Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 21. März 2011
Aktenzeichen: AnwZ (B) 36/10

(BGH: Beschluss v. 21.03.2011, Az.: AnwZ (B) 36/10)

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschlussdes 1. Senats des Hessischen Anwaltsgerichtshofs vom 8. Februar 2010 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen undder Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert 50.000 € festgesetzt. für das Beschwerdeverfahren wird auf

Gründe

I.

Der Antragsteller wurde am 22. April 2005 im Bezirk der Antragsgegnerin zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Zum 1. Mai 2008 trat er eine unbefristete Anstellung als "Wealth Consultant Top Executives" bei der C. Deutschland AG in F. an. Mit Bescheid vom 29. Juni 2009 widerrief die Antragsgegnerin die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Ausübung einer unvereinbaren Tätigkeit gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO.

2 Der Anwaltsgerichtshof hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde.

II.

3 Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 BRAO aF, § 215 Abs. 3 BRAO), hat in der Sache aber keinen Erfolg. Die Antragsgegnerin hat die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft zu Recht nach § 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO widerrufen. Die vom Antragsteller ausgeübte Tätigkeit als "Wealth Consultant Top Executives" für eine Bank ist mit dem Anwaltsberuf unvereinbar.

4 1. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt eine Tätigkeit ausübt, die mit seinem Beruf, insbesondere seiner Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege nicht vereinbar ist oder das Vertrauen in seine Unabhängigkeit gefährden kann; dies gilt nicht, wenn der Widerruf für ihn eine unzumutbare Härte bedeuten würde. Die Regelung greift in die Freiheit der Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 GG) ein, die grundsätzlich auch das Recht umfasst, mehrere Berufe zu wählen und nebeneinander auszuüben (BVerfGE 87, 287, 316). Gegen die gesetzliche Beschränkung der Berufswahl durch die Widerrufsmöglichkeit in § 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO bestehen von Verfassungs wegen keine Bedenken; sie dient der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege (BVerfGE aaO, 321). Das Ziel der Regelungen besteht darin, die fachliche Kompetenz und Integrität sowie ausreichenden Handlungsspielraum der Rechtsanwälte zu sichern sowie die notwendigen Vertrauensgrundlagen der Rechtsanwaltschaft zu schützen (BVerfGE aaO). Daher kommt es bei der Frage der Vereinbarkeit des Anwaltsberufs mit anderen beruflichen Tätigkeiten nicht nur auf die Integrität des einzelnen Bewerbers und die Besonderheiten seiner beruflichen Situation an; selbst wenn diese im Einzelfall durchaus günstig beurteilt werden könnten, ist darüber hinausgehend zu berücksichtigen, ob die Ausübung des zweiten Berufs beim rechtsuchenden Publikum begründete Zweifel an der Unabhängigkeit und Kompetenz eines Rechtsanwalts wecken müsste und dadurch das Ansehen der Rechtsanwaltschaft insgesamt in Mitleidenschaft gezogen würde (BVerfGE aaO, 320 f.).

5 Unabhängigkeit und Integrität eines Rechtsanwalts sowie dessen maßgebliche Orientierung am Recht und an den Interessen seiner Mandanten können bei einer erwerbswirtschaftlichen Prägung des Zweitberufs gefährdet sein; Interessenkollisionen liegen vor allem dann nahe, wenn ein kaufmännischer Beruf die Möglichkeit bietet, Informationen zu nutzen, die aus der rechtsberatenden Tätigkeit stammen (BVerfGE aaO, 329). Angesichts der Vielfalt kaufmännischer Betätigungen kommt es darauf an, ob sich der erwerbswirtschaftlich ausgerichtete Zweitberuf von der Tätigkeit des Rechtsanwalts, zumindest mit Hilfe von Berufsausübungsregelungen, unschwer trennen lässt oder ob sich die Gefahr einer Interessenkollision deutlich abzeichnet und nicht mit Hilfe von Berufsausübungsregelungen bannen lässt (BVerfGE aaO, 330).

6 2. Nach Maßgabe dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben hat die Antragsgegnerin die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft zu Recht widerrufen. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist dessen Tätigkeit als "Wealth Consultant Top Executives" bei einer Bank mit dem Anwaltsberuf nicht vereinbar.

7 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Tätigkeiten eines Rechtsanwalts im Versicherungs-, Finanzdienstleistungs- und Maklergewerbe in der Regel mit dem Anwaltsberuf unvereinbar; etwas anderes kann dann gelten, wenn der Rechtsanwalt in seinem Zweitberuf mit der akquisitorischen oder maklerischen Tätigkeit des betreffenden Unternehmens selbst nicht befasst ist (BGH, Beschuss vom 15. Mai 2006 - AnwZ (B) 41/05, NJW 2006, 2488 Rn. 7 m.w.N.). Denn Interessenkollisionen zwischen der Anwaltstätigkeit und dem Zweitberuf liegen besonders dann nahe, wenn der Anwalt in seinem Zweitberuf für das erwerbswirtschaftlich ausgerichtete Unternehmen, in dessen Dienst er steht, akquisitorisch tätig ist oder jedenfalls eine Beschäftigung ausübt, die mit dem geschäftlichen Interesse des Unternehmens, Gewinn zu erwirtschaften, untrennbar verbunden ist. Dies ist auch bei der vom Antragsteller ausgeübten Tätigkeit für eine Bank der Fall. Nach dem Vortrag des Antragstellers gehört zu seinen Aufgaben, ohne direkten Kundenkontakt eine bestimmte Zielgruppe, sogenannte "Top Executives", bei ihrer Vermögensstrukturierung in rechtlichen und steuerrechtlichen Belangen zu beraten. Die von ihm gefertigten Ausarbeitungen und konkrete Anlagemöglichkeiten bespreche der Kundenbetreuer mit dem Kunden. Der Anwaltsgerichtshof hat die sich daraus ergebende Gefahr von Interessenkollisionen, die in den Augen des rechtsuchenden Publikums Zweifel an der Unabhängigkeit des Rechtsanwalts hervorrufen kann, zutreffend aufgezeigt. Der Senat schließt sich der eingehenden und überzeugenden Begründung des Anwaltsgerichtshofs an. Die Gefahr von Interessenkollisionen, denen sich nicht durch Berufsausübungsregelungen begegnen lässt, besteht hier unter zwei Gesichtspunkten:

a) Die dem Antragsteller obliegende Rechtsberatung des Bankkunden in Bezug auf dessen Vermögensstrukturierung lässt sich vom Geschäftsinteresse der Bank, ihren Kunden Anlage- und Dienstleistungsprodukte zu vermitteln, nicht trennen. Das Beratungsangebot der Bank an ihre Kunden gehört zu ihrem Vertriebskonzept. Zwar ist der Antragsteller mit dem Vertrieb der Bankprodukte selbst nicht befasst, dies ist Aufgabe der Kundenbetreuer. Die vom Antragsteller ausgesprochenen Handlungsempfehlungen für die Vermögensstrukturierung des Kunden dienen aber unmittelbar der akquisitorischen Tätigkeit der Kundenbetreuer. Die Rechtsberatung durch den Antragsteller und die Anlageberatung durch den Kundenbetreuer gehen Hand in Hand. Das Gutachten des Antragstellers versetzt die Kundenbetreuer in die Lage, Empfehlungen zugunsten der von der Bank angebotenen Anlage- und Dienstleistungsprodukte auszusprechen, und fördert dadurch den Vertrieb dieser Produkte. Zu diesem Zweck beschäftigt die Bank den Antragsteller, und dazu ist er aufgrund seines Anstellungsvertrages auch verpflichtet. An dem wirtschaftlichen Erfolg seiner Tätigkeit hat der Antragsteller auch deshalb ein unmittelbares Interesse, weil er nach § 2 Nr. 3 des Anstellungsvertrags zusätzlich zu seiner Grundvergütung einen leistungsabhängigen Bonus erhält. Daraus folgt nicht, dass der Antragsteller die Kunden unsachgemäß zu beraten hätte; dies läge auch nicht im Interesse der Bank. Aufgrund der Eingebundenheit des Antragstellers in den Vertrieb der Bankprodukte liegt aber die Gefahr auf der Hand, dass sich der Antragsteller bei seinen Ratschlägen zur Vermögensstrukturierung des Kunden nicht nur von dessen Interessen, sondern auch von dem Interesse der Bank leiten lässt.

Eine derartige, vom Geschäftsinteresse der Bank nicht zu trennende und damit nicht unabhängige, sondern von einem fremden wirtschaftlichen Interesse mitbestimmte Rechtsberatung des Bankkunden durch einen hierfür angestellten Mitarbeiter der Bank ist - anders als etwa die Tätigkeit als Syndikus in der Rechtsabteilung der Bank, der die Bank selbst rechtlich zu beraten hat (vgl. BGH, Beschluss vom 26. November 2007 - AnwZ (B) 111/06, BRAK-Mitt. 2008, 73 m.w.N.) - mit dem Berufsbild des Rechtsanwalts und seiner Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege nicht vereinbar; sie gefährdet darüber hinaus auch das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts. Auch wenn die individuelle Integrität des Antragstellers nicht in Zweifel zu ziehen ist, kann seine im Interesse der Bank vorgenommene Rechtsberatung beim rechtsuchenden Publikum begründete Zweifel an seiner Unabhängigkeit wecken und dadurch das Ansehen der Rechtsanwaltschaft insgesamt beeinträchtigen (vgl. BVerfGE aaO, 320 f.). Diese Gefahr liegt hier besonders deshalb nahe, weil nicht ausschließbar von dem Kundenberater gegenüber dem Bankkunden der - objektiv nicht gerechtfertigte - Eindruck vermittelt werden kann, dass die von der Bank angebotene Beratung - weil von einem Rechtsanwalt geprüft - unabhängig und allein vom Kundeninteresse geleitet sei; stattdessen ist sie von einem abhängigen und weisungsgebundenen Angestellten der Bank vorgenommen worden. Deshalb könnte das Ansehen der Rechtsanwaltschaft Schaden leiden, wenn eine solche Beratungstätigkeit im Geschäftsinteresse einer Bank - unter Inanspruchnahme des Ansehens des Anwaltsberufs - von einem zugelassenen Rechtsanwalt neben seiner Anwaltstätigkeit ausgeübt werden dürfte.

b) Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass der Antragsteller das Wissen, das er als Rechtsanwalt aus der Beratung seiner Mandanten über deren Vermögensverhältnisse erlangt, dazu nutzen könnte, seinen Mandanten eine Vermögensanlage bei der C. zu empfehlen, die er als unabhängiger Rechtsanwalt nicht empfehlen dürfte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. Oktober 2003 - AnwZ (B) 79/02, NJW 2004, 212 , unter II 2 a, und vom 15. Mai 2006

- AnwZ (B) 41/05, NJW 2006, 2488 Rn. 13). Zwar liegt bei Ausübung eines Zweitberufs eine Interessenkollision, die das Vertrauen in die anwaltliche Unabhängigkeit gefährden könnte, nicht schon dann vor, wenn das Wissen aus der einen oder anderen Tätigkeit für die jeweils andere von Interesse und ihr vorteilhaft ist (BGH, Beschlüsse vom 19. Juni 1995 - AnwZ (B) 4/95, BRAK-Mitt. 1995, 213, und vom 11. Dezember 1995 -AnwZ (B) 29/95, BRAK-Mitt. 1996, 77). Erforderlich ist vielmehr, dass die zweitberufliche Tätigkeit des Anwalts bei objektiv vernünftiger Betrachtungsweise von Seiten der Mandantschaft die Wahrscheinlichkeit von Pflichtenkollisionen nahe legt (BGH, Beschluss vom 19. Juni 1995, aaO unter II 1 b bb; Beschluss vom 13. Oktober 2003, aaO unter II 2 b). So verhält es sich im vorliegenden Fall.

11 Rechtsanwälte erhalten bei der Ausübung ihres Berufs vielfach Kenntnis von Geld- oder Immobilienvermögen ihrer Mandanten (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2003, aaO unter II 2 a). Auch wenn der Antragsteller als "Wealth Consultant Top Executives" der C. selbst nicht an Vertriebszielen gemessen wird, liegt aufgrund der dargelegten Verflochtenheit seiner Angestelltentätigkeit mit dem Geschäftsinteresse der Bank objektiv die Gefahr nahe, dass der Antragsteller, dessen persönliche Integrität nicht in Frage gestellt werden soll, seinen Mandanten, die hierfür in Frage kommen, Anlage- und Dienstleistungsprodukte der Bank empfehlen könnte oder dass er die Kundenbetreuer, mit denen er zusammen arbeitet, auf solche Mandanten aufmerksam macht. Auch unter diesem Gesichtspunkt verhält es sich hier anders als bei einem Banksyndikus, der etwa im Rahmen seiner selbständigen Anwaltstätigkeit "nebenbei" auch auf vorteilhafte Kredite oder Vermögensanlagen seiner Bank hinweisen könnte, ohne dass dabei - wie hier - ein Zusammenhang mit seinem Aufgabenbereich innerhalb der Bank besteht (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2003, aaO unter II 2 b). Im vorliegenden Fall lässt sich dagegen aufgrund der Eingebundenheit des Antragstellers in die Vermögensberatung der C. die Gefahr, dass der Antragsteller in einer daneben ausgeübten Anwaltstätigkeit werbend für die Bank tätig wird, nicht von der Hand weisen. Dass sich diese Gefahr und die damit verbundene Kollision zwischen den Pflichten des Antragstellers, die ihm als Rechtsanwalt gegenüber seinen Mandanten obliegen, und den Interessen der Bank, denen der Antragsteller aufgrund seines Anstellungsvertrages verpflichtet ist, mit Berufsausübungsregeln allein nicht beherrschen lässt, ist offensichtlich.

12 3. Das Beschwerdevorbringen des Antragstellers rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die Tätigkeit des Antragstellers bei der C. unterscheidet sich gerade nicht grundlegend von derjenigen, die der Senat in der Entscheidung vom 15. Mai 2006 - AnwZ (B) 41/05 zu beurteilen hatte. Wie in jenem Fall ist der Antragsteller, wenn auch nicht in direktem Kontakt mit dem Kunden, an der auf Gewinnerwirtschaftung für die Bank ausgerichteten Finanzund Vermögensplanung beteiligt. Auch die mit einem Teil der Arbeitskraft neu aufgenommene Tätigkeit im Bereich Tax Consulting ändert an dieser Einschätzung nichts. Nach dem Vortrag des Antragstellers sind die bankinternen Kunden von Tax Consulting die Relationship Manager, d.h. die Kundenbetreuer. Es geht u.a. um die steuerrechtliche Beurteilung von Bank- und Kapitalmarktprodukten und damit lediglich um einen weiteren Teilaspekt der auf Gewinnerwirtschaftung gerichteten Finanz- und Vermögensberatung der C. .

4.

Eine unzumutbare Härte nach § 14 Abs. 2 Nr. 8 2. Halbsatz BRAO ist angesichts der Vollzeitstellung des Antragstellers bei der C. Deutschland AG nicht erkennbar.

5.

Der Senat konnte in Abwesenheit des Antragstellers verhandeln und entscheiden, weil dieser trotz ordnungsgemäßer Ladung und wiederholten Hinweises auf das Erfordernis eines aussagekräftigen ärztlichen Attests sein Ausbleiben im Termin nicht hinreichend entschuldigt hat.

Kessal-Wulf Roggenbuck Lohmann Wüllrich Hauger Vorinstanz: AGH Frankfurt, Entscheidung vom 08.02.2010 - 1 AGH 10/09 -






BGH:
Beschluss v. 21.03.2011
Az: AnwZ (B) 36/10


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