Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. September 2006
Aktenzeichen: 28 W (pat) 55/06
(BPatG: Beschluss v. 27.09.2006, Az.: 28 W (pat) 55/06)
Tenor
Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Beschwerdeführerin hatte aus ihrer Marke 358 088 "Primus" Widerspruch erhoben gegen die jüngere Marke 300 69 925 "Primus-Box". Diesen Widerspruch hat die Markenstelle für Klasse 2 des Deutschen Patent- und Markenamts mit zwei Beschlüssen, von denen einer am 3. April 2006 im Erinnerungsverfahren ergangen ist, als unbegründet zurückgewiesen. Dieser Erinnerungsbeschluss wurde der Beschwerdeführerin am 11. April 2006 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 13. April 2006, beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen am 15. April 2006, erklärte die Inhaberin der angegriffenen Marke gegenüber dem Deutschen Patent- und Markenamt den Verzicht auf die jüngere Marke für die Waren "Mehle und Getreidepräparate (ausgenommen Futtermittel) insbesondere Frühstücksceralien". Mit Schriftsatz vom 19. April 2006, beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen am 21. April 2006, legte die Beschwerdeführerin gegen den Erinnerungsbeschluss vom 3. April 2006 Beschwerde ein und erteilte gleichzeitig eine Einzel-Einzugsermächtigung für die Beschwerdegebühr von 200 €. Mit Verfügung vom 4. Mai 2006 unterrichtete das Deutsche Patent- und Markenamt die Widersprechende von dem teilweisen Verzicht auf die angegriffene Marke. Mit Telefax vom 9. Mai 2006 hat die Widersprechende ihren Widerspruch und ihre Beschwerde zurückgenommen. Der letzte Absatz dieses Schreibens lautet:
"Da die Beschwerdefrist an sich erst am 11. Mai 2006 enden würde, wird um Überprüfung gebeten, ob eine Erstattung der nun nicht mehr erforderlichen und mittels Formular A9507 entrichteten Beschwerdegebühr möglich ist."
In Umsetzung der Einzel-Einzugsermächtigung aus der Beschwerdeschrift vom 19. April 2006 wurde das Konto der Beschwerdeführerin mit Wirkung vom 21. Juni 2006 mit der Beschwerdegebühr von 200 € belastet.
Vor diesem Hintergrund hat die Beschwerdeführerin die Rückzahlung der Beschwerdegebühr beantragt.
II.
Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist unbegründet.
1. Für die von der Beschwerdeführerin geleistete Zahlung besteht der Rechtsgrund der verfallenen Beschwerdegebühr.
1.1 Die im Wege der Einzel-Einzugsermächtigung gezahlte Beschwerdegebühr ist verfallen. Mit Zustellung des Erinnerungsbeschlusses bei der Beschwerdeführerin am 11. April 2006 wurde die Beschwerdefrist von einem Monat nach § 66 Abs. 2 MarkenG in Gang gesetzt. Mit Einreichung ihrer Beschwerdeschrift am 21. April 2006 beim Deutschen Patent- und Markenamt hat die Beschwerdeführerin rechtswirksam Beschwerde eingelegt. Damit wurde gem. § 82 Abs. 1 Satz 3 MarkenG i. V. m. § 3 Abs. 1, 6 Abs. 1 Patentkostengesetz (PatKostG) die Beschwerdegebühr nach § 2 Abs. 1 PatKostG i. V. m. Nr. 401 300 der Anlage zu dieser Vorschrift fällig. Etwas Anderes hätte nur gelten können, wenn gleichzeitig mit der Erklärung der Beschwerdeführerin über die Einlegung der Beschwerde auch der Widerruf dieser Erklärung beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen wäre, § 130 Abs. 1 BGB. Das war nicht der Fall. Die Erklärung der Beschwerdeführerin über die Rücknahme der Beschwerde ging erst am 9. Mai 2006 beim Deutschen Patent- und Markenamt ein.
Mit der Einlegung einer rechtswirksamen Beschwerde ist die Beschwerdegebühr verfallen. Daran ändert auch die spätere Rücknahme der Beschwerde nichts (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Auflage, § 71 Rdn. 30; Schäfers in Benkard, Patentgesetz und Gebrauchsmustergesetz, 10. Aufl., § 80 PatG, Rdn. 119), auch dann nicht, wenn - wie hier - die Beschwerde noch vor Ablauf der Beschwerdefrist zurückgenommen wird. Dieser weitere Verlauf des Beschwerdeverfahrens lässt die gebührenrechtlichen Voraussetzungen für den vorangegangenen Verfall der Beschwerdegebühr unberührt, weil das Patentkostengesetz und das Gebührenverzeichnis in der Anlage zu § 2 Abs. 1 PatKostG für den Fall der Rücknahme der Beschwerde weder den nachträglichen Wegfall dieser Gebühr noch deren Ermäßigung vorsehen.
1.2 Die verfallene Beschwerdegebühr ist auch nicht gem. § 6 Abs. 2 PatKostG später weggefallen. § 6 Abs. 2 PatKostG regelt den Fall, dass eine nach § 6 Abs. 1 PatKostG fällig gewordene Gebühr, zu der auch die Gebühr für die Beschwerde im Markenverfahren gehört, nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig gezahlt wurde. In diesen Fällen gilt die Anmeldung oder der Antrag als zurückgenommen (§ 6 Abs. 2 1. Alternative PatKostG) oder die Handlung als nicht vorgenommen (§ 6 Abs. 2 2. Alternative PatKostG), soweit gesetzlich nichts Anderes bestimmt ist. Gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 PatKostG, zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung des patentrechtlichen Einspruchsverfahrens und des Patentkostengesetzes vom 21. Juni 2006, BGBl. Teil I, S. 1318 ff., ist eine sonstige Handlung im Sinne dieses Gesetzes die Einlegung von Rechtsbehelfen und Rechtsmitteln. Danach stellt die Beschwerde zum Bundespatentgericht im Markenverfahren eine sonstige Handlung i. S. d. Patentkostengesetzes dar mit der Folge, dass im Falle einer unvollständigen oder nicht rechtzeitigen Zahlung der Beschwerdegebühr die Beschwerde als nicht eingelegt gilt. Diese Fiktion führt notwendigerweise zum nachträglichen Wegfall der Beschwerdegebühr (so jetzt endgültig klargestellt durch die Streichung der Wörter "oder die Handlung als nicht vorgenommen" in § 10 Abs. 2 PatKostG durch das Gesetz zur Änderung des patentrechtlichen Einspruchsverfahrens und des Patentkostengesetzes vom 21. Juni 2006, a. a. O., vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs für dieses Gesetz in BlPMZ 2006, 225 , 234 re. Sp. oben).
Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 2. Alternative PatKostG sind vorliegend jedoch nicht erfüllt, weil die Beschwerdeführerin die Beschwerdegebühr rechtzeitig bezahlt hat. Zwar wurde das Konto der Beschwerdeführerin erst mit Wirkung vom 21. Juni 2006 und damit mehrere Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist am 11. Mai 2006 zugunsten der zuständigen Bundeskasse mit der Beschwerdegebühr belastet. Nach den Vorschriften der Patentkostenzahlungsverordnung vom 15. Oktober 2003 (PatKostZV) ist diese Zahlung jedoch so zu behandeln, als sei sie bereits im Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde am 21. April 2006 und damit rechtzeitig bewirkt worden. Gem. § 1 Nr. 4 PatKostZV kann die Beschwerdegebühr auch durch Erteilung einer Lastschrifteinzugsermächtigung gezahlt werden. Gem. § 2 Nr. 4 PatKostZV gilt bei Erteilung einer solchen Ermächtigung als Zahlungstag der Tag ihres Eingangs beim Deutschen Patent- und Markenamt, sofern die Einziehung zu Gunsten der zuständigen Bundeskasse für das Deutsche Patent- und Markenamt erfolgt. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
2. Eine Anordnung der Rückzahlung der Beschwerdegebühr lässt sich auch nicht auf § 71 Abs. 3 MarkenG stützen, weil sich die für eine solche Anordnung erforderlichen Billigkeitsgründe nicht feststellen lassen.
Gem. § 71 MarkenG gilt im markenrechtlichen Beschwerdeverfahren der Grundsatz, dass jeder Beteiligte die ihm entstandenen Kosten selbst zu tragen hat und zwar unabhängig vom Ausgang des Beschwerdeverfahrens. Zu den Kosten gehören auch die Gerichtskosten, d. h. vor allem die Gebühren und die Auslagen. Danach war die Beschwerdegebühr von der Beschwerdeführerin zu tragen. Abweichungen von dieser Verteilung der Kostenlast stellen Ausnahmen dar, deren Voraussetzungen in den § 71 Abs. 1 und 3 MarkenG geregelt sind. Dass es vorliegend gerechtfertigt sein könnte, gem. § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG die Kosten der Beschwerdeführerin im Umfang der Beschwerdegebühr der Inhaberin der angegriffenen Marke und Beschwerdegegnerin aufzuerlegen, hat die Beschwerdeführerin nicht vorgetragen und ist auch sonst nicht ersichtlich.
Es lassen sich auch keine Umstände feststellen, die eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr gem. § 71 Abs. 3 MarkenG billig erscheinen ließen. Die Rückzahlung ist die Ausnahme von dem Grundsatz der vom Verfahrensausgang unabhängigen Gebührenpflicht. Sie ist nur anzuordnen, wenn besondere Umstände es bei Abwägung der Interessen des Beschwerdeführers einerseits und denen der Staatskasse andererseits unbillig erscheinen lassen, die Beschwerdegebühr einzubehalten (std. Rspr., z. B. BPatG Mitt. 1985, 238 - TIFFANY). Solche besonderen Umstände lassen sich vorliegend nicht feststellen.
Anknüpfungspunkt für die Billigkeitsprüfung ist grundsätzlich die Frage, ob vor Einleitung des Beschwerdeverfahrens, insbesondere im Zuge des vorangegangenen patentamtlichen Verfahrens besondere Umstände eingetreten sind, die nicht dem Risikobereich des Beschwerdeführers zuzurechnen sind und die für dessen Entscheidung, Beschwerde einzulegen, zumindest auch maßgebend waren. Das sind nach der bisherigen Rechtsprechung typischerweise eine fehlerhafte Sachbehandlung, echte Verfahrensfehler oder Verstöße gegen die Prozessökonomie im patentamtlichen Verfahren (vgl. die entsprechende Zusammenstellung von Einzelfällen dieser Fallgruppen bei Schäfers in Benkard, Patentgesetz und Gebrauchsmuster, 10. Aufl., § 80 PatG, Rdn. 25 ff. und bei Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl., § 71 Rdn. 38 ff.). Solche, dem Beschwerdeverfahren zeitlich vorgelagerten Umstände hat die Beschwerdeführerin nicht vorgetragen. Sie sind auch sonst nicht erkennbar.
Die Beschwerdeführerin sieht die besonderen Billigkeitsgründe für die Rückzahlung der Beschwerdegebühr in erster Linie darin, dass sie - die Beschwerdeführerin - die Mitteilung des Patentamts über die Beschränkung des Warenverzeichnisses der angegriffenen Marke erst erhalten hat, nachdem sie ihre Beschwerde eingelegt hatte, und dass sie im Übrigen ihre Beschwerde noch vor Ablauf der Beschwerdefrist zurückgenommen hat.
Beide Umstände machen es nach Auffassung des Senats nicht unbillig, die verfallene Beschwerdegebühr einzubehalten. Dabei kann im vorliegenden Fall die Frage offenbleiben, ob solche Umstände, die - wie hier - erst im Beschwerdeverfahren selbst eintreten und diesem zeitlich nicht vorgelagert sind, überhaupt ein Grund für die Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach § 71 Abs. 3 MarkenG sein können (ablehnend BPatG Mitt. 1971, 117 f. in einem Fall, in dem der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr mit der Dauer des Beschwerdeverfahrens begründet worden war). Denn eine Anwendung dieser Vorschrift scheidet schon deswegen aus, weil die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Umstände dem Risikobereich der Beschwerdeführerin zuzuordnen sind und gerade keine Abweichung vom üblichen Hergang eines Beschwerdeverfahrens darstellen.
2.1 Dass die Inhaberin der angegriffenen Marke, obwohl sie im patentamtlichen Verfahren obsiegt hatte, und noch vor Einlegung der Beschwerde durch die Beschwerdeführerin zu einer gütlichen Beilegung des Rechtsstreits durch eine Beschränkung ihres Warenverzeichnisses bereit war, stellt keine ungewöhnliche Entwicklung in einem markenrechtlichen Widerspruchsverfahren dar. Denn die wirtschaftlichen Interessen der Verfahrensbeteiligten können Vereinbarungen vorteilhaft machen, die von den Vorgaben der rein markenrechtlichen Rechtslage abweichen. Soweit sie an einer gütlichen Einigung interessiert war, hätte es im Übrigen der - bis dahin unterlegenen - Beschwerdeführerin oblegen, sich in direkten Verhandlungen mit der Inhaberin der angegriffenen Marke dafür einzusetzen. Soweit sie ihre Entscheidung über die Einlegung der Beschwerde von der Vergleichsbereitschaft der Markeninhaberin abhängig machen wollte, hätte es der Beschwerdeführerin freigestanden, sich rechtzeitig vor Ablauf der Beschwerdefrist mit der Markeninhaberin über deren Haltung zu dieser Frage zu verständigen. Tatsächlich hätte ein solches Vorgehen - das ausschließlich im Interesse der Beschwerdeführerin und nur in ihrem Risikobereich lag - im vorliegenden Fall wahrscheinlich dazu geführt, dass die Beschwerdeführerin von Vornherein auf die Einlegung der Beschwerde verzichtet hätte. Denn die Erklärung der Markeninhaberin über die Beschränkung des Warenverzeichnisses der angegriffenen Marke war bereits am 13. April 2006 und damit nahezu vier Wochen vor Ablauf der Beschwerdefrist (am 11. Mai 2006) beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen. Diese Tatsache hätten die Beschwerdeführerin bzw. deren anwaltlicher Vertreter durch eine einfache Rückfrage bei der Markeninhaberin in Erfahrung bringen können und zwar ohne damit die Rechtzeitigkeit einer etwa doch erforderlichen Beschwerde zu gefährden.
2.2 Dass die Beschwerdeführerin umgehend ihren Widerspruch und ihre Beschwerde zurückgenommen hat, nachdem die Markeninhaberin ihre wirtschaftlichen Belange durch eine Beschränkung des Warenverzeichnisses der angegriffenen Marke berücksichtigt hatte, lag an erster Stelle in ihrem eigenen Interesse. Denn eine Aufrechterhaltung des Widerspruchs und die Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens hatte bei dieser veränderten Sachlage keine große Aussicht auf Erfolg. Sie war im Übrigen mit dem Risiko verbunden, dass der Beschwerdeführerin gem. § 71 Abs. 1 MarkenG die Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt werden würden, nämlich dann, wenn der erkennende Senat in der Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens einen schweren Verstoß der Beschwerdeführerin gegen prozessuale Sorgfaltspflichten gesehen hätte. Insoweit kann die Rücknahme der Beschwerde kein besonderer Billigkeitsgrund für die Rückzahlung der Beschwerdegebühr sein.
2.3 Auch der Umstand, dass die Beschwerdeführerin ihre Beschwerde noch vor Ablauf der Beschwerdefrist und damit zu einem Zeitpunkt zurückgenommen hat, zu dem die Verfahrensakten dem Bundespatentgericht noch nicht zugeleitet worden waren, macht es nicht unbillig, die Beschwerdegebühr einzubehalten. Denn die Beschwerdegebühr ist keine Gegenleistung für eine bestimmte Sachentscheidung, sondern eine pauschale Verfahrensgebühr. Sie ist als Festgebühr ausgestaltet, die innerhalb der Beschwerdefrist gezahlt werden muss, andernfalls die Beschwerde als nicht erhoben gilt. Ferner ist sie nur einmal zu entrichten; mit der einmaligen Zahlung ist die gesamte Tätigkeit des Gerichts in dem Verfahren abgegolten. Dieses System berücksichtigt also nicht Art und Umfang der Arbeitsleistung des Gerichts im Einzelfall. Deswegen kann die bloße Tatsache, dass in einem einzelnen Fall wegen der baldigen Rücknahme der Beschwerde zumindest kein Senat des angerufenen Gerichts mit der Sache befasst wurde, noch kein Grund für die Rückzahlung der Gebühr sein. Abgesehen davon werden durch die Erhebung der Beschwerde regelmäßig die Anlegung von Akten, die datenmäßige Erfassung und weitere Arbeiten und verfahrensleitende Maßnahmen durch die zuständige Markenabteilung, ggfls. auch durch den angerufenen Senat und seine Geschäftsstelle notwendig, so dass jede Beschwerde ein Mindestmaß an behördlicher Tätigkeit auslöst (vgl. ausführlich bereits BPatGE 5, 24, 25).
2.4 Die Beschwerdeführerin hat dem zweiten Leitsatz zu der vorstehend zitierten Entscheidung - "2. Keine Rückzahlung der Beschwerdegebühr allein deshalb, weil die Beschwerde nach Ablauf der Beschwerdefrist alsbald wieder zurückgenommen worden ist." - die Andeutung entnommen, dass es nach damaliger Auffassung des Gerichts für die Rückzahlung der Beschwerdegebühr entscheidend darauf ankomme, ob die Beschwerde vor oder nach Ablauf der Beschwerdefrist zurückgenommen wird. Dem kann der Senat nicht folgen. Das Gericht kann nur über den jeweiligen Einzelfall entscheiden, der im Fall von BPatGE 5, 24 f. so lag, dass die Beschwerde nach Ablauf der Beschwerdefrist zurückgenommen worden war. Im Übrigen lag der dortige Fall aber ebenso wie der vorliegende, weil die Beschwerde in einem Markenverfahren eingelegt wurde und die Rücknahme so bald nach Ablauf der Beschwerdefrist erfolgte, dass sowohl beim Patentamt als auch beim Bundespatentgericht nur die einfachsten Verwaltungstätigkeiten angefallen waren und eine Befassung mit der Sache nicht stattgefunden hatte. Dies vorausgeschickt sprechen die Ausführungen des früheren Beschlusses aus der Sicht des erkennenden Senats gerade dafür und nicht dagegen, dass es im Fall der Rücknahme der Beschwerde für die Entscheidung über die Rückzahlung der Beschwerdegebühr nicht darauf ankommt, ob die Beschwerde vor oder nach Ablauf der Beschwerdefrist zurückgenommen wurde.
2.5 Schließlich haben für die Beschwerdeführerin auch keine besonderen Verfahrenszwänge vorgelegen, die sich aus der allgemeinen Rechtslage ergeben und deren Risiken billigerweise nicht zu Lasten der Beschwerdeführerin gehen könnten. Insoweit liegt der Fall anders als die von Albrecht in "Rückzahlung der Beschwerdegebühr in Markensachen bei gegenstandslosen Beschwerden von Widersprechenden", GRUR 1998, 987 behandelte Konstellation. Dort ging es um die Fälle, in denen durch eine einheitliche patentamtliche Entscheidung die Löschung einer Marke wegen des Widerspruchs aus einer Marke angeordnet wird und gleichzeitig die Widersprüche aus dritten Marken zurückgewiesen werden. In diesen Fällen legen die unterlegenen Widersprechenden häufig Beschwerde ein, um sich ihre Rechte zu erhalten für den Fall, dass die Markeninhaberin gegen die Löschung ihrer Marke Beschwerde einlegen und damit erfolgreich sein sollte. Bleibt es in diesen Fällen bei der angeordneten Löschung der angegriffenen Marke, gehen die Beschwerden der unterlegenen Widersprechenden ins Leere. In diesen Fällen ist es ständige Praxis des BPatG, diesen Widersprechenden gem. § 71 Abs. 3 MarkenG die Beschwerdegebühr zu erstatten, weil es unbillig erscheint, den Betroffenen ein Risiko anzulasten, das gerade nicht typisch für ein zweiseitiges Verfahren ist, sondern nur darauf zurückgeht, dass auf der Seite der Widersprechenden mehrere, von einander unabhängige Parteien beteiligt sind.
Zu dieser Interessenlage gibt es im vorliegenden Fall keine Parallele. Vielmehr handelte es sich um ein typisches zweiseitiges Verfahren, an dem auf beiden Seiten jeweils nur eine Partei beteiligt war. Es haben sich auch keine anderen atypischen Verfahrensrisiken verwirklicht.
2.6 Die Beschwerdeführerin hat zutreffend darauf hingewiesen, dass sie die Möglichkeit hatte, die von ihr erteilte Einzellastschrifteinzugsermächtigung gegenüber dem DPMA zu widerrufen oder der einmal stattgefundenen Belastung ihres Kontos zu widersprechen und auf diese Weise die rechtzeitige Bezahlung der Beschwerdegebühr zu verhindern. Denn gem. § 2 Nr. 4 PatKostZV gilt der Tag, an dem beim Deutschen Patent- und Markenamt die Lastschrifteinzugsermächtigung für eine Beschwerdegebühr eingeht, nur dann als Tag der Zahlung, wenn die Einziehung der Lastschrift zu Gunsten der zuständigen Bundeskasse für das Deutsche Patent- und Markenamt tatsächlich erfolgt, wenn auch zu einem späteren Zeitpunkt. Hätte die Beschwerdeführerin die Einziehung der erteilten Lastschrift für die Beschwerdegebühr verhindert, so wäre § 6 Abs. 2 2. Alternative PatKostG die Nicht-Einlegung der Beschwerde fingiert worden mit der Folge, dass die zunächst verfallene Beschwerdegebühr nachträglich entfallen wäre und für die Beschwerdeführerin keine entsprechende Zahlungspflicht mehr bestanden hätte.
Tatsächlich hat die Beschwerdeführerin ihre Einzugsermächtigung weder gegenüber dem DPMA widerrufen noch hat sie der späteren Belastung ihres Kontos widersprochen. In der Rücknahme ihres Widerspruchs und ihrer Beschwerde mit Schriftsatz vom 9. Mai 2006 kann schon deswegen kein stillschweigender Widerruf der zuvor erteilten Lastschrifteinzugsermächtigung gesehen werden, weil die Beschwerdeführerin bei allen hier in Rede stehenden Verfahrenserklärungen anwaltlich vertreten wurde und in ihrem anwaltlichen Schriftsatz vom 9. Mai 2006 ausdrücklich um Prüfung bat, "ob eine Erstattung der nun nicht mehr erforderlichen und mittels Formular A9507 entrichteten Beschwerdegebühr möglich" sei. Diese Erklärung, die die Beschwerdegebühr als bereits bezahlt behandelt, lässt für eine inhaltlich entgegengesetzte Auslegung des Schreibens im Sinne eines Widerrufs der erteilten Einzugsermächtigung und damit einer Verhinderung der eingeleiteten Zahlung keinen Raum.
Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin keinen Gebrauch gemacht hat von der Möglichkeit, ihre Einzugsermächtigung für die Beschwerdegebühr zu widerrufen oder der Belastung ihres Kontos zu widersprechen, um sich so durch Nichtzahlung der Beschwerdegebühr im Wege des § 6 Abs. 2 PatKostG nachträglich von der zunächst begründeten Zahlungspflicht zu befreien, kann jedoch im Rahmen der Billigkeitserwägungen nach § 71 Abs. 3 MarkenG keine Berücksichtigung finden. Denn die hier zum Tragen kommende Benachteiligung desjenigen Beschwerdeführers, der die mit Einlegung der Beschwerde fällig gewordene Gebühr entrichtet, gegenüber einem Beschwerdeführer, der für die rechtzeitige Zahlung der Beschwerdegebühr zunächst die zulässige Einzugsermächtigung wählt, die damit eingeleitete Zahlung aber später wiederum in zulässiger Weise wirksam verhindert, beruht auf Entscheidungen des Gesetz- und Verordnungsgebers, die in § 6 Abs. 2 PatKostG und in § 2 Nr. 4 der PatKostZV niedergelegt sind. An diese Vorgaben mit Gesetzeskraft ist das Gericht bei seinen Entscheidungen gebunden.
Aus diesen Gründen war der Antrag der Beschwerdeführerin auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr zurückzuweisen.
3. Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde - etwa gem. § 83 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG - kommt nicht in Betracht, weil es sich bei dem vorliegenden Beschluss um eine erstinstanzliche Entscheidung des Bundespatentgerichts handelt, gegen die gem. § 82 Abs. 2 i. V. m. § 83 Abs. 1 MarkenG kein Rechtsmittel zugelassen ist.
BPatG:
Beschluss v. 27.09.2006
Az: 28 W (pat) 55/06
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