Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. Oktober 2000
Aktenzeichen: 17 W (pat) 71/98

(BPatG: Beschluss v. 26.10.2000, Az.: 17 W (pat) 71/98)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse G 08 C des Deutschen Patentamts vom 4. August 1998 aufgehoben und das nachgesuchte Patent 196 21 076 unter der Bezeichung "Vorrichtung und Verfahren zum kontaktlosen Übertragen von Energie oder Daten" mit folgenden Unterlagen erteilt:

Patentansprüche 1 bis 4, eingegangen als "Hilfsantrag" am 15. September 1998, Beschreibung Seiten 1 bis 3 sowie 6 bis 14, eingegangen am 24. Mai 1996, Seiten 4 und 5, eingegangen am 8. Juli 1999, 3 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 4h, eingegangen am 9. Dezember 1996.

Gründe

I Die am 24. Mai 1996 beim Deutschen Patentamt eingegangene Patentanmeldung 196 21 076.3-32 mit der Bezeichnung

"Vorrichtung und Verfahren zum kontaktlosen Übertragen von Energie oder Daten"

wurde durch die Prüfungsstelle für Klasse G 08 C mit Beschluß vom 4. August 1998 zurückgewiesen. In der Begründung ist ausgeführt, der angemeldete Gegenstand beruhe im Hinblick auf den Stand der Technik gemäß den Druckschriften

[1] DE 31 20 196 C2

[2] Klemm, Thomas et al: "Digital geht's besser", Elektronik 17, 1995, Seiten 90 bis 93 nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie beantragt sinngemäß (Schriftsatz vom 7. Juli 1999, eingegangen am 8. Juli 1999), den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent mit den im Beschlußtenor genannten Unterlagen zu erteilen.

Die geltenden Patentansprüche 1 und 4 lauten (mit einer redaktionellen Korrektur bei den Bezugszeichen):

"1. Vorrichtung zum induktiven Übertragen von Energie oder Daten mit - einem Schwingkreis (R, L, C), der von einer Erregereinheit mit einer Erregerfrequenz (fE) zum Schwingen angeregt wird, wodurch ein magnetisches Wechselfeld zum Aussenden von Energie oder Daten erzeugt wird, und dessen Resonanzfrequenz (fR) durch seine Bauteile (L, C) bestimmt wird,

- mit einer Meßeinrichtung (4, 6) zum Messen der Differenz zwischen der Resonanzfrequenz (fR) und der Erregerfrequenz (fE),

- mit einer Regeleinrichtung (7), die mit der Meßeinrichtung (4, 6) verbunden ist, zum Erzeugen eines Steuersignals (Uts), dadurch gekennzeichnet, daß

sie eine in ihrem Impedanzwert feste Impedanz (ZAR; CAR) aufweist, die einerseits mit dem Schwingkreis (L, C) und andererseits mit einer Schalteinrichtung (SN , DN ; SP , DP) verbunden ist und die dem Schwingkreis (L, C) mittels der Schalteinrichtung (SN , DN ; SP , DP) über eine Zeitsteuereinheit (8, 9) abhängig von dem Steuersignal (Uts) phasenanschnittgesteuert zugeschaltet wird."

"4. Verfahren zum kontaktlosen Übertragen von Energie oder Daten mit einem Schwingkreis (R, L, C), der mit einer Erregerfrequenz (fE) zum Schwingen angeregt wird, wodurch ein magnetisches Wechselfeld zum Aussenden von Energie oder Daten erzeugt, und dessen Resonanzfrequenz (fR) durch seine Bauteile (L, C) bestimmt wird, gekennzeichnet durch folgende Schritte:

- daß die Differenz zwischen der Resonanzfrequenz (fR) und der Erregerfrequenz (fE) mit einer Meß- und Regeleinrichtung (4, 6, 7) gemessen wird, und abhängig davon ein Steuersignal (Uts) erzeugt wird, und - daß eine in ihrem Impedanzwert feste Impedanz (ZAR; CAR) dem Schwingkreis (L, C) mittels einer Schalteinrichtung (SN , DN ; SP , DP) über eine Zeitsteuereinheit (8, 9) abhängig von dem Steuersignal (Uts) phasenanschnittgesteuert zugeschaltet wird."

Wegen der abhängigen Patentansprüche 2 und 3 wird auf die Akte verwiesen.

II Die frist- und formgerecht erhobene Beschwerde ist zulässig. Sie führt auch zum Erfolg, weil die Gegenstände der geltenden Patentansprüche 1 und 4 jeweils eine patentfähige Erfindung i.S der §§ 1 bis 5 PatG darstellen.

1. Der geltende Anspruch 1 ist gedeckt durch den ursprünglich vorgelegten Patentanspruch 1 und die Beschreibung des Ausführungsbeispiels nach den Figuren 3 und 4. Das gleiche gilt für den Verfahrensanspruch 4. Die Ansprüche 2 und 3 haben sich gegenüber den ursprünglichen Unterlagen nicht geändert. Die Beschreibung wurde im Rahmen der ursprünglichen Offenbarung an den Anspruchswortlaut angepaßt. Diesbezüglich bestehen keine Bedenken.

2. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist neu; keine der entgegengehaltenen Druckschriften betrifft eine Vorrichtung zur Energie- oder Datenübertragung mit allen in diesem Anspruch aufgeführten Merkmalen. Diese Vorrichtung beruht zudem auf erfinderischer Tätigkeit, weil sie sich für den Fachmann, einen Fachhochschulabsolventen der Fachrichtung Elektronik mit Berufserfahrung auf dem Gebiet der Datenübertragung, nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt.

In der Druckschrift [1] DE 31 20 196 C2 ist anhand der Figuren 1 und 2 ein Hochfrequenzgenerator zur Versorgung eines Massenspektrometers beschrieben. Der Hochfrequenzgenerator weist einen Leistungsschwingkreis 3 auf, der trägheitslos abgestimmt werden soll (Sp 2, Z 37 bis 41). Dies wird dadurch erreicht, daß die vom Leistungsschwingkreis 3 erzeugte Hochfrequenz-Wechselspannung von einem Phasendetektor 11 überwacht wird, der einen dem Winkel zwischen Spannung und Strom der Schwingung proportionalen Spannungswert liefert, welcher ein Maß für die Verstimmung des Leistungsschwingkreises darstellt und insoweit von der Differenz zwischen Ist- und Sollwert der Schwingkreisfrequenz abhängt. Mit dem Spannungssignal des Phasendetektors 11 wird eine steuerbare Reaktanz 4, also ein Scheinwiderstand, in Form eines einstellbaren Kondensators und/oder einer einstellbaren Induktivität derart gesteuert, daß sich der Resonanzkreis automatisch abgleicht und ein Nachstellen von Hand überflüssig wird (Sp 3, Z 10 bis 30 iVm Sp 2, Z 42 bis 58).

Von diesem Stand der Technik unterscheidet sich der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 dadurch, daß anstelle eines kontinuierlichen Abgleichs der die Schwingkreis-Frequenz bestimmenden Induktivität und/oder Kapazität eine feste Impedanz phasenanschnittgesteuert zugeschaltet wird. Irgendwelche Hinweise, diese Maßnahmen zu ergreifen, finden sich in der Druckschrift [1] nicht.

Der Aufsatz [2] "Digital geht's besser" von Th. Klemm und M. Hamma befaßt sich mit dem Funktionsabgleich von Näherungsschaltern. Ein solcher induktiver Näherungsschalter besitzt als Sensor einen Schwingkreis, der ein elektromagnetisches Wechselfeld erzeugt, dessen Störung durch einen sich nähernden Gegenstand detektiert wird. Fertigungsbedingt ergeben sich bei diesen Sensoren Toleranzschwankungen, die einen nachträglichen Abgleich des Schaltabstands erforderlich machen. Die Lehre der Druckschrift [2] geht davon aus, daß hierzu üblicherweise in definiertem Abstand vor der aktiven Sensorfläche eine genormte metallische Bedämpfungsscheibe eingebracht wird, in der ein Wirbelstrom induziert wird, der dem Schwingkreis Energie entzieht. Die dadurch hervorgerufene Amplitudenänderung wird abgegriffen, durch einen Demodulator gleichgerichtet und mit einer Auslöseschwelle verglichen. Zur Justierung des Schaltabstandes wird ein Abgleichwiderstand RA so lange verändert, bis der Umschaltpunkt erreicht ist (Bild 1 iVm S 90, re Sp, 2. Abs). Gemäß Druckschrift [2] läßt sich ein solcher Abgleich besser mit einem getaktet betriebenen Abgleichwiderstand durch Variieren des Tastverhältnisses erreichen (Bild 2 mit Beschreibung S 91, li Sp, vorle Abs bis re Sp, Abs 2). Der Abgleichwiderstand RA besteht in diesem Falle aus zwei in Serie liegenden, geeignet dimensionierten Widerständen RV und RP, von denen einer (RP) über einen elektronischen Schalter S getaktet zugeschaltet wird. Über die integrierende Wirkung des Demodulators ergibt sich im Zeitmittel bei Variation des Schalter-Tastverhältnisses ein variabler Widerstand RA , der sich somit über dieses Tastverhältnis abgleichen läßt. Auf die Taktfrequenz des Schalters kommt es dabei nicht an; sie muß nur etwas größer sein, als die durch den Demodulator bestimmte Schaltfrequenz fS am Ausgang des Näherungsschalters (S 91, re Sp mittlerer Abs).

Die in Druckschrift [2] beschriebene Schaltung zeigt somit kein phasenanschnittgesteuertes Zuschalten einer Impedanz i.S. des geltenden Patentanspruchs 1; insbesondere wird nicht die Resonanzfrequenz eines Schwingkreises abgeglichen, sondern lediglich der Arbeitspunkt auf der RA-Kennlinie eingestellt. Insoweit hat der Fachmann keine Veranlassung, diesen Stand der Technik bei Einstellung der Resonanzfrequenz eines Schwingkreises heranzuziehen. Aber selbst wenn er die Lehre der Druckschrift [2] aufgreifen und auf den Stand der Technik nach [1] übertragen wollte, würde er nicht zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 gelangen, weil sich keine Anregung für das phasenanschnittgesteuerte Zuschalten der Impedanz ergibt.

Die von der Anmelderin selbst genannten Druckschriften liegen zur Überzeugung des Senats deutlich weiter ab. Sie haben auch weder im Prüfungs- noch im Beschwerdeverfahren eine Rolle gespielt.

3. Der zweifellos gewerblich anwendbare Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 ist somit patentfähig. Dieser Anspruch ist gewährbar. Für den auf ein Verfahren gerichteten, selbständigen Anspruch 4, der sich in den wesentlichen technischen Merkmalen nicht vom Anspruch 1 unterscheidet, müssen die vorgenannten Gründe in exakt gleicher Weise gelten. Auch dieser Anspruch ist gewährbar. Die abhängigen Ansprüche 2 und 3, die nichttriviale Weiterbildungen der im Anspruch 1 ausgewiesenen Vorrichtung betreffen, werden von diesem mitgetragen.

Grimm Greis Püschel Schusterbe






BPatG:
Beschluss v. 26.10.2000
Az: 17 W (pat) 71/98


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