Zeitschrift "ÖkoTest" Bezug genommen. Unterhalb des Testurteils €gut€ steht aber, wenn auch sehr klein gedruckt, die Fundstellenangabe: €Magazin 6/2006€ (Anlage AG 4; vgl. auch Anlage ASt K 21 = Bl. 8 OHeft).
(c) Ob, wie die Gläubigerin argumentiert, auf der Bestellliste (Anlage AG 4) die Fundstellenangabenicht ausreichend leserlich abgedruckt ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Es wird zwar für das Arzneimittel mit dem im Verbotsausspruch zitierten Testbericht geworben, aber nicht ohne die entsprechende Fundstelle. Sollte die Fundstellenangabe zu klein gedruckt sein, so wäre das jedenfallsnicht ein kerngleicher Verstoß gegen das Verbot der Beschlussverfügung zu Buchstabe b).
Das Landgericht kann diesen Vorfall (Bestellliste, Anlage AG 4) bei Erlass der einstweiligen Verfügung, bei dem die Fundstellenangabe - wie ausgeführt gänzlich fehlte, nicht gleichsam "mitentschieden" haben. Denn im Erlassverfahren ging es nicht um die Lesbarkeit einer vorhandenen Angabe, sondern um deren Fehlen.
Es macht für den Verbotsbereich eines Unterlassungstitels (und für den Streitgegenstand) einen erheblichen Unterschied, ob ein erforderlicher Hinweis (hier die Fundstellenangabe) gänzlich fehlt oder nur nicht ausreichend leserlich angegeben ist. So hat der Bundesgerichtshof zu der Fallgestaltung einer irreführenden Werbung ohne aufklärenden Hinweis zutreffend ausgeführt, die deswegen erfolgte Verurteilung umfassenicht spätere Verletzungsformen, bei denen zwar ein aufklärender Hinweis gegeben werde, aber nicht in hinreichend deutlicher Form, weil dies eine andersartige Verletzungshandlung wäre (BGH GRUR 2005, 692, 693 - €statt€-Preis).
5.) Die Schuldner haben mit der im Schriftsatz der Gläubigerin vom5. November 2007 beanstandeten Werbemaßnahme betreffend denProspekt (Anlage AG 5; vgl. auch Anlage ASt K 23 = Bl. 17 OHeft)nicht gegenBuchstabe a) der Beschlussverfügung zuwidergehandelt.
(a) In dem angegriffenen Prospekt wird allerdings für das Arzneimittel €na_xx€ geworben und zwar unter Bezugnahme auf den Testbericht in der Zeitschrift €ÖkoTest€ (Anlage AG 5, Seite 8).
(b) Bei der Abgabe dieses Prospektes handelt es sich abernicht um einen kerngleichen Verstoß gegen das Verbot der Beschlussverfügung zu Buchstabe a).
(aa) Bei dem Prospekt handelt es sich um eine Werbemaßnahme, die sich schon nach ihrem Inhaltnur an den Apotheker richtet (vgl. das Grußwort auf Seite 2, Anlage AG 5).
(bb) Der Prospekt ist in dem Beanstandungsfallnicht etwa gezielt an Personen außerhalb der Fachkreise abgegeben worden, sondern auf der - wie ausgeführt speziellen Fachmesse €Expopharm 2007€ in Düsseldorf.
(c) Der Senat verkennt nicht, dass auch auf einer Fachmesse gleichsam ausnahmsweise ein solcher Prospekt gerade gegenüber dem Laienpublikum abgegeben werden könnte. Eine solche Fallgestaltung stand bei Erlass der Beschlussverfügung streitgegenständlich aber nicht zur Entscheidung. Auf die obigen Ausführungen unter Ziffer II. 3. wird entsprechend Bezug genommen.
(d) Zudem steht nicht einmal fest, dass die am Stand der Schuldner ausliegenden Prospekte überhaupt an andere Personen als Apotheker bzw. Fachkreise (für die nur die Prospekte bestimmt waren) verteilt wurden. Die Gläubigerin hat insoweit nur vorgetragen, die Prospektverteilung sei auf der Messe erfolgt, ohne dass die Schuldner sich erkundigt hätten, ob die Empfänger zu den Fachkreisen gehörten oder nicht (Bl. 15 OHeft).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
OLG Hamburg:
Beschluss v. 02.04.2008
Az: 3 W 228/07
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/a8f9da1308cb/OLG-Hamburg_Beschluss_vom_2-April-2008_Az_3-W-228-07