Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 27. März 1998
Aktenzeichen: 6 U 142/97
(OLG Köln: Urteil v. 27.03.1998, Az.: 6 U 142/97)
1. Bei der sich im Rahmen der Prozeßführungsbefugnis eines Verbandes im Sinne von § 13 II 2 UWG stellenden Frage der erheblichen Anzahl von Mitgliedern, die Ware gleicher oder verwandter Art auf demselben (räumlichen) Markt vertreiben, sind auch bundesweit tätige Versandhandelsunternehmen zu berücksichtigen.
2. Die Bewerbung eines "Lagerverkaufs" (hier: für sog.>weiße Ware
Tenor
Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 17. Juni 1997 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 373/97 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.
Gründe
Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie und insgesamt zulässige
Berufung der Antragsgegnerin hat in der Sache keinen Erfolg.
Zu Recht hat das Landgericht in dem angefochtenen Urteil die im
Beschlußweg erlassene einstweilige Verfügung im hier allein
interessierenden Punkt unter Ziffer 1 a) bestätigt. Der gemäß §§ 13
Abs. 2 Nr. 2, 7 Abs. 1 UWG prozeßführungsbefugte und
aktivlegitimierter Antragsteller kann von der Antragsgegnerin
Unterlassung der konkret beanstandeten Wertung mit dem Hinweis
"Lagerverkauf" verlangen, weil sich diese aus der Sicht zumindest
eines nicht unbeachtlichen Teils des angesprochenen Verkehrs als
Ankündigung einer nach der letztgenannten Vorschrift unzulässigen
Sonderveranstaltung darstellt.
1. Die Prozeßführungsbefugnis des antragstellenden Vereins kann
dabei von vornherein aus § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG bejaht werden. Der
Antragsteller hat dargelegt und glaubhaft gemacht, daß ihm in
erheblicher Zahl Gewerbetreibende als Mitglieder angehören, die
Waren gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt wie die
Antragsgegnerin vertreiben. Nach dem auch von der Antragsgegnerin
nicht in Zweifel gezogenen Vortrag des Antragstellers zählen unter
anderem die bundesweit tätigen Versandhändler O. und Q., die sich
unstreitig sämtlich auch mit dem hier betroffenen Vertrieb sog.
"weißer Ware" befassen, zu seinen unmittelbaren Mitgliedern. Die
Mitgliedschaft dieser, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung nach einen
relevanten Marktanteil repräsentierenden Unternehmen reicht aber
aus, um das hier in Rede stehende Merkmal der
Prozeßführungsbefugnis, nämlich die Mitgliedschaft einer
erheblichen Anzahl von sich mit dem Vertrieb gleicher oder
verwandter Waren auf demselben Markt befassenden Gewerbetreibenden,
bejahen zu können. Denn selbst dann, wenn sich die
verfahrenbetroffene Werbung der Antragsgegnerin in der Ausgabe des
"W. L. I. " vom 02.04.1997 örtlich allein auf den Bereich L.
beschränkt haben sollte, kann im übrigen eine Tätigkeit der dem
Antragsteller als Mitglieder angehörigen Gewerbetreibenden auf
demselben - lokalen - Markt angesichts des Umstandes ohne weiteres
angenommen werden, daß diese als bundesweit tätige
Versandunternehmen zweifellos auch in den vorbezeichneten
Wirtschaftsraum liefern.
Was die sonstigen Voraussetzungen der Prozeßführungsbefugnis des
Antragstellers, insbesondere seine ausreichende finanzielle,
personelle und sachliche Ausstattung angeht, bestehen im Hinblick
auf dessen unter anderem durch Erwirken zahlreicher gerichtlicher
Entscheidungen in jüngerer Zeit dokumentierte eigene Tätigkeit
keine Bedenken und werden solche von der Antragsgegnerin auch nicht
vorgebracht.
2. Das Unterlassungsbegehren, dessen Dringlichkeit gemäß § 25
UWG zu vermuten ist, erweist sich weiter auch als begründet. Die
Antragsgegnerin kündigt mit der verfahrensbetroffenen Werbung in
der Ausgabe des "W. L. I. " vom 02.04.1997 eine nach Maßgabe von §
7 Abs. 1 UWG unzulässig Sonderveranstaltung an.
Zum Zwecke der Klarstellung sei dabei von vornherein darauf
hingewiesen, daß es bei der hier vorzunehmenden
wettbewerbsrechtlichen Beurteilung der in Rede stehenden Werbung
nicht um das Verbot geht, generell mit dem Hinweis "Lagerverkauf"
zu werben. Aus diesem Grunde greift auch der Einwand der
Antragsgegnerin nicht, das landgerichtliche Urteil erweise sich
deshalb als rechtsfehlerhaft, weil ihr, der Antragsgegnerin, damit
untersagt worden sei, generell mit dem Hinweis "Lagerverkauf" zu
werben. Denn weder hat der Antragsteller - wie nachfolgend noch im
einzelnen auszuführen sein wird - im vorliegenden Verfahren ein
derartiges Verbot erstrebt, noch hat das Landgericht in der mit dem
angefochtenen Urteil bestätigten Beschlußverfügung ein solches
Verbot ausgesprochen. Unabhängig davon, daß die konkret
beanstandete Werbeanzeige im "W. L. I. " vom 02.04.1997 durch die
in den Tenor der bestätigten Beschlußverfügung eingestellte
Bezugnahme "... wie nachstehend wiedergegeben ..." Bestandteil des
ausgesprochenen Verbots selbst ist, machen jedenfalls die
Entscheidungsgründe des angefochtenen landgerichtlichen Urteils
deutlich, daß sich das aufrechterhaltene Verbot gerade auf die
konkrete Form der im vorliegenden Verfahren beanstandeten Werbung
erstreckt und damit zugleich auch beschränkt. Dies geht
unmißverständlich aus der Formulierung auf S. 9 des Urteils "... in
der vorliegenden konkreten Form - und nur diese hat die Kammer zum
Gegenstand des Unterlassungsgebotes gemacht - werden zumindest
nicht unerhebliche Teile des Verkehrs der Werbung ... die
Ankündigung einer unzulässigen Sonderveranstaltung entnehmen"
hervor. Angesichts dieser Umstände bleibt daher für die Auffassung
kein Raum, der Antragsgegnerin sei durch die mit dem
landgerichtlichen Urteil bestätigte Beschlußverfügung im hier
maßgeblichen Punkt unter Ziff. 1 a) generell die Werbung mit dem
Hinweis "Lagerverkauf" untersagt worden.
Die Antragsgegnerin hat mit der folglich allein zu beurteilenden
konkreten Werbung auch eine gemäß § 7 Abs. 1 UWG unzulässige
Sonderveranstaltung angekündigt.
Als Sonderveranstaltungen i. S. von § 7 Abs. 1 UWG einzuordnen
sind Verkaufsveranstaltungen im Einzelhandel, die außerhalb des
regelmäßigen Geschäftsverkehrs stattfinden, der Beschleunigung des
Warenabsatzes dienen und den Eindruck der Gewährung besonderer
Kaufvorteile hervorrufen, ohne jedoch Sonderangebote i. S. von § 7
Abs. 2 UWG zu sein. Bei einem nicht unbeachtlichen Teil des
angesprochenen Verkehrs, dem die Mitglieder des erkennenden Senats
als potentielle Käufer sog. "weißer Ware" angehören, erweckt der in
die vorliegende Werbung eingestellte Hinweis auf den Lagerverkauf
nach der konkreten Gestaltung der Anzeige aber den Eindruck, daß
damit ein nach diesen Kriterien als "Sonderveranstaltung" zu
qualifizierender Verkauf beworben wird.
Dabei ist es nicht von entscheidungserheblicher Bedeutung, ob
der in der Anzeige angekündigte Lagerverkauf tatsächlich eine
Unterbrechung des regelmäßigen Geschäftsverkehrs darstellt. Der
Antragsteller wendet sich im Streitfall gerade gegen die
Werbung für den Lagerverkauf. Ausschlaggebend für die
wettbewerbsrechtliche Einordnung unter den Unterlassungstatbestand
des § 7 Abs. 1 UWG ist daher der Eindruck, den die beworbene
Veranstaltung nach ihrer werbemäßigen Ankündigung auf das
angesprochene Publikum macht (vgl. Baumbach/Hefermehl,
Wettbewerbsrecht, 19. Auflage, Rn. 7 und 11 zu § 7 UWG m.w.N. ).
Selbst wenn sich aber der Lagerverkauf - wofür der Umstand spricht,
daß er in einem eigens hierfür eröffneten Ladenlokal nach der
Behauptung der Antragsgegnerin dauerhaft und losgelöst von dem
Geschäftsbetrieb in den übrigen Einzelhandelsfilialen durchgeführt
werden soll - objektiv nicht als Sonderveranstaltung darstellt, ist
die hier zu beurteilende Werbung ihrer konkreten Gestaltung nach
gleichwohl geeignet, bei zumindest einem nicht unerheblichen Teil
des angesprochenen Verkehrs subjektiv einen solchen Eindruck
hervorzurufen. Denn der Hinweis "Lagerverkauf" ist in der
Werbeanzeige im Zusammenhang mit dem in gleicher Weise
hervorgehoben gestalteten Hinweis "Neueröffnung am 03.04." zu
sehen. Teile des angesprochenen Verkehrs mögen diesen Hinweis zwar
so verstehen, wie die Antragsgegnerin ihn gemeint haben will,
nämlich als Ankündigung der Neueröffnung eines Ladengeschäfts, in
dem ausschließlich und ständig ein Lagerverkauf stattfindet.
Jedenfalls bei einem nicht unbeachtlichen, und für die
wettbewerbsrechtliche Beurteilung daher maßgeblichen Teil des
angesprochenen Verkehrs ruft die Kombination von "Lagerverkauf" und
"Neueröffnung am 3. 4." in der konkreten Form der Werbeanzeige aber
den Eindruck hervor, daß gerade aus Anlaß der Neueröffnung eines
Geschäftslokals am 03.04. ein Lagerverkauf durchgeführt werden
soll. Dieser Teil der Adressaten versteht die Werbung folglich
nicht als Hinweis auf die Neueröffnung eines Geschäftslokals, in
der als "Dauereinrichtung" Lagerverkäufe durchgeführt werden.
Vielmehr sieht er darin den Hinweis auf eine aus besonderem Anlaß
durchgeführte Verkaufsmaßnahme, in deren Rahmen für eine bestimmte,
nämlich durch den Zeitraum der "Neueröffnung" begrenzte Dauer Waren
zu besonders günstigen Preisen erworben werden können. Zumindest
aus der Sicht dieses Teils des von der Werbeanzeige angesprochenen
Verkehrs stellt sich der solcher Art angekündigte Lagerverkauf
daher als eine Sonderaktion dar, die einmalige und unwiederholbare
Besonderheiten aufweist und die daher aus dem Rahmen des
regelmäßigen Geschäftsverkehrs fällt. Denn daß sich zu dem Begriff
"Lagerverkauf" im Verkehr ein einheitliches Sprachverständnis
dahingehend herausgebildet habe, daß es sich hierbei um eine
Dauereinrichtung handele, bei der - da beispielsweise Kosten für
Transport und geschultes Verkaufspersonal nicht anfallen -
regelmäßig zu günstigen Konditionen "ab Lager" bestimmte Waren in
einem besonderen Geschäftslokal erworben werden können, läßt sich
weder dem Vortrag der Antragsgegnerin, noch dem Sachverhalt im
übrigen entnehmen. Heranzuziehen ist vielmehr auch ein
Wortverständnis in dem Sinn, daß aus einem bestimmten Anlaß in
einem Geschäftslokal Waren zu den Bedingungen eines Lagerverkaufs
bzw. zu "Lagerpreisen" verkauft werden. Die im Streitfall zu
beurteilende Werbung fördert dabei auch das letztgenannte
Wortverständnis durch den Umstand, daß " Neueröffnung" und
"Lagerverkauf" nicht in einen unmittelbaren Wortzusammenhang
gebracht sind, sondern daß dazwischen eine Datumsangabe steht.
Letzeres läßt wiederum durchaus den Schluß darauf zu, daß die
"Neueröffnung am 3.4." sich nicht auf die Eröffnung des
Lagerverkaufs bezieht, sondern daß umgekehrt der Lagerverkauf die
"Neueröffnung am 3.4." würdigen soll. Die letztgenannte Auffassung
zugrundegelegt stellt sich aber der Hinweis "Lagerverkauf" im
Streitfall als Hinweis auf eine aus besonderem Anlaß, nämlich der
Neueröffnung eines Geschäftslokals durchgeführte Verkaufsmaßnahme
dar, bei der Waren für eine bestimmte begrenzte Zeit außerhalb des
an sich in dem Ladenlokal durchgeführten regelmäßigen
Geschäftsverkehrs zu besonders günstigen Preisen erworben werden
können.
Dem vorbezeichneten Verständnis der Werbung wirkt dabei auch der
in den Fließtext der Anzeige eingearbeitete Hinweis "...finden sie
ständig mehr als 400 farbrikneue Geräte der Marken:.."nicht
entgegen. Denn unabhängig davon, daß dieser Formulierung, die auch
als Hinweis auf "ständig im Angebot befindliche fabrikneue
Elektrogeräte bestimmter Marken" gelesen werden kann, schon
inhaltlich nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit ein Hinweis
auf einen "ständigen Lagerverkauf" entnommen werden kann, ist der
Begriff "ständig" gegenüber der übrigen Gestaltung der Werbeanzeige
in drucktechnischer Hinsicht auch derart unauffällig gehalten, daß
er ohne weiteres von einem die Anzeige nur flüchtig lesenden
Interessenten übersehen werden kann.
Auch die konkrete Art der Ware, die mit der Werbeanzeige
beworben wird, schließt es nicht aus, daß es sich hierbei um eine
aus Anlaß der Neueröffnung eines Geschäftslokals außerhalb des
regelmäßigen Geschäftsbetriebs zu dem Bedingungen eines
Lagerverkaufs durchgeführte Sonderaktion handelt. Denn es ist nicht
unüblich und daher in der Vorstellung des Verkehrs verankert, daß
innerhalb eines Ladenlokals der hier betroffenen Art in besonderen
Bereichen auch "weiße Ware" zu Konditionen eines Lagerverkaufs
angeboten wird.
Angesichts des Umstandes, daß der Lagerverkauf aus der Sicht
zumindest eines nicht unbeachtlichen Teils des angesprochenen
Verkehrs im Streitfall als besondere Verkaufsaktion aus Anlaß der
Neueröffnung eines Geschäftslokals beworben wird, dient die
angekündigte Verkaufsveranstaltung ferner unzweifelhaft auch der
Beschleunigung des Warenabsatzes.
Diese erweckt weiter auch den Eindruck, daß besondere
Kaufvorteile gewährt werden. Nach der Gestaltung der Werbung soll
der Lagerverkauf aus der Sicht zumindest eines nicht unerheblichen
Teils des angesprochenen Verkehrs gerade aus Anlaß der Neueröffnung
eines Geschäftslokals stattfinden. Da einer Eröffnungsankündigung
aber stets eine zeitliche Begrenzung immanent ist (vgl. BGH GRUR
1977, 791 - "Filialeröffnung" -)ruft dies die Vorstellung einer nur
vorübergehenden, besonders günstigen Einkaufsgelegenheit hervor,
die so bald nicht wiederkehrt und mit der daher besondere
Kaufvorteile in Aussicht gestellt werden (vgl. Baumbach/Hefermehl,
a.a.O., Rdn. 17 zu § 7 UWG m.w.N.).
Der Antragsteller ist schließlich auch aktivlegitimiert, den
sich aus dem Verstoß gegen § 7 Abs. 1 UWG herleitenden
Unterlassungsanspruch geltend zu machen. Denn die mit § 7 Abs. 1
UWG nicht zu vereinbarende konkrete Werbung ist im Hinblick auf den
von ihr ausgehenden haben Anreiz für die Kaufentscheidung der
Umworbenen und die damit verbundenen möglichen Auswirkungen auf die
Interessen der Allgemeinheit geeignet, den Wettbewerb auf dem hier
betroffenen Markt erheblich zu beeinträchtigen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Senat sah
dabei keinen Anlaß, den Antragsteller etwa deshalb - teilweise -
mit den Kosten zu belasten, weil er ein über das Verbot der
konkreten Werbung hinausschießendes Unterlassungsbegehren verfolgt
habe. Allerdings ist es richtig, daß die nicht auf die konkrete
Gestaltung der angegriffenen Werbeanzeige Bezug nehmende
vorprozessuale Abmahnung des Antragstellers vom 4. April 1997 eine
solche Interpretation des Unterlassungsbegehrens zunächst nicht von
der Hand weisen läßt. Aus der Begründung des im vorliegenden
Verfahrens sodann geltend gemachten Unterlassungsbegehrens geht
aber hervor, daß sich der Antragsteller gegen die Ankündigung des
Lagerverkaufs gerade in der Form der Werbeanzeige wendet und wenden
will ( vgl. Antragsschrift S. 4, letzter Absatz und Seite 5 erster
Absatz sowie Schriftsatz vom 20. Mai 1997, Seite 2, erster Absatz
). Soweit das Landgericht die Werbeanzeige wie geschehen in den
Unterlassungstenor der Beschlußverfügung aufgenommen hat, diente
das folglich der nach Maßgabe von § 938 Abs. 1 ZPO zulässigen
Anpassung des Unterlassungsausspruchs an die konkret zur
Unterlassung begehrte Handlung, nicht aber der teilweisen
Zurückweisung des Verfügungsantrags und ist daher auch eine
anteilige Kostenbelastung des Antragstellers nicht angezeigt.
Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig (§ 545 Abs. 2
Satz 1 ZPO).
OLG Köln:
Urteil v. 27.03.1998
Az: 6 U 142/97
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/a93165ae1b3e/OLG-Koeln_Urteil_vom_27-Maerz-1998_Az_6-U-142-97